Annette Schavan

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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren! Bildung und Erziehung sollen Kindern und Jugendlichen gute Möglichkeiten geben, sich zu entfalten und zu wachsen. Alles, was wir in der Bildungspolitik tun, dient diesem Ziel. Niemand darf zum Modernisierungsverlierer werden, und keiner soll seine Talente verstecken müssen. Genau an diesen beiden Maßstäben wird in Baden-Württemberg seit über 50 Jahren Bildungspolitik ausgerichtet.
Deshalb ist Baden-Württemberg das Land mit den höchsten Investitionen in die Sonderpädagogik. Deshalb gilt in Baden-Württemberg, dass die Sonderpädagogik mit den hoch differenzierten Wegen des Lehrens und Lernens für diejenigen, die benachteiligt sind, auch im internationalen Vergleich an der Spitze steht. Deshalb haben wir eine so niedrige Zahl an Jugendlichen, die ohne Schulabschluss von der Schule gehen. Deshalb zeigt sich auch, dass da, wo gut investiert wird und richtige Konzepte in der Sonderpädagogik angewendet werden, auch am anderen Ende, wo es um die besonders Begabten geht, gute Erfolge erzielt werden. Beides sind die zwei Seiten der einen Medaille, die nicht auseinander gerissen werden dürfen.
Bildungspolitik darf sich nicht mit Legenden beschäftigen,
darf nicht auf jeden Trend und jede Mode springen,
braucht einen langen Atem, einen Kompass und konsequente, nachhaltige Entwicklungen.
Deshalb sage ich bei aller Wertschätzung von Reformen, bei aller Wertschätzung dessen, was wir konkret und aktiv bildungspolitisch tun können: Unsere Schulen können nur gut arbeiten, wenn ein gesellschaftliches Klima vorhanden ist, in dem Lernen und Leistung anerkannt werden, ein Klima, das sich nicht in Beliebigkeit ergibt, ein Klima, das mit Disziplin, mit Konsequenz, mit starker Erziehung verbunden ist.
Ich sage es ganz salopp: Erst wenn in dieser Gesellschaft Schluss ist mit Disziplinlosigkeit und Lümmelei, wird Schule gut arbeiten können.
Das ist auch deshalb so, weil Bildung und Kultur zwei Seiten einer Medaille sind. Nur wenn wir bereit sind, Lehrer und Lehrerinnen als Kulturschaffende in unserer Gesell
schaft anzuerkennen, nur wenn wir bereit sind, diesem Berufsstand die Anerkennung zu geben,
die er braucht, weil die Lehrer und Lehrerinnen den Schlüssel in der Hand halten, wird Schule gut arbeiten können.
Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass Bildungs- und Kulturpolitik in einem engen Zusammenhang stehen. In dem Maß, in dem sich eine Gesellschaft kulturell entwickelt, sich selbst ernst nimmt, einen Blick und Aufmerksamkeit für die Talente von Kindern und Jugendlichen entwickelt, wird die Qualität von Schule besser, wird Erziehung stabiler und Bildung stärker. Das zeigt sich übrigens im internationalen Vergleich gerade bei den so genannten PISA-Siegern.
Verbesserungen in Fragen der Bildung und der Erziehung dürfen nicht allein zur Sache der Schule gemacht werden, sondern sie müssen Herzensanliegen der Gesellschaft sein, die sich bewusst ist, was Bildung für sie bedeutet.
Deshalb war es richtig, dass die Kultusministerkonferenz in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre entschieden hat: Wir wollen nicht mehr weitermachen mit einer Entwicklung, bei der in der Bildungspolitik immer nur in den Schlagzeilen steht, wem gerade was gefällt.
Wir wollen uns die Bildungsforschung zunutze machen. Das war der Einstieg in ein neues Kapitel der Bildungspolitik in Deutschland. PISA-E 2003 – die ersten Ergebnisse, die jetzt veröffentlicht sind – zeigt: Das war in Deutschland in den letzten 30 Jahren der wohl wichtigste Schritt, um in die tiefgreifendste Reform des Bildungssystems einzusteigen. Es gilt nicht mehr, wem was gefällt, sondern es gilt das, was uns an Fakten vorgelegt wird. Die Fakten beschreiben nicht schon Bildung, aber die Fakten beschreiben wichtige Voraussetzungen für Bildung.
Das System bewegt sich. Die Schulen in Deutschland sind besser geworden. Die 15 Jahre nach Wiederherstellung der deutschen Einheit in meinen Augen wichtigste Botschaft ist doch in Wirklichkeit, dass die Schere zwischen Ost und West zusammengeht. Das ist die zentrale Botschaft dieser Studie 15 Jahre nach Wiederherstellung der deutschen Einheit.
Damit komme ich zu der Frage: Warum Veröffentlichung jetzt?
Ich bekenne mich dazu: Ich gehöre zu denen, die das ganz klar vorangetrieben und gesagt haben, die ersten Ergebnisse müssten jetzt vorgelegt werden. Warum? Weil mit der Le
gendenbildung doch schon begonnen worden war und auch in Baden-Württemberg schon die ersten Pressemitteilungen erschienen,
in denen es hieß: Das ist doch völlig klar; da, wo es viel Wohlstand gibt, wo es wenig Jugendarbeitslosigkeit und hohe Familieneinkommen gibt, da gibt es gute Bildung, und wo es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und geringe Familieneinkommen gibt, gibt es schlechte Bildung. Das heißt, der ganze Fatalismus
war da schon in die Öffentlichkeit gezerrt worden. Das heißt auf gut Deutsch: Die Schulen können tun, was sie wollen; haben sie reiche Kinder, haben sie eine gute Bildung, haben sie arme Kinder, haben sie eine schlechte Bildung.
Das war der Beginn einer neuen Legende.
Ich habe alles hier drinnen. „Das stimmt überhaupt nicht“? Das werde ich Ihnen gleich erklären.
Das heißt, wenn die Studie am 15. September, also drei Tage vor der Bundestagswahl, erschienen wäre, wäre den ganzen Sommer hindurch an Legenden gestrickt worden. Jeder in Deutschland hätte sich an der Bildungsdiskussion beteiligt und erklärt, die Wirtschaft habe erklärt, es werde alles immer schlimmer,
die Schulen würden immer schlechter, die Kinder könnten immer weniger lesen, schreiben und rechnen. Die GEW und die mit ihr Verbündeten hätten erklärt, das sei doch völlig klar,
das sei eine Frage des sozioökonomischen Kontextes. Deshalb mussten die Fakten – jedenfalls die ersten Ergebnisse – jetzt auf den Tisch gelegt werden. Deshalb gibt es übrigens, Herr Zeller, erstmals – –
Ich weiß, wie man sie werten kann, das ist alles wahr. Nur, Sie können das Ding so viel drehen und wenden oder auch werten, wie Sie wollen, es bleibt dabei: Die Spitzengruppe hat sich verdoppelt. Die Spitzengruppe besteht aus vier Ländern, die CDU- bzw. CSU-regiert sind.
Das heißt, bewerten! Aus 25 Seiten 500 Seiten machen heißt nicht, die 25 Seiten ad absurdum zu führen. Deshalb helfe ich Ihnen auch bei der Bewertung.
Ich zitiere jemanden, der völlig unverdächtig ist, den Sie zu jeder Anhörung einladen – ich würde ihn nie einladen,
aber Sie tun es –, nämlich Klaus Klemm.
Klaus Klemm wird am 15. Juli von der „Süddeutschen Zeitung“ gefragt, woher es eigentlich komme, dass in Ländern, die bei der PISA-Studie gut abschneiden, die Union regiert, und ob denn die Bildungspolitik der Union erfolgreicher sei.
Ich zitiere Klaus Klemm:
Die Länder, die schon lange von der CDU regiert werden, sind bei den Leistungen tatsächlich deutlich besser.
Eine mögliche Erklärung für den Erfolg des Südens ist, dass diese Länder das dreigliedrige System konsequenter verwirklicht haben.
So Klaus Klemm.
Und wenn Sie zum Thema „sozioökonomischer Hintergrund“ mir nicht glauben, was ich ja verstehen kann – es ist doch gar nicht schlimm, wenn Sie mir nicht glauben –,
zitiere ich den Autor der PISA-E-Studie, Manfred Prenzel.
Da wäre ich jetzt vorsichtig. Mit „kompletter Unsinn“ wäre ich einmal vorsichtig.
Manfred Prenzel erklärt auf die Frage: „Welche Bedeutung hat der sozioökonomische Hintergrund?“ – ich zitiere –:
Die sozioökonomische Situation einer Region determiniert also in keiner Weise die Ergebnisse.
Wenn es so wäre, könnte die Bildungspolitik einpacken, oder Lehrkräfte könnten aufhören, guten Unterricht zu machen.
Es ist doch der eigentliche Skandal, dass unentwegt versucht wird, so zu tun, als sei es völlig egal, ob in der Schule guter oder schlechter Unterricht stattfinde, ob wir Bildungsreformen machten oder nicht,
weil alles irgendwie sozioökonomisch bestimmt sei. Damit hat die PISA-E-Studie aufgeräumt, und es ist ein ermutigendes Zeichen für unsere Schulen, dass sich das, was sie an Qualitätsverbesserung erreicht haben, tatsächlich auf die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler positiv auswirkt.
Jetzt sage ich etwas zur Platzierung. Ich kann damit gut leben, dass Sie eine Sprache benutzen mit Worten wie „Blamage“, „Skandal“, „Stillstand“. Wahrscheinlich würden Sie das gerne auch noch in eine Zeugnisform bringen.
Dann sind das natürlich die Plätze der Ministerin. Das ist immer so. Bei IGLU, wo wir ganz an der Spitze waren, hatte das Ihrer Auffassung nach mit Bildungspolitik gar nichts zu tun. Jetzt ist es die Ministerin. Die können Sie jetzt gerne auch so behandeln, als sei sie gerade durchs Examen gefallen. Wissen Sie, das berührt mich nicht mehr wirklich.
Ich sage Ihnen, was Sie tun: Sie sind einfach auf einem Auge blind.
Wir haben in diesem Raum gesagt: Interessant ist für uns nicht der nationale Vergleich, sondern der internationale Vergleich.
Sie haben immer davon gesprochen: „Keine Regionalliga!“ Sie haben immer erklärt: „Wir wollen in die Champions League!“ Das ist ja auch so ein Modewort.
Wir wollen ja überall in die Champions League. Allerdings werden Sie da nie hineinkommen.
Jetzt verbessert sich Baden-Württemberg im internationalen Vergleich in der Lesekompetenz von Platz 17 auf Platz 11, in der Mathematik von Platz 16 auf Platz 15, in den Naturwissenschaften von Platz 16 auf 13.
Ja, ja. Jedes SPD-regierte Land wäre glücklich und würde die Glocken läuten lassen, wenn es auf diesem Platz wäre.
Liebe Frau Rastätter, ich war die Erste, die Sachsen-Anhalt gratuliert hat.
Ich habe dem Kollegen schon einen Tag vor der Pressekonferenz gesagt: „Du bist der eigentliche Sieger.“
Nur: Wenn Sie jetzt hier sagen, Sachsen-Anhalt sei ganz nah bei Baden-Württemberg, dann, mit Verlaub,
haben Sie mit dem Statistiklesen auch ein bisschen Schwierigkeiten.
Sie haben Sachsen-Anhalt gesagt. – Wären wir da, wo Sachsen-Anhalt liegt, dann würden Sie, und zwar quer durch die Oppositionsreihen, uns hier Prügel verteilen.
Ich finde, dass sich aus dem Vergleich der Ergebnisse von 2000 und 2003 ganz deutlich ergibt, dass wir im internationalen Vergleich bis zu sechs Plätze nach oben gerückt sind. Interessanterweise ist übrigens Japan 25 Punkte nach unten gerückt. Das heißt, man muss auch wissen, dass es bei solchen tief greifenden Reformen, die über lange Zeit angelegt sind, immer wieder Situationen geben kann, in denen es Verunsicherung gibt, in denen neue Probleme auftreten. Das darf niemanden davon abhalten, konsequent weiterzuentwickeln,
zu reformieren, die tiefgreifendste Reform des Bildungssystems konsequent fortzusetzen. Das bedeutet: mehr Selbstständigkeit für die Schule, klare Standards,
gute Weiterentwicklung der Lehrerbildung
und vor allem Kinder und Jugendliche ernst nehmen, ihnen nicht weniger zutrauen, als wir ihnen zutrauen müssen.
Wir sollten nicht schon immer meinen, wir wüssten, was in den Kindern steckt, sondern ihnen Chancen geben, ihre Entwicklung wirklich gut begleitet zu sehen, ihre Talente zu entfalten. Das ist der erste Grundsatz.
Ich bin davon überzeugt, dass es, wenn wir das fortsetzen, bei einer Fortschreibung der Entwicklung von 2000 zu
2003 auf 2006 genau so sein wird. Aber ich bin mir ziemlich sicher: Wenn Baden-Württemberg nahe bei Finnland liegt, dann werden Sie auch Gründe finden, warum das jetzt wieder nicht gut ist. Das ist überhaupt keine Frage.
Damit komme ich zur Frage der Gerechtigkeit.
Für das Bildungssystem in Deutschland ist die wichtigste Frage überhaupt: Wie schaffen wir neben einer weiteren Entwicklung von guter Leistung im internationalen Vergleich wirklich Gerechtigkeit in allen Phasen der Bildungsbiografie?
Das ist übrigens auch ein Hauptgegenstand der Gespräche mit den Wissenschaftlern. Aber auch hier wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Sie wissen, dass sich diese Frage in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen viel dramatischer stellt als bei uns.
Damit will ich nicht kleinreden, dass sich diese Frage auch bei uns stellt. Das muss ein Stachel im Fleisch der Bildungspolitik sein und bleiben.
Aber sowohl die PISA-Studie 2000 als auch die PISA-Studie 2003 zeigen, dass dort, wo in Deutschland integrative Systeme eingeführt wurden, die Hauptschule systematisch heruntergewirtschaftet und kaputtgemacht worden ist.
Das ist die Analyse der Wissenschaftler und nicht der CDU in Deutschland.
Weder Sachsen noch Thüringen haben eine Gesamtschule; das wissen Sie.
Und Sie wissen, dass sich dort, wo die Systeme um die Gesamtschule erweitert worden sind, die Gerechtigkeitsfrage viel schärfer stellt.
Zweitens wissen Sie noch aus der Studie 2000 – und das wird jetzt wieder in dem ausführlichen Bericht vorkommen –, dass die Integration der Kinder und Jugendlichen mit Mi
grationshintergrund im Süden deutlich besser gelingt als im Norden. Auch das ist doch interessant: Die Ost-West-Schere geht zusammen; die Nord-Süd-Schere geht nicht zusammen. Warum wohl?
Ich finde, dass es Probleme gibt, denen wir uns weiterhin gemeinsam stellen sollten. Sie wissen zum Beispiel, dass es zwar einerseits den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischer Leistung – der ist in BadenWürttemberg eng – gibt, andererseits aber auch die Aussage von Professor Baumert, dass erstens das Bildungssystem nirgends so durchlässig ist wie in Baden-Württemberg
und dass zweitens die Möglichkeit, auf das Gymnasium zu kommen, für bildungsferne Schichten nirgends so groß ist wie in Baden-Württemberg.
Wir haben erste Erfolge, und wir sollten diese ersten Erfolge nennen. Wir haben das durchlässigste Bildungssystem in Deutschland.
Wir haben das durchlässigste Bildungssystem in Deutschland unter anderem deshalb, weil wir neben der Sonderpädagogik als starker Säule des Bildungssystems eine starke zweite Säule in der beruflichen Bildung haben.
Es wird in den nächsten Jahren eine wichtige Aufgabe werden, deutlich zu machen, dass berufliche Bildung in Deutschland auch im internationalen Maßstab ein starker Teil unseres Bildungssystems ist. Die berufliche Bildung ist das Flaggschiff des Bildungssystems in Baden-Württemberg.
Deshalb haben wir die europaweit niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Wenn Sie mich nach Gerechtigkeit fragen, dann sage ich Ihnen: Der wichtigste Indikator für ein gerechtes Bildungssystem ist die Frage: Wie hoch ist der Prozentsatz derer, die nach der Schule, nach der Bildung in Ausbildung, in Beschäftigung oder in eine selbstständige Existenz kommen? Das ist für mich der wichtigste Erfolgsfaktor auch für die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems.
Nein, das übergehe ich nicht. Keiner darf auf der Strecke bleiben. Aber nirgends bleiben so wenige auf der Strecke wie in Baden-Württemberg. So ist das.
Regen Sie sich doch jetzt nicht so auf!
Lesen Sie die Zahlen SPD-regierter Länder, dann werden Sie in sich gehen und bei Ihrem Anspruch von Gerechtigkeit Ihre Genossen fragen, wie sie es verantworten können, einen so verheerenden Arbeitsmarkt und einen so verheerenden Ausbildungsmarkt zuzulassen und zu fördern. Das ist der rote Faden durch die letzten sieben Jahre gewesen. Das ist ungerecht im Blick auf die Zukunftschancen der jungen Generation.
Berufliche Schulen waren an PISA-E beteiligt. Wir sind dabei, auch an der Vergleichbarkeit der beruflichen Bildung im europäischen Vergleich zu arbeiten. Das wird ein wichtiges Thema der nächsten Jahre werden.
Das dritte wichtige Thema, das sich aus PISA ganz deutlich ergibt und das im Blick auf die Gerechtigkeitsfrage wichtig ist, ist die frühkindliche Bildung. Baden-Württemberg hat seit Mitte der Neunzigerjahre den „Schulanfang auf neuen Wegen“ eingeführt. Wir haben jetzt genügend Erfahrungen, um einen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung einzuführen und den Bildungsauftrag der Kindergärten zu stärken.
Der kommt.
Im September. Da können Sie ganz sicher sein. Das machen wir noch.
Wir wollen keine Vorschule. Wir wollen kein Curriculum für den Kindergarten.
Wir wollen Schule nicht einfach vorziehen, weil wir wissen, dass Frankreich mit der École maternelle nicht die Erfolge hat, über die wir hier immer reden,
und weil das letzte Jahr viel zu spät ist für eine gezielte Förderung.
Wir werden einen Orientierungsplan einführen, der im Wesentlichen das Alter zwischen drei und sechs Jahren in den Blick nimmt. Ich füge aber hinzu: Noch so viel Förderung in öffentlichen Institutionen ersetzt nicht das, was erwachsene Menschen in der Familie für Kinder tun können.
Auch das gehört zu den Erkenntnissen, die wir aus den vielen Studien, die mittlerweile vorliegen, haben. Das sage ich an die Adresse aller. Das ist keine politische Frage, sondern das ist wiederum eine Kulturfrage.
Eine Gesellschaft, die glaubt, sie könne das Thema „Bildung und Erziehung“ dem Kindergarten und der Schule überlassen, ist schon verloren – die können es allein nicht.
Einer Gesellschaft, in der nicht alle bereit sind, an einer starken Erziehung mitzuwirken, an einer Kultur mitzuwirken, in der Kinder und Jugendliche Vorbilder erfahren, nützt die komplizierteste Didaktik nichts.
Wir brauchen auch für die Bildungspolitik, auch für die Entwicklung in unseren Schulen wieder die Rückkehr zum Naheliegenden, wir brauchen eine Gesellschaft, die weiß, was Disziplin im Kopf und im Herzen bedeutet, eine Gesellschaft, die Kinder konsequent wahrnimmt, die nicht ständig überlegt, ob Kinder überfordert sind, sondern die Kinder endlich die Möglichkeiten, die in ihnen stecken, entfalten lässt.
Dort, wo dies vorhanden ist, wo sich eine Kultur entwickelt, die den Stellenwert der Bildung achtet, wird sich auch schulische Arbeit kontinuierlich verbessern. Die Grundlagen dafür sind gelegt. In jedem Jahrzehnt hat Baden-Württemberg Bildung kontinuierlich weiterentwickelt. Das haben wir auch im letzten Jahrzehnt versucht.
Ich möchte, weil dies meine letzte Rede in diesem Parlament ist,
Ihnen allen für das danken, was wir gemeinsam an Auseinandersetzung und Ringen bewirken konnten. Ich danke der Opposition
für einen fairen Streit,
für hartes Ringen. Herr Zeller, das war die letzte Runde „Schavanismus“.
Jetzt ist Schluss. Jetzt müssen Sie neue Begriffe erfinden.
Die „Zelleritis“ bleibt.
Ich danke. Sie haben es gespürt: Mir macht das Streiten Spaß. So richtig beleidigt haben Sie mich auch nie. Auch dafür danke ich Ihnen. Hartes Ringen und Streiten gehören zur politischen Kultur. Das gilt auch für den Respekt voreinander, den Respekt der Regierung vor der Opposition im Wissen, dass es für eine Opposition nicht leicht ist, Opposition zu sein, und den Respekt der Opposition vor der Regierung, die nun dummerweise nicht nur kommentieren darf, sondern handeln muss. Ich danke Ihnen für diesen Respekt. Das Streiten mit Ihnen hat mir Spaß gemacht.
Ich danke den Regierungsfraktionen für zehn Jahre gutes Miteinander. Ich danke ihnen dafür, dass sie der Bildungspolitik, dass sie einer Politik für Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg einen so hohen Stellenwert eingeräumt haben. Kultusministerin in Baden-Württemberg zu sein ist eine wunderbare Aufgabe, weil diese Regierungsfraktionen an dieser Priorität in der Landespolitik, am Herzstück der Landespolitik, so stark festhalten. Auch dafür danke ich ihnen sehr.
Ich danke den Lehrerinnen und Lehrern – einige sind heute hier – für ihren Dienst in unseren Schulen.
Sie haben eine der schönsten und schwierigsten Aufgaben. Das habe ich auch in jedem Jahr den Junglehrerinnen und -lehrern bei ihrer Vereidigung gesagt. Ich bin davon überzeugt. Mein Respekt vor ihrer Arbeit ist in den zehn Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen. Ich freue mich darüber, dass mir auch im letzten Jahr meiner Amtszeit nichts an meiner hohen Achtung vor der Arbeit unserer Schulen sowie der Lehrerinnen und Lehrer, der Schulleiterinnen und Schulleiter verloren gegangen ist. Sie leisten großartige Arbeit für unsere Schulen. Das Land Baden-Württemberg kann stolz auf seine Schulen sein.
Gute Bildungspolitik braucht viele Partner in den Städten und Gemeinden, in den Elternbeiräten und den Schülerbeiräten, in vielen Vereinen und Verbänden, in der Schulverwaltung und im Ministerium. Den vielen Partnern in diesen zehn Jahren, den vielen, die Impulse in unserem Land gesetzt haben, den vielen, mit denen wir gemeinsam Konzepte entwickelt und durchgesetzt haben, danke ich von Herzen, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Schulverwaltung und im Ministerium ebenso wie den vielen im Land und im Kontext von über 4 000 Schulen und 100 000 Lehrerinnen und Lehrern, die bei uns wirken.
Herzlichen Dank Ihnen allen, verbunden mit guten Wünschen für Sie persönlich und für das hohe Haus, von dem
ich überzeugt bin, dass es auch in Zukunft diese Erfolgsgeschichte von Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung als Herzstück der Landespolitik fortsetzen wird, dem ich wünsche, dass jede und jeder von Ihnen immer stärker wahrnehmen kann, wie sehr die jeweils nächste Generation darauf wartet, dass wir ihr eine Chance geben, dass wir sie in ihrer Neugierde, Lernbereitschaft und Leistungsbereitschaft sowie in ihren Talenten wahrnehmen. Vielleicht ist es für die politische Kultur – egal, in welchem Ressort, und egal, in welcher Aufgabenstellung – ein ganz bedeutsamer Faktor, Kinder und Jugendliche mit ihren Talenten, ihren Chancen und Grenzen wahrzunehmen und daraus auch selbst Kraft für die alltägliche Arbeit in der Politik und für die Wirren des politischen Alltags zu schöpfen.
Ich wünsche Ihnen Kraft und Durchstehvermögen in wirren Tagen und persönlichen Erfolg in dem, was Ihnen wichtig ist.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn man hier zuhört, merkt man rasch: Erstens geht es um Geld, zweitens geht es um Wahlkampf, und drittens geht es um Ihre Zeitrechnung,
wonach es in Baden-Württemberg erst seit dem Jahr 2003 Ganztagsschulen gibt.
Zu allen drei Punkten will ich etwas sagen.
Erstens: Es geht um Geld. Sie wissen auch, dass eine Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz, wie Sie sie formuliert haben, überhaupt nicht die Anerkennung von Ganztagsschulen bedeuten würde, weil es sie bislang nicht gegeben hätte, sondern es geht schlicht um einen
Rechtsanspruch, der daraus im Hinblick auf pädagogisches Personal erwächst.
Sie legen für flächendeckende Ganztagsschulen in BadenWürttemberg Rechnungen vor und sagen, für das Jahr 2006 bedeute das 12 Millionen €. 12 Millionen €, liebe Kolleginnen und Kollegen, ergeben exakt 240 Stellen für BadenWürttemberg. Wenn Sie also den Eindruck erwecken, mit diesem Gesetzentwurf und mit diesen Rechnungen die Voraussetzungen für die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg zu schaffen, sind Sie schlicht PISA-geschädigt.
Wenn man das denn ernst meint, dann muss man über völlig andere Summen reden.
Ja, Sozialarbeiter. Viel preiswerter sind die auch nicht. Tun Sie doch 60 drauf, und dann kommen Sie auf 300.
Also, liebe Leute: Entweder in der Sache richtige Zahlen vorlegen, damit die Öffentlichkeit einmal weiß, über welche Summen Sie sprechen,
oder sich mit solchen Anträgen zurückhalten.
Deshalb stehe ich zu dem, was ich bei der ersten Lesung schon gesagt habe: Wir entwickeln kontinuierlich weiter. Wir können aber jetzt nicht eine solche Veränderung des Schulgesetzes vornehmen, weil damit ein Rechtsanspruch verbunden wäre, der in den nächsten Jahren so nicht finanzierbar ist.
Zweitens: Es geht um Wahlkampf.
Sie haben das Ding ja viel früher bestellt. Ich weiß, wann Sie es bestellt haben. Das meine ich ja gar nicht.
Ich meine diese ganzen Nachrichten aus Berlin. Ich bin ja jetzt Stammgast im „Spiegel“. So oft kann man eigentlich gar nicht in den „Spiegel“ kommen, wie ich das tue. Und je
des Mal mit Bild! Das ist wunderbar. Ich kann nur sagen: Für das Image tut das gut. Nur: Es hat einen Grad an Lächerlichkeit erreicht,
der in der politischen Kultur wirklich schon erstaunlich ist. In der einen Woche kommt die Meldung: „Baden-Württemberg: Frau Schavan hat Geld gebunkert!“
Jetzt lassen Sie mich ausreden!
Nein, das bleibe ich nicht. Sie bleiben ja auch nie beim Thema. Und das gehört zum Thema.
Also: Eines Montags steht in der Zeitung: „Schavan bunkert Geld!
Hat das alles aus Berlin angefordert und nicht weitergegeben. Liegt alles im Keller des Ministeriums.“
Dann melden wir uns. Zwei Wochen später steht im „Spiegel“: „Baden-Württemberg ruft kein Geld ab!“ Am selben Tag gibt es große Anzeigen, in denen alle Summen, die die Länder angefordert haben, aufgeführt sind. Komischerweise kommt mit die größte Summe – –
Ja, ja, das müssen Sie schon. Das gehört alles dazu.
Jetzt kommt die Meldung: „Schavan boykottiert Ganztagsschulkongress!“
Jetzt will ich Ihnen sagen, was dahintersteckt. Dieser Kongress war für November – –
Haben Sie jetzt von „Kongress“ gesprochen oder ich? Ich muss doch jetzt antworten können, oder? Also!
Dieser Kongress war für November geplant. Jetzt wird er auf Anfang September verschoben.
Warum wohl? Weil Sommerferien sind, oder? Na also! Wahlkampf!
Dann werde ich gefragt, ob die Schulen jetzt dort hinmüssen. Dann sage ich: Jede Schule hat einen Brief der Bundesbildungsministerin bekommen. Wer dort hinwill, kann hingehen. Ist mir doch gerade egal! Aber es sind Sommerferien. Also ist aus meinem Haus ein Brief an die Regierungspräsidien gegangen, in dem steht, dass sich das Land nicht offiziell an diesem Kongress beteiligt und dass man deshalb, wenn Schulen fragen, sie nicht dahin gehend beraten muss, dass sie dort hingehen.
Also – –
Die Sommerferien haben wir nicht dazugesetzt. Aber was glauben Sie denn, wie viele Schulen dort hinwollten? Ich kann nur sagen: Wer hinwill, soll hinfahren.
Nein, gestatte ich nicht.
Dritter Punkt: Es geht um Ihre Zeitrechnung. Sie tun so, als gäbe es Ganztagsschulen in Baden-Württemberg, seit es IZBB aus Berlin gibt. Und das ist lachhaft. Die 504 Ganztagsschulen, die wir im Land haben, gab es lange vor IZBB.
Und die Definition ist nicht meine Definition, sondern die Definition der Kultusministerkonferenz. Auch darauf lege ich noch einmal Wert.
Nun wird es weitere Ganztagsschulen geben, und das ist gut so.
Es wird in der Fläche überall Standorte mit einem anderen Umgang mit Zeit geben. Wir werden auch dahin kommen,
dass die ersten Ganztagsschulen sagen, sie wollten dies verpflichtend für alle Schüler einführen. Auch das ist ein interessantes Modell.
Aber für dieses Thema gilt wie für alle anderen auch: Es wird vielfältige Entwicklungen geben. Es kann Entwicklungen nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten geben.
So war es bei allen anderen Themen auch.
Ich rate Ihnen, diese Reden, denen zufolge wir ein altes Familienbild hätten,
ruhig im Wahlkampf unentwegt bis März weiter zu halten. Dann schauen wir einmal, wie die Endabrechnung aussieht, die dann kommt.
Die Eltern wollen Vielfalt.
Sie wollen nicht, dass wir so tun, als sei Vormittagsschule schlechter als Nachmittagsschule. Die Eltern habe eine differenziertere Einstellung zu dem Ganzen, als Sie glauben.
Deshalb streiten wir uns weiter in der Sache. Wir werden die Schule kontinuierlich weiterentwickeln im Maße der pädagogischen Entwicklung und vor Ort im Maße der finanziellen Möglichkeiten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zeitweilig hatte ich in der Debatte den Eindruck, dass wir das Thema zu diesem Tagesordnungspunkt noch suchen.
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir hier über eine Drucksache vom 18. Dezember 2003 sprechen. So war es ausgedruckt. Das ist auch eine Drucksache, deren Ausgabe schon ein bisschen zurückliegt.
Nun bin ich schon ziemlich verwundert. Sie haben jetzt in der letzten halben Stunde wirklich fast alle Klischees ausgebreitet, die Sozialdemokraten seit 30 Jahren durch die Republik tragen.
Ich könnte es jetzt ganz kurz machen
und sagen: Sagen Sie das alles doch einfach im nächsten halben Jahr draußen, und schreiben Sie in Ihr Wahlprogramm, dass bei Ihnen die Hauptschule abgeschafft wird,
dass bei Ihnen Schluss ist mit einem differenzierten Bildungssystem.
Sagen Sie doch einfach, dass das alles ganz anders wird als bisher.
Herr Capezzuto, manchmal muss man verklaren. Reden Sie doch nicht immer drum herum!
Wenn das alles so wäre, wie Sie hier reden, dann würde ich das Ding abschaffen, und zwar ganz schnell. Aber es ist anders. Das ist der Unterschied.
Sie werden ja in wenigen Tagen – das ist nicht einmal mehr 14 Tage hin – die nationale Auswertung der neuesten PISAStudie erleben.
Dann haben wir wieder neuen Stoff, aus dem mancher seine Träume macht und andere die Realitäten wiedererkennen können. Ich kann uns nur raten, wenn wir Kindern und Jugendlichen gerecht werden wollen, nicht jahrzehntelang immer nur das gleiche Zeug zu reden,
sondern Sorge dafür zu tragen, dass sich ein Bildungssystem und auch Schulen kontinuierlich, modern – –
Doch, das stimmt, was ich sage.
Lassen Sie mich doch zu Ende reden. Dann haben Sie den ganzen Zusammenhang.
Das ist doch zum Kaputtlachen. Sie reden hier so ein Zeug, und der SPD-Bundesvorstand tagt zur Bildungspolitik,
um die großen Aussagen für den Wahlkampf festzulegen.
Nachdem vier Wochen zuvor noch Frau Bulmahn die Abschaffung der Hauptschule und die Gemeinschaftsschule gefordert hat, kommen Sie aus der Klausur heraus und sagen, das mit der Gemeinschaftsschule und der Abschaffung der Hauptschule hätten Sie sich noch einmal überlegt, das
würde öffentlich gar nicht gut ankommen und deshalb hätten Sie es aus Ihrem Programm gestrichen.
Genau so stand es in einer Pressemitteilung des SPDBundesvorstands von vor drei oder vier Wochen.
Nein, das brauche ich gar nicht. Da bewirbt man sich nicht, schon gar nicht in diesem Landtag. So einfach ist das.
Ich bin wirklich dafür, und Wahlkampfzeiten eignen sich wunderbar dazu – Vorwahlkampf und Wahlkampf –, klare Alternativen zu nennen. Das gibt keinen Mischmasch, sondern jeder sagt, wie er sich die nächsten zehn Jahre vorstellt. Wir stellen uns die nächsten zehn Jahre eben so vor
Vorsicht! Schwäbisch Gmünd! Vorsicht! –,
dass die Spitzenposition, die Baden-Württemberg hat, wenn es um die Jugendarbeitslosigkeit geht, wenn es um die Zukunftschancen der jungen Generation geht, wenn es um die Nahtstelle zwischen Bildung und Beschäftigung geht, wenn es um moderne Schule geht, gehalten wird.
Nennen Sie mir nun ein einziges SPD-regiertes Land in Deutschland, wo in den letzten 50 Jahren mit dessen Bildungspolitik und Ihren Vorstellungen und Ihren Klischees auch nur ein Anschluss an die Spitzengruppe in Deutschland erreicht worden ist.
Wenn man so im bildungspolitischen Bankrott lebt wie Sie,
sollte man sich davor hüten, anderen Nachhilfe zu erteilen. So einfach ist das.
Nein, die gestatte ich nicht. – Ein letzter Satz zum Thema Durchlässigkeit.
Es ist mehrfach, auch an dieser Stelle, gesagt worden – und ich stehe dazu –: Durchlässigkeit ist eine Frage der Gerechtigkeit. Ein modernes Bildungssystem muss gerecht und leistungsfähig sein,
und es darf nicht das eine gegen das andere ausspielen. Deshalb bescheinigt uns interessanterweise die PISA-Studie, dass wir die höchste Durchlässigkeit des Bildungswesens in Deutschland haben, die eben nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben funktioniert.
Das sind einfach Zahlen, die nicht aus einer CDU-Pressestelle kommen. – Alles, was wir tun, übrigens auch im Zusammenhang mit den neuen Bildungsplänen und den gemeinsamen pädagogischen Grundlagen für alle Schularten, soll die Weichen für weitere Verstärkung und Profilierung von Durchlässigkeit stellen. Die Entscheidung nach der Klasse 4 ist nicht die Entscheidung für einen bestimmten Schulabschluss, sondern sie ist die Entscheidung für ein spezifisches Bildungskonzept,
und alle Zahlen zeigen, dass die Schüler dann sehr unterschiedliche Wege gehen.
Gerade weil es diese Durchlässigkeit gibt, haben wir die europaweit niedrigste Jugendarbeitslosigkeit.
Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Was ich hier gehört habe, finde ich zum Teil erschreckend.
Zweitens finde ich, dass derjenige, der die Bildungspolitik wirklich konsequent reformieren will, sich auf die Strukturen und Traditionen, die wir haben,
einlassen muss. Zur erfolgreichsten Tradition unseres Landes gehört, dass wir wohnortnahe Schulen haben.
Wer die Regionalschule haben will, muss ehrlich sagen, dass er dieses Prinzip und diese Strukturpolitik aufgibt. Auch das werden wir sagen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Als ich jetzt zugehört habe, habe ich mich gefragt, wo Sie in den letzten zehn Jahren eigentlich waren, wenn Sie heute den Eindruck erwecken, als seien wir in Baden-Württemberg erstmals dabei, Bildung in frühen Jahren zu entdecken. Deshalb darf ich, bevor ich Ihnen Informationen zu den nächsten Schritten gebe, ein paar Stationen in Erinnerung rufen.
1996 hat eine landesweite Tagung zur Weiterentwicklung des Lernens in frühen Jahren stattgefunden, und zwar ausgehend von der Arbeit der Grundschule. Damals haben uns die Entwicklungspsychologen und die Hirnforscher gesagt: Es muss Schluss damit sein, dass Kinder zu spät eingeschult werden. Wir dürfen nicht nur an das Jahr vor der Schule denken. Wir brauchen ein Gesamtkonzept.
Unmittelbar danach haben wir uns an die Arbeit gemacht. Ich sage Ihnen: In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre saßen die Kinder da, wo die SPD regiert hat, noch im Sandkasten, und da, wo die CDU regiert hat, durften sie zur Schule gehen. Das war der Unterschied.
Ich war nicht mehr im Sandkasten. – Ich erinnere mich gut an die Überschriften von damals und an die Empörung darüber, dass Kinder nun nicht mehr kurz vor Vollendung des siebten Lebensjahrs eingeschult werden, sondern möglicherweise sogar Kinder eingeschult werden dürfen, die noch keine sechs Jahre alt sind. Tun Sie doch jetzt nicht so, als hätte das irgendjemand von Ihnen Mitte der Neunzigerjahre gut gefunden.
Das waren heftige Debatten, auch hier im Haus.
Dann haben wir ab 1998 in mehreren Etappen die Flexibilisierung des Stichtags durchgeführt, weil wir im Unterschied zum Beispiel zu dem, was die SPD in NordrheinWestfalen vorhatte, immer gesagt haben: Wer so etwas einrichtet, wer sich nicht mehr nur noch auf jahrgangsbezogenes Arbeiten konzentriert, wer individuelle Förderung will,
darf nicht nur eine Praxis theoretisch ändern, sondern muss dafür sorgen, dass die Grundschulen über zusätzliche Lehrerstellen diese Möglichkeiten bekommen.
Deshalb haben wir den Stichtag in drei Etappen verändert. Die letzte Etappe ist 2005 in Kraft getreten. Ich habe vor 14 Tagen in meinem Wahlkreis die Grundschule in Affalterbach besucht. Da ist das jüngste Kind in der ersten Klasse viereinhalb Jahre alt.
Da wird das – wie an vielen Grundschulen in Baden-Württemberg – längst praktiziert.
Wir stellen keine Dogmen auf. Wir sorgen dafür, dass es in den Grundschulen und in den Kindertagesstätten kindgerecht zugeht.
Wir haben neben dieser Flexibilisierung des Stichtags eine Weiterentwicklung der Grundschulförderklassen vorgenommen mit dem Schwerpunkt der Sprachförderung. Wir haben über die Landesstiftung das Programm zur Sprachförderung aufgelegt, das Sie kennen. Wir haben die Kooperation zwischen Grundschulen und Kindergärten verstärkt. Die Verwaltungsvorschrift sollte übrigens geprüft werden. Sie wird natürlich nicht abgeschafft. Aber das, was da an Erfahrungen gesammelt worden ist, wird in den Orientierungsplan und in eine Weiterentwicklung der Kooperation übergehen.