Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich um eine relativ ungewöhnliche Gesetzgebungsmaterie. Ich glaube, dass man das schon so sagen darf. Deswegen ist ein Blick in die politische Landschaft, wie es denn eigentlich in Deutschland in anderen Parlamenten zu diesem Thema ausschaut, ganz interessant. Hierzu will ich drei Feststellungen treffen:
Erstens: Es gibt bisher kein einziges Bundesland, das ein solches Verbandsklagerecht tierschutzrechtlicher Art
eingeführt hat, auch kein rot-grünes – davon gibt es nicht mehr so wahnsinnig viele. Andere Bundesländer hätten ja eine solche Regelung einführen können. Weder Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen noch Schleswig-Holstein haben es eingeführt.
Zweitens: Ein Vorstoß des Bundeslandes Schleswig-Holstein im Bundesrat hat eine ganz große Ablehnung quer über die politischen Fronten erfahren,
Und drittens: Die Tierschutzverbände hatten im Jahr 2002 den Wunsch an die rot-grüne Koalition geäußert, die Einführung des Verbandsklagerechts im Tierschutz in die Koalitionsvereinbarung aufzunehmen. Das ist aber nicht in die Koalitionsvereinbarung zwischen Rot und Grün im Jahr 2002 aufgenommen worden, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass zumindest die SPD auf Bundesebene diesem Vorhaben nicht zustimmt.
Jetzt will ich in der Tat den Gedanken aufgreifen, den Sie selbst genannt haben: Es könnte ja trotzdem richtig sein,
und, weil wir ja manchmal an der Spitze stehen, könnte es trotzdem der Fall sein, dass wir uns auch in dieser Frage an die Spitze begeben müssten. Also stellt sich die Frage: Wo liegen wir in der Sache selbst?
Natürlich ist es richtig, dass es viel Sympathie für den Tierschutz gibt und dass es sich dabei auch ein bisschen um ein emotionales Thema handelt. Sie greifen das ja auf mit dem Bild, man bräuchte Waffengleichheit zwischen den Tiernützern auf der einen Seite und den Tierschützern auf der anderen Seite; die Tiernützer würden ihre Interessen schon vertreten, die Tiere hätten hingegen keine Stimme, und deswegen müsse man ihnen über das Verbandsklagerecht eine Stimme geben. Ein schönes Bild, aber es stimmt aus drei Gründen nicht:
Erstens: Auch die Tiernützer haben natürlich das Tierschutzrecht zu beachten. Das deutsche Tierschutzrecht ist im europäischen Maßstab einsam an der Spitze, in materieller Hinsicht und in formeller Hinsicht.
Zweitens: Auch die Verwaltung – um die geht es ja beim Verbandsklagerecht – hat selbstverständlich das Tierschutzrecht zu beachten. Die Vorstellung, dass man auf der einen Seite den Tiernützer hat – das sind ja im Wesentlichen die Forschung und die Landwirtschaft – und auf der anderen Seite nur eine einseitig beeinflusste Verwaltung, die sich gegenüber diesen handfesten forschungspolitischen oder ökonomischen Interessen nicht durchsetzen könne, ist falsch. Diese Vorstellung zeigt ein Misstrauen gegenüber der Verwaltung, das nicht gerechtfertigt ist. Das sage ich pauschal, ich kann es aber auch konkret sagen:
Seit der letzten größeren Novelle des Tierschutzrechts im Jahre 1986 gab es ungefähr 50 000 Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet tierschutzrechtlicher Genehmigungen. Ungefähr 25 % davon sind nur mit Auflagen erteilt worden – zulasten der Tiernützer, also der Landwirtschaft und der Forschung –, und ungefähr 5 % sind abgelehnt worden. Die Einzigen, die nach Ihrer Vorstellung einseitig sein dürften, wären ausgerechnet die Verbände, denen Sie ein Verbandsklagerecht geben wollen. Die Tiernützer und die Verwaltung haben bereits Abwägungsprozesse vorzunehmen.
Ein weiteres Argument, das Sie anführen, heißt: „Das Verbandsklagerecht haben wir auch schon im Naturschutzrecht. Warum haben wir es nicht auch im Tierschutzbereich?“ Dazu ist Folgendes zu bemerken:
(Abg. Dr. Caroli SPD: Eben! Das ist der Haupt- grund! – Abg. Teßmer SPD: Aha! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Weitere Zurufe von der SPD und den Grünen)
Ganz ruhig, Herr Caroli! – Deswegen ist es für uns kein Argument, wenn gesagt wird: „Das haben wir ja woanders auch schon gemacht.“ Wenn wir die Verbandsklage auch anderswo nicht für richtig halten, dann ist der Hinweis auf sie für uns kein Argument. Ich sage das aus guten Gründen. Denn, mit Verlaub, meine Damen und Herren: Wir haben in Deutschland nicht zu wenig Hürden, sondern zu viele Hürden, was das effektive Handeln anbelangt.
Zweiter Hinweis: Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der naturschutzrechtlichen Verbandsklage, die es schon gibt, und der tierschutzrechtlichen Verbandsklage, wie Sie sie vorschlagen. Denn beim Tierschutzrecht wollen Sie das Klagerecht auf alle Einzelfallgenehmigungen erstrecken. Das gibt es im Naturschutzrecht so nicht. Insofern wäre das Klagevolumen sehr viel größer.
Wenn diese Verbände das Recht bekommen würden, in jedem Einzelfall Verfahren einzuleiten, dann würden sie eine zumindest behindernde und möglicherweise verhindernde Wirkung haben.
Drittens: Zu dem Argument, das Klagerecht sei in anderen Bereichen auch möglich, will ich nur einmal sagen: Es gibt viele Bereiche, in denen wir glücklicherweise kein Verbandsklagerecht haben, in denen wir aber auch die Konstellation haben, dass die Verwaltung Allgemeininteressen, also hier den Tierschutz, gegenüber den Interessen des Antragstellers abzuwägen hat.
Wie ist es beim Denkmalschutz? Wollen Sie die denkmalschutzrechtliche Verbandsklage? Wollen Sie die immissionsschutzrechtliche Verbandsklage? Wollen Sie die wasserschutzrechtliche Verbandsklage und, und, und? Wenn diese Rechtsfigur richtig wäre, dann müssten Sie überall Verbandsklagen einführen, und das wäre sicher falsch.
Schlussbemerkung, meine Damen und Herren. Die beiden Hauptnutzer, Landwirtschaft und biomedizinische For
schung, haben sich logischerweise und mit guten Gründen gegen eine Verbandsklage aus tierschutzrechtlicher Argumentation gewandt. Übrigens – das nur nebenbei –: 85 % aller pharmazeutischen – –
(Abg. Fischer SPD: Er meint, er ist noch Minister! – Abg. Teßmer SPD: Das fällt einem nicht leicht!)
85 % aller pharmazeutischen Tierschutzexperimente sind gesetzlich vorgeschrieben. Die Gründe, die sowohl die Landwirtschaft als auch die Forschung vortragen, heißen erstens Verzögerung von Investitionen, zweitens Abwanderung ins Ausland mit weniger Tierschutz und drittens natürlich: Es ist nicht nötig, denn sie haben selbst den Tierschutz zu berücksichtigen.