Protokoll der Sitzung vom 29.07.2004

Ein letzter Punkt: Wenn wir anschauen, wie dominant bei ARD und ZDF der Sport geworden ist – Tour de France, Fußball und Olympia – und wie ARD und ZDF zunehmend Monopolanbieter sind, sich um alles bewerben, während die Privaten zunehmend in den Hintergrund geraten, dann kommen wir zu dem Schluss, dass wir auch hier den Direktoren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Mäßigung, zur maßvollen Anwendung, zur Zurückhaltung raten müssen. Weniger Sport bei den Öffentlich-Rechtlichen und etwas mehr Sport bei den Privaten wäre, glaube ich, eine faire Entwicklung. Die duale Ordnung ist in der Gefahr, sich in eine Schieflage zu begeben. Die Öffentlich-Rechtlichen sind in vielen Bereichen zu dominant. Wir verbinden damit, dass wir die Gebühr maßvoll erhöhen, unsere Erwartung, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst zurückhält, damit die duale Ordnung nicht von ihm aus in eine weitere Schieflage gerät.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Kipfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Herr Oettinger, Sie haben in großen Teilen das referiert, was ohnehin schon Stand der Diskussion zwischen den Ministerpräsidenten aller Länder ist. Bis auf ganz wenige Punkte kann ich Ihnen da auch folgen. Ich komme im Einzelnen noch darauf zurück.

Es ist gut, dass wir diese Debatte führen, obwohl wir heute nicht über einzelne Cents der Gebührenerhöhung beraten werden. Man fragt sich ohnehin, ob 10 Cent mehr oder weniger es rechtfertigen, darüber zu diskutieren, ob die Gebührenordnung sozialverträglich ist. 10 Cent mehr oder weniger Gebührenerhöhung bedeuten 1,20 € im Jahr. Ich denke, das ist nicht relevant für die einzige Frage, die verfassungsrechtlich zulässig ist, nämlich zu diskutieren, ob dies sozialverträglich ist oder nicht.

Die Debatte über die Gebührenerhöhung wurde von drei Ministerpräsidenten losgetreten, die ganz entgegen aller normalen und verfassungsmäßigen Übung die Gebührenerhöhungsdebatte mit einer Strukturdebatte verknüpft haben. Man muss schon fragen, zu wessen Gunsten diese Debatte geführt worden ist. Da hat das beständige Trommeln des Verbands privater Rundfunkveranstalter Erfolg gezeitigt. Rundfunkgebühren werden als Zwangsgebühren verunglimpft. Dabei garantiert nur dieses System – eben dieses und nicht etwa eine Steuerfinanzierung –, dass dem öffent

lich-rechtlichen Rundfunk seine Funktion als staatsferner Hort unabhängiger Meinungsbildung in unserem Staat erhalten bleibt.

Immer wieder werden auch vonseiten der CDU die angeblich allzu vielen öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme kritisiert. Herr Oettinger, es gibt in der Bundesrepublik 323 Radioprogramme. Davon sind 60 öffentlich-rechtlich. Die genaue Zahl differiert manchmal. 197 Programme sind privat-kommerziell. Das ist also gut das Dreifache. Man kann deshalb nicht davon sprechen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu viele Programme habe.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Herr Scheuermann, das können Sie alles in Publikationen nachlesen, die nicht von der SPD stammen.

Die privaten Sender und auch wieder Herr Oettinger haben den Erwerb der Sportrechte durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten beklagt. Fakt ist, dass die Sportverbände selbst diese Rechte dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verkauft haben, obwohl die öffentlich-rechtlichen Anstalten weniger für diese Rechte geboten haben als die privaten. Es waren die privaten Anstalten, die die Preise bis heute hoch getrieben haben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ein Onlineauftritt, der sicherlich maßvoll und programmbezogen sein soll, gehört zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil nur damit seine Zukunft gesichert ist, da sich immer mehr junge Leute nur online Rundfunk zuführen.

(Beifall bei der SPD)

Die Anwürfe des VPRT sind also in den seltensten Fällen berechtigt, aber sie fallen eben auf fruchtbaren Boden. Jetzt komme ich zu einem Zitat:

Es kann nicht sein, dass bei fast allen Medienunternehmen die Einnahmen zurückgehen, weil die Werbetreibenden weniger Aufträge geben, die ÖffentlichRechtlichen aber über Rundfunkgebühren weiter stabile Zuwächse haben.

Oettinger am 27. Februar 2002 in der „Süddeutschen Zeitung“.

Es geht Ihnen also, Herr Oettinger, nicht um die Frage, ob dies sozial zu verantworten ist, sondern es geht Ihnen um die unzulässige Frage, ob nicht aus dem Medienbudget der privaten Haushalte mehr Geld in die privaten Rundfunkanstalten fließen soll. Darum und nicht um die Frage der Verfassungsmäßigkeit geht es Ihnen. Gegenwärtig haben die Bruttowerbeinvestitionen wieder um 6,5 % zugenommen. Es ist nicht so, dass die privaten Anstalten dauernd Not leidend wären, sondern mit der Wirtschaft geht es auch wieder aufwärts.

Ist es überhaupt ein korrekter Maßstab, nach dem Medienbudget des Einzelnen zu fragen? Haben Sie bei der Einführung der Handys oder bei den Playstations oder bei der Einführung von PCs oder bei der Erhöhung der Kabelgebühren danach gefragt? Die Kabelgebühren wurden gerade in letz

ter Zeit unverhältnismäßig stark erhöht. Da haben Sie die Beanspruchung des Medienbudgets des Einzelnen überhaupt nicht diskutiert.

Wir sollten uns – da bin ich sehr gerne bei Ihnen – darüber verständigen, was wir am öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut finden, was wir erhalten wollen und wie wir das auch zu finanzieren bereit sind. Der Vergleich mit den Privaten bringt nichts, denn die privaten Rundfunkanstalten funktionieren nach anderen Gesetzmäßigkeiten.

Die Landesregierung hat auf einen Antrag von mir hin erst kürzlich bestätigt, dass der SWR der größte Kulturträger hier im Lande ist, und zwar mit allen denkbaren positiven Folgen für die Kulturwirtschaft und den Tourismus. Wir wollen, dass das so bleibt. Die SPD will das. Die Frage ist: Wie wollen wir das? Wollen auch Sie das? Wollen Sie das mitfinanzieren?

Der SWR ist unverzichtbar zur Entwicklung der Filmwirtschaft – ein Standortfaktor, dessen sich Minister Palmer auch gerne rühmt. Wir wollen, dass das so bleibt.

(Beifall des Abg. Moser SPD)

Der SWR betreibt Innovationen bei der Entwicklung neuer Übertragungstechniken wie DAB oder DVB-T. Wollen wir das, oder wollen wir das nicht? Wir wollen, dass das so bleibt. Übrigens profitieren davon auch die privaten Anbieter.

Der SWR fördert die regionale Vielfalt und die Information im Programm und trägt damit zur Identität der Menschen in unserem Bundesland bei. Jede Sendeminute mit Wortbeiträgen ist um ein Vielfaches teurer als eine, in der nur Musik abgespielt wird. Wollen wir solche Wortbeiträge? Wir wollen das. Wir wollen, dass das so bleibt.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Herr Oettinger, wenn man von Qualität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk spricht, muss man wissen, dass diese Qualität auch ihren Preis hat. Wir wollen nicht überall das Gleiche, wie das häufig in den privaten Rundfunkanstalten der Fall ist. Wir wollen auch nicht, dass immer nur Musik abgespielt wird. Wortsendungen sind um ein Vielfaches teurer.

(Abg. Alfred Haas CDU: Ja was jetzt?)

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hat dem Ständigen Ausschuss mehrfach erläutert, wie sie zu ihrer Gebührenempfehlung kommt. Sie nimmt die Finanzbedarfsanmeldungen der Anstalten entgegen und rechnet mit spitzem Griffel alles nach, prüft die sachliche Berechtigung und zieht einen Produktivitätsfaktor ab. Also ein – wie sagten Sie, Herr Oettinger? –

(Abg. Moser SPD: Kreditverbot!)

Verbot für Kreditmaßnahmen geht ins Leere. Wir vertrauen der KEF, dass sie diese überprüft und bei ihrer Gebührenberechnung berücksichtigt. Das tut sie schon längst. Das sollten Sie eigentlich wissen.

Die KEF ist dann zu einer Empfehlung gekommen, in der sie nur etwa die Hälfte dessen vorschlägt, was die Anstalten

selber für sich angemeldet haben. Schon allein dieser Vorgang wird dazu führen, dass der SWR 16 Millionen € einsparen muss. Wir sollten also – ich glaube, wir sind auf gutem Wege dazu – einen Konsens finden. Wir sollten auch miteinander diskutieren, worauf wir verzichten können und was wir bei dieser Gebührenberechnung für entbehrlich oder diskussionswürdig halten.

Ich denke, es ist legitim, die Frage zu diskutieren, ob der tief gestaffelte Verwaltungsaufbau einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt noch zeitgemäß ist. Ich halte deshalb die Diskussion um einen Personalabbau, im Übrigen auch beim SWR, durchaus für legitim.

(Abg. Moser SPD: Der erfolgt ja!)

Wir sollten darüber diskutieren, ob die Verpflichtung, sowohl über Kabel als auch über Satellit oder terrestrisch flächendeckend empfangbar zu sein, gelockert werden könnte. Oder wir könnten darüber diskutieren, ob der öffentlichrechtliche Rundfunk berechtigt sein soll, über telefonische Mehrwertdienste Einnahmen zu erzielen. Das wäre eine lohnendere Diskussion als eine Diskussion über die Werbegrenzen, über die im Moment ohnehin niemand streitet.

(Abg. Moser SPD: Dort haben wir auch schon ein- geschränkt!)

Wir sind bereit, über all dies zu diskutieren. Die Gesellschaft braucht diese Debatte. Sie braucht diese Debatte, damit die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für unsere Demokratie auch einmal positiv diskutiert wird.

Wir empfehlen der Landesregierung, auf ihrem Pfad der Tugend zu bleiben und den verfassungsmäßigen Weg der Gebührenfindung zu beschreiten, damit unser öffentlichrechtlicher Rundfunk seine Autonomie und seine Unabhängigkeit von der Politik, seine Staatsferne behalten kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Walter GRÜ- NE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Debatte unter dem Titel „Rundfunkgebühren und Medienpolitik“ gibt zunächst einmal Anlass, an die Leitsätze des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 1994 zu erinnern, in denen der Erste Senat des Gerichts unter Vorsitz von Roman Herzog die Richtlinien und die Grundsätze festgelegt hat, nach denen Gebührenerhöhungen vorzunehmen sind.

(Abg. Walter GRÜNE: Genau!)

Vom Verfassungsgericht wurde festgestellt, dass ein Verfahren gefunden werden muss, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Aufgaben im dualen System erforderlichen Mittel gewährleistet und ihn vor Einflussnahmen auf das Programm wirksam sichert. Das Verfassungsgericht sagt auch – Zitat –:

Die Gebühr darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik eingesetzt werden.

Allerdings wird in diesem Urteil auch mit festgeschrieben, dass die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zugrunde zu legen sind und dass die Interessen der Gebührenzahler ebenfalls mit berücksichtigt werden müssen. Insofern denke ich, dass das Verfassungsgericht, wie so oft in salomonischer Weisheit, das ganze Spannungsfeld dann doch wieder in die politische Verantwortung der Parlamente zurückgegeben, aber uns gleichwohl hierfür enge Grenzen der Entscheidungsmöglichkeiten gesetzt hat. Im Klartext heißt das: Wir können und müssen Strukturfragen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren. Aber wir müssen wissen, dass ein Junktim von Struktur- und Gebührendiskussion in der Art, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dies und jenes tun müsse, um dann eine Gebührenerhöhung zugestanden zu bekommen, schlicht verfassungswidrig wäre. Es ist mir wichtig, das an dieser Stelle nochmals in aller Deutlichkeit auszuführen.

Allerdings ist es auch unsere Pflicht, die Anmeldungen der Rundfunkanstalten selbst, den Bericht und die Empfehlungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten einer kritischen Würdigung zu unterziehen, und zwar gerade unter den Kriterien, die uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat.

Die der Empfehlung der KEF zugrunde liegende Steigerungsrate des Programmaufwands im Bereich des Bestandsbedarfs liegt bei den Anstalten der ARD bei 2,5 %, beim ZDF bei 3 %; die Steigerungsrate des Personalaufwands liegt bei 2 %, die Steigerungsrate des Sachaufwands bei 1,2 %. Das ist jeweils deutlich weniger, als von den Rundfunkanstalten selbst angemeldet wurde. Aber die Frage, ob diese Steigerungsraten nicht immer noch zu hoch sind, ist dennoch erlaubt. Wir mussten erkennen, dass sich der Landeshaushalt diese Steigerungsraten nicht mehr erlauben kann, wenn er verfassungskonform sein soll und wenn wir mittelfristig mit einer Politik Schluss machen wollen, die beständig über die Verhältnisse und damit auf Kosten der nächsten Generationen lebt.

Dann stellt sich für mich die Frage, ob die daraus zu ziehenden Konsequenzen einer strikten Ausgabenbegrenzung nicht zugleich eine vernünftige Interpretation des Interesses der Gebührenzahler in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk darstellen können. Das hieße: Im Vergleich zur Vergangenheit ist die vorgeschlagene Erhöhung der Rundfunkgebühr um 1,09 € durchaus maßvoll. Gemessen an der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und an den davon in starkem Maße abhängigen Gestaltungsmöglichkeiten der öffentlichen Haushalte ist sie dennoch zu hoch.