Protokoll der Sitzung vom 26.11.2003

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie sind blind auf beiden Augen!)

Tiere unter solchen unwürdigen und quälerischen Bedingungen zu halten. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Wintruff SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Die Grünen sind blind auf beiden Augen! – Lebhafte Zu- und Ge- genrufe – Unruhe)

Das Wort erhält Herr Abg. Kiefl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sollten uns nach dieser emotionalen Runde, insbesondere nach dem letzten Auftritt, den Fakten zuwenden.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das sind die Fakten: Käfige!)

Ich möchte vorweg eine Bemerkung machen. Liebe Kollegin Rastätter, ich kenne in unserem Land keinen Verantwortlichen, der sich für die Käfighaltung einsetzt.

(Abg. Capezzuto SPD: Doch, Sie! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Jetzt hören Sie zu! – Auch meine Fraktion will heraus aus diesem System

(Zurufe der Abg. Schmiedel SPD und Theresia Bauer GRÜNE)

zum Zeitablauf sage ich auch etwas –, und auch seitens des Bundesrats will am kommenden Freitag, wenn ich die Verlautbarungen richtig bewerte, niemand die Legehennen in Käfige zurücktreiben.

(Beifall des Abg. Hoffmann CDU – Zurufe von der SPD und den Grünen)

Aber die Alternativen zum Käfig müssen besser sein als das jetzige System. Ich hoffe, dass am Freitag der Künast’sche Schnellschuss, der voll danebengegangen ist, korrigiert wird,

(Beifall bei der CDU)

und zwar aus vier Gründen – das mag Sie verwundern –: erstens aus Tierschutzgründen, zweitens aus Gründen der Tiergesundheit, drittens aus Verbraucherschutz- und Umweltschutzgründen und viertens wegen der Arbeitsplätze und wegen eines Verlusts von Marktanteilen.

Zum ersten Punkt, dem Tierschutz. Für den Tierschutz hat Frau Künast mit diesem Beschluss nichts, aber auch gar nichts getan, sondern sie hat die Situation verschlimmert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei den Grünen)

Warum? Tierschutz ist dann gewährleistet, wenn die Mindeststandards, die ja bestehen, EU-weit umgesetzt werden. Dann gibt es kein Ausweichen. Sobald es Ausweichmöglichkeiten gibt, weil Standards nicht einheitlich umgesetzt werden, kommt es lediglich zu einer Verlagerung der Produktion von einem Platz zum anderen. Im positiven Sinn geschieht für den Tierschutz überhaupt nichts.

Wir erleben diese Verlagerung zurzeit, und zwar dorthin, wo die Tiere, die hier gehalten wurden, dann unter schlechteren Tierschutzbedingungen leben müssen, als es hier – bei einem System, das wir auch nicht wollen – der Fall war.

Beispiel: Pohlmann – die Agrarindustrie, da stimme ich Ihnen voll zu; nicht die Bauern – hat jetzt im grenznahen Gebiet in der Tschechei eine Baugenehmigung bekommen

(Abg. Teßmer SPD: Tschechien!)

Tschechien – für zwei Bereiche: zum einen für einen Legehennenstall in der Größenordnung von 800 000 bis 1 000 000 Tiere und zum anderen für drei Bauabschnitte à 200 000 Tiere für Zuchtbetriebe. Die Agrarindustrie investiert dort. Was macht Pohlmann? Er baut die alten Käfige, das Gelump, das auch wir hinauswerfen wollen, bei uns ab und in Polen oder in Tschechien wieder auf, um dort Tiere unter Bedingungen zu halten, die bei uns verboten sind. Er baut die Käfige im grenznahen Raum auf, und die Eier sind nicht für den tschechischen oder polnischen Markt bestimmt, sondern für uns.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Ähnliches war auch in der Schweiz der Fall, als die Bestimmungen verschärft worden sind: Der Selbstversorgungsgrad ist zurückgegangen, und der Import von Schaleneiern und Eiprodukten hat zugenommen. Für den Tierschutz und für den Wettbewerb ist damit nichts erreicht worden.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Alfred Haas CDU und Carla Bregenzer SPD)

Damit habe ich auch schon die Punkte Marktverluste und Arbeitsplatzverluste mit abgedeckt. Dazu brauche ich nichts mehr zu sagen. Beides, Marktverluste und Abbau von Arbeitsplätzen, liegt auf der Hand.

(Abg. Schmiedel SPD: Was wollen Sie denn jetzt?)

Zur Tiergesundheit. Meine Damen und Herren, hören Sie gut zu: In Käfigen leben die Tiere länger und gesünder; wohl fühlen werden sie sich nicht.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Warum? Ich nenne die Fakten. Ich habe es nicht untersucht; das sind wissenschaftliche Untersuchungen. Die Verluste in den Käfigen betragen 5 % bis 8 %, in der Bodenhaltung 12 % bis 18 % und in der Freilandhaltung 20 % bis 25 %, und das bei verkürzter Lebensdauer. Was sind die Ursachen? Die kennt auch jeder.

(Glocke des Präsidenten)

Ich möchte den Gedanken zu Ende führen.

Die Ursachen sind Kannibalismus, bakterielle und Viruserkrankungen, parasitäre Erkrankungen. Aus diesen Gründen wurden ja einstmals die Käfige eingeführt.

Damit zum letzten Punkt, zum Verbraucherschutz. Meine Damen und Herren, ich will etwas vorweg sagen. Dieses Thema Verbraucherschutz ist so sensibel, dass wir es hier einmal getrennt behandeln sollten, weil es das wert ist. Aber in Bezug auf den Verbraucherschutz weiß man: Die Keimbelastung der Eier, besonders bei der Bodenhaltung, ist eine sehr schwerwiegende Frage. Mehr will ich jetzt dazu nicht sagen, aber fragen Sie einmal die Babynahrungshersteller und die Altenheime, was die für Eier einkaufen.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Kollegin Rastätter.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass die Zahlen, die Sie gerade zur Mortalitätsrate usw. nannten, auf einer Untersuchung der niedersächsischen Geflügelwirtschaft basieren, einer Untersuchung, die zu diesem abschreckenden Ergebnis führen sollte und bei der gezielt niedersächsische Betriebe mit schlechter Bodenhaltung ausgewählt worden waren? Dabei hat es sich um eine reine Fragebogenaktion gehandelt, es gab keine wissenschaftliche Begleitung, und man hat bewusst und gezielt nicht die Haltungen in erfolgreichen Ländern wie zum Beispiel in der Schweiz oder in Österreich untersucht, wo es in der Freilandhaltung eine absolut niedrige Mortalitätsrate gibt und wo übrigens die Bevölkerung zu 60 % Eier aus Freilandhaltung kauft, weil die Schweiz eine Kampagne gestartet hat: „Kauft einheimische Eier aus Freilandhaltung“. Ist Ihnen das bekannt?

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Blattschuss!)

Mir ist alles bekannt. Sie dürfen davon ausgehen: Wenn ich Zahlen nenne, weiß ich, woher sie stammen. Diese Zahlen stammen aus einer wissenschaftlichen Studie der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Von da habe ich sie übernommen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Genau das ist die Studie, die ich eben genannt habe, eine reine Frage- bogenaktion!)

Ein Fazit in der ersten Runde – ich mache in der zweiten Runde Alternativvorschläge –:

(Abg. Walter GRÜNE: Wir haben keine zweite Runde!)

Mit dem einfachen Verbot der Käfighaltung wird nichts besser, sondern alles schlechter.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der SPD: Wer sagt das?)

Es ist keine Befreiung für Hühner, wenn sie aus den Käfigen in der Bundesrepublik herauskommen und in tschechische und polnische Käfige und in Käfige in anderen Mitgliedsländern kommen.

(Beifall bei der CDU – Heftiger Widerspruch bei den Grünen)

Dieses Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen – da können Sie schreien, wie Sie wollen –, wird erst gelöst sein, wenn Ökonomie und artgerechte Tierhaltung zusammenkommen. Erst dann wird dieses Problem gelöst werden. Dazu mehr Details in der zweiten Runde.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fischer SPD: Was? Wir haben nur fünf Minuten Redezeit! Es gibt doch gar keine zweite Runde!)

Herr Kollege Kiefl, ich will nur darauf aufmerksam machen, dass es keine zweite Runde gibt. Sie haben Ihre Redezeit nicht nur ausgeschöpft, sondern überschritten.