Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Pfiste- rer CDU: Kommt alles! Kommt alles! – Abg. Schmid SPD: Das ist das nächste Trauma, das Sie geschädigt hat! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Jetzt reden Sie doch einfach mal zum Gesetzentwurf und hören Sie mit Adam-und-Eva-Geschichten auf!)

Frau Bregenzer, ich erläutere die Philosophie der Reform. Wir haben nicht nur einen Text, sondern wir haben uns dabei auch etwas gedacht. Und dieses versuche ich Ihnen zu erläutern.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD – Abg. Carla Bre- genzer SPD: Sie müssen mit der Philosophie aber nicht bei Adam und Eva anfangen! Es würde in der Jetztzeit reichen!)

Im Sinne von Gender Mainstreaming würde ich Eva und Adam sagen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie wis- sen, dass das in der Bibel anders organisiert ist! Das kann man beklagen, aber es ist so!)

Den Herausforderungen und Möglichkeiten, vor denen die Hochschulen heute stehen, können diese nicht gerecht werden nach den Prinzipien der Entscheidung im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners. Dieses war typisch für die Gremienhochschulen, in denen die Senate entschieden und kontrollierten und in denen natürlich immer nach dem Motto „Allen wohl und niemandem weh“ verfahren wurde. Insofern gab es keine strukturellen, keine klaren Entscheidungen, keine Verantwortlichkeiten und letztlich keine Kontrolle durch Unbetroffene. Das ist nicht das Erfolgsmodell der Zukunft. Das ist auch nicht das Erfolgsmodell, mit dem andere Hochschulen an die Weltspitze gelangt sind.

Diese Gedanken der Unverantwortlichkeit, die durch die Hochschulreformen zu Beginn der Siebzigerjahre – ich sage es einmal so, damit Sie sich nicht so aufregen –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Mo- ser SPD: Das finde ich jetzt gemein!)

sehr verstärkt worden sind, haben Deutschland nicht nach vorne gebracht,

(Abg. Schmiedel SPD: Wie hieß denn da der Hoch- schulminister in Baden-Württemberg? Das war Hahn!)

sondern haben unsere Hochschulen im internationalen Wettbewerb erheblich zurückgeworfen.

(Abg. Moser SPD: Endlich wäre mal wieder etwas los im Parlament!)

Noch einmal: Unsere Hochschulen in Baden-Württemberg brauchen noch mehr Eigenverantwortung,

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: In der Tat!)

damit sie an die weltweite Spitze vordringen können.

(Zurufe der Abg. Schmiedel und Carla Bregenzer SPD – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das Kleinge- druckte lesen!)

Unsere Philosophie ist die Freiheit des Individuums. Nur wenn das Individuum frei ist, kann es sich und seine Leistung entfalten. Das Gleiche gilt für die Institutionen, auch für die staatlichen Institutionen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Die Freiheit des In- dividuums ist ein 68er Erbe! – Zuruf des Abg. Schmid SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

So etwas würde ich nie so sagen, Herr Schmid.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Betrachten Sie etwa das aktuelle Ranking der „Times“, das die 200 Topuniversitäten der Welt auflistet: Es ist zwar erfreulich, dass vier Universitäten aus Baden-Württemberg unter diesen Top 200 sind – das sind mehr Universitäten als aus jedem anderen Bundesland – und dass unter den ersten 50 Universitäten eine baden-württembergische Universität ist, nämlich die Universität Heidelberg auf Platz 47.

(Beifall des Abg. Schmid SPD)

Jetzt unterscheiden wir uns: Ich bin damit nicht zufrieden.

(Abg. Schmid SPD: Aber das ist doch schon mal etwas!)

Denn wir sollten mehr baden-württembergische, mehr deutsche Universitäten unter diesen ersten 50 haben. Dort entscheidet sich nämlich die Zukunft.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der FDP/DVP und der SPD)

Damit habe ich das Hauptmotiv für das neue Hochschulgesetz angesprochen: Wir haben uns bei diesem Gesetz, wie man das bei einem Benchmarking tut, von den Strukturen leiten lassen, die unsere Hauptmitbewerber haben, die diejenigen haben, die sich auf den ersten 50 Plätzen dieses Rankings befinden. Wir haben die Erfahrungen ausgewertet und die positiven Aspekte von leistungsfähigen Hochschulsystemen wie denen in den Niederlanden, den USA, Großbritannien, der Schweiz und Österreich übernommen.

(Minister Dr. Frankenberg)

Lassen Sie mich die Neuerungen, die dieses Hochschulgesetz bringt, im Wesentlichen resümieren: Das Gesetz ist von dem Gesichtspunkt einer möglichst großen Eigenverantwortung, einer möglichst großen Unabhängigkeit, eines möglichst großen Wettbewerbs zwischen den hiesigen Hochschulen sowie zwischen unseren Hochschulen und ihren Mitkonkurrenten in Deutschland und in der Welt geleitet. Denn nur wer einen Binnenwettbewerb hat, kann auch den Wettbewerb von außen bestehen.

Wir haben die bisher vier Hochschulgesetze und das Berufsakademiegesetz des Landes zu einem verschlankten Landeshochschulgesetz zusammengefasst. Aus 554 Paragrafen wurden 97. Dies ging natürlich nicht ohne den massiven Abbau von Regelungen der staatlichen Seite und die Freigabe dieser Regelungen für die Hochschulen.

Wir verzichten massiv auf Zustimmungsvorbehalte und auf Anzeigevorbehalte etwa bei Prüfungs- und Studienordnungen. Dies wird durch eigene Satzungsregelungen der Hochschulen ersetzt. Wir hatten bis jetzt 200 Mitwirkungsbefugnisse und werden künftig noch etwa 30 haben. Wir gehen also von 200 auf 30 zurück.

Statt bisher 40 Rechtsverordnungsermächtigungen wird es künftig nur noch 10 geben.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Von zentraler Bedeutung ist, dass die Zuständigkeit für Berufungen, die Zuständigkeit für Gehälter auf die Hochschulen übergeht, dass sie weitgehende Globalhaushalte haben, dass Studien- und Prüfungsordnungen nicht mehr Fragen von staatlicher Genehmigung oder Anzeigepflicht, sondern von unabhängiger und wissenschaftsgeleiteter Qualitätssicherung sind.

Wir wollen nur so viel regeln, wie es notwendig ist, wie es aber auch im Sinne des parlamentarischen Systems notwendig und verantwortlich ist.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Auf die Hochschulen kommen sehr viele Regelungsmöglichkeiten zu. Deshalb werden die Grundordnungen sehr viel wichtiger sein als bisher. Sehr vieles wird nicht mehr im Gesetz, sondern in den Grundordnungen zu regeln sein. Damit wird der Senat als Grundordnungsgeber aufgewertet. Er wird das entscheidende Organ für die Verfassung der Hochschulen – in dem großen Freiraum, den wir den Hochschulen einräumen. Wir werden dann natürlich auch statt eines Einheitsbreis an Grundordnungen eine sehr differenzierte Verfasstheit der Hochschulen in diesem Land haben.

Mehr Eigenverantwortung heißt auch, dass man entsprechende Strukturen schafft. Mehr Eigenverantwortung heißt auch, dass es von den Entscheidern unabhängige Kontrollen geben muss. Denn niemand würde bei einer 90-prozentigen Staatsfinanzierung auch die Entscheider sich selbst kontrollieren lassen, wie das früher der Fall war. Das war das Motiv unseres TREK-Ansatzes, also der Trennung von Entscheidung und Kontrolle.

Deshalb schaffen wir einen gestärkten Vorstand, der für die Leitung der Hochschule verantwortlich ist, der sie nach in

nen und nach außen vertritt, und zwar mit persönlicher Verantwortung der Vorstandsmitglieder.

Wir schaffen einen Aufsichtsrat, der wesentliche Strukturund Haushaltsentscheidungen trifft und vor allem den Vorstand in seiner Amtsführung überwacht. Der Aufsichtsrat besteht in Zukunft mehrheitlich aus externen Mitgliedern.

Der Aufsichtsrat wählt die beiden hauptamtlichen Vorstandsmitglieder. Sie werden nicht mehr von den Kollegialorganen gewählt, sondern nur noch vom Senat bestätigt. Das ist übrigens international üblich. Wer also meint, in dieser Welt würden die Rektoren und Präsidenten von Senaten gewählt, der irrt. Das war noch nie so. Sie werden in der Regel vom Board gewählt, wie das auch bei uns jetzt sein wird. Denn man kann die Professoren schlechterdings nicht diejenigen wählen lassen, die über ihre Gehälter befinden. Das würde zu Rückkopplungsmechanismen „menschlicher Art“ führen, die man vermeiden sollte.

Die nebenamtlichen Vorstandsmitglieder – immerhin drei von fünf – werden aber nach wie vor vom Senat gewählt, sodass die akademische Seite in dem Gremium Vorstand ein Übergewicht hat und wir somit wirklich zu einer Balance of Power zwischen den Entscheidern via Aufsichtsrat und der akademischen Seite via Senat kommen. Es gibt jeweils gegenseitige Bestätigungen, nämlich der hauptamtlichen Vorstandsmitglieder durch den Senat und der nebenamtlichen durch den Aufsichtsrat.

Der Aufsichtsrat ist natürlich auch für die Festlegung der Gehälter des Vorstands zuständig, während der Vorstand selbst die Gehälter der Professoren festlegt.

Es bestand die Notwendigkeit, die Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsrat, also Exhochschulrat, und Senat zu klären. Wir hatten in der Vergangenheit keine so klar getrennten Zuständigkeiten, wie dies jetzt der Fall ist. Struktur- und Entwicklungsplanung, Haushalt, Überwachung der Haushaltsführung durch das Rektorat sind typische Aufsichtsratsfunktionen wie auch die Wahl des Vorstands und sind nun auch Aufsichtsratsfunktionen an den Hochschulen, während alle akademischen Angelegenheiten beim Senat konzentriert sind. Es war ein großer Wunsch der bisherigen Hochschulräte, auch hier klarere Kompetenzen zu schaffen.

Mit diesem Gesetz wird neben der Hochschulspitze eine adäquate Organisationsform auf der Fakultätsebene geschaffen, nämlich mit einem verantwortlichen Fakultätsvorstand und nur noch einem Fakultätsrat. Wir sollten auch die Zahl und die Dauer der Gremiensitzungen in den Hochschulen reduzieren, denn es ist nicht die erste Aufgabe einer Hochschule, Hochschulvertreter lange in Gremien sitzen zu lassen. Die erste Aufgabe sind vielmehr Forschung und Lehre oder Lehre, Bildung und Forschung. Es gibt nur noch einen Fakultätsrat, aber auch hier haben wir Optionen geschaffen. Es kann der engere oder der weitere sein. Auch dies haben die Hochschulen im Sinne eines liberalen Hochschulgesetzes selbst zu entscheiden.

Ein Globalhaushalt, wie wir ihn weitgehend zur Verfügung stellen, ist natürlich das Fundament jeder Hochschule. Es muss alles finanziert werden. Finanzierung heißt, dass es hier natürlich auch Mitwirkungsrechte des Parlaments gibt,

(Minister Dr. Frankenberg)

die zu den Königsrechten gehören und die gewahrt werden müssen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite brauchen wir eine mittelfristige Absicherung der Hochschulhaushalte, weil man Hochschulen nicht leiten kann, wenn die Mittel ständig schwanken – etwa über globale Minderausgaben und Ähnliches.

Das hatte uns zum Solidarpakt über zwei Legislaturperioden für die Universitäten geführt. Es ist aber an sich kein parlamentarisches Verfahren, wenn man Legislaturperioden sozusagen mit Regelungen überspringt, also Folgeparlamente bindet, bevor sie gewählt werden. Deshalb sehen wir Hochschulverträge vor, die über eine Legislaturperiode die Finanzierung der Hochschulen sicherstellen sollen. Wie man darin Detaileingriffe eines Ministeriums sehen kann, nämlich in einem Instrument, das der Haushaltssicherung dienen soll, ist mir immer noch verschlossen geblieben.