Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!)

Jeder Jugendliche, der jetzt nicht ausgebildet wird, fehlt später als Fachkraft, und jeder Jugendliche, der jetzt nicht ausgebildet wird, hat oft auf lange Zeit keine Chance am

Arbeitsmarkt und damit für einen wichtigen Teil seines Lebens.

Meine Fraktion hat sich seit einem Jahr immer für den Ausbildungspakt und gegen eine Ausbildungsplatzabgabe eingesetzt.

(Abg. Rückert CDU: Das war richtig!)

Wir meinen, dass eine Abgabe in dieser Situation auch nicht zu mehr Ausbildungsplätzen geführt hätte.

(Abg. Wintruff SPD: „Umlage“ heißt das!)

Umso mehr ist es jetzt notwendig, dass wir den Ausbildungspakt zu einem Erfolg führen. Dafür gibt es nicht nur eine Maßnahme, sondern dafür brauchen wir ein Bündel von Maßnahmen.

Wir sehen auf der einen Seite das Bemühen der Betriebe, aber leider reicht das allein noch nicht aus. Die Nachvermittlungsaktion von Kammern und Arbeitsagentur muss hier noch deutliche Verbesserungen erbringen. Wir glauben auch, dass die neu eingeführten Praktikumsplätze eine wichtige Lücke zwischen Ausbildung und schulischen Maßnahmen schließen werden.

Aber auch die Landesregierung muss Ernst machen mit ihrem Beitrag zu einer besseren Ausbildungssituation hier in Baden-Württemberg. Da sehe ich vor allem drei Punkte:

Zum einen betrifft das die Situation an den allgemein bildenden Schulen. Wir alle wissen: Viele Schulabgänger sind nicht ausbildungsreif. Wir alle haben Gespräche mit Unternehmern geführt, die gesagt haben: „Wir hätten ja Ausbildungsplätze, aber wir haben keine geeigneten Bewerber.“ Das muss sich ändern. Bei diesem Problem hat auch die Landesregierung versagt. Bei den beruflichen Schulen hat sie zwar mit mehr Deputaten den Anstieg der Schülerzahlen aufgefangen, aber die strukturelle Unterversorgung bleibt bestehen. Nach wie vor brauchen wir eine Schulreform, die dafür sorgt, dass Schulabgänger grundlegende Fähigkeiten wirklich beherrschen, sodass sie in der Lage sind, eine Ausbildung aufzunehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Als zweiten Punkt möchte ich daran erinnern, dass auch das Land selbst einen größeren Beitrag zum Ausbildungspakt leisten muss, als es ihn bisher in Aussicht gestellt hat. Die Politik muss auch hier Ernst machen mit dem Erfüllen ihrer Versprechungen. Die Landesregierung will laut Ausbildungspakt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisse in der Landesverwaltung im Jahr 2005 um 20 % steigern. Meine Damen und Herren, warum verspricht das Land hier eine Erhöhung erst für das Jahr 2005, warum kommt sie nicht jetzt im Jahr 2004, wo wir doch jetzt die Probleme haben? Das Land bleibt damit hinter dem nationalen Ausbildungspakt zurück. Auch die Zahlen, die genannt werden – der Ministerpräsident hat die Zahl 114 genannt –, sind schöngerechnet, denn aus anderer Quelle, aus einer Stellungnahme des Finanzministeriums, wissen wir: 20 %, die das Land versprochen hatte, wären 166 Ausbildungsplätze. Das müssen wir umsetzen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich darf einen dritten Punkt nennen. Dieser ist zwar zahlenmäßig weniger bedeutend, aber er ist hier im Hause auch konkret anzugehen. Er betrifft die Landtagsverwaltung. Es kann nicht sein, dass sich der Landtagspräsident nicht imstande sieht, fünf jungen Menschen einen Ausbildungsplatz in der Landtagsverwaltung zu bieten, wie es zum Beispiel die SPD gefordert hat. Wir Grünen als kleine Fraktion hier im Landtag haben es erreicht, dass wir ein Ausbildungsbetrieb sind.

(Abg. Fischer SPD: Und wir auch!)

In diesem Jahr schaffen wir es zum zweiten Mal, einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Wenn eine so kleine Fraktion wie die der Grünen das schafft, dann sollte der Landtag als Ganzes mit seinem großen Apparat es doch schaffen, fünf Ausbildungsplätze bereitzustellen!

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Sehr richtig!)

Herr Präsident, hier fordere ich von Ihnen entsprechende Aktivitäten ein.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Sie sehen: Viele Puzzlesteine müssen zusammengesetzt werden, um die Ausbildungskrise zu bewältigen. Nur wenn Wirtschaft und Politik sich gemeinsam anstrengen, können wir die Ausbildungskrise überwinden. Aber hinsichtlich der Verbesserung der Schulbildung und der Bereitstellung eigener Ausbildungsplätze ist die Landesregierung wirklich am Zuge.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Wirtschaftsminister Pfister.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will einmal versuchen, Ihnen den Streitwert deutlich zu machen, um den es heute, Stand 7. Oktober, geht – mehr wissen wir noch nicht; was am 27. Oktober sein wird, müssen wir abwarten –: Am 7. Oktober suchen in Baden-Württemberg – und nur von Baden-Württemberg spreche ich – 3 500 junge Leute einen Ausbildungsplatz,

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

und es sind noch 2 000 Ausbildungsplätze als offen gemeldet. Wenn ich einmal davon ausgehe, dass wir diese 2 000 offenen Ausbildungsplätze tatsächlich noch besetzen, dann ist der Streitwert der, dass in ganz Baden-Württemberg 1 500 junge Leute noch einen Ausbildungsplatz suchen.

(Widerspruch des Abg. Wintruff SPD – Zuruf von der SPD: Unsinn!)

Lieber Kollege Wintruff, bevor ich so herumjammern und herumnölen würde, würde ich mich an Ihrer Stelle anstrengen, dass diese 1 500 Plätze in Baden-Württemberg auch noch besetzt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Das war aber nicht ministrabel! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des von Ihnen angesprochenen Herrn Abg. Wintruff?

Ich habe doch gerade erst angefangen!

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das war eben aber keine ministeriale Ausdrucksweise!)

„Jammern“ ist absolut ministrabel.

(Abg. Seimetz CDU: Dann wäre ja Herr Wintruff ministrabel!)

Bitte.

Herr Minister, bevor Sie sich weiter in falsche Zahlen hineinknien:

(Zuruf von der SPD: Steigern!)

Es ist doch leicht nachvollziehbar. Ich habe Ihnen gesagt, dass es Anfang September 20 000 unversorgte junge Menschen gab und diese Zahl bis Ende September auf die auch von Ihnen genannte Zahl 3 500 reduziert worden ist. Ich frage Sie: Wo sind die übrigen 16 500 Jugendlichen geblieben? Marlene Dietrich würde singen: „Wo sind sie geblieben?“ Geben Sie eine Antwort darauf. Wo sind sie geblieben?

(Abg. Schmiedel SPD: Bei Frau Schavan, im BVJ! – Abg. Hofer FDP/DVP: Wenn Sie das nicht wis- sen, tun Sie mir Leid! – Abg. Seimetz CDU: Das war die Frage eines Miesepeters! – Weitere Zu- und Gegenrufe)

Herr Kollege Wintruff, es bleibt dabei. Die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, sind offizielle Zahlen.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Das ist doch keine Antwort, Herr Pfister! – Abg. Wintruff SPD: So antworten Sie doch! Wo sind die alle?)

Ich behaupte ja noch nicht, dass alles in trockenen Tüchern sei. Das behaupte ich gar nicht. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir noch eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsplatzbewerbern versorgen müssen. Ich setze darauf, dass dies durch entsprechende Nachqualifizierungsmaßnahmen und durch eine zweite Runde der Vermittlung, die jetzt beginnt, geschehen kann. Ich bin mir sehr sicher, dass wir am Ende des Monats Oktober, zu unserem Ausbildungsplatzgipfel, auch noch diese 1 500 jungen Leute untergebracht haben.

Im Übrigen darf ich vielleicht noch eines vorweg sagen. Ich schätze, dass 95 % der Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg damals Ja zu diesem nationalen Pakt und Nein zur Ausbildungsplatzabgabe gesagt haben. Ich halte das für eine richtige Entscheidung. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir den Weg über eine Ausbildungsplatzabgabe gewählt hätten, dann hätten wir – jedenfalls in BadenWürttemberg – nicht den Erfolg, den wir schon heute haben.

(Abg. Wintruff SPD: Reine Spekulation!)

Deshalb war der Weg des nationalen Pakts auch für BadenWürttemberg absolut richtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wintruff SPD: Das ist doch spekulativ! Vielleicht! – Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

Ich möchte Ihnen sagen, dass ich nach wie vor dafür stehe und alles, was ich kann – ich komme auf einige konkrete Details zurück –, dafür tun werde, um am Ende dieses Monats oder allerspätestens dieses Jahres, wenn endgültig Bilanz gezogen wird, zu erreichen, dass jeder ausbildungswillige und ausbildungsfähige junge Mensch einen entsprechenden Ausbildungsplatz bekommt. Dies ist und bleibt Ziel der Landesregierung, und das ist auch absolut notwendig. Das ist im Interesse der jungen Leute notwendig, weil ich sie nach der Schule in der Tat nicht in die Perspektivlosigkeit entlassen will. Das ist aber auch im Interesse der Wirtschaft notwendig; denn die Wirtschaft braucht in der Zukunft verstärkt die Qualifikation der jungen Leute.

Wie gesagt, es ist noch nicht alles in trockenen Tüchern – das will ich gern zugeben –,

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

aber inzwischen ist viel erreicht worden. Ich habe Ihnen die Zahlen genannt, und ich weise noch einmal darauf hin: Es war von Anfang an vorgesehen, dass dann, wenn noch ein Rest von Ausbildungsplatzbewerbern nicht versorgt ist, in einer zweiten Tranche eine neue Qualifizierungs- und Vermittlungswelle anlaufen soll. Inzwischen ist sie angelaufen, und Sie werden sehen, dass wir die restlichen 1 500 jungen Leute – rechnerisch meine ich jetzt – mit dieser zweiten Vermittlungswelle in ein Ausbildungsverhältnis hineinbringen bzw. dass wir ihnen einen Praktikantenplatz vermitteln werden.

(Zurufe der Abg. Schmiedel und Wintruff SPD)

Meine Damen und Herren, was kann das Land Baden-Württemberg tun? Es geht, wie gesagt, um 3 800 neue Ausbildungsplätze,