Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

Wir brauchen mehr denn je Fortschritte in diesem Bereich. Gerade deshalb, meine Damen und Herren, ist es unverantwortlich, wenn Sie einfach sagen: „Wir steigen aus der Kernenergie aus.“ Sie alle wissen, dass wir zum heutigen Zeitpunkt – das bestreiten Sie übrigens ehrlicherweise nicht – bei einem Ausstieg aus der Kernenergie nur eine Möglichkeit der Substitution haben, nämlich den Ersatz durch fossile Brennstoffe, also entweder durch Kohle oder im besseren Fall durch Gas.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Das ist die Alternative. Es gibt nur noch eine andere Möglichkeit, die Ihr Bundesumweltminister regelmäßig propagiert. Meine Damen und Herren, es geht natürlich auch, ohne dass man neue Kraftwerke in Baden-Württemberg baut. Das ist machbar, indem man Strom importiert.

(Abg. Drexler SPD: Machen wir doch jetzt schon!)

Es stellt sich nur die Frage, woher man den Strom importiert. Wenn man die EnBW als Quasimonopolist in BadenWürttemberg hat, ist klar: Wenn Strom importiert wird, dann kommt er von der Mutter der EnBW. Wie aber produ

ziert die Mutter der EnBW Strom? Sie produziert ihn zu 90 % aus Kernenergie. Das heißt, wir steigen in BadenWürttemberg aus der Kernenergie aus, um für teures Geld durch Kernenergie erzeugten Strom aus Frankreich zu importieren.

(Abg. Drexler SPD: Wer sagt das?)

Man kann doch, meine Damen und Herren, nicht allen Ernstes behaupten, dass das eine verantwortungsvolle Politik sei.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn der Wirtschaftsstandort Nummer 1 der Bundesrepublik einigermaßen energieautark arbeiten möchte, braucht er eigene Kraftwerke, und zwar für die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Vor dem Hintergrund dessen, was ich zur Umweltpolitik gesagt habe, meine Damen und Herren, halte ich es für unverantwortlich, zunehmend fossile Brennstoffe einzusetzen, um die entsprechende Energie zu erzeugen. Lassen Sie uns gemeinsam einen anderen Weg gehen. Lassen Sie uns den Weg gehen, den der Ministerpräsident vorgeschlagen hat. Lassen Sie uns die Laufzeiten von bestehenden Atomkraftwerken verlängern und einen vorher fixierten Anteil der Erträge verstärkt in erneuerbare Energien stecken.

(Abg. Drexler SPD: Versprechen Sie jetzt! Haben Sie nie gemacht!)

Lassen Sie uns einen Energiemix erreichen, der die Zukunft dieses Standorts sichert. Das ist gute Energiepolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich nenne noch einen anderen Bereich aus der Umweltpolitik, der mir sehr am Herzen liegt. Meine Damen und Herren, wir verbauen pro Tag in Baden-Württemberg netto 10,3 Hektar Fläche neu. Das heißt, wir bauen pro Jahr etwa 3 700 bis 3 800 Hektar Fläche neu zu. Das ist die Kehrseite der Medaille des wirtschaftlichen Erfolgs dieses Bundeslandes. Meine Damen und Herren, so können wir auf Dauer nicht weitermachen. Deshalb hat die alte Landesregierung – die neue wird es fortführen – ein Programm aufgelegt, um den Flächenverbrauch zu verringern, um Ressourcen zu schonen. Lassen Sie uns dieses Thema gemeinsam mit den Kommunen – es geht nicht par ordre du mufti; es geht nur mit den kommunalen Gebietskörperschaften – angehen, damit wir auch in Zukunft unserer Nachwelt die Ressourcen einigermaßen unverbraucht erhalten. Das ist ein Appell, den ich heute an Sie richten möchte.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie regieren doch schon seit 50 Jahren!)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist das modernste Bildungsland in der Bundesrepublik Deutschland. Das sage nicht nur ich, sondern das sagt auch Professor Baumert, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Wir sind in den vergangenen Jahren bei bildungspolitischen Reformen in Deutschland tonangebend gewesen. Während anderswo noch lange über solche Reformen diskutiert wird, sind sie bei uns bereits Wirklichkeit.

Jeder von uns durfte ja die Erfahrung machen, dass man manchmal eher für eine vermeintlich zu hohe Änderungsgeschwindigkeit kritisiert wird als für nicht angegangene Themen. Diese moderne Bildungspolitik, meine Damen und Herren, gilt für alle Schularten. Sie gilt für die Bildungspläne. Was wir tun, soll internationalen Maßstäben gerecht werden. Ich bin mir sicher, dass wir unseren Vorsprung in den nächsten Jahren weiter ausbauen können.

Das Flaggschiff unseres Bildungssystems sind die beruflichen Schulen. Zwei Drittel aller Jugendlichen durchlaufen einen Weg im Bereich der beruflichen Bildung. Wir haben in Baden-Württemberg die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa, also nicht nur in Deutschland.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das hat auch mit der Qualität der beruflichen Bildung in unserem Land zu tun. Ich sage aber auch ganz klar: Die dringend notwendigen Ausbildungsplätze werden nur entstehen, wenn Deutschland endlich aus der verheerenden Stagnation herauskommt. Meine Damen und Herren, in einem Land, in dem täglich 1 000 Arbeitsplätze abgebaut werden, wird man nicht erreichen können, dass man auf dem Ausbildungsmarkt genügend Möglichkeiten hat.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wo sind denn Ihre Konzepte gegen Arbeitsplatzabbau? – Abg. Zeller SPD: Sagen Sie einmal etwas zu den fehlenden Lehrerstellen!)

Alles, was wir tun können, um bedarfsorientiert in allen Landesteilen entsprechende Angebote zu schaffen, muss getan werden. Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch: Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten manchmal den Eindruck, dass die Diskussion über Bildungspolitik nur noch aus der Frage besteht, ob wir genügend Ganztagsschulen haben.

(Abg. Zeller SPD: Wir haben einen strukturellen Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen! Sa- gen Sie dazu einmal etwas!)

Ich halte die Diskussion so, wie sie geführt wird, für falsch.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir wollen einen bedarfsorientierten Ausbau von Ganztagsschulen.

(Zurufe der Abg. Schmiedel SPD und Theresia Bauer GRÜNE)

Was wir nicht wollen – da unterscheiden wir uns im Zweifel –, meine Damen und Herren, ist die Delegation von Erziehung von der Familie in die Schule. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Welt- fremd! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Weitere Zurufe)

Wir brauchen bedarfsorientierte Angebote. Wir brauchen sie für die Menschen dort, wo sie notwendig sind. Wir müs

sen alles tun, damit wir den jungen Menschen dort helfen können, wo dies dringend notwendig ist. Was wir aber nicht wollen, ist ein Automatismus.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Was wir vor allem nicht wollen – Herr Kollege Palmer, bevor Sie sich weiter aufregen –,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sie kennen nicht ein- mal die Landesverfassung!)

ist, dass alle Probleme der Familie in den Bereich der Schule sozusagen outgesourct werden. Dies wollen wir nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Deshalb möchte ich heute auch bei dieser Gelegenheit den Spieß einmal umdrehen.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Ich möchte all jenen Vätern und Müttern danken,

(Unruhe)

schwerpunktmäßig den Müttern – –

(Oh-Rufe von der SPD)

Ja, das glaube ich, dass Ihnen das nicht gefällt. Das ist typisch.

(Abg. Fischer SPD: Ach was! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Unruhe)

Ich sage Ihnen, was das Problem ist. Das Problem ist, dass wir unterschiedliche Vorstellungen von der Gesellschaft in diesem Land haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie der Abg. Christine Rudolf SPD)

Ihr Gesellschaftsbild möchte ich nicht.

(Zurufe der Abg. Boris Palmer und Kretschmann GRÜNE – Gegenruf von der CDU: Zuhören!)

Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, auch einmal all jenen Müttern zu danken, die die Möglichkeit wahrnehmen – unter Verzicht auf eigene Interessen, unter Verzicht auf eigene materielle Erwägungen, auch unter Verzicht auf eigene berufliche Weiterentwicklung –, zu Hause ihre Kinder zu erziehen, zu betreuen und ihnen das Bestmögliche zukommen zu lassen, was es gibt, nämlich eine intakte Familie. Das möchte ich an diesem Tag hier auch einmal in aller Offenheit sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich sehe, dass wir in diesem Land aber auch den unverschuldet sehr Schwachen in den Schulen stärker helfen müssen, meine Damen und Herren, vielleicht stärker helfen müssen, als dies bisher der Fall war. Jeder von uns hat bei Schulbesuchen sicherlich bereits die Erfahrung gemacht, welche immensen sozialen Probleme es auch an Schulen gibt.