Protokoll der Sitzung vom 30.01.2004

Die ganze Sache liegt auf internationaler Ebene begründet. Sieben Freizügigkeitsabkommen wurden 1999 zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen. Sie sind in nationales Recht transformiert worden. Diese Freizügigkeitsabkommen sind zum 1. Juni 2002 wirksam geworden. Sie beinhalten die Sicherstellung der Freiheit im Warenverkehr, aber auch eine Gleichstellung der am Wirtschaftsleben Beteiligten. Darunter fallen auch die Landwirte. Das heißt, der Schweizer Landwirt ist in den Rechten und Pflichten – in diesem Fall in den Rechten – gleichzustellen mit dem baden-württembergischen, dem deutschen Landwirt.

Dies wiederum heißt, dass wir, so denn ein Erwerb von Grundstücken ansteht, nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Interessen der deutschen Landwirtschaft handeln können bzw. Genehmigungen verweigern können, sondern die Genehmigung muss erteilt werden, als ob es ein Landwirt wäre, der nebenan, am Hochrhein, seinen Hof hat. Das ist das Erste.

Das Zweite: Was war zu tun, und was hätte getan werden können? Schon bei der Verabschiedung im Bundesrat hat

(Minister Stächele)

Baden-Württemberg einen Entschließungsantrag eingebracht, der insoweit angenommen wurde, als die Bundesregierung damals, 1999, aufgefordert wurde, die erkennbaren Probleme am Hochrhein bilateral mit Bern zu lösen. Dies ist nicht geschehen. Deshalb gehen wir damit jetzt erneut in den Bundesrat und versuchen, der Bundesregierung im Sinne der früheren Entschließung Beine zu machen. Wenn jemand in einer solchen internationalen Angelegenheit mit Bern sprechen kann, dann ist es Berlin. Wir dürfen Berlin nicht aus der Verantwortung entlassen.

Ungeachtet dessen gibt es die Prüfung, inwieweit wir über das Grundstücksverkehrsrecht das eine oder andere regeln können. Sie wissen, dass wir in Prozessen schon auf die Nase gefallen sind. Das heißt, unsere Spielräume sind da im Grunde genommen gleich null.

Herr Minister, darf ich Sie in diesem Zusammenhang noch einmal etwas fragen?

Ich freue mich.

Ist in Ihren Überlegungen auch eine Gleichstellung mit den Bauern geplant, die sich im Großraum Genf und auf der französischen Seite befinden?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Freihandelszone!)

Könnten deutsche Bauern dann in der Schweiz zu Schweizer Preisen verkaufen, wie französische Bauern in der Schweiz dies können? Planen Sie, eine Gleichstellung innerhalb dieser EU-Sondergrenzregelungen herbeizuführen?

Im Übrigen bekommen Sie unsere Unterstützung – zumindest meine –, was das Beinemachen bei der Bundesregierung anbelangt.

Nun, Herr Kollege Moser, das ist der zweite Teil des Themas, nämlich die Frage, ob wir mit den Zollvorschriften handeln können. Das wird aber die Grundstücksverkehrsangelegenheit nicht lösen. Es wäre bloß die Frage, inwieweit die Wettbewerbsposition der Landwirte auf beiden Seiten ungleich ist. In der Tat: Wenn ein Landwirt aus der Schweiz, der auf deutscher Seite anbaut, Produkte ohne irgendwelche Abgaben in den Schweizer Markt einbringen kann, dann sollte es umgekehrt aber auch so sein, dass auch der deutsche Bauer ohne Abgaben einbringen kann.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

Das ist aber das Kapitel der Zollvorschriften. Sie haben das zu Recht angesprochen.

Sie sprachen auch den Grenzraum bei Genf an. Ich habe mich jetzt ausdrücklich darüber informieren lassen, wie dort die Grundstücksverkehrsangelegenheiten geregelt werden. Mir scheint – wie oft in Europa –, dass die Franzosen da möglicherweise etwas pragmatischer mit den Dingen umgehen. Wir lassen das im Moment prüfen, und ich will das in die Gespräche einbringen. Wir werden in den nächsten drei Wochen mit Herrn Bötsch, dem Direktor des Schweizer Bundesamts für Landwirtschaft, die Gespräche fortführen.

(Abg. Moser SPD: Danke!)

Meine Damen und Herren, ich habe davon gesprochen, dass wir uns grundsätzlich zu einer eigenständigen baden-württembergischen Agrarpolitik bekennen. Das sind keine Sonntagsreden, sondern wir wissen, was wir haben. Wenn ich das jetzt noch einmal im Telegrammstil anspreche, so einfach deswegen, weil wir das alles im Hinterkopf haben müssen, wenn es darum geht, die gemeinsame europäische Agrarpolitik neu zu ordnen. Von allergrößtem Interesse ist, inwieweit die spezifischen baden-württembergischen Belange bei dieser Neuordnung gewahrt bleiben oder ob da und dort – und das wäre schlimm – tatsächlich Gefährdungen auftreten.

Sie wissen, dass ein zentrales und auch beispielgebendes Element der MEKA, die umweltgerechte Landbewirtschaftung ist. Immerhin beläuft sich – das bitte ich zu beachten, wenn man wieder über Subventionen und pauschalen Subventionsabbau spricht – diese Maßnahme, die unseren Landwirten zugute kommt, auf 148 Millionen €, die jährlich zur Verfügung gestellt werden.

Ich denke an den Gewässerschutz: 26,5 Millionen € über die SchALVO. Diese Mittel werden nicht deshalb vergeben, weil man sie jemandem nachschmeißen will, sondern weil man Bewirtschaftungsauflagen, die ertragsmindernd sind, ausgleichen will.

Das Dritte, ganz wichtig: unsere Landschaftspflegerichtlinie – immerhin 13 000 Verträge, rund 10 Millionen €. Sie beschreibt in ganz pragmatischer, flexibler Weise das, was Vertragsnaturschutz mit unseren Bäuerinnen und Bauern heißt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich erinnere auch an unsere Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Bitte behalten Sie die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten im Auge. Das sind gut angelegte Gelder, komplementär finanziert durch Bund und EU.

Aber bei all dem, was da im Schwange ist, lieber Kollege Walter, und angesichts der vielen Millionen, die verteilt werden: Bei schrumpfendem Gesamtplafond besteht immer wieder die ganz große Sorge, dass das, was man großzügig an eine Seite verteilt, letztlich an einer anderen Stelle weggenommen wird, nämlich dort, wo wir eine existenzsichernde Landwirtschaft, insbesondere zugeschnitten auf unsere kleinbäuerlichen Strukturen hier im Südwesten, aufgebaut haben.

Deswegen war ich auch über Ihren Antrag überrascht, bei den Aufwendungen für Flurneuordnung einzusparen. Meine Damen und Herren, Herr Teßmer, ich bitte Sie, sich nicht immer nur mit Herrn Kiefl zu treffen. Gehen Sie einmal mit dem Kollegen Fleischer an den Kaiserstuhl! Dort werden wir das Entstehen von Brachland über Brachland erleben, wenn wir unsere Flurneuordnung nicht in ungeschmälerter Form fortsetzen können.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Gehen Sie einmal dorthin, und schauen Sie sich das an. Das ist auch interessant. Insofern kann man sich sicherlich gegenseitig austauschen.

(Abg. Fleischer CDU: Fast 40 Verfahrensanträge!)

(Minister Stächele)

Und schließlich, meine Damen und Herren – ich muss es nennen, weil es einfach ein zentraler Baustein unserer Politik für den ländlichen Raum ist –, das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum. Ich weiß, dass ich diesbezüglich eine breite Unterstützung habe. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass da nie herangegangen wird. Trotz großer Sparzwänge sind wiederum 51 Millionen € ermöglicht worden. Ich danke ausdrücklich den Fraktionen, die das mitgetragen haben. Wenn Sie mit Bürgermeistern reden, stellen Sie fest: In einer Zeit der großen Veränderungen, in der es wirklich darum geht, überall dort, wo dies möglich ist, Ersatz- oder ergänzende Arbeitsplätze zu schaffen, ist dies d a s Instrument für den ländlichen Raum. Ich bin dankbar dafür, dass wir in diesem Haushalt trotz allergrößter Sparnot diese 51 Millionen € noch halten konnten.

(Beifall bei der CDU)

Warum habe ich das in den Eckdaten noch einmal skizziert? Die Sprecher der Fraktionen haben es schon angesprochen: Wir stehen mitten in einer ganz, ganz großen Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. Das Schlimme an der Reform ist – ich sage es einmal so, lieber Kollege Walter –, dass sie jetzt fast im Hauruckverfahren vollzogen wird. Wir müssen ja die parlamentarischen Beratungen bis zum 1. August abgeschlossen haben,

(Abg. Fischer SPD: Müssen wir nicht!)

damit wir unsere eigenen Modelle verwirklichen können.

Das Schlimme daran ist, dass wir auf diesem Weg fast nicht die Zeit haben, diejenigen mitzunehmen, die schließlich radikal von dieser Reform betroffen sind. Ich spüre das im Moment, wie Sie auch, auf Bauernversammlungen. Es ist im Grunde ganz schwierig, jetzt den Kommunikationsprozess zu betreiben, der den Menschen, die davon betroffen sind, Schritt für Schritt verständlich macht, was es bedeutet, wenn sie künftig die bisherigen großen und wichtigen stabilisierenden Förderungen nicht mehr erhalten, weil sie produzieren, sondern, weil jetzt entkoppelt wird und im Grunde die staatlichen Transferleistungen auf ganz neue Füße gestellt werden, die Förderung entweder nach einem Betriebsmodell – Fischler, Deutscher Bauernverband – oder eben nach einem Kombimodell, das unter Federführung unseres Hauses – das kann man mit Fug und Recht sagen – geschaffen wurde, erhalten, dann im Kontakt mit den anderen Bundesländern und dem Bund. Ich bin sehr stolz darauf, dass sich die baden-württembergischen Bauernverbände im Gegensatz zum Deutschen Bauernverband diesem Modell uneingeschränkt angeschlossen haben.

Wir können uns nicht vorstellen, was Fischler eigentlich mit einer Betriebsprämie meint, gemessen zwischen 2000 und 2002, egal, was künftig produziert wird. Das wäre der „Sofamelker“ in Potenz. Das kann der Gesellschaft überhaupt kein Mensch mehr klar machen. Können Sie sich vorstellen, dass ein Bullenmäster, der im Jahr 2001 diese Förderbeiträge für seine Rindfleischproduktion erhalten hat, am 1. Januar 2005 oder 2006 alle Bullen abschafft? Das heißt also, er wird nur noch seine Flächen bewirtschaften, denn er kann die neuen Prämienrechte nur aktivieren, wenn sie auf einer Fläche liegen. Er wird nach Cross Compliance bewirtschaften, aber er wird in der Tat eine an der damaligen Produkti

on orientierte Prämienzufuhr erhalten, die keinem Menschen mehr erklärbar ist.

Deswegen sind wir zum Kombimodell gekommen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln!)

Das heißt, wir gehen den Weg zu einer Flächenprämie. Diese Flächenprämie soll – das sage ich ganz ausdrücklich – komplett als bundeseinheitliche Flächenprämie im Jahre 2013 – das ist das Eckdatum der jetzigen Reform – verwirklicht sein.

Um die Übergänge einigermaßen abzufedern, um existenzielle Brüche zu vermeiden und um damit in den zentralen Bereich zu kommen, der uns die größten Sorgen bereitet, gibt es eben diesen Kombiansatz. Wir wollen im Übergangszeitraum bis 2012 betriebsindividuell Zusatzzahlungen, zum Beispiel für Rinder und Schafe, so genannte Topups, einführen. Diese werden dann stufenweise im Anpassungszeitraum abgeschmolzen. In der Milchwirtschaft heißt das, dass nicht einfach bisherige EU-Stützpreise für Milch genommen werden – das würden unsere Milchwirtschaftler nie und nimmer aushalten, etwa bei Herrn Kollegen Kiefl im Allgäu –, sondern dass wir hier tatsächlich Übergänge schaffen. Aber mit der klaren Zielsetzung, am Ende eine bundeseinheitliche Flächenprämie zu haben.

Ich gebe zu, die damit verbundene Überzeugungsarbeit ist nicht ganz einfach. Man muss wissen, dass bei dieser einheitlichen Flächenprämie, bei der ja nicht mehr die Produktion zugrunde liegt, Baden-Württemberg finanziell auch profitieren könnte. Das macht einige neidisch; das macht die Diskussion, auch mit unseren Nachbarn im Süden, schwierig. Aber wir sind fest entschlossen, die Vorteile unseres Kombimodells, nämlich gesellschaftliche Akzeptanz und ein kaum zu befürchtender Handel mit Prämienrechten – das scheint mir auch ganz wichtig –, wirklich umzusetzen und einen notwendigen Schritt nach vorne zu gehen.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren,

(Abg. Fischer SPD: „Ich komme zum Schluss“!)

lassen Sie mich jetzt zum Zweiten ein paar Sätze zu Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sagen. Ich weiß, ich halte Sie jetzt vom Konsum regionaler Produkte ab, aber ein Viertelstündchen müssen wir miteinander noch verbringen.

(Abg. Rau CDU: So lange? – Weitere Zurufe)

Ja, es ist schon gut. Bei absoluter Konzentration können wir es auf zehn Minuten kürzen.

(Abg. Walter GRÜNE: Zehn Minuten geben wir Ihnen noch!)

Lassen Sie mich zur Lebensmittelsicherheit einige wenige Sätze sagen,

(Abg. Zeller SPD: An der Abstimmung wird sich sowieso nichts mehr ändern!)