Sie wollen den EU-Bürgern die Regionalwahl öffnen. Sie wollen dazu eine Bundesratsinitiative einbringen, denn Sie müssen das Grundgesetz ändern.
Sagen Sie doch ehrlich, was Sie wollen. Sie wollen mit dem Tor, das Sie öffnen wollen – insbesondere Verband Region Stuttgart, Listenwahl –,
letztlich eine Wahl für den Landtag und für den Bundestag durch die EU-Bürger. Das steckt doch letztlich dahinter.
(Abg. Fischer SPD: Das ist doch ein absoluter Blödsinn! Das ist doch eine kommunale Einrich- tung wie ein Gemeinderat auch, Herr Zimmermann! – Weitere Zurufe von der SPD)
Wo haben wir Berührungspunkte, Herr Fischer? Berührungspunkte haben wir für den Bürger, was die kommunale Ebene angeht –
da gebe ich Ihnen Recht –, beim ÖPNV. Wir haben, besonders was den Verband Region Stuttgart angeht, noch die Messe.
Der Antrag und der Gesetzentwurf der SPD sind abzulehnen. Ihre Intention ist weder von der EU-Verfassung gedeckt, noch entspricht sie der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß. Sie wollen das Grundgesetz wegen eines Wahlrechts für EU-Bürger zur Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Jungin- ger SPD: Europagegner! – Zuruf des Abg. Capez- zuto SPD)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unsere Diskussionen verlaufen ja manchmal nach dem Motto: Alles, was aus dem eigenen Lager kommt, ist goldrichtig, und alles, was aus dem Lager des politischen Konkurrenten kommt, ist grottenfalsch. Das mag zwar manchmal zutreffen, entspricht aber häufig nicht ganz der Sachlage.
Hier bei diesem Thema geht es vor allem darum, dass man abwägen muss. Schwarz-Weiß-Malerei ist bei diesem Thema nicht möglich. Man muss abwägen und auch rechtliche Aspekte einfließen lassen: das, was man gesellschaftlich und politisch will, und die Frage, was bei einer Gesetzesänderung, insbesondere bei einem Verfahren zur Änderung des Grundgesetzes, zweckmäßig ist.
Vom Rechtlichen her spricht zunächst einmal einiges dafür, die Regionalverbände einer kommunalen Körperschaft gleichzustellen, weil für den inneren Betrieb die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung entsprechend Anwendung finden. Die Wahlrhythmen sind in etwa die gleichen. Obwohl es manche Mitglieder einer Verbandsversammlung, vor allem im Verband Region Stuttgart, anders sehen: Es handelt sich nicht um Parlamente, sondern um Verwaltungsorgane, wie es auch bei einem Gemeinderat der Fall ist.
Was dagegen spricht, meine Damen und Herren, ist ganz eindeutig: Die Verbände sind keine kommunalen Körperschaften. Sie unterstehen auch nicht dem Schutz des Grundgesetzes. Wenn man im Grundgesetz eine Ausnahme für die Gemeinden und für die Landkreise gemacht hat, dann muss man sagen, dass es auch Ausnahmen rechtlich in sich haben, dass sie nicht einfach erweitert werden können. Vielmehr sind Ausnahmen rechtlich immer eng zu halten. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist das, was man gesellschaftspolitisch will. Eine Metropolregion Stuttgart mit 20 % Ausländeranteil möchte natürlich gern, dass auch die Ausländer an dem
regionalpolitischen Geschäft teilhaben. Das ist ein vernünftiger Gesichtspunkt. Aber eines muss man auch sagen: Die Integration auf kommunaler Ebene, das heißt dort, wo die Ausländer, also die Europäer ohne deutsche Staatsangehörigkeit, leben, hat eine ganz andere Qualität, als dies bei einem Regionalverband der Fall ist. Das kann man nicht bestreiten. Dort leben die Ausländer und haben alle Dinge der Daseinsvorsorge, dort sind die Vereine usw. Wir Liberalen, wie etwa Theodor Heuss, sagen ja: „Die Gemeinde ist wichtiger als der Staat.“ Wir kämen nie auf die Idee, zu sagen, die Region, der Regionalverband sei wichtiger als der Staat.
Als Letztes möchte ich den Punkt der Zweckmäßigkeit ansprechen. Das Begehren ist, wir sollten das Grundgesetz ändern, also nicht nur Kommunen und Landkreise, sondern jetzt auch die Regionalverbände in die Ausnahme einbeziehen. Bei der Region Stuttgart zum Beispiel – das betrifft den Grundsatz der Zweckmäßigkeit – würden wir das Grundgesetz ausschließlich wegen des Regionalverbands Stuttgart ändern. Ich kann mir schon Grundgesetzänderungen vorstellen, wo es nur um Bedingungen eines Bundeslandes geht. Aber das Grundgesetz wegen einer Direktwahl in der Region Stuttgart zu ändern,
die nicht einmal im Lande selbst Nachahmer gefunden hat und im Grunde genommen noch nicht einmal über eine Art Experiment hinausgekommen ist, kann nicht der richtige Weg sein.
Ich bin in der Region glühender Mitstreiter und Fraktionsvorsitzender. Aber das ist im Land Baden-Württemberg eine glorreiche Anomalie. Deswegen das ganze Grundgesetz ändern zu wollen kann nicht der richtige Weg sein.
Eine letzte, damit zusammenhängende Frage. Es wird gesagt, bei den übrigen Regionalverbänden könnten EU-Bürger in einen Kreistag gewählt werden. Ich weiß allerdings nicht, wer das bei uns wäre. Bei uns ist keiner ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Im gegebenen Fall müssten diese Bürger dann in Zweckverbände und in Beteiligungsunternehmen wählbar sein; das ist richtig. Aber wenn sie auch oft aus der Mitte des Kreistages gewählt werden, wird dies nicht mit dem passiven Wahlrecht verbunden sein, sondern die Betreffenden werden aus der Bevölkerung der Region und nicht in erster Linie aus den Kreistagen gewählt.
Deshalb sage ich: Lassen wir die Regionalentwicklung noch ein bisschen weiterschreiten – vielleicht macht das Beispiel Region Stuttgart Schule –, dann sieht die Welt anders aus. Nach Abwägung der Gesichtspunkte sollte jetzt den Stellungnahmen des Innen-, des Wirtschafts- und des Justizministeriums Folge geleistet werden. Das ist unsere Abwägung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Zeiten eines zusammenwachsenden Europas ist dies ein richtiges und wichtiges Thema, das die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses in das Parlament eingebracht hat. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr haben wir auch großes Interesse von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern registriert, die natürlich durch aktives und passives Wahlrecht – eben bei den Kommunalwahlen – ein Stück weit Akzeptanz, ein ganz anderes Stück an Integration und an Partizipation erfahren dürfen, weil es natürlich einen Unterschied macht, ob man Wahlen nur als Zuschauer begleitet, ob man durch die Stimmabgabe selbst aktiv beteiligt ist oder ob man sich sogar in den einen oder anderen Gemeinderat oder Kreistag wählen lässt.
Insofern ist diese Initiative vor dem Hintergrund zu sehen, dass es neben dem formalrechtlichen Aspekt auch einen gesellschaftspolitischen Aspekt gibt; das hat Herr Kollege Hofer dankenswerterweise ausgeführt.
Ich darf zunächst den gesellschaftspolitischen Aspekt nennen. Da sind wir der Auffassung, dass wir die Partizipation von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern auf der unteren Ebene unseres Staatsaufbaus in jedem Fall gewährleisten müssen, ja ausbauen sollten, wie dies die sozialdemokratische Fraktion beantragt hat.
Kollege Zimmermann, Sie haben ja auch nicht dagegen argumentiert. Sie haben letztendlich formal argumentiert und gesagt, eine Grundgesetzänderung für die Regionalversammlungswahl in Stuttgart sei ja wohl doch ein bisschen weit an den Haaren herbeigezogen. Dazu müssen Sie aber einmal über die Landesgrenze hinausschauen, Kollege Zimmermann. Dann werden Sie feststellen, dass es ähnliche Wahlen zu ähnlichen Organisationen und Institutionen
(Abg. Hofer FDP/DVP: Wo? – Gegenruf des Abg. Junginger SPD: In Hannover! – Gegenruf des Abg. Hofer FDP/DVP: Hannover ist ein Zweckverband! – Gegenruf des Abg. Schmiedel SPD: Das ist kein Zweckverband!)
(Abg. Zimmermann CDU: Sie haben alle die glei- che Absicht! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zurufe von der SPD)
Jedenfalls ist das in Zeiten des zusammenwachsenden Europas aus unserer Sicht richtig. Die Landesregierung hält sich ja mit Bundesratsinitiativen in anderen Sachen gewiss auch nicht zurück. Ich sehe da nur, in welchen Bereichen sie so etwas macht, beispielsweise jetzt beim Thema DNA, vor allem von der linken Seite der Regierungsbank aus – von mir aus gesehen; von Ihnen aus rechts. Da hat man manchmal den Eindruck, als würden mehr Bundesratsinitiativen als
Unsere Fraktion sagt Ja zur Partizipation von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern, und zwar natürlich nicht nur in Stuttgart. Denn jetzt geht es ja auch um die Entsendung von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern in die Regionalverbände, die eben noch kein direkt gewähltes Parlament – Kollege Hofer sagt: kein Parlament, sondern eine Versammlung – oder eine Regionalversammlung wählen können oder wählen dürfen, weil die gesetzlichen Grundlagen dafür nicht gegeben sind. Aber dann spricht doch erst recht nichts dagegen, griechische, italienische, spanische oder französische Bürgerinnen und Bürger in die Regionalverbandsversammlungen zu entsenden.