Willkommen im Klub. – Nur: Sie haben ja im Frühjahr noch nicht einmal unterzeichnen wollen, dass das Land 528 Millionen € für Ganztagsschulen bekommt. Das muss man sich einmal vorstellen.
Wenn ich mir einmal ansehe, wie unterschiedlich Ihre Auffassungen sind: Der Herr Ministerpräsident sagt: „Als ob man das überhaupt braucht“ und meint, es werde ganz schwierig. Herr Oettinger sagt: „Wir brauchen natürlich mehr.“ Und Frau Schavan liegt mit ihren Aussagen zwischendrin. Dass man da eine gescheite Politik machen kann, wage ich zu bezweifeln.
Das Interessante ist ja, Frau Schavan, dass Sie schon wieder einen neuen Versuch laufen lassen. Wenn ich richtig gelesen habe, wollen Sie in 10 bis 15 Jahren an vier bis sechs Standorten die Verzahnung von Kinderhort und Schule testen.
Toll. – Ich fordere Sie auf, erst einmal darüber nachzudenken, wie es möglich sein wird, dass alle Kinder, die in die deutsche Schule kommen, mit sechs Jahren Deutsch können, und zwar ausreichend.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kretschmann GRÜNE – Abg. Carla Bregenzer SPD: Es darf auch Schwäbisch oder Badisch sein!)
75 000 von insgesamt 300 000 Kindergartenkindern können nicht richtig Deutsch. Man muss doch erreichen, dass diese Deutsch können. Da kann man doch nicht, Herr Ministerpräsident, hier hintreten, mit der Landesstiftung argumentieren und lachend darauf hinweisen, dass die anderen möglicherweise nichts machten. Was die anderen machen, ist mir wurst. Wir müssen so schnell wie möglich jede Begabung bei uns fördern. Das heißt: Jedes Kind muss Deutsch können. Ab dem dritten Lebensjahr muss Sprachkompetenz vermittelt werden. Das müssen Sie jetzt machen, nicht in 10 bis 15 Jahren.
Aber wenn 75 000 von 300 000 Kindergartenkindern nicht richtig Deutsch können, wissen wir, dass das offensichtlich nicht läuft.
Man kann sich doch hier nicht hinstellen und sagen, alles sei in Ordnung, es laufe ganz gut, und dann davon reden, dass Baden-Württemberg ein toller Standort sei. Die Qualität des Standorts können wir nur halten, wenn wir jede Begabung fördern. Die Qualität des Standorts können wir nur halten, wenn jedes Kind mit sechs Jahren Deutsch kann. Sie sprechen von Chancengleichheit. Chancen hat bei uns jemand überhaupt erst, wenn er Deutsch kann, wenn er mit sechs Jahren in die Schule kommt. Denn 20 % der Schüler, die mit 15, 16 Jahren aus der Schule kommen, können immer noch nicht Deutsch. Das ist ein Ergebnis von PISA. Und 10 % der Jugendlichen haben überhaupt keinen Schulabschluss. Warum Sie sich hier dauernd feiern lassen, wundert mich eigentlich. Das wundert mich wirklich.
Von dieser Pflichtaufgabe kann man sich nicht freikaufen. Chancengleichheit bedeutet, dass jedes Kind mit sechs Jahren die Schule besuchen und dort mitmachen kann. Jeder muss Deutsch können, damit er auch am Leben teilnehmen kann, damit er einen Ausbildungsplatz kriegt. All dies muss die Schule als Pflichtaufgabe schultern.
Seit Jahren sagen wir das. Seit Jahren stellen wir hierzu Anträge. Und seit Jahren lehnen Sie diese Anträge ab, das letzte Mal im Frühjahr, als wir den Antrag gestellt hatten, 8 Millionen € einzustellen, um zusammen mit den Kommunen die Sprachstandsdiagnose in den Kindergärten durchzuführen. Also bitte schön: Wir machen ja Angebote. Sie machen nur nicht mit.
Überhaupt habe ich den Eindruck, dass Sie immer der Meinung sind, Sie seien in der Opposition. Als ich am Samstag gehört habe, was da alles versprochen worden ist, habe ich gedacht: Das hätten Sie schon längst machen können, und zwar mit wenigen Maßnahmen.
Sie tun immer so, als wären Sie nicht an der Regierung. Wenn ich nachrechne, stelle ich fest, dass Sie schon lange an der Regierung sind. Dass Sie an der Regierung sind, ist aber ein Problem für die Bereiche Ganztagsbetreuung und Schule; das sage ich Ihnen schon.
Von Chancengleichheit sprechen und dann die Lernmittelfreiheit abschaffen wollen, das ist ja nun wirklich der Höhepunkt!
Wenn Sie das einführen, kommt das einem Schulgeld gleich. Ich sage noch einmal: Verlangen Sie von denen, die finanziell stärker sind, anständig Steuern, dann kann das finanziert werden, und führen Sie nicht einen Spitzensteuersatz von 25 % ein. Bei einem solchen Spitzensteuersatz müssten Sie solche Geschichten machen. Dann trägt näm
lich nicht der finanziell Starke ausreichend dazu bei, dass der Staat einigermaßen gut funktioniert.
Noch zwei Bemerkungen zu den Bereichen Zuwanderungsgesetz und Integration: Herr Ministerpräsident, wir haben schon das letzte Mal gesagt, dass Baden-Württemberg in der Integration nicht Spitze ist. Sie haben bei den letzten Haushaltsberatungen alle sozialen Maßnahmen zur Integration gestrichen, sodass die Träger diese Maßnahmen nicht durchführen können. Von wegen Integration!
Der Hauptpunkt in der ganzen Debatte, den ich Ihnen übel nehme, ist, dass Sie ständig neue Forderungen erhoben haben und in Ihrem eigenen Gutachten zur Zukunft BadenWürttembergs, das Sie mit der baden-württembergischen Industrie erstellt haben – das kam vor einigen Jahren heraus; das haben Sie dann gleich wieder in der Schublade verschwinden lassen –, in der Kommission übereinstimmend festgestellt wurde, dass Baden-Württemberg eine Zuwanderung von 25 000 qualifizierten Kräften pro Jahr benötigt. Das vergessen Sie bei dem ganzen ideologischen Schlaggetöse, das Sie hier machen.
Jetzt haben wir das Gesetz durch, und ich hoffe, dass wir das, was in dem Gutachten, das Sie selbst in Auftrag gegeben haben, steht, dann auch durchsetzen können.
Beim Zweiten, was ich sagen will, geht es um die Energieversorgung. Auch darüber haben Sie nichts verlauten lassen; das ist mir schon klar, weil die Energie Baden-Württemberg nicht gut dasteht. Sie stand ja unter der Landesfuchtel, und da hat sie alles Mögliche eingekauft – von Baubeschlägen bis zu Schuhen –, was mit dem Energiegeschäft relativ wenig zu tun hat.
Jetzt hat sie Gott sei Dank alles wieder abgestoßen, und wir hoffen, dass sie wieder investieren kann. Aber es muss uns doch nachdenklich machen, dass schon 25 % des Stroms, den wir hier verbrauchen, gar nicht mehr in Baden-Württemberg produziert werden.
Wir haben, weil Sie sich weigern, überhaupt keine Nachfolgestandorte ausgewiesen. Das muss doch gemacht werden! Ein Standort ergibt sich doch nicht von allein. Bei alldem, was mit Energiedienstleistungen zu tun hat, vergeigen Sie die Chancen Baden-Württembergs, weil Sie sich aus ideologischen Gründen so verhalten, unabhängig von der Frage „Kernenergie ja oder nein“.
Deswegen fordern wir Sie auf, Standorte auszuweisen, wie Herr Claassen davon auszugehen, dass die Kernkraftwerke tatsächlich abgeschaltet werden, und endlich Ihr eigenes Gutachten aus dem Wirtschaftsministerium hervorzuholen, das ja viel Geld gekostet hat und minutiös aufzeigt, dass ein
Ausstieg aus der Kernenergienutzung bei Einhaltung der Klimaschutzzahlen möglich ist. Das ist Ihr Gutachten! Warum halten Sie sich nicht daran?
Wenn wir Haushaltsanträge stellen, die zum Ziel haben, das Gutachten umzusetzen, dann lehnen Sie diese Haushaltsanträge ab. Deswegen, Herr Kollege Oettinger, nehmen wir Ihre Aussage, Kernkraftwerke sollten länger laufen gelassen werden, damit zusätzliches Geld für den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung steht, auch nicht ernst. Dies müssen wir, wenn wir glaubwürdig sein wollen, schon jetzt leisten!
Im Kampf gegen die Windkraft hat Ihnen ja jetzt Gott sei Dank auch noch das Verwaltungsgericht deutlich gemacht, dass die Stadt Freiburg zu Recht die Genehmigung ausgesprochen hat
und alles andere, was da ablief, vollständig ideologisch verbrämtes Theater gegen die Windkraft war, Herr Ministerpräsident.
Zum Schluss noch: Herr Ministerpräsident, ich glaube, dass Sie die Regierung bald wieder umbilden müssen. Ich glaube, wir haben heute über die Zukunft einer Regierung gesprochen, die gar keine Zukunft hat.
(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Sehr gut! – Ministerpräsident Teufel: Er spricht vom Bund!)
Wenn eine Justizministerin im Untersuchungsausschuss Prämissen aufstellt, die allgemein akzeptabel sind und für die baden-württembergische Justiz bisher gegolten haben, nämlich: „Ich mische mich nicht ein; ich informiere meinen Parteifreund nicht; ich verlasse sogar die FDP/DVP-Fraktionssitzung, wenn über den Fall Döring gesprochen wird“ – und das ist toll –,
dann ist es für uns nicht nachvollziehbar, warum die Frau Justizministerin am 6. Juli um 7 Uhr Herrn Wirtschaftsminister Döring anruft und ihm mitteilt, dass ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erklärt, das sei ja fast zeitgleich gewesen, wobei das natürlich schon eigenartig ist. Die Frau Justizministerin sagt, sie hätte das Recht gehabt, dies zu tun, weil ja am gleichen Tag der Brief gekommen sei. Der Brief kam gar nicht am gleichen Tag, nein, der kam nicht am 6., sondern am 7., wie es heute auch in der Zeitung nachzulesen ist. Das war also nicht zeitgleich.