Protokoll der Sitzung vom 08.12.2004

Mir geht es darum, dass die schwierigen Zusammenhänge auch von der Opposition verstanden werden. Deswegen werde ich etwas länger sprechen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Blenke CDU: Dann dauert es noch länger als eine Stunde! – Zuruf des Abg. Drexler SPD – Weitere Zurufe und Heiter- keit)

Kommen wir wieder zur Sache. Meine Damen und Herren, Ausgabenkonsolidierung ist nicht beliebt, aber sie muss sein. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die schwachen Steuereinnahmen und die sich abzeichnenden zusätzlichen Lasten der Zukunft lassen keine andere Wahl. Ich glaube, da sind wir uns alle einig.

Wenn gespart werden muss, geht es typischerweise zuerst an die kurzfristig disponiblen Ausgaben. Damit lassen sich Schwankungen ausgleichen; aber eine langfristige Konsolidierung ist dadurch natürlich nicht möglich. Vor allem ist irgendwann der Boden erreicht. Das eigentliche Problem liegt darin, dass wir uns an die Ausgaben machen müssen, die stark dynamisch wachsen und die leider immer nur mit zeitlichem Vorlauf wirksam begrenzt werden können. Wir brauchen, wenn wir unsere Haushalte ernsthaft in Ordnung bringen wollen, einen langen Atem. Das ist ganz entscheidend. Die Situation, so wie sie ist, ist über Jahrzehnte hin

(Minister Stratthaus)

weg entstanden. Niemand soll meinen, die Entwicklung könnte in einem oder in zwei Jahren wieder zurückgeschraubt werden. Wir brauchen einen langen Atem.

Landeshaushalte sind in erster Linie Personalhaushalte. Ohne Einschnitte in den entscheidenden Block werden wir deswegen den Staatshaushalt Baden-Württembergs nicht in Ordnung bringen können.

Die Landesregierung hat in den letzten Jahren vieles auf den Weg gebracht. Die Zahl der Stellen in der Landesverwaltung wurde deutlich reduziert. Wir haben das Urlaubsgeld für Beamte streichen und die Sonderzahlung kürzen müssen. Wir beteiligen die Beamten stärker bei der Beihilfe. Wir haben die Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden erhöht. Wir übertragen diese Maßnahmen auf Angestellte und Arbeiter, und in den nächsten Tarifverhandlungen werden wir darauf drängen, dass es hier zu einer Gleichstellung mit den Beamten kommt.

Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch: Einschnitte in die Besoldung sollten wir nicht beliebig lang fortsetzen. Wir brauchen auch in Zukunft qualifizierte und motivierte Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Wenn Sie die demografische Entwicklung betrachten, dann sehen Sie, dass in einigen Jahren ein starker Wettbewerb um junge, qualifizierte Kräfte entstehen wird.

(Abg. Stickelberger SPD: Jetzt schon!)

Deswegen müssen wir wissen: Wir müssen zwar mit weniger Kräften auskommen, aber wir brauchen gute Kräfte. Das müssen wir im Zusammenhang mit der Besoldung im Auge behalten.

Wir brauchen vor allem in unserer Besoldungsstruktur mehr Flexibilität. Hier stoßen wir als Landesregierung an Grenzen. Um den spezifischen Bedürfnissen des Landes gerecht werden zu können, brauchen wir landesgesetzliche Regelungen.

Wir müssen in die Lage versetzt werden, die Besoldung unserer Beamten selbst festzulegen. Wir brauchen eine Rückübertragung von Kompetenzen. Dies ist eines der wichtigsten Anliegen des Landes im Rahmen der Diskussion in der Föderalismuskommission. Was wir von dort hören, ist doch zum Teil ermutigend.

Die Beamtenbesoldung ist nur ein Beispiel dafür. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes sind Finanzierungs- und Gesetzgebungskompetenzen stetig von den Ländern zum Bund gewandert. Die Gestaltungsspielräume der Länder haben immer weiter abgenommen. Inzwischen hat der Bund ein Übergewicht erlangt, das mit der Eigenstaatlichkeit der Länder kaum noch zu vereinbaren ist.

Die Krise der öffentlichen Haushalte ist nicht zuletzt auch eine Krise des bundesdeutschen Föderalismus. Über einen Großteil der Ausgaben und Einnahmen können die Länderparlamente nicht mehr frei entscheiden. Durch bundesgesetzliche Vorgaben sind ihnen weitgehend die Hände gebunden. Denken Sie zum Beispiel an Studiengebühren, denken Sie an die Sozialhilferegelsätze, denken Sie an Mischfinanzierungen. Wir sind der Meinung, hier müssen die Kompetenzen der Länder eindeutig größer werden.

Föderalismus kann aber nur dort positiv wirken, wo die Länder Politik eigenverantwortlich gestalten können. Unterschiedliche politische Zielsetzungen und Konzepte müssen in einen gesunden und kreativen Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungen eintreten. Deswegen wehren wir uns auch gegen bundesgesetzliche Regelungen, die Studiengebühren verbieten wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir brauchen eine Erweiterung der Gestaltungs- und Gesetzgebungskompetenzen der Länder. Das gilt gleichermaßen für die Einnahme- wie für die Ausgabenseite. Dadurch ließe sich unser föderalistischer Staatsaufbau nachhaltig stärken.

Meine Damen und Herren, ich möchte hier auch noch einmal für mehr Wettbewerb werben. Wir brauchen Wettbewerbsföderalismus. Leider sind die meisten anderen Bundesländer hierzu nicht bereit. Eines ist doch sicher, und das gilt für alle Bereiche des Lebens, auch für den Föderalismus und für das Verhältnis unter den Ländern: Gleichmacherei führt dazu, dass am Ende alle gleich arm sind. Deswegen brauchen wir auch einen Wettbewerb zwischen den Ländern.

Ohne eine grundlegende Neuordnung der Kompetenzen von Bund und Ländern wird Deutschland nicht aus seiner Stagnation und Lethargie herauskommen. In der Diskussion um die Reform des Föderalismus hat Baden-Württemberg stets eine klare und unmissverständliche Position eingenommen. Die Landesregierung setzt sich für eine möglichst weitgehende Entflechtung der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Finanzierungskompetenzen ein.

Den Ländern und Gemeinden müssen die Aufgaben zurückübertragen werden, die sie ohne Nachteile für den Gesamtstaat wahrnehmen können. Damit wird die Politikgestaltungsfähigkeit aller Ebenen gestärkt. Die staatliche Ordnung wird durchschaubarer. Die politischen Verantwortlichkeiten werden klar zugeordnet.

Meine Damen und Herren, nun direkt zu unserem Landeshaushalt.

Regierung und Parlament tragen Verantwortung für die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Kreditaufnahme. Sie tragen Verantwortung, obwohl sich wesentliche Faktoren für die Entstehung der Finanzierungslücke ihren Gestaltungsmöglichkeiten entziehen. Sie tragen Verantwortung, obwohl sie bei der Wahl der Deckungsmaßnahmen praktisch stark eingeschränkt sind.

Die Verfassung unterscheidet aber nicht zwischen eigenund fremdbestimmten Ausgaben oder Einnahmen. Defizit bleibt Defizit, und das ist letzten Endes auch richtig so.

Die Landesregierung wird ihrer Verantwortung gerecht. Der Haushaltsentwurf 2005/2006 ist verfassungskonform. Die Nettokreditaufnahme liegt in beiden Jahren unter der verfassungsrechtlichen Grenze. Wir nehmen nicht mehr an neuen Schulden auf, als wir für eigenfinanzierte Investitionen ausgeben.

(Minister Stratthaus)

Der Weg zur Verfassungskonformität war nicht einfach. Aber wir haben sie in einem konstruktiven Zusammenwirken der Regierung mit den Fraktionen, die die Regierung tragen, erreicht. Für diesen Kraftakt möchte ich mich bei den beiden Fraktionen herzlich bedanken.

Wir haben damit eine wichtige Voraussetzung erfüllt. Das ist notwendig, aber natürlich nicht ausreichend. Wir müssen unseren Haushalt langfristig ausgleichen. Das ist das Ziel. Es zu erreichen ist sehr schwierig.

Unsere bayerischen Nachbarn haben sich dieses Ziel schon für das Jahr 2006 gesetzt. Ich glaube, sie werden es auch erreichen. Der Hauptgrund dafür liegt schlicht und einfach darin, dass Bayern im Jahr 2006 pro Einwohner rund 90 € für Kreditzinsen ausgeben wird, während wir hierfür 200 € pro Einwohner ausgeben werden. Wir geben damit 1,2 Milliarden € mehr aus.

(Zurufe der Abg. Wieser CDU und Boris Palmer GRÜNE)

Damit sich jetzt aber niemand zu arg darüber freut, dass die Zahlen rot sind, und damit Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, rot werden, werde ich Ihnen jetzt ein paar Zahlen von rot-grün regierten Ländern nennen.

(Abg. Birzele SPD: Ha, ha, ha! – Abg. Drexler SPD: Wir sind aber in Baden-Württemberg!)

Ja, Sie haben Recht. Unser Maßstab ist Bayern, unser Maßstab sind nicht andere Bundesländer.

(Abg. Birzele SPD: Nennen Sie doch das Saarland als Zeugen!)

Man muss aber doch sagen dürfen, dass ein Land, das jährlich über den direkten Finanzausgleich 2,5 Milliarden € und über den Umsatzsteuerausgleich nochmals 2 Milliarden € zahlt, auch die Gesamtpolitik sehen muss. Es ist erstaunlich, dass die Länder, die über den Länderfinanzausgleich viel Geld erhalten, noch viel höhere Zinsen zu zahlen haben.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Es geht jetzt um diesen Haushalt! Zur Sache!)

Wir zahlen 200 € pro Einwohner, Schleswig-Holstein zahlt 310 €,

(Abg. Birzele SPD: Saarland!)

Nordrhein-Westfalen 260 € pro Einwohner.

(Abg. Birzele SPD: Und das Saarland?)

Die Zahlen des Saarlands habe ich mir gar nicht notiert.

(Große Heiterkeit – Abg. Drexler SPD: Die haben gar kein Geld mehr!)

Moment, ihr lieben Freunde von den Sozialdemokraten! Ich habe Ihnen vorhin gesagt, wie lange es dauert, bis ein Haushalt in Ordnung gebracht werden kann. Der Haushalt des Saarlands ist doch ein Lafontaine-Haushalt.

(Lebhafte Unruhe bei der SPD)

Natürlich!

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Wie lange ist der schon nicht mehr dran? Zehn Jahre!)

Herr Drexler, je roter eine Regierung, umso roter die Haushaltszahlen! Das ist nun einmal so. Sie haben mich jetzt gereizt.

(Abg. Drexler SPD: Wie lange stellt die CDU hier schon den Finanzminister? 60 Jahre! – Gegenruf des Abg. Birzele SPD: Seit 1953!)

Wir sind ja auch die Zweitbesten.

(Abg. Drexler SPD: Wo? Sie müssen doch schon Zinsforderungen verkaufen!)

Wir sind mit unserem Haushalt die Zweitbesten. Und wenn wir nicht zweimal eine große Koalition gehabt hätten, wären wir vielleicht sogar die Besten.