Protokoll der Sitzung vom 08.12.2004

Wir sind mit unserem Haushalt die Zweitbesten. Und wenn wir nicht zweimal eine große Koalition gehabt hätten, wären wir vielleicht sogar die Besten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Das werden wir Ihnen nächste Woche sagen! Das wer- den wir Ihnen in der nächsten Woche sagen! – Un- ruhe)

(Abg. Birzele SPD: Wir haben erst einmal eine Milliarde eingesammelt, die Herr Teufel im Wahl- kampf versprochen hat! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Der 11. 11. ist vorbei!)

Ab und zu muss bei dem schwierigen Fachvortrag auch etwas kommen, was dafür sorgt, dass die Opposition erwacht.

(Abg. Drexler SPD: Nein, damit Sie ein bisschen aufwachen! Deshalb wollen wir das!)

Okay, gut.

Meine Damen und Herren, noch nie in der Geschichte des Landes waren so hohe Finanzierungslücken im Haushalt zu decken: 3,5 Milliarden € im Jahr 2005 und 3,7 Milliarden € im Jahr 2006. Mehr als 10 % des Haushaltsvolumens – das sind Größenordnungen, die noch vor kurzem einfach nicht vorstellbar waren.

Ein Defizit von 3,5 Milliarden € vor Haushaltsaufstellung entspricht der Summe der Ausgaben im Haushalt des Wissenschaftsministeriums. Ich glaube, das ist ein interessanter Vergleich: Alle Universitäten, alle Hochschulen, alle Fachhochschulen und alle Berufsakademien zusammen haben einen Ausgabenhaushalt, der so groß ist wie unsere Deckungslücke. Daran sieht man, welche Dimensionen sie angenommen hat.

Selbst bei der jetzt vorgesehenen Fortführung der Neuverschuldung auf dem Niveau von 2003 und 2004 verbleiben 2005 und 2006 noch Deckungslücken in Höhe von rund 1,6 bzw. 1,7 Milliarden €. Mittelkürzungen in dieser Größenordnung sind nicht darstellbar. Die üblichen Instrumente stoßen hier an ihre Grenzen. Wir haben das nötige Volumen nur durch einen Mix verschiedener Maßnahmen erreichen können:

Zunächst einmal: Die Einsparauflage für die Ressorts nimmt mit 960 Millionen € für beide Jahre zusammen eine

(Minister Stratthaus)

bisher nie da gewesene Höhe an. Sie erfordert in allen Ressorts eine enorme Kraftanstrengung, jetzt und später auch im Haushaltsvollzug. Dies gilt vor allem, wenn man die unflexible Struktur des Haushalts und die hohen Vorbelastungen berücksichtigt. Aber trotz aller Sparzwänge wird die Landesregierung weiter in die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes investieren.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Bildung und Forschung behalten ihren besonderen Stellenwert. Das heißt zum Beispiel: keine Abstriche bei den neuen Lehrerstellen.

Bei den Personalausgaben wollen wir gegenüber der ursprünglichen Planung rund 550 Millionen € einsparen.

Die Anpassung des kommunalen Finanzausgleichs

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Anpassung! So kann man es natürlich auch sagen! – Lachen der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

an veränderte Rahmenbedingungen entlastet den Doppelhaushalt um insgesamt 700 Millionen €.

240 Millionen € wollen wir durch den Verkauf von Grundstücken erlösen. Das Land wird sich dazu von einer Vielzahl seiner Immobilien trennen, die es für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mehr braucht. Im Oktober haben wir diese Verkaufsoffensive gestartet. Sie ist bisher erfreulich gut angelaufen. Auf diese Weise verringern wir unseren Landesbesitz, und das ist auch ein Beitrag zu einer schlankeren Verwaltung.

200 Millionen € erwarten wir durch Sonderausschüttungen der L-Bank. Wir nutzen die gute Ertragskraft unserer Förderbank, um den Schuldenanstieg zu bremsen.

Um die Vorgaben der Landesverfassung zu erfüllen, reicht das aber leider immer noch nicht aus. Wir stehen vor der Wahl: Entweder wir ergreifen weitere Maßnahmen, um unter die kritische Marke zu kommen, oder wir stellen einen verfassungswidrigen Haushalt auf. Es ist meine Pflicht als Finanzminister, alle Möglichkeiten zu prüfen, einen Verstoß gegen die Verfassung zu vermeiden.

Die Steuereinnahmen können wir nicht per Kabinettsbeschluss anheben. Auf der Ausgabenseite ist angesichts der unflexiblen Struktur kurzfristig kaum noch etwas zu machen. Als Handlungsfeld bleiben die nichtsteuerlichen Einnahmen. Wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind, müssen auch Einmalmaßnahmen in Betracht gezogen werden, auch solche, die ich unter anderen Vorzeichen – ich gebe das gerne zu – nicht treffen würde.

Rund 550 Millionen € kommen aus dem Verkauf von Zinsforderungen aus der stillen Beteiligung des Landes an der LBBW. Ich weiß, dass dies eine umstrittene Maßnahme ist. Ich bin selber darüber nicht glücklich. Es tröstet auch nicht, dass andere Länder schon vor uns so verfahren sind und im Augenblick fast alle Länder ähnlich verfahren, Ähnliches planen. Vom Bund brauchen wir übrigens gar nicht zu sprechen: Dort haben diese Maßnahmen seit zwei, drei Jahren Tradition, und gerade im neuen Haushalt haben sie noch eine ganz andere Dimension gewonnen.

Deswegen sage ich an dieser Stelle: Jeden zusätzlichen Euro an Steuern, der uns nach dem Länderfinanzausgleich und dem kommunalen Finanzausgleich übrig bleibt, werden wir für eine Verringerung des Verkaufsvolumens einsetzen.

Man kann den Forderungsverkauf kritisieren. Die Steuerausfälle durch die von der Bundespolitik verursachte Wachstumsschwäche und die Ausgabenstruktur zwingen uns aber dazu. Ich habe in dieser Situation keine andere Wahl, als Vermögen zu veräußern.

Vermögen und Forderungen können wir aber nur einmal veräußern. Diesen Ausweg zur Haushaltsfinanzierung können wir nicht beliebig wiederholen. Wir müssen zu dauerhaften Entlastungen kommen. Wir müssen die Konsolidierungsanstrengungen verstärken und weitere strukturelle Änderungen einleiten.

Unseren Kommunen muten wir einen spürbaren Beitrag zum Deckungskonzept zu. Die Finanzverteilungskommission hat sich mit dieser Frage beschäftigt und dem Landtag einen Bericht vorgelegt. Die Landesregierung hat die Empfehlungen der staatlichen Kommissionsmitglieder in den Entwurf für das Haushaltsstrukturgesetz 2005 übernommen. Über die unstrittige Abrechnung des Länderfinanzausgleichs 2003 hinaus wird die Finanzverteilung im Jahr 2005 um rund 300 Millionen € und im Jahr 2006 um rund 350 Millionen € zugunsten des Landes verändert. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass darin in jedem Jahr 189 Millionen € aus der zu erwartenden Spitzabrechnung nach dem neuen Länderfinanzausgleich enthalten sind, sodass die tatsächliche Entnahme im Jahr 2005 115 Millionen € und im Jahr 2006 161 Millionen € beträgt.

Wir halten die Änderung der Finanzverteilung für notwendig und auch für gerechtfertigt. Zum einen sind die Gemeinden im Vergleich zum Land deutlich weniger verschuldet. Zum anderen steigen die Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr recht beträchtlich. Auch die jüngste Steuerschätzung hat gezeigt, dass die mittelfristigen Perspektiven für die Gemeinden etwas besser sind als für das Land.

Bei den Personalausgaben, meine Damen und Herren, haben wir die Grenze des Verkraftbaren bereits erreicht – manche meinen, sogar schon überschritten. Das gilt für das aktuelle Niveau von effektiv 43 % der Gesamtausgaben. Das gilt erst recht für die Belastungen, die wir kommenden Haushalten mit den kumulierenden Versorgungsleistungen zumuten. Die hierfür notwendigen Ausgaben werden sich bis zum Jahr 2016 auf rund 6 Milliarden € verdoppeln und bis zum Jahr 2030 auf 9 Milliarden € verdreifachen.

Zurzeit haben wir 80 000 Pensionäre. In 20 Jahren werden wir ungefähr 145 000 Pensionäre haben. Diese Zahl errechnet sich, wenn wir die heutigen Sterblichkeitsziffern der Versicherungsunternehmen zugrunde legen. Die Medizin macht Fortschritte. Es werden also eher noch mehr als weniger Pensionäre. Wir werden also in den nächsten 20 Jahren fast eine Verdoppelung der Anzahl der Pensionäre haben. Dies müssen wir immer im Auge behalten.

Die Begrenzung der Personalkosten ist unumgänglich. Sie ist ohne Frage die allerwichtigste Maßnahme der nächsten Jahre. Wir setzen ein Signal für die Tarif- und Besoldungsanpassungen. Die Vorsorge hierfür wird auf jeweils ein hal

(Minister Stratthaus)

bes Prozent begrenzt. Wir haben also für die Steigerungen der Personalausgaben in beiden Haushalten ein halbes Prozent vorgesehen. Ich darf darauf hinweisen, dass andere Bundesländer und auch der Bund sogar null Prozent Steigerung angenommen haben. So weit wollten wir nicht gehen. Wir wollen mit dem halben Prozent allerdings klar machen, dass wir bei den Tarifverhandlungen hart verhandeln werden.

Wir streichen darüber hinaus die Sonderzahlung für neu eingestellte Beamte ab der Besoldungsgruppe A 12 für die ersten drei Jahre. Wir erheben von den Versorgungsempfängern Beiträge zur Pflegeversicherung und sorgen so für eine Gleichbehandlung mit den Rentnern. Wir verlängern die Stellenbesetzungssperre von neun auf zwölf Monate und bauen verstärkt Stellen ab.

In den letzten zehn Jahren, meine Damen und Herren, haben wir in der Verwaltung 10 000 Stellen eingespart. Das ist eine starke Leistung. Allerdings haben wir von 1993 bis einschließlich 2006 12 000 Stellenzugänge. Diese Stellenzugänge sind fast alle bei den Lehrern, einige bei der Polizei und einige bei den Hochschulen. Sie sehen, wir haben Schwerpunkte in der Landespolitik gesetzt, aber sie machen sich natürlich auch im Haushalt bemerkbar.

Die Landesregierung führt den Stellenabbau in der Landesverwaltung konsequent fort. Der Personalabbau ist unumgänglich. Das gilt aus haushaltspolitischen wie auch aus demografischen Gründen. Ziel muss es sein, unter dem Strich zu einem Minus bei der Stellenzahl zu kommen.

Flankiert durch die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden, werden mittelfristig weitere 3 300 Stellen in der Verwaltung gestrichen. Rund 1 000 Stellen fallen bereits im vorliegenden Haushalt 2005/06 weg.

Im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform spart das Land ab 2005 bei den bisherigen Sonderbehörden 2 100 Stellen ein. Der Abbau vollzieht sich über sieben Jahre. In den Ministerien ist der Stellenbestand zusätzlich um 250 Stellen zu reduzieren. Im Doppelhaushalt bedeutet dies einen Abbau von knapp 600 Stellen.

Stadt- und Landkreise haben im Zuge der Verwaltungsstrukturreform ebenfalls eine Effizienzrendite zu erbringen. Hier werden bis 2011 weitere 2 000 Stellen entfallen, die bisher vom Land finanziert worden sind.

Das Land – darauf darf auch einmal hingewiesen werden – ist Vorbild und Schrittmacher bei der Verwaltungsreform und bei der Personalreduzierung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Dafür spricht, dass Bayern und Niedersachsen unsere Zielsetzung übernommen haben. Auch mit unserer Auffassung, dass wir uns bei Löhnen und Gehältern allenfalls noch geringe Zuwächse leisten können, stehen wir in der Zwischenzeit nicht mehr allein. Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren – nur damit es wieder etwas Stimmung gibt –: Wir haben vor drei Jahren noch über die Einführung der Altersteilzeit gesprochen, und einer der Herren in der ersten Reihe – es war nicht Herr Drexler –

(Abg. Fischer SPD: Stimmt!)

hat mich damals nachdrücklich aufgefordert, doch endlich die Altersteilzeit einzuführen. Ich bin stolz darauf, dass wir Ihnen auch hier widerstanden haben,

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

denn alle anderen Länder schaffen sie mittlerweile ab.

Meine Damen und Herren, für einige der zur Konsolidierung erforderlichen Maßnahmen sind gesetzliche Regelungen erforderlich. Dies gilt für die geplante Änderung bei der Sonderzahlung für neu eingestellte Beamte ebenso wie für die Gleichstellung der Versorgungsempfänger in der Pflegeversicherung. Auch die Korrektur der Finanzverteilung muss gesetzlich geregelt werden.

Wir schaffen die notwendigen Grundlagen mit dem Haushaltsstrukturgesetz 2005, das Ihnen parallel zum Haushaltsentwurf vorgelegt wird. Die darin enthaltenen Maßnahmen bewirken Einsparungen von rund 380 Millionen € im Jahr 2005 und von rund 390 Millionen € im Jahr 2006.

Baden-Württemberg nimmt einen Spitzenplatz in Bildung, Forschung und Entwicklung ein. Baden-Württemberg ist das Land mit der geringsten Arbeitslosigkeit. Das soll so bleiben,

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)