Protokoll der Sitzung vom 28.04.2005

Was heißt „Klassenkampf“? Das ist überhaupt kein Klassenkampf. Das sagte Herr Grupp. Er ist, glaube ich, Mitglied der CDU und kennt sich in dieser Situation aus. Von wegen Klassenkampf!

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

„Stuttgarter Nachrichten“, 23. April, Herr Offenbach – er steht ja nicht im Verdacht von SPD-Nähe – in seinem Leitartikel:

Auch wenn Boykottaufrufe unzulässig sind: Die SPDPolitikerin Ute Vogt hat zu Recht auf die Waffen der Verbraucher hingewiesen.

Also: Wo leben Sie eigentlich?

(Beifall bei der SPD – Abg. Hofer FDP/DVP: Wa- rum hat man sie dann zurückgepfiffen?)

Der Firmenchef von Porsche hat sich gestern ähnlich geäußert.

(Abg. Mappus CDU: Lesen Sie mal vor! Das möchte ich hören!)

Natürlich, ich kann es Ihnen nachher vorlesen. Ich lese es Ihnen, wenn Sie das wollen, nachher vor. Ich kann es auch holen.

(Abg. Mappus CDU: Das möchte ich hören! – Der Redner sucht auf seinem Abgeordnetenplatz Unter- lagen. – Abg. Dr. Birk CDU: Ende der Redezeit! – Abg. Mack CDU: Da kann jetzt schon Herr Kretschmann reden! – Heiterkeit)

Nein, er will es ja wissen. Entschuldigung, ich muss es halt suchen.

(Unruhe)

Das Problem ist halt: Sie müssen als Fraktionsvorsitzender in dieser Gesellschaft leben und lesen.

„Die Zeit“, Interview vom 28. April:

Was halten Sie von der Kapitalismuskritik von Franz Müntefering?

Wiedeking: Wenn der Papst sich entsprechend äußert, bekommen alle glänzende Augen und jubeln ihm zu. Also muss eine solche Kritik auch Herrn Müntefering gestattet sein.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Birk und Abg. Mappus CDU: Das ist etwas völlig anderes!)

Wir müssen über die Themen, die allen unter den Nägeln brennen, diskutieren. Wir brauchen schlicht Arbeitsplätze, und davon jede Menge.

(Abg. Mappus CDU: Sie vermischen alles!)

Nein, nein. – Müntefering und der Papst kritisieren diese Geschichte in ähnlicher Form.

(Beifall bei der SPD – Abg. Mappus CDU: Die Mi- schung ist gefährlich! – Heiterkeit des Abg. Map- pus CDU)

Im Übrigen, weil Sie ja immer so bei den Menschen sind: In einer Umfrage des „Spiegels“ von dieser Woche wurde einmal gefragt, was denn die Menschen in Deutschland von der Aussage von Ute Vogt halten: 63 % unterstützen die Forderung, 33 % lehnen die Forderung ab.

(Abg. Mappus CDU: Das ist ja Populismus pur! Das ist doch klar!)

Auch 53 % der CDU/CSU-Anhänger unterstützen die Forderung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hofer FDP/ DVP)

Also, setzen Sie sich einmal mit Ihren eigenen Anhängern auseinander.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Noch etwas zur Maut, Herr Ministerpräsident: Wenn man die Maut so, wie Sie das sagen, umrechnen würde mit einem Zuschlag, käme man nach allen Berechnungen auf ca. 4 Cent plus 2,3 Cent Mineralölsteuerentlastung. Zusammengerechnet sind wir dann bei einem Pendler mit einer Wegstrecke von 50 Kilometern bei etwa 1 840 € Maut im Jahr.

(Zuruf des Abg. Mappus CDU)

Ja, das können Sie ausrechnen. Dazu gibt es Berechnungen. – Sie müssen den Menschen sagen, dass sie diese Maut entrichten müssen. Insgesamt haben Sie dann vielleicht 5 % mehr Mittel für den Straßenbau zur Verfügung.

Aber, Herr Ministerpräsident, Sie sollten dann auch fairerweise über Ihre Pläne einer Steuerreform sprechen, darüber, dass Sie die Erhebung einer Maut, die den Autofahrer stärker belastet als die bisherigen Maßnahmen, gleichzeitig auch noch mit der Streichung der Pendlerpauschale garnieren wollen. Die Pendlerpauschale müssen Sie nach Ihren Steuervorstellungen ja streichen, sonst geht Ihr Steuerkonzept nicht auf; das ist doch richtig? Wenn Sie das auch noch machen, belasten Sie gerade in Baden-Württemberg den Pendler, der vom flachen Land zu seiner Arbeitsstelle fährt. Das müssen Sie den Menschen in Baden-Württemberg sagen. Vor dieser Auseinandersetzung haben wir überhaupt keine Sorge.

(Beifall bei der SPD – Abg. Mappus CDU: Ich auch nicht!)

Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht noch einmal zu allem etwas sagen. Das könnte man ja unendlich fortsetzen.

(Abg. Rückert CDU: Ja! Dann lass es lieber!)

Was Sie zur Finanzpolitik gesagt haben, war, finde ich, noch einmal ein Offenbarungseid, Herr Oettinger,

(Abg. Mappus CDU: Was?)

nämlich die Aussage, dass Sie in dieser Legislaturperiode nichts mehr unternehmen werden.

In der Frage des Atomausstiegs liegen wir auseinander; das haben wir ja erläutert.

Allerdings muss ich schon sagen: Wir wollten noch nie, dass in Obrigheim ein Kohlekraftwerk gebaut wird. Wenn man weiß, dass allein die Planung und Genehmigung solcher Kraftwerke mehrere Jahre dauert,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig! – Abg. Drexler SPD: Sieben Jahre!)

dann ist es überhaupt nicht zu spät, in Obrigheim ein modernes Gaskraftwerk zu planen, wenn die Leitung dort gelegt wird.

(Abg. Fischer SPD: Wenn man möchte!)

Ich glaube, wir liegen sehr, sehr richtig, Sie da kritisiert zu haben.

Zur Kfz-Steuer: Da besteht Konsens. Wir könnten sie mit der Versicherungssteuer tauschen. Das war ein Vorschlag der Föderalismuskommission. Dann kann der Bund die Kfz-Steuer abschaffen. Wir sparen damit mindestens 600 Finanzbeamte im Land;

(Abg. Mappus CDU: 1 200!)

diese können wir dann für andere Aufgaben einsetzen, zum Beispiel für die Betriebsprüfung, damit wir auf der Einnahmeseite wieder etwas mehr Licht sehen.

Die Frage der Pkw-Maut jetzt zu diskutieren ist zwar sinnvoll, aber wir können bei den Erfahrungen und bei dem Stand der Technik, die wir bisher auf den Lkw-Verkehr gemünzt haben, zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine wirklich handfesten Aussagen treffen. Insofern eignet sich das auch nicht dafür, jetzt zu handeln, sondern ist vielleicht eine Frage der nächsten fünf bis zehn Jahre.

Ich möchte etwas zu dieser Kontroverse um das Familienbild sagen: Selbstverständlich leben wir in einer freien Gesellschaft, und jeder kann die Familie so sehen, wie er möchte, und jeder kann seine Familie so gestalten, wie es ihm persönlich richtig erscheint. Hintergrund des Streits ist etwas ganz anderes. Es geht um die Frage: Wo muss der Staat handeln? Das ist der Kern der Diskussion um Familienbild und Realität der Familie.

Lassen Sie es mich an einem Beispiel darstellen: Das Ehegattensplitting stammt aus einer Zeit, in der Leute, die geheiratet haben, normalerweise auch Kinder bekommen haben. Hier hat das Ehegattensplitting einen Sinn gemacht. Die Eheleute konnten Steuerersparnisse erzielen und diese für den Aufbau einer Familie mit Kindern nutzen.

Aber in einer Zeit, in der sich das ändert und in der 50 % der gut Verdienenden gar keine Nachkommen mehr haben, ist dieses Ehegattensplitting eine Fehlallokation. Wir müssen es abschaffen und nur für Familien mit Kindern umwidmen. Darum geht es: Wo muss der Staat bei der Familie handeln? Es geht nicht darum, wie wir persönlich unsere Familie gestalten. Das haben Sie, glaube ich, verwechselt.