Protokoll der Sitzung vom 29.07.2004

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 75. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Hauk und Kübler erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Dr. Repnik.

Bevor ich die Tagesordnungspunkte aufrufe, gebe ich bekannt, dass die Fraktionen übereingekommen sind, an dieser Stelle noch den neuen stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses „FlowTex“ zu bestellen. Anstelle des bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden schlägt die CDU-Fraktion Günther-Martin Pauli als neuen stellvertretenden Ausschussvorsitzenden vor.

Sie sind damit einverstanden, dass wir die Wahl offen vornehmen? – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.

Wer gemäß § 6 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes der Wahl von Herrn Pauli zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist Herr Abg. Pauli einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses „FlowTex“ gewählt.

Wir können damit in die Tagesordnung eintreten.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte – Rundfunkgebühren und Medienpolitik – ordnungspolitische Zielsetzungen aus der Position des Landtags von Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der CDU

b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 21. Januar 2004 – 14. Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – Drucksachen 13/2836, 13/3284

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Staatsministeriums – Rundfunkgebühren – Drucksache 13/1611

Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte und die Tagesordnungspunkte 1 b und 1 c eine Gesamtredezeit von 60 Minuten festgelegt, je acht Minuten für die einleitenden Erklärungen und je sieben Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine verehrten Damen, meine Herren! Im September und Oktober dieses Jahres stehen weitreichende Entscheidungen in der Rundfunkpolitik an. Der Landtag nutzt heute die Gelegenheit, gemeinsam mit der Regierung darüber zu beraten, was die Interessen Baden-Württembergs sind und wie wir uns in der Struktur des Rundfunks, wenn es um die Zukunft geht, wieder finden wollen.

Zunächst: Die CDU-Fraktion bekennt sich zur dualen Rundfunkordnung, zu einer Rundfunkordnung, die aus einem öffentlich-rechtlichen Auftrag und einem privaten Markt besteht, zu einer Rundfunkordnung, die viele Angebote garantiert und die für die Zukunft stabile Arbeitsplätze, gerade auch in Baden-Württemberg, im Medienbereich sichern kann.

Schauen wir einmal die derzeitigen Angebote an: Was die Breite und die Vielfalt angeht, gibt es keinen Anlass zur Kritik. Aber man muss schon fragen, ob die Qualität dessen, was über den Äther kommt, die Qualität der Bilder und der Angebote, wirklich dem Anspruch einer aufgeklärten, kulturell vielfältigen demokratischen Gesellschaft in allem genügt.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen verbinden wir mit der Debatte über die Struktur von ARD und ZDF die Erwartung, dass der Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk lautet, zuallererst auf Qualität,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig!)

auf objektive informative Programme und nicht zuallererst auf Quote zu achten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Die CDU-Fraktion ist im Grundsatz zu einer Gebührenanpassung bereit. Wir haben von vornherein gesagt, dass die Gebührenanpassung ein Inflationsausgleich sein kann – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Deswegen ist das, was die KEF vorgeschlagen hat, schon maßvoll: 1,09 € ab 1. Januar 2005. Wir würden es aber begrüßen, wenn es gelänge, diesen Betrag noch etwas geringer zu halten.

Deswegen danken wir der Landesregierung und dem Staatsministerium. Die Mitwirkung an all den Einzelpunkten, die jetzt bald zu entscheiden sind, war, glaube ich, sachgerecht. Wir tragen das, was jetzt an Eckpunkten absehbar ist und in einen künftigen Staatsvertrag einmünden wird, ausdrücklich

mit und kündigen schon jetzt unsere Zustimmung zu folgenden zehn Punkten an:

Erstens: Wir begrenzen die Zahl der Programme, die es gibt. Wir wollen nicht mehr Hörfunkprogramme. Wir haben schon 48 Hörfunkprogramme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wer ein neues Programm aufbauen will, muss umbauen und ein anderes streichen. Die Ausweitung auf immer mehr Programme kann nicht die Zukunft sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch was die Reichweite und was die Zahl der Hörer und Zuschauer anbelangt, nehmen wir lieber in Kauf, dass es etwas weniger Hörer und Zuschauer sind, wenn dafür aber die Qualität stimmt. Quote ist nicht das Maß aller Dinge. Qualität geht vor.

Zweitens: Wir erwarten weitere Personaleinsparungen und sind schon der Meinung, dass eine Verringerung des Personals um 5 % innerhalb der Anstalten von ARD und ZDF die richtige Vorgabe ist. Der Sender in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz – unser Sender, der SWR – hat seine Hausaufgaben hier schon weitgehend erbracht. Deswegen muss die Forderung nach einer Reduzierung des Personals um 5 % bei ARD und ZDF ganz konkret pro Anstalt angelegt werden. Denn wir stellen fest, dass beim WDR in Köln und beim Bayerischen Rundfunk in München die Bereitschaft zu Einsparungen bisher unterausgeprägt ist. Wir erwarten, dass die 5 %, die in Baden-Württemberg erbracht worden sind, auch das Maß für andere Anstalten sind. Erst dann wäre die Strukturreform auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Drittens: Wir begrüßen eine Begrenzung beim Onlineaufwand und beim Marketingaufwand: höchstens 0,75 % für den Onlineaufwand, höchstens 1 % für Marketing. Diese Margen werden derzeit noch unterschritten. Aber es ist notwendig, diesen Deckel jetzt einzuziehen, damit hier in Zukunft nicht ein unbegrenztes Wachstum möglich wird. Wir halten die Deckelung der Aufwendungen für Marketing und Onlineangebote für zumutbar und sachgerecht.

Viertens: Wir wollen keine Ausdehnung von Werbung und Sponsoring. Ordnungspolitisch wäre es wünschenswert, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten mittelfristig nur aus Gebühren finanzierten

(Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig!)

und der Werbemarkt den privaten Medien vorbehalten bliebe: Printmedien – Zeitungen, Zeitschriften –, Hörfunk und Fernsehen. Wir sehen aber ein, dass diese Umstellung nicht von heute auf morgen geleistet werden kann. Umso mehr wollen wir, dass Werbung und Sponsoring beim öffentlichrechtlichen Rundfunk keine wachsende Rolle spielen. Wir behaupten: Wenn die 20-Uhr-Werbegrenze besteht – sie besteht im Fernsehen –, dann verletzt Sponsoring nach 20 Uhr die Werbebegrenzung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Im Grunde genommen ist es doch kein Unterschied: Wenn der Yello-Frosch oder das grüne Beck’s-Schiff abends um

10 Uhr oder um 11 Uhr um eine Sendung herum aufgepflanzt werden, dann ist dies genauso Werbung.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

Sponsoring verletzt hier im Grunde genommen die Werbebegrenzung. Wir klagen dies ausdrücklich an.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Fünftens: Wir stehen in allen Bereichen der Gesellschaft – bei Arbeitnehmern, bei Beamten, bei Diätenempfängern und auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – vor einer notwendigen Umstellung. Wir halten die althergebrachten Altersversorgungszulagen in der derzeitigen Höhe nicht mehr durch. Noch immer gibt es bei maßvollen Gehältern – die Gehaltsentwicklung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk war maßvoll, und die Lohnerhöhungen waren ebenfalls maßvoll – Altersversorgungszusagen, die man nicht auf Dauer einhalten kann. 90 % oder gar mehr des letzten Gehalts sind nicht mehr das Maß der Zukunft. Deswegen mahnen wir auch hier die Kündigung von alten Versorgungszusagen und eine Abschmelzung dieser künftigen Leistungen ausdrücklich an.

Sechstens: Wir brauchen ein Verbot der Kreditaufnahme. In der Vergangenheit haben die Anstalten immer in den letzten beiden Jahren einer Gebührenperiode einen Teil ihrer Ausgaben kreditfinanziert und dies dann zu einer Anmeldung für die nächste Gebühr herangezogen. Wer Kreditaufnahmen verbietet, beugt künftigen höheren Gebührenerhöhungen vor. Auch hier ist, glaube ich, ausdrücklich eine entsprechende Regelung richtig und zumutbar.

Offen ist die Frage, wie die Schwerbehinderten behandelt werden sollen. Einige Staatskanzleien haben ja ins Gespräch gebracht, dass die einkommensunabhängige Befreiung von der Gebühr für Schwerbehinderte nicht mehr haltbar sei. Es geht um 80 Millionen € – kein Pappenstiel. Nun knüpft die Frage der Schwerbehinderung an das SGB IX an. Die dort getroffene Regelung hat Ausstrahlung auf das Einkommen- und Lohnsteuerrecht, auf die Kfz-Steuer, auf den ÖPNV und auf viele andere Leistungen der öffentlichen Hand, die kostenfrei sind. Wir meinen, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk nicht der Erste sein sollte, bei dem der Schwerbehinderte finanziell in vollem Umfang herangezogen werden wird,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

sondern wir halten eine Debatte über das SGB für notwendig und zumutbar. Deswegen stehen wir einer Gebührenbefreiung für Schwerbehinderte auch in Zukunft offen gegenüber und halten deren Streichung ausschließlich in diesem Bereich für den falschen Anknüpfungspunkt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Baden-Württemberg ist ein Land des Tourismus. Wir haben Hotels und ein Übernachtungswesen auf hohem Niveau. Derzeit werden Fernseh- und Hörfunkgeräte in Hotelzimmern nur mit einer 50-prozentigen Gebühr bepreist. Die Debatte geht darum, ob man die Radio- und Fernsehgeräte

in den Hotels und in den Übernachtungsbetrieben zu 100 % mit einer Gebühr bepreisen sollte. Wir lehnen dies ausdrücklich ab.

(Beifall bei der CDU)

Wir bitten die Regierung, bei dieser Position zu bleiben. Wir meinen, dass der Tourismus gerade in Baden-Württemberg mit 50 % der Gebühr schon genügend belastet ist. Bei einer Zimmerbelegung von unter 40 % sind 100 % Gebühr der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein letzter Punkt: Wenn wir anschauen, wie dominant bei ARD und ZDF der Sport geworden ist – Tour de France, Fußball und Olympia – und wie ARD und ZDF zunehmend Monopolanbieter sind, sich um alles bewerben, während die Privaten zunehmend in den Hintergrund geraten, dann kommen wir zu dem Schluss, dass wir auch hier den Direktoren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Mäßigung, zur maßvollen Anwendung, zur Zurückhaltung raten müssen. Weniger Sport bei den Öffentlich-Rechtlichen und etwas mehr Sport bei den Privaten wäre, glaube ich, eine faire Entwicklung. Die duale Ordnung ist in der Gefahr, sich in eine Schieflage zu begeben. Die Öffentlich-Rechtlichen sind in vielen Bereichen zu dominant. Wir verbinden damit, dass wir die Gebühr maßvoll erhöhen, unsere Erwartung, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst zurückhält, damit die duale Ordnung nicht von ihm aus in eine weitere Schieflage gerät.