Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

Wer war hier Schuldentreiber? Ihre Behauptung ist doch lächerlich.

Zur Energiepolitik: Herr Oettinger, ich weiß nicht, mit wem Sie eigentlich gesprochen haben. Das Großkraftwerk Mannheim will insgesamt 1 200 Megawatt erstellen.

(Ministerpräsident Oettinger: Ersatz!)

Nein, jetzt Neu- und Umbau.

Zum Wasserpfennig haben Sie nichts dazu gesagt, dass das Urteil in Ihrem Ministerium schon vier Jahre in der Schublade liegt.

(Ministerpräsident Oettinger: Gestern gemacht!)

Gestern gemacht, nach vier Jahren? Schön. Na endlich! Man muss Sie treiben.

Noch etwas zum Antreiben: Sie behaupten immer, was die Kernkraftwerke machen können. Sie wissen, dass der Ausstiegsbeschluss seit einigen Jahren vorliegt. Hätten Sie ab dem Ausstiegsbeschluss Planungen betrieben, Gespräche geführt, wäre die Überleitung überhaupt keine Schwierigkeit. Jetzt lamentieren Sie, dass Sie nur vier oder fünf Jahre Zeit haben. Sie haben zehn Jahre für den Ausstieg gehabt und haben nichts getan. Deswegen sagen wir Ihnen: Der Ausstieg muss jetzt unter dem Druck erfolgen. Dazu sind Energieeinsparung, Energieeffizienz und vor allen Dingen erneuerbare Energien ganz wichtige Aspekte.

Ganz wichtig ist, dass die Uranvorkommen nur noch für 40 Jahre reichen. Dazu haben Sie auch nichts gesagt.

(Abg. Mappus CDU: Weil es nicht stimmt!)

40 Jahre – so die Internationale Energieagentur. Dann setzen Sie auf den Schnellen Brüter. Das müssen Sie den Menschen aber auch sagen.

Jetzt noch etwas zu Energiepolitik, zu Mittelstand, Stadtwerken usw.: Sie kümmern sich überhaupt nicht um den Mittelstand. Herr Mappus hat vorhin den Angriff von Herrn Müntefering zu der Frage, wie man mit dem Kapital umgeht, angesprochen. Wir haben überhaupt kein Problem, wenn wir über das Kapital, das baden-württembergische Unternehmen einsetzen, reden. Ich spreche aber – das

müsste Ihnen doch auch klar sein – von dem weltweiten Kapital, das in Baden-Württemberg Betriebe aufkauft, sie „ausmostet“ und dann geht.

(Abg. Mappus CDU schüttelt den Kopf. – Zuruf von der SPD: Da schüttelt er den Kopf!)

Das findet in vielfältiger Weise in Baden-Württemberg statt. Dass wir jetzt die soziale Verantwortung nach dem Grundgesetz einfordern, ist überhaupt nicht schlimm. Wir sagen vielmehr: Marktwirtschaft ist bei uns eine soziale Marktwirtschaft, und das Soziale muss betont werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ein Beispiel aus Baden-Württemberg: KaVo Leutkirch.

(Abg. Dr. Birk CDU: Kein Widerspruch!)

Dann muss er es aber nicht ansprechen. – Der Betrieb wurde 1909 gegründet und ist 1946 nach Biberach gekommen. Er hat drei Werke gehabt mit den Standorten Biberach, Warthausen, Leutkirch. Umsatz: 370 Millionen €. 3 300 Beschäftigte. Weltweite Umsatzrendite 10 %. Toll, verbunden mit dem Land. Die Familie hat an eine amerikanische Gruppe verkauft, und dann fing es an. Im November sollten dann Beschäftigte entlassen werden, weil man eine Effizienzrendite, eine Umsatzrendite von 18 % wollte. Irgendwann gab es eine Einigung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat: Es gibt noch ein eigenständiges System und Aufträge für KaVo für zwei Jahre. Nicht 700, sondern nur 250 Arbeitsplätze wurden im Kampf abgebaut, indem man diskutiert hat – auf der Basis der Mitbestimmungsrechte und des Tarifrechts. Aber genau diese Rechte wollen Sie abbauen, während wir sagen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg brauchen diese Rechte,

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

um gegen ausländisches Kapital kämpfen zu können. Im Übrigen, Herr Oettinger, gab es eine SWR-Sendung über diesen Skandal, weil sich die Eigentümer überhaupt nicht dafür interessiert haben, was zu den sozialen Aspekten in unserer Verfassung steht. Genau über diese Fälle wollen wir mit Ihnen reden. Ich zitiere nun den Oberbürgermeister von Leutkirch, Elmar Stegmann, der im Übrigen Mitglied der CSU – nicht der CDU – ist:

Es ist aber enttäuschend, mitzuerleben,

am 10. März 2005! –

wie sich momentan leider die Landesregierung verhält.

(Abg. Schmiedel SPD: Hat er gesagt!)

KaVo ist nämlich kein Einzelfall in der Region. Wir haben in Isny die Firma Dethleffs, in Wangen die Firma AKO Diehl und in Bad Waldsee Hymer. Es brennt also in der Region, und es ist für mich wenig nachvollziehbar, dass die Landesregierung nicht einmal von sich aus Kontakt mit uns aufnimmt, mit den Entscheidungsträgern vor Ort, um sich zu erkundigen und entsprechende Hilfestellungen zu geben.

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es! – Zuruf des Mi- nisters Pfister)

Das ist bis heute nicht der Fall.

(Minister Pfister: Das ist doch nicht wahr! Das ist die Unwahrheit!)

Herr Pfister, Sie standen nebendran.

Ich habe Ihnen am 10. November geschrieben.

Wieder ein Brief. –

Bisher hat es nur Gespräche mit nachgeordneten Mitarbeitern gegeben.

(Abg. Zeller SPD: Ein Skandal!)

Ihr Staatssekretär war einmal hier in Leutkirch, aber seitdem war Funkstille.

Das ist das Ergebnis der Hilfen von Ihnen, um das einmal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind für eine aktive Mittelstandspolitik. Eine Landesregierung muss sich hier auch einmischen.

Jetzt etwas zum Boykott. Was heißt denn „Boykott“? Frau Vogt hat darauf hingewiesen, dass auch Verbraucher es in der Hand haben. Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, Herr Mappus: Sie selbst haben es doch mit Ihrer Werbung „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ so gemacht. Als öffentlich bekannt wurde, dass eines dieser Hemdchen in China hergestellt wurde, haben Sie als Auftraggeber sofort verlangt, dass das ein Hemdchen aus Baden-Württemberg zu sein habe. Nichts anderes hat Frau Vogt verlangt, als dass die Verbraucher es auch so machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie selbst haben es so gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben nur ein taktisches Argument gebracht. Die ganze CDU bringt nur taktische Argumente vor: Soll man das machen? Inhaltlich sagen Sie gar nichts dazu.

Inhaltlich hat der Trigema-Chef in der Presse etwas gesagt. Herr Grupp hat auf die Frage „Dann haben Sie auch Verständnis für den Boykottaufruf der baden-württembergischen SPD-Chefin?“ – wobei das kein Boykottaufruf war – gesagt:

Ich werde hier keine Generalabrechnung mit der Globalisierung machen oder zum Boykott aufrufen. Aber ich fände es gut, wenn der Verbraucher etwas sensibler würde und mit seiner Kaufentscheidung belohnen würde, wenn Unternehmer Verantwortung für den Standort und die Arbeitsplätze zeigen. Der Kunde sollte stärker hinsehen, wenn Unternehmer hier nur den Standort abzocken,

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

die Produktion willkürlich in Billiglohnländer verlagern und über Tricksereien den Reibach machen.

(Beifall bei der SPD)

Nichts anderes – –

(Abg. Mappus CDU: Klassenkampf!)

Was heißt „Klassenkampf“? Das ist überhaupt kein Klassenkampf. Das sagte Herr Grupp. Er ist, glaube ich, Mitglied der CDU und kennt sich in dieser Situation aus. Von wegen Klassenkampf!