Protokoll der Sitzung vom 28.07.2005

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Lauter halbe Sachen!)

40 Milliarden € für die „Normalen“ und 20 Milliarden € für den Mittelstand. Die Steuersätze sind gesenkt worden: Der Eingangssteuersatz lag bei Ihnen bei 25,9 % und ist jetzt auf 15 % gesenkt worden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was haben Sie denn alles erhöht? – Weitere Zurufe)

Das haben Sie doch gar nicht gemacht! Sie von der FDP/ DVP müssten bei dem Thema Eingangssteuersatz eigentlich ruhig sein!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Jetzt komme ich noch einmal zur Mehrwertsteuer; das ist ja das eigentliche Thema. Da ist – das muss ich sagen – Ihre Antwort falsch. Ich glaube nicht, dass Betriebe jetzt plötzlich deshalb in der Bundesrepublik Deutschland bleiben,

weil wir einen um zwei Prozentpunkte höheren Mehrwertsteuersatz haben.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die gehen in die Insolvenz!)

Denn die mittelständischen Betriebe, die im Übrigen gar nicht ins Ausland gehen können, sagen uns – die Verbände sind ja vorhin gerade angesprochen worden –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die gehen in die Insolvenz!)

eher, dass sie keine Aufträge bekommen, weil die Schwarzarbeit zunimmt. Diese Betriebe sagen, dass es ihnen, wenn es einen massiven Kaufkraftabfluss gibt, nichts nützt, wenn bei den Lohnnebenkosten eine Entlastung erfolgt.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Lesen Sie doch einmal, was die Sachverständigen sagen!)

Ich spreche gerade nicht von Sachverständigen, sondern von denen, die betroffen sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mit dem Finanzminister auf der Königstraße debattiert. Da waren die alle vertreten, vom DEHOGA bis zu den Einzelhändlern. Sie müssen einfach einmal zur Kenntnis nehmen, was die sagen.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Ja! 56 % dafür!)

Sonst sagen Sie doch auch immer das, was die sagen.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: 56 % dafür!)

Ja, Herr Scheffold, nehmen Sie aber einfach einmal zur Kenntnis, dass die alle sagen, dass das eintreten wird.

(Abg. Schmiedel SPD: Eine Katastrophe!)

Ich habe bisher keine Gegenrechnung gehört, von keinem Sachverständigen. Die sagen alle, in der Struktur sei das möglicherweise richtig – in der Struktur! –, aber in der jetzigen Auswirkung fatal.

Warum hat Herr Mappus oder der Herr Ministerpräsident eigentlich bis Mai noch gesagt, es gebe keine Steuererhöhung, weil sie Gift wäre? Warum hat man dann gesagt: „Wenn überhaupt, dann keine Mehrbelastung“? Es gibt für 35 Millionen Deutsche eine Mehrbelastung, weil sie auf der anderen Seite nicht entlastet werden. Die Rentner werden nicht entlastet. Die Beamten werden nicht entlastet. Die Versorgungsempfänger werden nicht entlastet. Die Lehrlinge werden nicht entlastet. Es ist im Grunde genommen doch so: Es gibt eine Mehrbelastung von zwei Prozentpunkten.

Herr Mappus, Sie haben ja in der „Pforzheimer Zeitung“ auch noch gesagt: „Die Erhöhung greift vor allem bei Luxusgütern. Das halte ich aber auch für richtig, weil wir schon ewig den Umbau und die Senkung der Lohnnebenkosten fordern.“ Wenn Sie also davon ausgehen, dass Schuhe, Kleidung und Hosen Luxusgüter sind – Bier ist auch kein Luxusgut, Benzin ist hoffentlich auch noch kein Luxusgut –, muss man schon sagen: Diese zwei Prozentpunkte treffen nicht nur Luxusgüter. Das muss man deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ganz klar so – da gibt es ja schon Berechnungen, was der Rentner pro Monat bezahlen muss, wenn die Mehrwertsteuererhöhung kommt –, dass Sie 4 % des Einzelhandelsumsatzes aus dem Markt herausnehmen. Das sagt der Einzelhandelsverband. Die Zahlen liegen vor. DEHOGA sagt: 2 000 Arbeitsplätze weniger in Baden-Württemberg, im ganzen Bundesgebiet an die 20 000. Man kann sagen, vielleicht übertreiben die ein bisschen. Aber dass Sie keine Mehrarbeit schaffen, ist bei einer Mehrwertsteuererhöhung klar. Und Sie wollen ja Mehrarbeit schaffen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Mappus.

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt kommt das Fähnchen im Wind!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass man beim Thema Mehrwertsteuer unterschiedlicher Meinung sein kann und dass es auch bei uns unterschiedliche Meinungen dazu gibt – –

(Unruhe – Zurufe von der SPD und den Grünen)

Jetzt regen Sie sich doch nicht gleich auf, wenn ich erst anfange. Warten Sie doch erst einmal ab, bis ich fertig bin. Ich will ja gerade versuchen, es Ihnen zu erklären.

Dass man da unterschiedlicher Meinung sein kann, bestreite ich ja gar nicht. Nur, Herr Kretschmann, dass ausgerechnet Sie sich hier hinstellen und pumpen wie ein lungenkranker Maikäfer und von Desaster reden, das finde ich, mit Verlaub, schon ein bisschen arg hart angesichts der Bilanz, die Sie von Rot-Grün in den letzten sieben Jahren vorweisen. Ich kann nur sagen: Fünf Millionen Arbeitslose, eine Million Kinder in der Sozialhilfe, auf dem letzten Rang beim Wachstum in Europa. Mit dem Begriff „Desaster“ sollten Sie sehr zurückhaltend sein.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kommen wir einmal zum Thema Steuer. Weil Sie gerade die Betroffenen zitiert haben, weise ich darauf hin: Es gibt eine Umfrage vom heutigen Tag. Der Bund der Selbständigen hat bei seinen Mitgliedern – das sind logischerweise die Betroffenen –

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Es gibt auch andere Be- troffene!)

gefragt: Findet ihr eine höhere Mehrwertsteuer gut oder nicht gut? 44 % der Unternehmen sind gegen eine höhere Mehrwertsteuer. 52 % sind unter der Bedingung der Absenkung der Lohnnebenkosten

(Abg. Drexler SPD: Ausschließlich!)

für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. So ist es. 52 % sind dafür.

(Beifall bei der CDU)

Also die betroffenen Unternehmen sind selber dafür. Meine Damen und Herren, wenn die Betroffenen dafür sind, können Sie sich doch nicht hier hinstellen und sagen, das sei etwas Negatives.

Jetzt zu der Frage – weil Sie mich aus der „Pforzheimer Zeitung“ zitiert haben –: Wen trifft eine Mehrwertsteuererhöhung? Der sozial Schwächere oder der Geringverdiener gibt zwischen 30 % und 35 % für Miete aus, weil dieser im Regelfall keine Villa besitzt.

(Abg. Drexler SPD: Das ist klar!)

Mehrwertsteuersatz: null Prozent. Da wird nichts verändert.

(Abg. Drexler SPD: Außer Nebenkosten!)

Nebenkosten, zum Beispiel Wasser, Abwasser.

(Abg. Drexler SPD: Öl, alles!)

Abwasser 7 %, Wasser 16 %, in Zukunft 18 % Mehrwertsteuer – völlig richtig. Dann gibt er einen weiteren nicht unerheblichen Teil für die so genannten Güter des täglichen Bedarfs aus: Grundnahrungsmittel, ÖPNV und anderes mehr. Da bleibt der Mehrwertsteuersatz bei 7 %. Es verändert sich gar nichts.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Apfelsaft! – Abg. Drexler SPD: Strom und alles!)

Dass diejenigen, die mehr haben – – Deshalb habe ich auch von Luxusgütern gesprochen, weil es da natürlich betragsmäßig am meisten greift. Wenn Sie ein Auto kaufen, ist das ein beträchtlicher absoluter Betrag, den Sie zusätzlich an Mehrwertsteuer zahlen müssen.

(Abg. Drexler SPD: Das ist aber kein Luxus! – Abg. Knapp SPD: Kein Firmenchef zahlt für sein Auto Mehrwertsteuer! Bei jedem Firmenwagen ist das so!)

Diejenigen, die mehr haben, können auch zur Entlastung der Lohnnebenkosten und damit letztendlich zur Entlastung des Arbeitsmarkts – darum geht es doch – eine höhere Mehrwertsteuer bezahlen. Dazu kann ich nur sagen, meine Damen und Herren: Das halte ich für vertretbar. Das ist die Grundrichtung.