Vielleicht gerade zu Ihnen, Herr Fleischer – Sie geben gerade das Stichwort; das nehme ich gern auf –: Rechnen wir das einmal um: Wir haben in Baden-Württemberg 1 111 Städte und Gemeinden.
Ja, immerhin. Ich bedanke mich für die Zustimmung. – Wenn wir die bisher seit Einführung der unmittelbaren Demokratie zustande gekommenen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, in diesem Fall insbesondere die Bürgerent
scheide, einmal ins Verhältnis zu den 1 111 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg setzen, ergibt sich, dass statistisch in jeder Gemeinde durchschnittlich alle 180 Jahre ein Bürgerentscheid stattfindet.
(Abg. Fleischer CDU: So gut sind unsere Bürger- meister und Gemeinderäte! – Gegenruf des Abg. Kübler CDU: Danke!)
Kollege Fleischer, ich weiß, dass Sie ein fundamentaler Gegner von Bürgerbeteiligung sind, aber immer nur dann, wenn es Ihnen gerade in den Kram passt; insofern haben wir da eine grundsätzliche Differenz.
Aber es ist doch so: Wir haben pro Gemeinde durchschnittlich alle 180 Jahre einen Bürgerentscheid. Wenn wir diesen Zeitabstand auf 150 Jahre absenken würden, würde Ihnen keine Krone aus der
(Heiterkeit – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dafür bin ich zuständig! Für Kronen ist der Zahnarzt zustän- dig! – Abg. Kübler CDU: Das macht Noll! Der ist zuständig für die Kronen!)
dann würde Ihnen kein Edelstein aus der Krone brechen. Darüber hinaus wäre es so, dass wir in Baden-Württemberg mehr Bürgerbeteiligung organisiert hätten.
Ich nenne noch die drei, vier wesentlichen Unterschiede zwischen dem Gesetzentwurf, der heute hier zur Verabschiedung steht, und dem, den wir eingebracht haben, um das noch einmal deutlich zu machen:
Sie schaffen den Positivkatalog ab; das wollen wir auch. Das finden wir Klasse, weil es einfach schwierig ist – auch von den rechtlichen Voraussetzungen her –; nicht jede Bürgerin und jeder Bürger ist Anwältin oder Anwalt, ist Juristin oder Jurist,
um im Detail dann auch wirklich zu verstehen, was da möglich ist und was nicht. Insofern begrüßen wir diese Maßnahme.
Warum ich es für falsch halte, dass Sie die Bebauungspläne in den Negativkatalog aufnehmen, und die Argumentation, die Sie bisher geliefert haben, nicht stichhaltig ist, will ich an dieser Stelle doch noch einmal kurz begründen. Ihre Argumentation heute war ja neu – immerhin ein neuer Beitrag in Ihrer Rede. Dass es sich beim Bebauungsplanverfahren um ein Verwaltungsverfahren handle, ist schon deswegen falsch, weil Bebauungspläne vom Gemeinderat beschlossen werden und Gemeinderäte nicht ausschließlich Verwaltungsorgane sind, sondern dort gerade die Bürgerbeteiligung in Form der repräsentativen Demokratie auch praktiziert wird.
Der nächste Punkt, wo Sie nicht richtig liegen: Natürlich ist es so, dass Bebauungsplanverfahren nach dem Baugesetzbuch durch Satzungsbeschlüsse der dafür gewählten Organe, nämlich des Gemeinderats, zum Abschluss kommen. Aber in diesen Bebauungsplanverfahren wird ja nach allen Seiten abgewogen. Es können Einwendungen, Anregungen und Bedenken vorgebracht werden. Es wird vielseitig abgewogen und diskutiert und dann entschieden. Dann ist es ein Leichtes oder jedenfalls einfach für die Bürgerinnen und Bürger, mit Ja oder Nein zu entscheiden: Wollen wir dieses Straßenbauprojekt, das über einen Bebauungsplan realisiert werden soll, wollen wir dieses Einkaufszentrum, wollen wir dieses Thermalbad – ja oder nein?
Insofern ist diese Argumentation auf gar keinen Fall stichhaltig, und ich finde es schade, dass Sie sich an dieser Stelle nicht bewegt haben. Ich sage Ihnen auch, warum ich das schade finde: Die in Bayern gemachten Erfahrungen sind durchaus positiv. Darauf verweise ich gar nicht deswegen, weil dort Herr Stoiber mit Zweidrittelmehrheit regiert, sondern weil die Regelung einfach richtig ist. Nahezu 50 % der wichtigen kommunalpolitischen Entscheidungen gehen über Bebauungspläne. Die nehmen Sie mit dem jetzt von Ihnen vorgegebenen Negativkatalog aus der Möglichkeit der direkten Bürgerbeteiligung heraus. Schade drum! Das wäre wirklich ein großer Wurf gewesen, den Sie aber offensichtlich nicht mit uns zu gehen bereit sind.
Ich erwähne noch zwei wichtige Punkte. Sie erweitern die Frist zur Sammlung von Unterschriften. Wir sind der Auffassung, dass dort wenigstens acht Wochen gegeben sein sollten, weil es Kärrnerarbeit ist, die Menschen zu überzeugen, sei es an Infoständen, sei es in Lokalen, wo immer man die auch antrifft, sei es an der Haustür, um für das betreffende Projekt zu werben und auch eine Unterschrift zu erlangen. Sie wollen sechs Wochen festlegen. Gut, ein kleiner Schritt. Das ist besser als vier Wochen; keine Frage.
Dann letztendlich das Quorum. Meine Damen und Herren, es gibt auch im Landtag von Baden-Württemberg – lassen Sie sich das noch einmal sagen – nichts Frustrierenderes
für Menschen, die sich engagiert haben und motiviert Unterschriften gesammelt haben, die über ein Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid zustande gebracht haben, als wenn der an dem von Ihnen jetzt auf 25 % abgesenkten Quorum immer noch scheitert, weil sich einfach nicht genügend Menschen daran beteiligt haben.
Das ist Demotivation für direkte Bürgerbeteiligung. Deswegen haben wir gesagt: Die 20 %, verfassungsrechtlich abgesichert auch vom Innenministerium und von den zuständigen Vertretern, sicherlich auch vom Innenminister nicht als verfassungswidrig deklariert, wären ein großer Wurf gewesen. Das wäre ein Schritt gewesen in Richtung effektive Bürgerbeteiligung. All das haben Sie nicht getan.
Deswegen ist der Kernbereich, Artikel 1 Nr. 4 Ihres Gesetzentwurfs, von uns natürlich nie und nimmer mittragbar. Daher werden wir uns bei dem Gesetzentwurf, obwohl wir in vielen anderen Teilen natürlich unser Einverständnis erklären, und zwar insbesondere in bei der Frage des Anschlussund Benutzungszwangs, wo Sie einmal einen Ruck getan haben – Herr Kollege Kübler, das hätte man natürlich auch noch deutlicher sagen können, aber ich weiß ja, dass Sie sich schwer tun beim Lob für die Opposition; insofern wäre das auch ein „kleiner großer Wurf“ gewesen –, insgesamt der Stimme enthalten müssen. Wir freuen uns aber, dass es jedenfalls einen kleinen Schritt noch in dieser Wahlperiode auch mit Ihrer Mithilfe, nachdem Sie sich endlich haben bewegen lassen,
(Beifall bei den Grünen – Abg. Kübler CDU: Bei uns im Hohenlohischen heißt es: Nicht geschimpft ist genug gelobt!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Zunächst eine Vorbemerkung, Herr Kollege Oelmayer, wenn Sie gestatten: Es haut dem Fass die Krone ins Gesicht, wenn Sie ständig mit Bayern kommen und uns Bayern als Vorbild hinstellen.
Herr Kollege Junginger, wir haben ja schon oft und lange ernsthaft über dieses Thema diskutiert, sodass man jetzt nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss.
Ich glaube, der Herr Vizepräsident, Kollege Birzele, hat einmal aufaddiert, dass es schon sieben verschiedene Anläufe gegeben habe, die Gemeindeordnung in diesem Sinne zu ändern.
Deswegen, Herr Kollege Junginger: Natürlich müssen wir nicht jeden Tag die Hymne auf unsere kommunale Selbstverwaltung singen. Aber wir dürfen schon jeden Tag stolz darauf sein, was aus diesem Land geworden ist,
Ich habe das alles schon einmal gesagt, deswegen muss ich es nicht wiederholen: Es ist schon eine gelungene Mischung zwischen direkter Bürgerbeteiligung und repräsentativer Demokratie. Es ist ein Grat, auf dem man sich da bewegt, und ich glaube, in Baden-Württemberg ist dieses Verhältnis sehr wohl ausgewogen.
Im Übrigen: Wenn Sie berücksichtigen, dass wir 1 110 – nicht 1 111, Herr Kollege Oelmayer – Städte und Gemeinden in unserem Land haben
diese Zahl wäre schöner, klar –, und Sie sich einmal vor Augen halten, dass sich dort – wenn man auch die Ortschaftsräte hinzunimmt – über 30 000
Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich engagieren, und wenn Sie dann auch die vielen Bürgerinitiativen noch mit in Ihre Betrachtung einbeziehen, dann werden Sie erkennen, dass eine sehr direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land schon jetzt möglich ist.