Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Bürgerinitiativen wolltet ihr ja auch nie!)

Meine Damen und Herren Kollegen, die Landesregierung hat Ihnen Anfang des letzten Monats diesen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vorgelegt. Damit sollen Gemeindeordnung, Landkreisordnung und das Kommunalwahlgesetz in einer ganzen Reihe wichtiger Punkte novelliert werden. Mit diesem Entwurf werden sämtliche Änderungen, die im Bereich der Kommunalverfassung anstanden, in einem einzigen Gesetzespaket zusammengefasst.

Zu den beiden Themen, die ja auch wiederholt angesprochen wurden, nämlich „Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“ und „Anschluss- und Benutzungszwang bei Fernwärme“, liegen die Alternativentwürfe der Opposition vor. All diese Punkte haben den Landtag in den letzten Jahren wiederholt beschäftigt – ich habe es gesagt –, sodass heute wirklich der Zeitpunkt für eine abschließende parlamentarische Entscheidung gekommen ist.

Erfreulicherweise hat sich bei den Beratungen im Innenausschuss vor 14 Tagen gezeigt, dass wir in einer ganzen Reihe von Punkten übereinstimmen. Das wurde hier von den Vorrednern richtigerweise bereits betont. Deswegen will ich mich hier auf das Allernotwendigste beschränken. Übereinstimmung besteht unter anderem bei den vorgesehenen Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang, bei denen es um die Fernwärme und die Einbeziehung von Gesichtspunkten des Klima- und des Ressourcenschutzes geht.

Als Kommunalminister, der auch für die Landesverfassung zuständig ist, möchte ich nur ein paar Worte der Klärung mit Blick auf das Verfassungsrecht anfügen. Aus kompetenzrechtlichen Gründen können den Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaften nur solche Aufgaben und Befugnisse übertragen werden, die einen hinreichenden örtlichen Bezug haben. Das müssen wir berücksichtigen, wenn

wir den Gemeinden Aufgaben auf dem Gebiet des Klimaschutzes übertragen. Diese Aufgaben weisen per se natürlich auch einen Bezug zum Überörtlichen, zum Globalen auf. Mit der Regelung, wie sie im Entwurf vorgesehen ist – die übrigens weitgehend dem Vorschlag der Grünen entspricht; das will ich ausdrücklich konstatieren, Herr Kollege Oelmayer –, haben wir nach meiner Auffassung unter den gegebenen Voraussetzungen das Optimum erreicht.

Des Weiteren sind im Innenausschuss vonseiten der Opposition Zweifel geäußert worden, was den Zusammenhang dieser Bestimmungen der Gemeindeordnung mit der Staatszielbestimmung des Umweltschutzes betrifft. Wenn Sie jetzt aber den Wortlaut des vorliegenden Entwurfs mit dem Wortlaut von Artikel 3 a der Landesverfassung, der Staatszielbestimmung über den Umweltschutz, vergleichen, dann stellen Sie fest, dass in beiden Fällen – ich zitiere jetzt aus dem Gesetzentwurf – der „Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens“ im Mittelpunkt steht. Die jetzt zu beschließende Regelung knüpft damit nahtlos an die Staatszielbestimmung an.

Ich glaube, dass damit der Zusammenhang ausreichend deutlich wird; wir haben im Ausschuss darüber gesprochen.

Zum Thema „Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“ will ich mich ebenso kurz fassen. Bereits in der ersten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass die Landesregierung mit dem vorliegenden Entwurf die Zusagen der Koalitionsvereinbarung erfüllt, und zwar Punkt für Punkt. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die beiden Stichworte „Abschaffung des Positivkatalogs“ und „Absenkung des Quorums“.

Die Hürden für Bürgerentscheide werden damit doch deutlich abgesenkt. Allein in den letzten zwei Jahren gab es vier Bürgerentscheide, bei denen das Quorum nur knapp verfehlt worden ist und die von der jetzt vorgeschlagenen Regelung profitiert hätten. Vor wenigen Tagen habe ich in einer Nachbargemeinde Gleiches erlebt – ich weiß gar nicht, ob das in die genannte Zahl von vier Beispielfällen schon einbezogen worden ist. Auch dort wurde das Quorum um wenige Prozentpunkte verfehlt.

Ich muss aber noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir mit unserer Regelung über die Stärkung der unmittelbaren Bürgerbeteiligung an demokratischen Grundgedanken des Grundgesetzes und der Landesverfassung rühren. Nach dem Verfassungsrecht muss die kommunale Selbstverwaltung, jedenfalls im Grundsatz, eine repräsentativ-demokratische Struktur aufweisen. Auch die Gemeinderäte und die Bürgermeister sind Organe – das wird in dieser Diskussion immer wieder vergessen –, die unmittelbar vom Bürger gewählt worden sind.

(Abg. Kübler CDU: Ganz deutlich, jawohl!)

Mit dem Regierungsentwurf werden die Gewichte nach meinem Verständnis deutlich in Richtung direkte Demokratie verschoben. Was wir nicht wollen, ist eine Schwächung oder gar Beschädigung der Organe Gemeinderat und Bürgermeister. Dies können wir uns auch gar nicht leisten. Nach dem, was ich vorhin gesagt habe, wäre dies der falsche Weg. Auch bliebe sehr die Frage, ob damit die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger erhöht würde.

(Minister Rech)

Meines Erachtens ist es eine Frage der politischen Sachgerechtigkeit und der Ausgewogenheit, wie wir diese Regelungen fortentwickeln. Aber wir müssen sie vor dem Hintergrund der baden-württembergischen Kommunalverfassung fortentwickeln, auch im Lichte der guten Erfahrungen, die wir mit unserer Kommunalverfassung gemacht haben.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es! Sehr gute Erfah- rungen!)

Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der Regierungsentwurf die politische Sachgerechtigkeit auf seiner Seite hat.

Im Übrigen glaube ich, dass die Meinungen und Standpunkte zu dieser Grundsatzfrage jetzt ausgetauscht worden sind. Wir haben lange genug diskutiert und müssen jetzt entscheiden.

Nach den Beratungen im Innenausschuss komme ich, nachdem Sie es angesprochen haben, nicht umhin, noch ein Wort zu den Bauleitplänen zu sagen. Die Bauleitpläne sind in den Negativkatalog aufgenommen worden, weil das förmliche Verfahren – ich betone noch einmal: das förmliche Verfahren – der Bauleitplanung nach dem Baugesetzbuch des Bundes Sache des Gemeinderats ist.

(Abg. Blenke CDU: So ist es! – Beifall des Abg. Blenke CDU)

Das war in Baden-Württemberg schon bisher die Rechtslage, und so wird es nach meiner Kenntnis, Herr Kollege Oelmayer, auch in Bayern gesehen. Es wird sich aber insoweit nichts ändern, als die Bürgerschaft grundsätzliche Sachentscheidungen in diesem Bereich treffen kann, beispielsweise die Richtungsentscheidung über die Ausweisung eines Gebiets als Gewerbegebiet.

Nach meiner Ansicht sind es diese Grundsatzentscheidungen und nicht die rechtsförmlichen Entscheidungen des Verfahrens nach dem Baugesetzbuch, die die Bürgerschaft interessieren.

(Abg. Kübler CDU: Ja!)

Es sind diese grundsätzlichen Richtungsentscheidungen.

(Abg. Kübler CDU: Völlig richtig, Herr Minister! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Welche sollen das sein? Der Flächennutzungsplan?)

Sie können also darauf vertrauen:

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Manche mehr, manche weniger!)

Wenn auf dem Vorblatt des Gesetzentwurfs steht, dass die „Mitwirkungsrechte der Bürger auf kommunaler Ebene erweitert werden“, dann ist dies im Gesetzentwurf auch enthalten.

Herr Kollege Junginger, wir haben nicht den mindesten Anlass, den Bürgerinnen und Bürgern etwa zu misstrauen. Ich persönlich – und das sehen die Kollegen in meiner Fraktion ebenso – habe großes Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger.

(Abg. Junginger SPD: Deshalb haben Sie sich so schwer getan! Vier Jahre!)

In diesem Vertrauen sehen wir uns bei Wahlen jedes Mal deutlich gestärkt. Ich bitte Sie deshalb heute, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zuzustimmen.

Herr Kollege Oelmayer, wenn Sie sagen, es sei nur ein kleiner Schritt – nicht ganz ernsthaft gemeint –: Wie hat der US-Astronaut Armstrong bei seinem ersten Schritt auf den Mond gesagt? Ein kleiner Schritt im All, ein großer Schritt für die Menschheit.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Oelmayer GRÜNE: Da landen wir mit euch auf dem Mond! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Dass Sie lieber auf der Venus landen würden, ist mir klar! – Zuruf von der SPD: Aber wir machen aus dem heutigen Tag des- wegen keinen Feiertag! – Weitere Zurufe)

Lassen Sie uns das Gesetz so beschließen und im weiteren Verlauf die Bürger zur aktiven Mitwirkung animieren. Doch dies geschieht auf vielfältige Weise; dazu bedarf es nicht einer weiteren Absenkung des Quorums.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Junginger SPD: Und jetzt singen wir die Hymne!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in zweiter Lesung zur A b s t i m m u n g.

Ich stelle zunächst den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 13/4385, zur Abstimmung.

Ich weise darauf hin, dass der Innenausschuss in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 13/4495 die Annahme dieses Gesetzentwurfs empfiehlt. Ich lasse zunächst in

Artikel 1

Änderung der Gemeindeordnung

über die Nummern 1, 2 und 3 abstimmen. Wer diesen Bestimmungen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Da herrscht offensichtlich etwas Verwirrung.

(Abg. Drexler SPD: Bei uns nicht, aber auf der rechten Seite!)

Gegenprobe! – Enthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.

Ich lasse nunmehr über Artikel 1 Nr. 4 abstimmen. Wer dieser Bestimmung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Mehrheitlich so beschlossen.

Ich lasse nunmehr über Artikel 1 Nr. 5 bis 11 abstimmen. Wer diesen Bestimmungen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.

(Stellv. Präsident Birzele)

Ich rufe auf

Artikel 2

Änderung der Landkreisordnung

Artikel 3