Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Zum Haushalt selbst haben Sie kaum etwas gesagt.

(Beifall des Abg. Sakellariou SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Ich kann Ihnen nur die Empfehlung geben: Lassen Sie sich das nächste Mal in den Bundestag wählen. Wir sind hier im baden-württembergischen Landtag.

(Beifall des Abg. Sakellariou SPD – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Wir hätten eigentlich schon gern gehabt, dass Sie etwas zu den Problemen des Landes sagen, anstatt ständig auf die Bundespolitik auszuweichen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Seimetz CDU: Da liegen die Probleme!)

Nein. – Würden Sie baden-württembergische Zeitungen lesen, wüssten Sie: Ich könnte Ihnen jetzt den heutigen Kommentar der „Stuttgarter Zeitung“ vorlesen. Er sieht ganz anders aus als das, was Sie uns heute vorgelesen haben:

(Abg. Scheuermann CDU: Aber ganz vorlesen!)

Selten klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie in der Finanzpolitik Baden-Württembergs.

(Oh-Rufe von der SPD)

Es wäre besser, das einfach einmal nachzulesen, als sich dauernd in Zitate aus der „Welt“ oder aus der FAZ zu flüchten.

Ich möchte einige Richtigstellungen zu Behauptungen vornehmen, die Sie hier aufgestellt haben. Das alles betraf natürlich wieder die Bundespolitik. Aber wenn Sie solche falschen Behauptungen aufstellen, muss man das einfach auch richtig stellen.

(Der Redner trinkt einen Schluck Wasser aus dem auf dem Rednerpult stehenden Glas, das für Minis- terpräsident Teufel bereitgestellt war. – Abg. Fi- scher SPD: Jetzt trinkt er sein Wasser leer! – Hei- terkeit)

Daraus hat ja schon einer getrunken. Mein Gott, mein Gott!

(Große Heiterkeit)

Hoffentlich werde ich jetzt nicht mit dem Vorlesevirus infiziert.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Es hat schon angefangen! – Anhaltende Heiterkeit)

Was? Es hat schon angefangen? Richtig. Oje! – Kann ich ein neues Glas Wasser bekommen?

(Anhaltende lebhafte Unruhe)

Ich möchte nur noch einmal richtig stellen, Herr Ministerpräsident, dass die Mittel – –

(Ministerpräsident Teufel stellt dem Redner ein Glas Wasser aufs Rednerpult. – Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Lebhafte Zurufe – Anhaltende Unruhe)

Die Mittel des Bundes für Projektförderung, zum Beispiel bei der Nanotechnologie, haben sich vervierfacht. Die Mittel für die Lebenswissenschaften haben sich um 50 % er

höht, Herr Ministerpräsident. 33 % mehr bekommt die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

(Abg. Schmiedel SPD: Oha!)

Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben. Selbst die Mittel für den Hochschulbau sind nach der vorgenommenen Kürzung immer noch um 5 % höher als 1998, als die CDU die Regierungsverantwortung abgegeben hat. Das muss man einfach einmal sagen, damit keine falschen Behauptungen aufgestellt werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Zweite Richtigstellung: Die Förderung der Nachbarschaftshilfe ist im Land Baden-Württemberg nicht, wie Sie vorhin behauptet haben, erhöht worden, sondern um 200 000 € gekürzt worden. Sie wollten die Mittel ursprünglich um 400 000 € kürzen, und diesen Betrag haben die Koalitionsfraktionen halbiert.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ist das nicht recht?)

Die Förderung ist also tatsächlich um 200 000 € gekürzt worden. Wir sagen nur: Darüber hätten wir reden müssen und nicht über die Frage, was der Bundeskanzler macht.

Überhaupt, Herr Ministerpräsident, ein Ratschlag: Es ist immer schlecht, wenn Sie anderen Menschen, die im Landtag von Baden-Württemberg sitzen und ihre Arbeit tun, vorwerfen, sie würden sich in Berlin nicht für die Interessen Baden-Württembergs einsetzen. Einen solchen Vorwurf halte ich für schlechten politischen Stil. Solche Vorwürfe machen wir Ihnen umgekehrt auch nicht.

(Lachen bei der CDU – Zurufe von der CDU)

Nein, wir machen das nicht. Wir sagen vielleicht, dass das eine oder andere so, wie es gemacht wird, falsch sei. Aber wir sagen nicht, der Ministerpräsident setze sich in Berlin nicht für baden-württembergische Interessen ein. Dafür setzen wir uns im Übrigen alle ein. Ich halte es nicht für einen guten demokratischen Stil, anderes zu behaupten.

Das Nächste: Sie sollten uns nicht dauernd mit Dingen konfrontieren, für die nicht wir verantwortlich sind, sondern für die die Bundesregierung verantwortlich ist. Wir sind in unseren Wahlkreisen für das Land Baden-Württemberg gewählt, und für dieses Land wollen wir Politik machen.

(Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

Deswegen kommen wir jetzt in der Debatte auch wieder auf das Land zurück.

(Zurufe von der CDU)

Lassen Sie mich noch etwas zur Landesstiftung sagen. Zu diesem Thema erzählen Sie immer eine Geschichte, die nicht stimmt. Wir haben Ihnen damals vorgeschlagen – so hat es die Stadt Stuttgart gemacht –: Machen Sie die Landesstiftung einige Monate später. Dann hätten Sie, nachdem das Bundesgesetz schon auf dem Weg war, mit 10 % Versteuerung auskommen können. Sie wollten das nicht. Und

warum wollten Sie das nicht? Weil eine Landtagswahl anstand,

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

vor der Sie Förderbescheide Ihrer Landesstiftung unter die Bevölkerung und unter Organisationen bringen wollten. Deswegen haben Sie die Landesstiftung damals gegründet und nicht wegen der höheren Steuer, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen finde ich es schon toll, wenn wir jetzt hören, dass Aufgaben, die eigentlich alle der Staat wahrnehmen müsste, die Landesstiftung erfüllt.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einmal auf die Sprachförderung eingehen. Die Vermittlung von deutscher Sprachkompetenz ist nach PISA eines der schwierigsten Themen und stellt bei unseren Schülerinnen und Schülern offensichtlich ein Problem dar. Alle Fachleute sagen: Die Grundlagen für die Sprachkompetenz müssen im Kindergarten gelegt werden. Was macht die Landesregierung? Sie führt die Sprachförderung zum einen auf freiwilliger Basis durch, indem sie diese Aufgabe der Landesstiftung übertragen hat. Dort kann sie nur freiwillig gemacht werden. Jetzt beteiligen sich an der Maßnahme der Landesstiftung, bei der wichtigen Frage der Vermittlung von deutscher Sprachkompetenz, gerade einmal lächerliche 60 Kindergärten, Herr Ministerpräsident,

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

obwohl wir bei der Sprachförderung eigentlich schnellstens etwas tun müssten, um die Grundlagen für die Sprachkompetenz zu schaffen.

Sie kennen sich mit den Ergebnissen der PISA-Studie doch offensichtlich aus: 20 % der baden-württembergischen Schülerinnen und Schüler im Alter von 15, 16 Jahren können nicht richtig Deutsch oder verstehen nicht das, was sie lesen. Wir sind darauf doch nicht stolz. Aber wir versuchen seit zwei Jahren ständig, Sie nach der PISA-Studie davon zu überzeugen, dass die Grundlagen für die Sprachkompetenz im Kindergarten gelegt werden müssen. Deswegen haben wir jetzt einen Antrag gestellt, der auch zur Abstimmung kommt, Geld zur Verfügung zu stellen, um zusammen mit den Kommunen eine Sprachförderung auf die Beine zu stellen, die diesen Namen auch tatsächlich verdient, und zwar in breitem Maße und für alle.

Wir sind der Auffassung, dass diejenigen Kinder, die nicht im Kindergarten sind, sich einer Sprachförderung unterziehen müssen – beginnend ein Jahr vor der Einschulung –, damit alle Kinder in Baden-Württemberg mit sechs Jahren die gleichen sprachlichen Voraussetzungen mitbringen, wenn sie in die Grundschule kommen. Das ist unser Ziel. Ihr Ziel ist ein ganz anderes. Freiwilligkeit, 60 Kindergärten: Sie werden sehen, dass Ihr Konzept nicht funktioniert. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Politik und unserer Politik.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Wir haben uns heute Morgen gefreut, als wir festgestellt haben, dass wir nach der IGLU-Studie bei den Grundschulen an erster Stelle unter sieben Bundesländern liegen. Vielleicht würden wir diesen Platz auch unter 16 Bundesländern einnehmen. Ich will das gar nicht infrage stellen. Nur: Die nächste Frage, die Sie als vorausschauender Politiker eigentlich stellen müssten, ist die: Warum sind wir dann erheblich schlechter, sobald sich unser Schulsystem differenziert? Warum sind wir eigentlich sehr gut, wenn alle Kinder zusammen sind? Genau dazu haben wir ja auch Anträge gestellt. Da machen Sie alle nicht mit. Warum sind unsere 16Jährigen bei der Sprachkompetenz plötzlich so schlecht, und warum sind unsere Kinder in der vierten Klasse, in der alle Kinder zusammen sind, so gut? Sie müssten einmal darüber nachdenken, warum Sie immer noch an der alten Aufteilung der Kinder nach vier Jahren in Hauptschule, Realschule und Gymnasium festhalten. Dazu gibt es x Anhörungen. Aber da gibt es keinen Ruck, daran halten Sie fest. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wundert uns, weil es eigentlich überhaupt keine pädagogische Begründung für die Grundschuldauer von vier Jahren gibt.

Wissen Sie überhaupt, warum wir vier Jahre Grundschule haben? Weil das eine Folge des Weimarer Schulkompromisses ist. Der Weimarer Schulkompromiss war, dass nach dem Kaiserreich die Vermögenden in dem Reich gesagt haben: Bis zum Jahr 1918 waren unsere Kinder nicht zusammen mit den Arbeiterkindern; das soll so bleiben. Die damalige Regierung hat gesagt: Alle müssen in die gleiche Schule gehen, und zwar acht Jahre lang. Und die anderen haben gesagt: null Jahre. Dann hat man, wie das halt so ist, diesen Kompromiss mit vier Jahren gemacht. Das war ein politischer Kompromiss. Mit Pädagogik hat das überhaupt nichts zu tun. Und heutzutage verteidigt die CDU in diesem Land die vier Jahre als pädagogisches Konzept.