Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

Das hat zwei Gründe: erstens das Niedrigwasser aufgrund des trockenen und heißen Sommers im letzten Jahr und zweitens einen konjunkturbedingten Rückgang – und darüber können wir uns überhaupt nicht freuen – der Transportleistung von Baustoffen um 7 % wegen des Einbruchs der Bauindustrie. Betrug das Transportaufkommen in Baden-Württemberg in den letzten Jahren – von 1998 bis 2002 – noch rund 36 Millionen Tonnen pro Jahr, so waren es 2003 gerade noch ca. 31,5 Millionen Tonnen.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Was wollen Sie jetzt damit sagen?)

Das kommt noch, Frau Schmidt-Kühner.

Ein Lichtblick am Horizont ist die sehr positive Entwicklung bei der Containerverladung. Dabei haben wir eine Steigerung des Umschlags von 2001 bis 2002 um 3,6 % sowie im Vergleich zu 1995 eine Verdoppelung.

(Abg. Teßmer SPD: Merken Sie etwas? Seit 1998 geht es aufwärts!)

Im ersten Halbjahr 2004 war bundesweit eine Steigerung um 20 % im Vergleich zum Vorjahr zu vermelden. Die Containerverladung, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht im Hafen Mannheim bereits mehr als die Hälfte des

(Staatssekretär Hillebrand)

Umschlags aus, und durch den Bau des neuen Logistikzentrums von Daimler-Chrysler im Stuttgarter Hafen ist auch dort mit substanzieller Steigerung zu rechnen. Die Firma Daimler-Chrysler hat die Zeichen der Zeit erkannt, und hierfür sind wir ihr dankbar.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, hier ist schon die Frage gestellt worden: Was tut das Land für die Binnenschifffahrt?

(Abg. Dr. Caroli SPD: Genau!)

Jawohl, Herr Dr. Caroli! Was tut das Land? – Das Land hat sich zunächst einmal beim Bund erfolgreich für die Erteilung eines neuen Auftrags zur Verkehrsprognose bis 2025 auf der Bundeswasserstraße Neckar eingesetzt. Der Grund hierfür ist – ich habe es aufgrund der Frage des Kollegen Winkler bereits angesprochen –: Der Ausbau der 27 Neckarschleusen ist dringend notwendig. Ich habe auch die Schiffsgröße von 135 Meter genannt; wir brauchen Schleusen von 140 Meter Länge, und das kostet 75 Millionen €. Wir verlangen ja gar nicht, dass das alles auf einmal gemacht wird, aber es sollte einmal ein Anfang gemacht werden.

Der Verkehr auf dem Neckar wird zunehmen. Wir haben mit Blick auf die Stilllegung des Kraftwerks Obrigheim im nächsten Frühjahr mit mehr Kohletransporten auf dem Neckar zu rechnen. Wir haben zunehmende Containertransporte.

Was hat das Land noch getan? Das Land hat – das ist angesprochen worden – zusammen mit Sachsen-Anhalt Mitte 2003 im Bundesrat einen Antrag zur Wiedereinführung des Steueraufschubs für Veräußerungsgewinne im Falle von Reinvestitionen in Binnenschiffe eingebracht. Ich muss schon sagen: Es tut mir Leid, dass der Kollege Boris Palmer jetzt nicht da ist.

(Abg. Braun SPD: Das glaube ich nicht, dass Ihnen das Leid tut!)

Sie dürfen ihm etwas ausrichten. Ich beziehe mich auf etwas, was er vorhin in diesem Zusammenhang gesagt hat, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Er sprach – ich habe es mir aufgeschrieben – vom „Rest der Menschheit“. Er sagte, die Partikuliere seien der „Rest der Menschheit“. Das ist menschenverachtend, und es ist keine Art, hier – wenn man Politik für eine Gruppierung macht, die es ohnehin schwer genug hat – vom „Rest der Menschheit“ zu sprechen!

(Abg. Wieser CDU: Das hat Stuttgart nicht ver- dient!)

Lieber Kollege, das ist nicht die Art und Weise, wie man mit einer Gruppe Menschen umgeht, die es ohnehin schwer haben. Darüber sind wir uns einig.

Der Antrag des Landes Baden-Württemberg wurde – um der Wahrheit die Ehre zu geben – vom Bundesrat gebilligt. Ein entsprechender Antrag wurde im Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Oktober 2003 von den Koalitionsfraktionen abgelehnt, obwohl das vom Bund in Auftrag gegebene PLANCO-Gutachten „Potenziale und Zukunft der deutschen Binnenschifffahrt“ zu dem Er

gebnis kommt, dass diese Maßnahme von sehr hoher Dringlichkeit zur Stärkung des deutschen Binnenschifffahrtsgewerbes ist.

Die Wettbewerbsverzerrungen bzw. die Nachteile der unter deutscher Flagge fahrenden Partikuliere gegenüber den niederländischen und den belgischen Mitbewerbern hat Kollege Rolf Kurz deutlich aufgezeigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier bleibt der Bund aufgefordert, für Waffengleichheit zu sorgen. Das Land setzt sich darüber hinaus für den Ausbau der so genannten trimodalen Standorte Mannheim, Stuttgart, Kehl, Heilbronn und Karlsruhe ein. Hier sollen Schnittstellen für Lkw, Eisenbahn und Schiff auf Vordermann gebracht werden. Das Land, liebe Frau Schmidt-Kühner,

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Ich habe gar nichts gesagt!)

hat zu diesem Zweck in den letzten Jahren ca. 12 Millionen € zur Verfügung gestellt.

Letztlich – und das ist keineswegs der unwichtigste Punkt –: Das Land drängt beim Bund immer wieder darauf, ausreichende Finanzmittel für Bundeswasserstraßen zur Verfügung zu stellen.

Als Resümee bleibt festzuhalten:

(Abg. Teßmer SPD: Da gab es gar nichts zu kür- zen, denn da war ja gar nichts da!)

Die Binnenschifffahrt hat es schwer, ihre Bedeutung ins rechte Licht zu rücken. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass sich das Land auf den unterschiedlichsten Ebenen immer wieder mit Nachdruck für die Binnenschifffahrt einsetzt. Wir werden das auch weiterhin tun.

(Abg. Teßmer SPD: Aber nur, wenn es nichts kos- tet! – Abg. Kaufmann SPD: Aber nur, wenn es kein Geld kostet!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Berroth.

Herzlichen Dank all denen, die sich mit den Belangen der Binnenschifffahrt doch recht differenziert auseinander gesetzt haben. Für all die, die jetzt so besonders neugierig sind, wie zum Beispiel der Kollege Haas: Ich bin als Jugendliche

(Abg. Teßmer SPD: Da waren Sie Schifferin!)

mehrfach im Rahmen eines Ferienjobs im Zahlmeisterbüro beim ersten Flusskreuzfahrtschiff Europas mitgefahren, das damals im 14-Tage-Rhythmus zwischen Stuttgart und Rotterdam verkehrte. Dabei hat man natürlich auch Kontakt zur Güterschifffahrt gehabt; das ist keine Frage. Alles Weitere, Herr Haas, machen wir dann einmal bei einem Viertele, wenn Sie noch mehr wissen wollen.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Die Erfahrungen möchte ich gern wissen! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Auch ich bedaure, dass der Kollege Palmer hier zuerst eine große Sache ins Land gesetzt hat und dann einfach verschwunden ist. Frau Kollegin Lösch, die ihm alles ausrichten wollte, ist inzwischen auch nicht mehr da. Aber vielleicht gibt es jemanden, Herr Kretschmann, der Herrn Palmer sagt, dass dies sehr wohl ein landespolitisches Handlungsfeld ist, wenn es um die Wirtschaftskraft des Standorts Baden-Württemberg geht. Vielleicht richten Sie ihm insbesondere aus, dass es auch ein städtisches Handlungsfeld wäre, weil Stuttgart nämlich einen großen Hafen hat

(Unruhe und Zurufe, u. a. des Abg. Fischer SPD: Was für einen?)

und sicherlich auch im Hinblick auf das, was dort wirtschaftlich abläuft, einiges an Steuern einnimmt und auf die dortigen Arbeitsplätze dringend angewiesen ist.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Frau Kollegin, die Reden im Parlament werden protokolliert, falls Sie das noch nicht wissen!)

Gut, dann hoffe ich doch und bin sicher, dass Herr Palmer sie auch lesen wird.

Es wurde schon gesagt: Das Bundesverkehrsministerium hat ein Gutachten in Auftrag gegeben und veröffentlicht, in dem der ökologische und ökonomische Nutzen – eben auch der ökologische Nutzen – eindrucksvoll dargestellt sind, genauso wie der Handlungsbedarf beim Ausbau. Die Antworten liegen also eigentlich auf dem Tisch. Trotzdem wurde noch einmal ein neues Forum gegründet, Frau SchmidtKühner, und ich hoffe, dass man daraus dann auch die richtigen Konsequenzen zieht.

Sie haben natürlich Recht: Es gibt noch Kapazitätsreserven. Aber fragen Sie sich doch einmal selbst, ob Sie heute in eine Branche investieren würden, bei der man deutlich sieht, dass es nicht möglich ist, sich ein modernes Schiff zu kaufen, um damit zu fahren, wenn dann, wenn das alte Schiff verkauft wird, alles, was da an stillen Reserven realisiert wird, versteuert werden muss. Der Schiffer hat dann also kein Geld mehr, um sich ein neues Schiff zu kaufen.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD – Zuruf von den Grü- nen: Das ist ja gar nicht wahr!)

Das liegt nämlich an dem § 6 b des Einkommensteuergesetzes, der in der Debatte bereits beschrieben wurde, und es handelt sich dabei nicht um einen kleinen Teil der Menschheit. Dieser § 6 b tut unserem Mittelstand insgesamt so gnadenlos weh, dass der Mittelstand sich Stück für Stück verabschiedet. Genau das wollen die Gewerkschaften. Ich hoffe, dass das nicht gelingt und dass der Mittelstand es schafft, durchzuhalten.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist doch vor 1998 nieder- gegangen! – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Aber das ist doch kein Problem der letzten fünf Jahre, Frau Berroth! – Abg. Teßmer SPD: Zehn Jahre nichts getan, und dann die große Klappe!)

Der Grund dafür, dass da Kapazitätsreserven sind, ist die fehlende Zukunftsperspektive. Und genau diese Zukunftsperspektive wollen wir schaffen. Deshalb bitte ich die Landesregierung darum, sich zu überlegen, inwieweit sie bezüglich des § 6 b im Hinblick auf die Reinvestierung noch einmal initiativ werden könnte. Denn man sieht doch deutlich:

(Abg. Teßmer SPD: Sie haben doch schon vor 1998 alles kaputtgehen lassen!)

Als das Land 1998 das Containerterminal gebaut hat, gab es diesen Aufschwung. Deshalb brauchen wir weitere trimodale Umschlagplätze,

(Abg. Teßmer SPD: Was für Dinger?)

um einfach die Zukunftsfähigkeit im Binnenschiffverkehr auch für Baden-Württemberg offen zu halten.

Die ökologischen Vorteile des Schiffs sind, auch wenn es immer wieder bestritten wird, offensichtlich. Das höhere Transportvolumen wurde angesprochen. Auch die Kraftstoffverbrauchswerte je transportierte Tonne sind beim Schiff günstiger als bei allen anderen Verkehrsträgern, und Schiffsmotoren heutiger Generation sind, auch was den Wellenschlag betrifft, absolut umweltfreundlich. Natürlich streben wir genau das an, was Herr Palmer angeregt hat, nämlich dass wir sowohl Schifffahrt als auch Erholungsraum haben. Gerade aus meiner frühen Jugenderfahrung weiß ich, dass sich das sehr wohl miteinander verträgt und dass das keine Gegensätze sind.