Protokoll der Sitzung vom 29.06.2005

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Zu- ruf des Abg. Capezzuto SPD)

„Solidarpakt“ heißt für mich auch Geschlossenheit des Sports in Situationen, in denen sich einzelne Bereiche Vorteile versprechen, die den Sport in seiner ganzen Breite schädigen.

Ich weiß, dass das ein Vorratsbeschluss des DFB für den Fall ist, dass die EU-Dienstleistungsrichtlinie das Glücksspiel mit einbezieht. Ich halte es jedoch für ein falsches Signal, wenn nicht deutlich wird, dass alle Sportarten auf diese Finanzen angewiesen sind.

Geld ist wichtig, aber es ist nicht die einzige Voraussetzung für gelingende Sportarbeit in der Breite. Ebenso gehört dazu, dass wir den Ehrenamtlichen Sicherheit geben, wenn sie ein Amt übernehmen. Entbürokratisierung ist auch hier das Gebot der Stunde. Wir haben deshalb eine Reihe von Vorschlägen beschlossen, die in eine Bundesratsinitiative des Landes einfließen und der Vereinsarbeit vor Ort zugute kommen werden. Wir haben beim Generationenwechsel im Ehrenamt das Problem, dass viele Personen Sorge haben, dass sie sich in unübersehbare Risiken stürzen. Wir müssen hier durch klare Vorschriften und durch Handlungsspielräume für diejenigen, die in solche Aufgaben eintreten, wieder Sicherheit schaffen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist aller- dings wichtig!)

Wir müssen auf der anderen Seite dafür sorgen, dass sie – sofern sie nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich handeln – nicht das Risiko eingehen, mit ihrem privaten Vermögen zur Haftung herangezogen zu werden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist sehr wichtig!)

So versteht niemand die Verpflichtung auf das Ehrenamt.

Auf den organisierten Sport kommen künftig wichtige Aufgaben mit erheblicher gesellschaftspolitischer Relevanz zu.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ist schon immer so ge- wesen!)

Ich möchte nicht verhehlen, dass unsere Kinder und Jugendlichen im Alltag nicht mehr dieselben Sport- und Spielmöglichkeiten vorfinden wie früher. Deshalb müssen wir verstärkt Konzepte entwickeln, damit die Jugendlichen neben dem Sportunterricht und dem Vereinstraining zusätzliche Sportmöglichkeiten finden.

Dabei nimmt die Zahl der Jugendlichen, die in Sportvereine gehen, ständig zu. Das Landesturnfest 2006 in Heidelberg wird wieder zeigen, wie dynamisch sich der Sport gerade in den unteren Altersklassen entwickelt. Rund 60 % der Jugendlichen sind Mitglieder in Sportvereinen, sodass man sich nicht beschweren kann, dass sich die Jugendlichen vom Sport abwenden würden.

Die sich verändernde Altersstruktur unserer Gesellschaft bedingt, dass Jung und Alt künftig ihre Sportprogramme und Angebote in Partnerschaft gemeinsam organisieren und pflegen. Die Generationen müssen aufeinander zugehen, sich mit Rat und Tat zur Seite stehen und sich gegenseitig unterstützen. Eine generationenangepasste Konzeption wird erforderlich, in der junge und ältere Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich und partnerschaftlich zusammenarbeiten können.

(Abg. Capezzuto SPD: So ein Stuss!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vom Kollegen Walter wurden gerade ein paar Zahlen genannt, die ich gerne noch einmal aufgreifen will, weil sie so natürlich nicht stimmen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wieso „natürlich“?)

Er hat behauptet – und gibt dabei etwas wieder, was ein Verbandsvertreter immer wieder in die Öffentlichkeit bringt –, 70 % des Sportunterrichts würden fachfremd unterrichtet.

(Abg. Walter GRÜNE: In Grundschulen! – Abg. Christine Rudolf SPD: An der Grundschule!)

Das, Herr Kollege Walter, ist – mit Verlaub – erst recht Unsinn.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Unsere Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen haben ein Deputat von 28 Stunden.

(Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Wenn jeder ausgebildete Sportlehrer an unseren Schulen 11,8 Stunden seines Deputats im Sportunterricht eingesetzt wird, kämen wir zu einer Volldeckung des Sportunterrichts durch Sportlehrer. Da wir aber gerade an den Grundschulen neue Bewegungskonzepte eingeführt haben, die in den fächerübergreifenden Bereich und in den Pausenbereich hineinreichen, kommt es natürlich auch dazu, dass Lehrerinnen und Lehrer, die angemessen weitergebildet sind, im Bereich des Sports und der Bewegungserziehung eingesetzt werden.

(Staatssekretär Rau)

Die neueste Sprint-Untersuchung – das ist die Schulsportuntersuchung des DSB; wir haben die Zahlen gestern bekommen – hat ergeben, dass in Baden-Württemberg eine Volldeckung – drei Stunden Sport pro Woche in der Grundschule – erreicht ist. Das haben nicht wir festgestellt, sondern die Untersuchung des DSB.

(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Capezzuto)

Wir haben 350 sport- und bewegungsfreundliche Grundschulen ausgebaut, und weitere werden folgen, weil das ein dynamischer Ausbau ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Sport ist bei dieser Landesregierung bei einem guten Partner gut aufgehoben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP – Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Capez- zuto – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Wir haben dafür gesorgt, dass Zuschüsse

(Abg. Capezzuto SPD: Gekürzt werden!)

zur Verfügung stehen, die die Funktionsaufgaben des Sports sicherstellen. Alle wissen, dass es nichts nützt, einfach nach Geld zu rufen, wenn keines vorhanden ist. Ich will diese Umwegargumentationen jetzt nicht wiederholen, die dann automatisch bei Ihnen und dem Versagen Ihrer Wirtschaftsund Finanzpolitik landen,

(Lachen bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Lie- ber Gott!)

sondern ich will deutlich machen, dass auch das persönliche Verhältnis zwischen denen, die in der Politik Verantwortung für den Sport tragen, und denen, die sich draußen in den Verbänden – im Landessportverband, in den Sportbünden und in den Fachverbänden – engagieren, ungebrochen gut ist und somit die Grundlage dafür besteht, dass wir auch in Zukunft das Notwendige und Richtige für den Sport tun können und die Problemlagen, die ich an einigen Beispielen aufgezeigt habe, zu einem vernünftigen Ergebnis bringen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Seimetz CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, verlängere ich die Redezeiten für die Fraktionen gemäß § 83 a Abs. 1 Satz 4 der Geschäftsordnung um jeweils fünf Minuten unter Anrechnung der Überziehungen der letzten Runde.

(Unruhe)

Das Wort erhält Frau Abg. Rudolf.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Verlängerung der Redezeit ermöglicht mir, auf zwei Punkte noch einmal detaillierter einzugehen.

Herr Staatssekretär Rau, es bringt nichts, sich hier gegenseitig vorzuwerfen, mit falschen Zahlen zu agieren. Wir haben anhand von Landtagsdrucksachen – die haben wir mehrfach im Schulausschuss beraten – festgestellt – da gab es dann auch keinen Widerspruch –, dass es in der Grundschule üblich ist, Sport fachfremd zu unterrichten, weil wir dort das Klassenlehrerprinzip haben. Das passt einfach nicht zusammen. Wenn man einen Klassenlehrer hat, hat man vor allem an kleineren Schulen Probleme, überhaupt Sportfachkräfte, Sportlehrerinnen und Sportlehrer dort hinzubringen, und auch an größeren Grundschulen gibt es nicht für alle Klassenstufen und alle Kinder Sportunterricht durch Fachkräfte.

(Abg. Seimetz CDU: Grundschullehrer können al- les!)

Bei den weiterführenden Schulen würde rein rechnerisch die Zahl der Lehrkräfte für den Sportunterricht von Jungen ausreichen, während es bei den Mädchen schon relativ knapp wird. Wenn man dann noch die Altersstruktur der Lehrerschaft zugrunde legt und weiß – da widerspricht auch niemand, der sich in diesem Bereich auskennt –, dass sich ältere Lehrkräfte schwer tun, Sportunterricht zu geben – sie müssen Hilfestellungen geben, sie müssen einzelne Disziplinen vorführen –,

(Abg. Röhm CDU: Ab welchem Alter?)

wird klar, dass wir zwar ausgebildete Fachlehrer an diesen Schulen haben, dass diese Fachlehrer aber Sport nicht unterrichten. Das heißt, dass de facto auch dort, wo rein rechnerisch genügend Lehrkräfte mit Fachausbildung zur Verfügung stehen, diese nicht eingesetzt werden können und dass wir in Baden-Württemberg hier ein Defizit haben, an dessen Beseitigung wir arbeiten müssen. Das haben Sie ja auch in vielen Fällen versucht. Sie waren aber nach unserer Auffassung noch nicht erfolgreich genug.

Das zweite Thema, das Sie selber angesprochen haben, ist der Bruch in der Leistung. Das ist ja ein Thema, worüber wir auch schon lange und intensiv im Schulausschuss und in verschiedenen Gruppierungen und Fachgremien diskutieren. Eines muss man an dieser Stelle festhalten – das kommt ja bei Ihren Reden hier auch immer wieder zum Ausdruck –: Leistungssport funktioniert in den Bundesländern gut, in denen der Bund und das Land gemeinsam Hand in Hand miteinander arbeiten. Wenn man die Struktur kennt, weiß man, dass für die Talentförderung die Länder zuständig sind und dass der Bund zuständig ist, wenn es in den Seniorenbereich geht. Überall dort, wo es Vorbehalte gibt, weil dort gerade jemand anders regiert, als es einem selber in der Farbe passt, so wie in Baden-Württemberg, gibt es natürlich Probleme. Dass Sie die hier wieder vortragen, als ob Sie kein Wässerchen trüben könnten, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dass Sie jetzt zusammen mit dem Sport eine Arbeitsgruppe eingerichtet haben, die über Kooperationen zwischen Universitäten, Fachausbildungen, den Leistungsstützpunkten und Olympiastützpunkten berät, ist lobenswert. Aber auch da sind Länder wie Nordrhein-Westfalen, das ja lange Zeit und bis vor kurzem SPD-regiert war, wesentlich weiter. Wir

haben hier den Ansatz für Kooperationen nur im Raum Heidelberg und Mannheim, und sonst ist im Land sehr wenig los. Ich bin froh, dass Sie das endlich anfangen. Aber auch hier muss man anmerken, dass das andere Bundesländer schon längst und viel besser hingekriegt haben.

Ein Lob bekommen Sie, wenn Sie es hinkriegen, im Jahr 2006 zur Projektförderung zurückzukommen. Da bin ich gern an Ihrer Seite. Wir kämpfen schon seit der letzten Legislaturperiode darum. Nur geht man beim Sport immer auf Geschwindigkeiten und Leistung, und bei diesem Thema müssen Sie sich einfach damit abfinden, dass wir diese Kriterien auch an Ihre Arbeit anlegen. Es hat verdammt lange gedauert. Die Frage ist, ob es jetzt wirklich kommt. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute. Ich habe vorhin geklatscht, und ich werde Sie auch beklatschen, wenn Sie es hinkriegen.

Allgemein noch etwas zur Finanzlage von Vereinen. Auch wenn wir alle wissen, dass in öffentlichen Haushalten zurzeit wenig Geld da ist – Schuldzuweisungen nützen uns an dieser Stelle wenig, und klar ist, dass man alle Politikbereiche durchaus auf den Prüfstand stellen muss –, muss man einfach konstatieren, dass wir einen enormen Antragstau beim Sportstättenbau haben, der Ihnen übrigens bei der Umstellung zur Projektförderung erhebliche Schwierigkeiten machen wird. Dass die Sportvereine angesichts der Konkurrenz, die sie im Moment zunehmend durch gewerbliche Anbieter haben, einfach ins Hintertreffen geraten, wenn ihre Sportstätten nicht auf dem Stand sind, den sich Menschen wünschen, wenn sie Sport treiben, ist auch klar. Das schadet ihrer Bindungskraft. Das muss man einfach konstatieren.