Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

Lassen Sie mich aber jetzt noch ein paar landespolitische Fakten ansprechen. Was den Güterumschlag in den insgesamt 27 bundesdeutschen Binnenhäfen anlangt, belegen die baden-württembergischen Häfen mit Platz 5 (Mannheim), Platz 6 (Karlsruhe), Platz 8 (Heilbronn) und Platz 16 (Kehl) durchaus respektable Plätze in der vorderen Hälfte der Tabelle des Statistischen Bundesamts. Die exakten Zahlen, liebe Frau Berroth, haben mir bis gestern auch nicht vorgelegen, aber ich habe sie gestern erhalten,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Super!)

und ich kann sie Ihnen gern zur Verfügung stellen.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Aber sie wird nachrechnen! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Darauf können Sie Gift nehmen!)

Ich kann auch gleich die zweite Frage der Kollegin Berroth beantworten. In Baden-Württemberg sind nach Zahlen des Statistischen Bundesamts insgesamt leider nur noch 119 Unternehmen der Binnenschifffahrt mit 689 Beschäftigten gemeldet. Hinzurechnen muss man natürlich noch das Hafenpersonal, will man der wirtschaftlichen Bedeutung der Binnenschifffahrt gerecht werden.

Lassen Sie mich jetzt ein paar grundsätzliche Ausführungen machen. Es ist schade, dass der Kollege Palmer offensichtlich schon wieder auf Wahlkampf ist.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wir erzählen ihm alles weiter!)

Ein Binnenschiff – das hätte er sicher gerne gehört – ist ein zuverlässiges, leistungsfähiges und vor allen Dingen umweltschonendes Transportmittel. Immerhin erreicht die Binnenschifffahrt 80 bis 90 %, Frau Schmidt-Kühner, der Gütertransportleistung der Schiene.

(Abg. Göschel SPD: Alles richtig!)

Trotzdem wird die Bedeutung der Binnenschifffahrt in der Politik und in der Öffentlichkeit vielfach unterschätzt.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Zur Zukunft der Binnenschifffahrt in ganz Deutschland möchte ich zwei Fakten in den Raum stellen.

Erstens: Was die Prognose der Transportleistung bis 2015 anlangt, haben wir einen absoluten Anstieg wie bei allen Verkehrsträgern, aber einen relativen Rückgang im Vergleich zur Schiene und zum Lkw.

Zweitens: Ausweislich des bereits vielfach zitierten PLANCO-Gutachtens nimmt die Transportleistung der verschiedenen Verkehrsträger beim Lkw zu, bleibt auf der Schiene konstant und nimmt beim Binnenschiff prozentual in gleicher Höhe ab, wie sie beim Lkw zunimmt. Allein schon hieraus, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, folgt: Die Binnenschifffahrtsbranche befindet sich in schwieriger wirtschaftlicher Lage.

(Abg. Zimmermann CDU: „Fahrwasser“ wäre bes- ser!)

Herr Kollege Birzele, Frau Kollegin Berroth möchte – –

Nein, das war die Wortmeldung für nachher.

Ach so, Entschuldigung.

Frau Berroth will die Dinge, die Sie dargelegt haben, kommentieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Zahl der Unternehmen und der Beschäftigten in der deutschen Binnenschifffahrt im Bereich Gütertransport ist also deutlich rückläufig. Für Baden-Württemberg habe ich die Zahlen soeben genannt. Mit Sorge registrieren wir: Der Nachwuchs fehlt, und Neugründungen bleiben aus. Korrespondierend hierzu verzeichnen wir einen steigenden Marktanteil der ausländischen Konkurrenz. Kurzum: Das Gewerbe braucht Unterstützung auf allen Ebenen. Hier unterscheiden wir uns jetzt – angefangen von der steuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen bei Reinvestitionen über Investitionshilfen bis hin zu Zuschüssen für Ausbildungsplätze.

Was den Infrastrukturausbau anbelangt, muss das Binnenschiff verstärkt Teil moderner Logistikhäfen werden. Dazu ist der Ausbau der Häfen und der Wasserstraßen dringend notwendig. Leider, Frau Schmidt-Kühner, stellt der Bund nicht die ausreichenden Mittel für den Erhalt und den Ausbau der schiffbaren Bundeswasserstraßen zur Verfügung.

(Staatssekretär Hillebrand)

(Abg. Stickelberger SPD: Dafür kann Frau Schmidt-Kühner nichts!)

Da haben Sie Recht, Herr Stickelberger. Sie kann nicht unbedingt etwas dafür.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Es muss aber auch ein Nutzen errechenbar sein! – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Hillebrand, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Aber bitte schön, Herr Winkler.

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass die letzte Schleuse flussaufwärts am Rhein in Kaiseraugst – ich komme von dort – vor acht Jahren für einen Betrag von 18 Millionen DM auf 135 Meter ausgebaut wurde und dass seither dem Vernehmen nach noch nicht ein einziges langes Schiff dort durchgefahren ist?

(Heiterkeit bei der SPD – Zurufe)

Dafür will ich nicht garantieren. Wenn aber dort schon einmal eines durchgefahren wäre, hätte man die Ladung günstiger per Fleurop versenden können.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Das Zweite wissen Sie offensichtlich selber nicht genau: ob schon ein solches Schiff durchgefahren ist oder nicht.

(Abg. Teßmer SPD: Das wäre ihm gemeldet wor- den!)

Ich unterstelle einmal, dass die modernen Schiffe, die den Rhein befahren, in der Zwischenzeit eine Länge von 135 Metern haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber nicht al- le bis zum Hochrhein durchfahren!)

Ich spreche im Wesentlichen von der Situation am Neckar, wo wir ein enormes Defizit haben, meine Damen und Herren.

(Abg. Teßmer SPD: Nesenbach!)

27 Schleusen müssen da ertüchtigt werden. Wir haben einen hohen Investitionsbedarf von 75 Millionen €, die der Bund eben leider nicht bringt. Ich muss es noch einmal sagen.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Und wie groß ist die Nachfrage im Verhältnis dazu? Das muss man doch erst einmal ordentlich zusammenbringen! Das ist nicht darstellbar!)

Liebe Kollegin Schmidt-Kühner, die Ausgaben für die Bundeswasserstraßen – ich fasse es noch einmal zusammen – sind somit – da bin ich anderer Auffassung als Sie – im Vergleich zur Straße und zur Schiene völlig unzureichend. Für die Straße bringt der Bund, Planung Bundeshaushalt 2005,

(Abg. Teßmer SPD: Sie sollten sich mal den Lan- deshaushalt ansehen!)

4,6 Milliarden € pro Jahr, für die Schiene 3,7 Milliarden € und für die See- und die Binnenschifffahrt gerade einmal 0,6 Milliarden €.

(Abg. Göschel SPD: Plädieren Sie für eine Um- schichtung von der Straße zur Wasserstraße?)

Lieber Helmut Göschel, der geschätzte Bedarf – jetzt zitiere ich jemand völlig Unverdächtigen, nämlich das Institut der deutschen Wirtschaft – beträgt allein für die Gewährleistung funktionsfähiger Wasserstraßen 1,1 Milliarden € pro Jahr.

Liebe Kollegin Schmidt-Kühner, auch im Bereich der Schiene tut der Bund deutlich zu wenig. Ich wäre jetzt versucht, Ihnen das näher zu erläutern.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Wir sind nicht im Bundestag, Herr Hillebrand!)

Aber es betrifft unsere Infrastruktur, die Infrastruktur im Land. Ich denke, Rot-Grün ist einmal mit der Maßgabe angetreten, speziell für die Schiene mehr zu tun. Jetzt haben wir die Situation, dass gerade in diesem Bereich Kürzungen vorgenommen werden.

(Abg. Teßmer SPD: 16 Jahre lang haben Sie im Bund gar nichts gemacht! – Gegenruf des Abg. Blenke CDU: Das sind diese alten Sprüche! – Zu- ruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das Transportaufkommen der Binnenschifffahrt im Jahr 2003 war rückläufig.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Das hat zwei Gründe: erstens das Niedrigwasser aufgrund des trockenen und heißen Sommers im letzten Jahr und zweitens einen konjunkturbedingten Rückgang – und darüber können wir uns überhaupt nicht freuen – der Transportleistung von Baustoffen um 7 % wegen des Einbruchs der Bauindustrie. Betrug das Transportaufkommen in Baden-Württemberg in den letzten Jahren – von 1998 bis 2002 – noch rund 36 Millionen Tonnen pro Jahr, so waren es 2003 gerade noch ca. 31,5 Millionen Tonnen.