Genauso sehen es auch die Städte und Gemeinden. In einem Brief des Städtetags vom 11. April dieses Jahres, also vor wenigen Tagen, steht folgende Passage:
Ein für alle Schulträger gleichermaßen akzeptables und nachvollziehbares Unterscheidungskriterium für die Bedarfsbeurteilung und damit die Antragsbehandlung kann nur der jeweilige Zeitpunkt der Antragstellung sein. Staatlicherseits darüber hinaus Kriterien für die Prüfung und gegebenenfalls Änderung der gemeinsamen Bedarfsfeststellung von kommunalen Schulträgern und ihren Schulen einzuführen, widerspräche dem kommunalen Selbstverständnis. Es hätte im Übrigen zum selben Antragsüberhang geführt. Es wäre womöglich nur anders verteilt.
Ich kann gut verstehen, dass es jetzt in einer Reihe von Städten und Gemeinden Enttäuschung gibt. Ich kann gut verstehen, dass viele, die Pläne gemacht haben, fragen: Warum gibt es das Geld nicht? Jeder hätte wissen müssen, dass überall, nicht nur bei uns, sondern auch in Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen – obwohl sie das Programm
auf die Grundschulen konzentrieren –, das gleiche Problem da ist. Wenn es ums Bauen geht, gibt es immer mehr Bedarf, als Geld zur Verfügung steht.
Ich kann verstehen und finde es auch in Ordnung – abgesehen von allen Emotionen –, dass Sie sich jetzt für die nächsten Monate warm laufen.
Ich rate Ihnen aber sehr, auch mit Blick auf politische Kultur: Überlegen Sie, bevor es zum Streit kommt, wo es längst Gemeinsamkeiten in der Beurteilung gab! Überlegen Sie, was los gewesen wäre, unabhängig davon, welche Kriterien die Kultusministerin Schavan erfunden hätte. Es hätte kein Kriterium gegeben, bei dem Sie nicht behauptet hätten: Sie sitzt halt im Bremserhäuschen; sie ist halt von gestern
mit ihrem Familienbild. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Genau so machen wir weiter: klare Prioritäten, klare Kriterien, klare Instrumente im Einvernehmen, und wir versprechen nicht mehr, als wir halten können.
Frau Ministerin, ich kann Ihnen aus einem Brief des Oberbürgermeisters von Karlsruhe – ich glaube, er gehört der CDU an – zitieren, der massive Vorwürfe gegen Sie erhoben hat. Er hat Sie gefragt, warum Sie, als Sie bemerkt haben, wie ungünstig das zum Beispiel für den nordbadischen Raum läuft, nicht reagiert haben.
Jetzt plötzlich ist es die SPD! Klasse! Das ist ja toll! Aus Angst vor der SPD hat man diesen Antrag nicht diskutiert! Ganz tolles Ergebnis!
Ich habe gedacht, Sie hätten hier in diesem Haus eine Mehrheit von neun Stimmen. Aber das ist das Beste, wenn man hört: aus Angst vor der SPD.
Ich will Ihnen sagen, warum Sie das nicht gemacht haben, Frau Ministerin: Sie haben das völlig unterschätzt. Sie haben immer gesagt, es gebe keinen Bedarf. Auch heute kam wieder die Aussage, es gebe keinen Bedarf. 914 Anträge! 914 Projekte! Das ist ein riesiger Bedarf in Baden-Württemberg, und der ist durch diese Antragspraxis manifestiert.
Um die müssen wir uns kümmern. Doch dazu haben Sie nichts gesagt. Auch die Koalitionsfraktionen haben dazu nichts gesagt. Wie steht es denn jetzt mit einem Landesprogramm? Wir stellen heute den Antrag, die Regierung zu beauftragen, ein Landesprogramm vorzulegen. Dazu haben Sie alle nichts gesagt.
Der Herr Ministerpräsident hat heute Morgen drei Bedingungen genannt. Die erste Bedingung lautete: Wir fordern den Bund auf, mehr Mittel bereitzustellen. Zweite Bedingung: Das, was zurückfließt, soll der Bund dem Land Baden-Württemberg geben.
Und drittens: Wenn das alles nicht klappt, dann sind wir grundsätzlich bereit, mit den Kommunen über einen anderen Lösungsweg zu verhandeln. – Das ist gar nichts. Gar nichts ist das! Man will „verhandeln“.
Wir stellen heute den Antrag, die Landesregierung zu ersuchen, ein Programm aufzulegen. Wir schlagen Ihnen nicht einmal vor, wie Sie das machen sollen, sondern sagen nur, wie wir es uns vorstellen könnten: innerhalb des KIF die Umschichtung – durch das Moratorium im Abwasserbereich werden Mittel frei – in Höhe von jährlich 25 Millionen € über vier Jahre hinweg – das wären zusammen 100 Millionen –, und zusätzlich, so unser Vorschlag, jährlich 25 Millionen € aus dem Verkauf von Immobilien des Landes. Dieses Geld soll in Bildung und Schulen investiert werden. Das ist ein Vorschlag.
Sie können einen anderen bringen, aber es kann doch nicht sein, dass Sie nichts tun, obwohl der Ministerpräsident im Vorfeld seiner Regierungserklärung herumläuft und von einem flächendeckenden Angebot von Ganztagsschulen spricht. Ich habe die Pressemitteilung aus Karlsruhe, die aus Anlass eines CDU-Empfangs erstellt wurde, hier. Da wurde eine Erwartungshaltung geweckt. Ihre Kommunalpolitiker fordern Sie auf, ein Programm aufzulegen. Auch die Oberbürgermeister und die Städte, die möglicherweise noch etwas machen wollen, fordern Sie auf, ein Programm aufzulegen. Also machen wir das, versuchen wir das. Wir können nicht bis 2007 warten, bis das alles abgearbeitet ist.
Im Übrigen gibt es auch gar keinen Hinweis darauf, dass Länder Geld zurückgeben, und zweitens würde das Geld – das habe ich vorhin schon erklärt – in einem solchen Fall nicht in ein Land fließen, sondern dann in den Bundeshaushalt zurückfließen. Dann müsste der Bund wiederum mit allen Ländern darüber verhandeln, was mit dem möglicherweise zurückgeflossenen Geld passiert.
Deswegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu, zum einen Mittel für zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen
und zum anderen der Ankündigung des Ministerpräsidenten zu folgen und ein Landesprogramm aufzulegen. Das halten wir für eine vernünftige Reaktion des Landesparlaments. Denn alle Ressentiments bezüglich der Ganztagsschule sind ja jetzt offensichtlich abgebaut.
Ich möchte noch etwas zur Verteilung der IZBB-Mittel sagen, Frau Ministerin. Warum sind Sie eigentlich nicht auf die Idee gekommen, wie Rheinland-Pfalz zu sagen: „Bei uns gibt es einen größeren Bedarf; wir fangen einmal mit 70 % an“? Dann hätten wir allein 50 bis 70 Millionen € mehr zum Verteilen gehabt. Warum haben Sie sich nicht für 65 % entschieden? Sie glauben doch nicht, dass irgendjemand auf der linken Seite aufgestanden wäre und gesagt hätte: Nein, wir nehmen einen hohen Prozentsatz, damit nur wenige in den Genuss der Vergünstigung kommen.
Jetzt will ich Ihnen nur noch sagen: Es gibt einen Antrag der SPD-Fraktion vom Januar 2004. Wahrscheinlich haben Ihre Leute da hinten den nicht dabei oder Ihnen den unterschlagen.
Unter Ziffer 6 dieses Antrags wurde die Forderung erhoben, dass in allen Regionen des Landes Schulen vom Investitionsprogramm der Bundesregierung „Zukunft Bildung und Betreuung“ profitieren sollten. In der Begründung des Antrags steht, dass ein flächendeckendes Netz entstehen solle. Das war unsere Haltung.
Wenn Sie damals unserer Auffassung gewesen wären, dass es einen Bedarf gibt, dann hätten wir so reagieren können und müssten jetzt nicht eigenes Geld nehmen – obwohl wir zuständig sind. Dann hätten wir viel mehr Geld zur Verfügung gehabt. Andere Bundesländer haben das bis 70 % heruntergefahren. Ich sage Ihnen: Die 914 Anträge im Land wären auch gestellt worden, wenn nur 60 oder 70 % der Investitionskosten gefördert worden wären. Jetzt müssen wir ein eigenes Programm auflegen. Wir schlagen vor, ein Angebot 50 : 50 zu machen. Das liegt ein bisschen über der normalen Schulhausbauförderung. Das ist unser Vorschlag. Wir sagen aber nicht, dass man es beschließen soll. Wir wollen nach der heutigen Regierungserklärung den Landtag aufrufen, die Regierung zu einem solchen Programm aufzufordern. Dann sehen wir, was die Regierung macht.