Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wohl wahr!)

Schüler und Schülerinnen müssen an der Schule stärker zu Partnern und Partnerinnen statt zu Belehrenden werden.

Die Schule muss den Kindern und Jugendlichen künftig mehr zutrauen, als das heute der Fall ist. Denn, meine Damen und Herren, es ist ganz erstaunlich, was Schüler und Schülerinnen zustande bringen, wenn man sie nur lässt. Wenn Jugendliche sich für etwas begeistern, bringen sie wirklich große Leistungen zustande. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: In Nürtingen haben die Schüler und Schülerinnen eines Gymnasiums ein großes Projekt „Die Schule als Staat“ auf die Beine gestellt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr schön!)

Dabei haben sie vom Parlament über alle Infrastruktureinrichtungen bis hin zum Drucken eigenen Geldes einen ganzen Staat hervorgebracht, der einige Tage bestand.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das zeigt, wie Schüler und Schülerinnen Aktivitäten entwickeln können, wenn man sie lässt.

Konkret, meine Damen und Herren, beantragen wir mit dem Ihnen heute vorliegenden Antrag, dass die Schüler und Schülerinnen im Rahmen der Bildungsplanreform aktiver einbezogen werden bei der Entwicklung des Schulprofils, bei der Ausgestaltung des schuleigenen Curriculums, des Schulcurriculums, bei außerschulischen Angeboten, beim pädagogischen Konzept der Ganztagsschule und auch bei der Schulevaluation. Dabei sollen sie nicht nur eingebunden werden, sondern auch Mitbestimmungsrechte bekommen.

Natürlich ist die Voraussetzung dafür, dass Schüler und Schülerinnen erweiterte Rechte in diesem Prozess bekommen, dass sie auch umfassend über die Ziele und die Formen der Bildungsplanreform informiert werden. Wir haben in unserem Antrag ja auch beantragt, dass regionale SMVVeranstaltungen stattfinden sollen, in denen die Schüler informiert werden. Diese Forderung ist offensichtlich aufgegriffen worden, denn ich habe gerade in der Zeitung gelesen, dass in Pforzheim ein SMV-Kongress gemeinsam mit dem Landesschülerbeirat und dem Ministerium stattfindet, in dem über die Bildungsplanreform für Realschüler informiert wird.

Uns Grünen ist wichtig, dass im Rahmen der Schulevaluation die Schüler und Schülerinnen in die Bewertung des Unterrichts einbezogen werden. Uns geht es dabei nicht um „Noten für die Lehrer“, wie das so oft durch die Presse gegeistert ist, sondern es geht im Kern um die Evaluation des Unterrichts mit dem Ziel, ihn zu verbessern.

Natürlich haben gute Lehrkräfte immer schon ein großes Interesse an einem Feedback durch die Schüler und Schülerinnen gehabt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es! Genau!)

Es ist doch ganz klar: Wenn ich als Lehrer meinen Unterricht verbessern will, dann muss ich ein Interesse daran haben, dass ich von denen, um die es dabei geht, nämlich von den Schülern und Schülerinnen, fundierte Rückmeldungen bekomme.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Es gibt zwar Leute, die sagen, Schüler und Schülerinnen seien nicht imstande, die Lehrleistungen zu bewerten. Ich meine aber, genau das Gegenteil ist der Fall. Schüler und Schülerinnen können gut analysieren, sie können gut beobachten, sie haben in der Regel auch einen hervorragenden Gerechtigkeitssinn, und sie können gemeinsam mit den Lehrern und Lehrerinnen Kriterien entwickeln, wie man eine solche Beurteilung des Unterrichts vornimmt. Dazu gehören Fragen wie: Ist die Lehrkraft gut vorbereitet? Ist es ein klar strukturierter Unterricht? Gibt es Methodenwechsel? Gibt es unterschiedliche Arbeitsformen? Wird auf die Interessen der Schüler und Schülerinnen eingegangen? Werden schwächere Schüler und Schülerinnen gut gefördert? Gibt es Möglichkeiten des selbstständigen Arbeitens? Wird wiederholt, wird gefestigt, und wie findet die Ergebnissicherung statt? Ich will damit deutlich machen, wie solche Kriterien aussehen können, mit deren Hilfe die Schüler und Schülerinnen dann sehr gut fundierte Rückmeldungen über die Qualität des Unterrichts geben können.

Klar ist natürlich, dass die Bewertung des Unterrichts altersgerecht erfolgen kann. Die Bewertungskriterien würden natürlich für die Schüler der Oberstufe anders aussehen als für die Schüler in der Grundschule.

Ich finde, dass man diese Beteiligung der Schüler an der Evaluation durchaus auch rechtlich festschreiben kann und muss. Denn immerhin ist auch im Hochschulgesetz die Evaluation der Lehre durch die Studierenden ganz klar festgelegt.

(Abg. Wacker CDU: Wir wollen doch weniger Bü- rokratie!)

Wie so oft antwortet das Kultusministerium auf unseren Antrag, die Entwicklung, die wir begehren, sei schon längst in die Wege geleitet,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Da haben Sie aber Recht!)

und verweist dabei auf die Schulkonferenz. Ich habe mir die Schulkonferenz- und die SMV-Verordnung angeschaut. Ich kenne die SMV-Verordnung als langjährige Verbindungslehrerin an der Schule ohnehin. Diese zwei rechtli

chen Instrumentarien sind völlig veraltet. Sie stammen aus Zeiten, als es noch keine Entwicklung zur selbstständigen Schule gab. Deshalb müssen diese Instrumentarien weiterentwickelt werden, und die Beteiligungsrechte der Schüler und Schülerinnen müssen sowohl in der Schulkonferenz- als auch in der SMV-Verordnung klarer definiert und festgeschrieben werden.

Deshalb schlagen wir Änderungen dieser Verordnungen vor. Wir schlagen auch vor, dass positive Beispiele für die Rückmeldungen über die Beurteilung der Lehrerleistungen durch die Schüler ins Netz gestellt werden, damit andere Schulen sich daran orientieren können.

Meine Damen und Herren, abschließend will ich noch eines klarstellen: Es geht uns Grünen natürlich nicht darum, den Schulen im Einzelnen vorzuschreiben, wie die Beteiligungsrechte der Schüler und Schülerinnen konkret im Detail auszusehen haben.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Eben!)

Das würde auch der Entwicklung zu autonomen Schulen nicht entsprechen. Vielmehr geht es uns darum, dass die Rechte festgeschrieben werden. Wie sie dann vor Ort konkret umgesetzt werden, bleibt letztendlich die Aufgabe der Schule und gehört mit zur Schulentwicklung jeder einzelnen Schule.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wer erlebt hat, wie engagiert die Schülervertreter und Schülervertreterinnen beim letzten Landesschülerkongress im Januar in Karlsruhe dafür plädiert haben, mehr Rechte an die Schulen zu bekommen, die Lehrerleistungen beurteilen zu dürfen, wer dabei erlebt hat, wie kompetent, wie engagiert und wie zielorientiert sie argumentiert haben, der weiß: Die Stärkung der Beteiligungsrechte, die aktive Mitwirkung von Schülern und Schülerinnen ist nicht nur eine Forderung den Schülern gegenüber, sondern ist auch ein Gewinn für alle Schulen im Lande und wird einen aktiven Beitrag zur weiteren Schulentwicklung leisten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Traub.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an der Gestaltung des Schullebens und an schulischen Reformen hängt aufs Engste mit der Einführung der neuen Bildungspläne zusammen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja! So ist es!)

Dies haben wir bereits gestern Nachmittag miteinander debattiert.

Ich möchte meine Ausführungen jedoch nicht allein auf die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern beschränken, sondern auch auf die Einbeziehung von Eltern und anderen am Schulleben Beteiligten bei den nun anlaufenden Reformprozessen ausweiten. Die Einführung der neuen Bil

dungspläne mit weit reichenden Möglichkeiten der Schulen zur eigenen Schwerpunktsetzung, zur Profilbildung und zur Gestaltung eines Schulcurriculums bieten die große Chance, den Stellenwert der Schule und der Bildung in unserer Gesellschaft insgesamt zu erhöhen. Die Reform geht weit über rein pädagogische Fragen hinaus.

Es war immer der Standpunkt der CDU-Landtagsfraktion, dass Schule nicht allein eine Anstalt zur reinen Wissensvermittlung ist, sondern dass sie gemeinsam mit den Eltern – und hier soll der Schwerpunkt auch künftig liegen – einen wichtigen Erziehungsauftrag wahrzunehmen hat.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir wollen auch in Zukunft dafür sorgen, dass Eltern ihren Erziehungsauftrag nicht an die Schule abgeben. Daher begrüßen wir jedes Engagement von Eltern und Schülern, aber auch von Kirchen, Vereinen, von der Kommune als Schulträger und von den Trägern der außerschulischen Jugendbildung.

Ich glaube, dass durch die Einführung der neuen Bildungspläne ein sehr fruchtbarer Diskussionsprozess an jeder einzelnen Schule und in jeder einzelnen Gemeinde darüber stattfindet, welchen Stellenwert und welche Schwerpunktsetzung Schule zukünftig haben soll, um weiteres Profil zu gewinnen. Es besteht die große Chance, dass die Schulen wieder stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens einer Kommune rücken und dass der Stellenwert der Bildung in der Gesellschaft weiter steigen kann.

Zugleich wird durch diesen Schulentwicklungsprozess öffentlich, welch wertvolle Arbeit unsere Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleiterinnen und Schulleiter leisten. Auch das muss einmal öffentlich deutlich gesagt werden.

Ich glaube auch, dass sich sehr viele Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Umsetzung der Bildungspläne motivieren lassen, sich für ihre Schule einzusetzen und sie aktiv mitzugestalten.

Dieses Engagement aller gesellschaftspolitischen Gruppen und aller am Schulleben Beteiligten sowie die öffentliche Wertschätzung der Bildung sind aus unserer Sicht im Übrigen wesentliche Faktoren dafür, weshalb zum Beispiel Finnland und Kanada bei internationalen Vergleichen wie der PISA-Studie so gut abgeschnitten haben.

Über die Frage, wie man die Eltern- und die Schülermitarbeit gestalten soll, kann man viel diskutieren; da stimmen wir Ihnen, liebe Frau Kollegin Rastätter, zu. Unsere Position hierzu lautet: Statt der Erstellung detaillierter Rahmenvorgaben und Verwaltungsvorschriften – also noch mehr Bürokratie – sollte es jeder einzelnen Schule vor Ort überlassen werden, ihren eigenen Weg durch die Einbeziehung der Eltern und Schüler zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wacker CDU: Sehr gut! Das ist der Weg!)

Wer auf unsere vielfältige Schullandschaft blickt, erkennt, dass es kein Patentrezept für alle Schulen gibt und dass je nach Schulart und Umgebung unterschiedliche Lösungen notwendig sind. Die Erarbeitung eines Schulprofils wird an einem Gymnasium wahrscheinlich ganz anders laufen als an

einer Grundschule oder an einer Hauptschule; das wissen Sie ja. Es wird aber auch große Unterschiede zwischen einer städtischen Hauptschule, beispielsweise in einem Stuttgarter oder Mannheimer Innenstadtbezirk, und einer Hauptschule im ländlichen Raum, auf der Schwäbischen Alb oder im Oberland, geben, da sowohl die Umgebung als auch Eltern- und Schülerschaft völlig unterschiedlich strukturiert sind.

Bei der Überlegung, wie man die Schüler am besten an der Erstellung eines Schulcurriculums und eines Schulprofils beteiligt, möge jeder vielleicht selber etwas an seine eigene Schulzeit zurückdenken und prüfen, wie viel Schüler dazu tatsächlich beitragen können und was sie auch beitragen wollen. Deshalb noch einmal: Wir sollten es unseren Schulen überlassen und ihnen mehr zutrauen, selber Wege zu finden, wie sie bei der Profilierung auf die wertvollen Potenziale der Eltern, Schüler und Schülerinnen zurückgreifen können. Im ungünstigsten Fall können detaillierte Verfahrensvorschriften oder Rahmenvorgaben – ich habe es vorhin schon verdeutlicht – zu leeren Hülsen werden und praktisch weniger hervorbringen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Schulen von sich aus auf die Eltern und Schüler zugehen – wir haben, wie ich vorhin gesagt habe, gute Schulleiterinnen und Schulleiter –, um ihre Impulse und Fähigkeiten zur Gestaltung der Schule zu nutzen. Daher halten wir es für den richtigen Weg, die schon bestehenden Beteiligungsstrukturen von Schülern und Eltern zu nutzen und zu modifizieren und darüber hinaus keine Sonderregelungen zu schaffen.

In diesem Sinn hat das Ministerium bereits gehandelt. In der Schulkonferenzordnung – Sie haben sie vorhin angesprochen – ist seit kurzem auch festgelegt, dass die Gesamtlehrerkonferenz über die Festlegung der schuleigenen Stundentafel im Rahmen der Kontingentstundentafel und die Entwicklung schuleigener Curricula im Rahmen der jeweiligen Bildungspläne erst nach Anhörung der Elternbeiräte und der Zustimmung der Schulkonferenz beschließt. Dort ist es verankert. In der Schulkonferenz befinden sich auch Vertreter der Schülerinnen und Schüler.

In Ihrem Antrag, Frau Kollegin Rastätter, wird angeregt, Schülerinnen und Schüler an der Evaluation der Schule zu beteiligen. Dies ist sicherlich überlegenswert, jedoch stehen wir bei der Entwicklung von Instrumenten hierfür noch ganz am Anfang.

(Glocke des Präsidenten)