Protokoll der Sitzung vom 31.03.2004

Bayern hat so etwas, aber Baden-Württemberg nicht. In die RPs werden eingegliedert: Oberschulämter, Landesdenkmalamt, Forstdirektionen, Bezirksstellen für Naturschutz, Teile der Gewässerdirektionen, Teile der Gewerbeaufsichtsämter, Landesamt für Flurneuordnung,

(Abg. Alfred Haas CDU: Wo war denn vorher die demokratische Basis?)

Landesvermessungsamt, Landesgesundheitsamt, Landesversorgungsamt.

(Ministerpräsident Teufel: Also!)

In vielen wesentlichen Bereichen – das sei nur angemahnt gegen Ihre Kritik an unserem Zwölfregionenmodell – führt das faktisch zu einer Vierregionenlösung, und die RPs wachsen zu Mammutbehörden an, die weder schlank noch bürgerfreundlich sind.

Am Beispiel des Landesdenkmalamts kann man sehen, dass das Ganze noch weniger transparent wird. Das Landesdenkmalamt soll in sechs Ämter auf die vier RPs aufgeteilt werden – eines davon mit zwei Zentralen –, und dann soll ein Teil noch ans Ministerium gehen. Es werden zwei Zentralen geschaffen, um das ganze Personal unterzubringen. Es wird also nicht einfacher, sondern noch komplizierter.

Ich bitte Sie: Wenn jetzt Sonderbehörden in die Kreise geschoben werden, warum soll das Staatliche Schulamt oder das Forstamt dadurch bürgernäher sein? Denn der gemeine Publikumsverkehr findet ja – mit Ausnahme von Kfz-Angelegenheiten – auf den Landratsämtern überhaupt nicht statt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Haben Sie mal Sozialhil- feempfänger und Versorgungsamtskunden gese- hen?)

In der Regel gehen die Leute da genauso wenig hin wie auf ein Forstamt. Das tun nur bestimmte Leute und Betriebe, wenn sie besondere Anliegen haben. Da wäre es angebracht, Sie legten einen Katalog vor, nach dem wirklich kommunalisiert wird, damit dienstleistungsnahe Verwaltungsaufgaben auch wirklich an die Kommunen gehen.

Unsere Forderungen sind: Abbau von Bürokratie, konsequente Kommunalisierung aller dienstleistungsnahen Aufgaben, wo immer dies möglich ist, und Abschaffung der mittleren Verwaltungsebenen. Ich glaube, dass zum Bei

spiel alle Aufgaben, die das Kfz betreffen, sehr wohl jede Große Kreisstadt wahrnehmen kann und dass wir große Teile der Jugendhilfe und der Auszahlung der Sozialhilfe ebenfalls auf solche Städte verlagern können. Die haben starke Verwaltungen, die solche Aufgaben jederzeit wahrnehmen können.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das kann man schon heu- te machen, Herr Kretschmann!)

Die Auflösung der Regierungspräsidien haben Sie logischerweise abgelehnt, obwohl andere Bundesländer wie Niedersachsen zeigen, dass dieser Weg gangbar ist. Niedersachsen ist ein mit Baden-Württemberg vergleichbarer Flächenstaat, der das macht. Ich glaube, dass ein solcher zweistufiger Verwaltungsaufbau schlanker und effizienter wäre.

Zweitens ist diese Verwaltungsreform ineffizient und teuer. Eine reine Dezentralisierung bringt logischerweise keine Einsparung. Welche Einsparung soll es denn bringen, wenn ich 9 Gewerbeaufsichtsämter auf 44 Stadt- und Landkreise verteile, 18 Straßenbauämter auf 44, 30 Schulämter auf 44 und 35 Vermessungsämter – wobei Sie Teile privatisieren wollen – auf 44, um nur einige Beispiele zu nennen? Wer wirtschaftlich denkt und Kosten einsparen muss, konzentriert seine Kräfte auf rentable und funktionsfähige Einheiten und zerstückelt nicht Behörden in Miniämter.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist ja bekannt, dass vor dieser genialen Spaichinger Reform der Landwirtschaftsminister Kompetenzzentren für die ganzen Behörden in der Fläche schaffen wollte, dass die Kultusministerin die Zahl der Schulämter von 30 auf 24 reduzieren wollte, und Sie zerstückeln jetzt einfach diese Ämter und glauben, dass dadurch etwas besser und effizienter würde. Das kann doch im Ernst niemand wirklich glauben. Im Gegenteil, der Koordinations- und Abstimmungsbedarf wird steigen. Die Zahl der Schnittstellen wird zunehmen. Das treibt die Kosten in die Höhe.

In kleinen Verwaltungseinheiten kann das Personal nicht flexibel nach Bedarf und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen eingesetzt werden, sondern jedes kleine Kreisamt muss für sich wirtschaften und mit noch weniger Personal auskommen, und das, obwohl wir schon in vielen Behörden hoch spezialisierte Bedienstete haben, die ganz bestimmte Aufgaben wahrnehmen. Beim Landesdenkmalamt haben wir pro Gebiet überhaupt nur noch einen entsprechenden Bediensteten. Diese Bediensteten verteilen Sie jetzt auf die vier Regierungspräsidien. Dann sitzt sozusagen der Spezialist für Photogrammetrie im einen Regierungspräsidium und der für den archäologischen Denkmalschutz in einem der anderen. Das ist doch einfach unsinnig und nicht zielführend.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nehmen Sie zum Beispiel die Gewerbeaufsichtsämter. Da müssen heute komplexe Produktionsprozesse, etwa in der Pharmaindustrie, überprüft werden, was nur Spezialisten können. Was soll da gewonnen sein, wenn Sie das, was jetzt in einzelnen Gewerbeaufsichtsämtern konzentriert ist, zerstückeln und auf 44 Stadt- und Landkreise verteilen? Das ist eine völlig sachfremde Entscheidung.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hofer FDP/DVP: Das stimmt doch gar nicht!)

Unmittelbar zulasten des Verbraucherschutzes werden sich die Qualitätsverluste im Bereich der Lebensmittelüberwachung niederschlagen. Es ist doch ein Schildbürgerstreich, dass der Wirtschaftskontrolldienst, um den uns alle anderen Bundesländer beneiden, zerschlagen wird und dass jetzt ein System geschaffen wird, das offensichtlich nicht so zielführend wie der Wirtschaftskontrolldienst ist. Wir haben alle einen Brief von der Gewerkschaft der Polizei bekommen, der sehr schön aufführt, bei welchen wichtigen Aufgaben, die die Polizei bisher erfüllt hat, diese jetzt an der Wahrnehmung gehindert ist.

(Abg. Drexler SPD: Polizeisprecher!)

Es sind Aufgaben, die eingefahren sind, die die Polizei jetzt nicht mehr wahrnehmen kann.

Um da einmal eine Zahl zu nennen: Allein im Landkreis Ludwigsburg gab es im Jahr 2002 53 Strafanzeigen wegen Verstößen im Lebensmittelbereich.

(Abg. Schneider CDU: Und wie viele wurden ein- gestellt?)

Im ganzen Land Hessen, Herr Landrat – – Bitte?

(Abg. Schneider CDU: Wie viele davon wurden eingestellt?)

Das ist doch gar nicht entscheidend.

(Abg. Schneider CDU: Das ist entscheidend!)

Entscheidend ist, dass scharf kontrolliert wird. Das dient nämlich der Prävention in einem Bereich, in dem es ja nicht um irgendetwas, sondern um die Gesundheit von Menschen geht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist gerade der Erfolg des Wirtschaftskontrolldienstes, dass er durch sein scharfes Prüfen präventiv tätig wird und wir deswegen, soweit es überhaupt möglich ist, Lebensmittelskandale im eigenen Land verhindern.

Im ganzen Land Hessen haben Sie 40 solcher Strafanzeigen in einem Jahr; allein im Kreis Ludwigsburg sind es 53. Aber das ist offenbar genau das Ziel, das Sie anstreben; das ist meine These.

(Zuruf des Abg. Heinz CDU)

Es ist klar: Wenn das Modell, nach dem Sie verfahren, zu einer Effizienzrendite führen soll, kann das nur durch eine Verschlechterung der Qualität auf breiter Front erfolgen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Das hätten Sie gerne!)

Der Ministerpräsident weist in Haushaltsdebatten immer gerne darauf hin, dass wir ja in den letzten zehn Jahren schon 10 000 Stellen in der Landesverwaltung eingespart und abgebaut haben.

(Ministerpräsident Teufel: So ist es!)

Das heißt doch, dass ein weiterer Personalabbau in der Landesverwaltung nur entweder dadurch aufgefangen werden kann, dass das Qualitätsmanagement verbessert wird und so in größeren Verwaltungseinheiten ein flexiblerer Einsatz möglich ist, damit spezialisierte Fachdienste zusammenarbeiten können, oder dadurch, dass ein Aufgabenabbau vorgenommen wird

(Abg. Alfred Haas CDU: Beides!)

und damit Aufgaben, die die öffentliche Hand heute ausführt, an den Markt und an die Bürgergesellschaft zurückgegeben werden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Beides muss sein!)

Das ist der ganze Kern. Es ist nicht ersichtlich, wie dies durch Ihre gesamte Politik geschehen soll.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wir machen das aber!)

Ich möchte dies nun dezidiert am Beispiel der Forstverwaltung ausführen. Die Forstreform zeigt ja, welche Kollateralschäden diese Verwaltungsreform mit sich bringt. Das ist ein einziges Trauerspiel.

(Zuruf des Abg. Schneider CDU)

Allgemein wird vom Irrsinn der Zerschlagung der Forstverwaltung gesprochen. Denn unsere Forstverwaltung ist gut organisiert und arbeitet effizient.

(Abg. Drexler SPD: Hoch produktiv!)

Die Bewältigung der Schäden durch die schweren Stürme hat dies in vorbildlicher Weise gezeigt. Und Sie wollen mit dem Rasenmäher darüber gehen, Sie wollen diese Verwaltung zerschlagen

(Abg. Alfred Haas CDU: Überhaupt nicht!)

und in 44 Kreisforstämter umgliedern. Dabei wird ja nicht gefragt, ob das ein sachgerechtes Modell ist. Es passt eben so in die Teufel’sche Reform.