(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Zimmermann CDU und Ca- pezzuto SPD)
Mit fällt kein Argument dagegen ein. Wenn Sie als überzeugte Europäer, die Sie ja sonst auch immer sind oder zumindest sein wollen,
hier in diesem Parlament agieren, dann müssen Sie dieser Gesetzesinitiative der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das war jetzt eine gute Region-Stuttgart-Rede! – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich darf die entscheidenden Stichworte dieser Debatte einmal aufgreifen. Dazu möchte ich nachher Stellung nehmen. Es geht um die Stichworte Europa, Integration und Teilhabe. Dazu wurde in dieser Debatte so viel Schönes gesagt,
dass ich dem allen eigentlich zustimmen möchte – bis auf das Ergebnis: Dem Antrag kann ich nicht zustimmen.
Ich möchte das auch begründen. Zunächst einmal sagt Herr Kollege Hofer völlig zu Recht – da spürt man halt die Basisverwurzelung eines Oberbürgermeisters –: Die Integration spielt sich auf kommunaler Ebene ab. Wo sonst?
(Abg. Junginger SPD: Das wissen wir doch alle! „Die Keimzelle der Demokratie ist die Kommune“, haben wir vor 40 Jahren gelernt! – Zuruf des Abg. Fischer SPD)
Nirgends sonst! Doch. Ich will hinzufügen: Europa muss wachsen, und zwar von unten nach oben und nicht durch etwas Übergestülptes.
Lassen Sie mich jetzt im Zusammenhang Folgendes sagen. Herr Junginger – damit Sie hier auch noch zitiert und bei diesem wichtigen Thema nicht über Gebühr unruhig werden –, Sie sagten: Baden-Württemberg ist ein Bundesland im Herzen Europas. Das ist richtig, aber auch wieder nur halb richtig. Baden-Württemberg ist Europa. Das sieht man, wenn man sich einmal die Zahlen vor Augen hält: Wir haben in unserer Region einen Ausländeranteil von 20 %.
(Abg. Oelmayer GRÜNE: Dann aber doch umso mehr! – Abg. Capezzuto SPD: Was sagt der Herr Zimmermann dazu? Wo ist er denn? Ich will den Ausländerbeauftragten dazu hören! Der müsste ei- gentlich auf unserer Seite sein! – Unruhe)
Deswegen sage ich: Die Integration der im Land lebenden Bürger der Europäischen Union ist wichtig. Wir sind aber der Auffassung, dass sich hierzu das von der SPD vorgeschlagene Wahlrecht zu den Verbandsversammlungen der Regionalverbände und des Verbands Region Stuttgart nicht eignet.
Im Einzelnen in aller Kürze: Uns liegen zwei Initiativen vor. Die erste ist ein Gesetzentwurf. Er zielt darauf ab, durch eine Änderung des Landesplanungsgesetzes den Unionsbürgern das passive Wahlrecht für die Regionalversammlungen einzuräumen. Die zweite ist ein Antrag der Fraktion der SPD. Er setzt auf eine Änderung des Grundgesetzes.
Meine Damen und Herren, da stellt sich mir zunächst einmal die Frage: Wenn Sie das unbedingt wollen, warum versuchen Sie das nicht beispielsweise auf Ihrer Schiene?
Da gibt es doch Möglichkeiten. Bringen Sie es dort ein, und Sie werden dann genau dieselben Argumente hören, die hier auch schon gefallen sind. Mit Grundgesetzänderungen sollte man in der Tat vorsichtig umgehen. Dafür, wegen dieses Wahlrechts eine Grundgesetzänderung vorzunehmen, würden Sie nicht einmal bei den SPD-regierten Ländern eine Mehrheit finden.
Meine Damen und Herren, eine solche Betrachtungsweise, wie sie hier aufseiten der Oppositionsparteien angestellt wurde, wird der Bedeutung des Wahlrechts nicht gerecht.
Der Kollege Zimmermann hat in der Tat schon darauf hingewiesen, dass es zu unserer staatlichen Ordnung gehört,
dass das Staatsvolk die Macht mandatiert vergibt. Zentrale Gestaltungsmittel sind dabei eben das aktive und passive Wahlrecht. Deswegen erweitert das Grundgesetz das Wahlrecht mit gutem Grund nur bei den Kommunalwahlen auf die Unionsbürger.
Das gehört ja dazu. – Die Regionalverbände einschließlich des Verbands Region Stuttgart nehmen aber schwerpunktmäßig Aufgaben der staatlichen Planung wahr. Sie sind keine kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften, sondern sie unterscheiden sich in ihren Aufgaben und ihrer Struktur erheblich von den Gemeinden und Landkreisen.
Die Konsequenzen, die daraus gezogen wurden und gezogen werden müssen, hat der Kollege Zimmermann völlig zu Recht dargelegt. Gegen das Gesetzesvorhaben der SPD bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Auf der anderen Seite sollten wir von einer Veränderung der Verfassung absehen. Es ist aus meiner Sicht überhaupt nicht vertretbar, für ein Wahlrecht der Unionsbürger im Alleingang und im Vorgriff auf etwaige Gemeinschaftsregelungen der Europäischen Union – ich sage noch einmal: im Vorgriff auf etwaige Gemeinschaftsregelungen – baden-württembergische Sonderregelungen zu treffen bzw. das Grundgesetz zu ändern.
Für das Wahlrecht der Unionsbürger sind verfassungskonforme Lösungen anzustreben, und die werden wir dann im entscheidenden Fall wohl auch finden. Es müssen Lösungen sein, die einheitlich in der gesamten Europäischen Union gelten. Wo sind wir denn hier? In so kleinen Karos dürfen wir nicht denken, wenn wir in Europa wirklich vorwärts kommen wollen.
Der Gesetzentwurf und der Antrag der SPD führen demgegenüber nicht weiter und können deswegen eigentlich nur abgelehnt werden.
(Abg. Heinz CDU: Das lohnt sich gar nicht! – Wei- tere Zurufe von der CDU, u. a.: Was bringt denn das noch? – Abg. Rüeck CDU: Sprich doch deut- lich, Mario!)
Herr Minister, was spricht dagegen, dass Baden-Württemberg hier eine Vorreiterrolle übernimmt? Warum denn nicht?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Zim- mermann CDU: So ist es! – Widerspruch bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Mit der Antwort kann ich gar nichts anfangen! Die war nicht gut!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Ihre Argumente überzeugen nicht. Wer es mit der Integration der Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Europäischen Union ernst meint, kann doch nicht allen Ernstes an einem Zweiklassenwahlrecht im kommunalen Wahlsystem festhalten.