Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 87. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Heute ist insofern ein denkwürdiger Tag, als genau vor 25 Jahren Landtagswahlen stattfanden. Ich weise gern darauf hin, dass damals die Grünen erstmals den Sprung in den Landtag geschafft haben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hauk CDU: Ob das so gut für das Land war? – Abg. Blenke CDU: Wir haben uns mittlerweile an sie gewöhnt! – Abg. Rü- ckert CDU: Wo sind sie denn?)

Urlaub für heute habe ich Herrn Abg. Dr. Christoph Palmer erteilt.

Krank gemeldet sind Frau Abg. Grünstein sowie die Herren Abg. Seimetz und Kurz.

Dienstlich verhindert ist Herr Minister Köberle.

Meine Damen und Herren, das Staatsministerium hat mit Schreiben vom 22. Februar 2005 mitgeteilt, dass der bisherige Vertreter der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Werner Göbel, um die Entbindung von der ehrenamtlichen Tätigkeit im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung gebeten hat.

Als Nachfolger hat ver.di Herrn Werner Wild benannt.

Herr Ministerpräsident Teufel beabsichtigt, Herrn Wild für die restliche Dauer der 13. Legislaturperiode in das Kuratorium zu berufen und bittet den Landtag um das erforderliche Einvernehmen. – Ich stelle keinen Widerspruch fest. Sie stimmen der Berufung von Herrn Wild in das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute hat Herr Kollege Rudolf Hausmann Geburtstag. Er kommt gerade. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute, Herr Kollege.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Statt der Wahrheit – Strafe! – Heimliche Vaterschaftstests und die Folgen – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Das Präsidium hat die übliche Redezeit festgelegt: Gesamtredezeit 40 Minuten. Auf diese Redezeit wird die Redezeit

der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen beträgt die Redezeit fünf Minuten, für die Redner in der zweiten Runde ebenfalls fünf Minuten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Der ist doch gar kein Vater! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE: Vielleicht ein heimlicher! – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann wohl nicht davon ausgehen, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die jetzt hier sind, ein besonderes Interesse an dem Thema „Heimliche Vaterschaftstests“ haben.

(Abg. Alfred Haas CDU: Warum?)

Es ist allerdings ein Thema, das viele bewegt. Schätzungen gehen davon aus, dass 5 % bis 20 % der Kinder „Kuckuckskinder“ sind. Das heißt also: Von 100 Kindern sind 5 bis 20 nicht vom Vater,

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Die sind immer vom eigenen Vater!)

bzw. der Vater ist möglicherweise nicht tatsächlich der Vater, die Kinder sind also nicht Kinder des Vaters, von dem sie ausgehen, dass es der Vater ist.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat diese Aktuelle Debatte beantragt, weil auf Bundesebene im Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen, dem so genannten Gendiagnostikgesetz, nun die Bundesjustizministerin einen Passus einführen möchte, auch im Strafgesetzbuch, dass heimliche Vaterschaftstests mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr bewehrt werden sollen.

Wir halten dies für völlig unangemessen. Dies wird der Situation in den Familien nicht gerecht. Schon der Lateiner wusste: Pater semper incertus est – der Vater ist immer unsicher. Das hat sich geändert, weil durch die neuen gentechnischen Diagnosemöglichkeiten mittlerweile durch eine Speichelprobe oder eine Haarprobe sehr einfach nachgewiesen werden kann, und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,6 – %, wer tatsächlich der leibliche Vater ist. Das ist relativ einfach möglich. Insofern wird diese Möglichkeit von Menschen wahrscheinlich in Zukunft immer stärker genutzt werden. Wenn bei einem Vater der Zweifel auftritt, dass er nicht der leibliche Vater eines Kindes ist, ist das Klima in der Familie, in der Ehe sowieso in Schieflage.

Es stellt sich jetzt die Frage, wie man damit umgeht. Der 12. Januar 2005 war da in jeder Hinsicht ein wichtiger Tag. An diesem Tag hat nämlich der Bundesgerichtshof entschieden, dass heimliche Vaterschaftstests vor Gericht nicht als Beweismittel anerkannt werden. Es stellt sich aber die Frage, ob das richtig ist. Vor allem aber stellt sich die Frage, ob man heimliche Vaterschaftstests verbieten soll.

Richtig ist, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch beim Kind geschützt werden muss. Es stellt sich weiter die Frage, ob die Vorschläge der rot-grünen Bundesregierung richtig sind, Vaterschaftstests an das Einverständnis des Kindes bzw., sollte das Kind noch zu klein sein, an das Einverständnis von Vater u n d Mutter zu knüpfen, und ob man noch weiter geht und einen Vater, der sich, weil er Zweifel hat, gezwungen oder gedrängt fühlt, einen heimlichen Vaterschaftstest vorzunehmen, mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr belegt. Wir als FDP/ DVP sagen hierzu Nein. Wir halten das für unangemessen, vor allem angesichts der Tatsache, dass bei etwa 75 von 100 Vaterschaftstests das Ergebnis herauskommt, dass der angenommene Vater auch tatsächlich der leibliche Vater ist.

Wenn das dann heimlich passiert ist und der Vater damit beruhigt ist, hat das mit Sicherheit auch eine positive Wirkung auf die Familie; dann ist der Familie geholfen.

(Abg. Birzele SPD: Ist Heimlichkeit positiv?)

Umgekehrt muss man natürlich auch sagen, dass es auch eine Verantwortung der Mütter gibt, die am ehesten wissen oder wissen können, wer tatsächlich der Vater ist.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wenn man sich die Klagen über Erbschaftsauseinandersetzungen und Unterhaltszahlungen anschaut, muss man sagen, dass es hier eben durchaus auch um berechtigte Anliegen der Männer, der Väter geht. Wir sind der Meinung, dass wir als Landtag von Baden-Württemberg und als Landesregierung diesen völlig unangemessenen Vorschlägen der Bundesregierung entschieden entgegentreten sollten. Man darf diese heimlichen Vaterschaftstests nicht unter Strafe stellen; man darf Väter, die ihre Zweifel haben und deshalb einen solchen Test machen lassen, nicht kriminalisieren. Man soll den Staatsanwalt nicht in die Familien hineintragen; das wäre völlig unangemessen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Quatsch!)

Es wird sich sowieso nicht verhindern lassen, dass solche Tests gemacht werden.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wie wahr!)

Man würde damit Väter, die zweifeln, nur in die Illegalität treiben.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Völlig klar ist, dass mit dem Gesetzbuch, mit dem Recht ein gutes Familienleben sowieso nicht erzwungen werden kann. Wo Vertrauen in den Familien herrscht, wo die Menschen miteinander sprechen, braucht man sowieso kein Gesetzbuch. Aber wir alle – gerade wir Rechtspolitiker – wissen,

dass das nicht immer und nicht überall der Fall ist. Deshalb ein klares Plädoyer der FDP/DVP gegen diese Vorschläge der Bundesjustizministerin.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Lasotta.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem Thema „Heimliche Vaterschaftstests“ handelt es sich um ein sehr emotionales Thema, das auch in der Bevölkerung ausgiebig diskutiert wird. Es ist im Übrigen eine Frage, die sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht. Wer die Mutter ist, ist immer klar; das ist eindeutig. Meistens gibt es dafür auch Zeugen, sprich die Hebamme oder heutzutage die beteiligten Ärzte. Wer der Vater ist, ist eben nicht in jedem Fall klar. Aufgrund dieser Situation sind schon ganze Königreiche aufgestiegen und gefallen.

(Heiterkeit)

Es geht also wirklich um eine existenzielle Frage, mit der sich die Menschen beschäftigen.

Deswegen ist es auch das gute Recht des Parlaments, das hier zu diskutieren. Wir müssen Antworten geben, wie wir mit dieser Frage vernünftig umgehen. Aber eines ist auch klar: Wenn man mit Betroffenen spricht – mit Familien, mit Vätern, Müttern oder Kindern, die dann erst später erfahren, dass die mutmaßlichen Eltern nicht die leiblichen Eltern waren –, stellt man fest, dass dieses Thema eine so hohe emotionale, persönliche Belastung in den Familien hervorruft, dass wir den politischen Schlagabtausch schon relativ tief hängen sollten

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge- ordneten der SPD)

und uns wirklich auch um die Fragen kümmern sollten, die die Familien und die Bürger betreffen. Wir müssen für die Bürger Klarheit schaffen, wie wir mit dieser Frage umgehen, und wir müssen vor allem Rechtspositionen gegeneinander abwägen.

Wir haben auf der einen Seite das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung. Auf der anderen Seite haben wir aber auch eine Rechtsposition mit Verfassungsrang, nämlich die Rechte der Eltern, des Vaters und der Mutter, die hier ihr eigenes Selbstbestimmungsrecht geltend machen wollen und unseres Erachtens auch müssen. Deswegen ist es wichtig, jetzt aufgrund des Gesetzentwurfs des Justizministers auch eine gute Grundlage zu haben, um diese Frage abwägend zu diskutieren: allgemeine Persönlichkeitsrechte gegen die informationelle Selbstbestimmung des Kindes.

Im Übrigen geht es hier ja auch um ethische Fragen. Die Frage lautet – in der Abwägung –: Ist es eigentlich besser, ein Kind „unterzuschieben“ – Kollege Theurer hat den Ausdruck „Kuckuckskinder“ genannt –? Auch das ist keine moralische Position, die wir unterstützen würden.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Insofern ist es, denke ich, ganz entscheidend, wie man mit der Frage umgeht. Zum einen: Was will Frau Zypries? Eine Strafbewehrung von heimlichen Vaterschaftstests halten wir für falsch.