Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg und zur Änderung anderer Gesetze – Drucksache 13/4483

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 13/4668

Berichterstatterin: Abg. Marianne Wonnay

Die Berichterstatterin wünscht das Wort nicht.

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Wem darf ich für die CDU-Fraktion das Wort erteilen? – Das Wort hat Frau Abg. Dederer.

(Abg. Alfred Haas CDU: Mit einem gewissen Stolz trägt sie das jetzt vor!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! So kann man die Frauenquote natürlich auch erhöhen, nämlich durch Massenexodus der Männer hier im Parlament.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bloß bei der CDU, bitte!)

Vielleicht nehmen wir das einfach noch mit ins Gesetz auf.

(Abg. Hoffmann CDU: Es zählen die, die da sind! – Abg. Fleischer CDU: Aber die, die da sind, die leben! – Abg. Rückert CDU: Sind wir niemand?)

Die, die da sind, sind wichtig, weil Qualität schließlich zählt, Kollege Fleischer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, vor uns liegt das neue Chancengleichheitsgesetz. Gute Gesetze erkennt man daran, dass sie schlank und gleichzeitig wirkungsvoll und effizient sind. Die CDU-Fraktion wird dieses Chancengleichheitsgesetz unterstützen. Es ist nämlich gleich in mehrfacher Hinsicht gut. Ich möchte einfach ein paar wesentliche Punkte aus diesem Gesetz nennen.

Das Gesetz unterstützt und gibt Anreize dafür, dass die Landesverwaltung als große Arbeitgeberin hier in diesem Land einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit in BadenWürttemberg leisten wird.

Den wichtigsten Punkt nenne ich gleich vorweg: In diesem Gesetz sind klare Zielvorgaben enthalten. In Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, müssen die Hälfte der Neueingestellten Frauen sein, das heißt 50 %. Das Gesetz schreibt auch eine Evaluation vor. Es ist ganz wichtig, dass solche Ziele nicht nur einfach im Raum stehen, sondern tatsächlich auch bewertet werden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Dann werden klipp und klar die Verantwortlichen benannt. Alle Beschäftigten und vor allem die Vorgesetzten haben eine Verantwortung dafür, dass tatsächlich die Ziele dieses Gesetzes eingehalten werden. Das Gesetz enthält Regelungen für eine gezielte Frauenförderung, Aus- und Weiterbildung, eine spezielle Förderung auch für Frauen in Führungspositionen. Festgehalten wird eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Beauftragten und ihrer Dienststellen. Es wird eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben. Das ist sehr wichtig, vor allem für Frauen. Es wird mehr Teilzeitarbeit und mehr Telearbeit geben, und der Wiedereinstieg in den Beruf wird erleichtert. Die Rechte der Beauftragten werden gestärkt. Wir haben ein einfacheres und verbessertes Wahlverfahren.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das hat aber auch lange genug gedauert!)

Wo gibt es das heute noch, dass Gesetze tatsächlich zum Bürokratieabbau beitragen, liebe Kollegen? Das ist wirklich positiv hervorzuheben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das war aber eine lange Geburt!)

Die Chancengleichheit ist nicht nur Landesaufgabe, sondern sie ist gleichzeitig auch als kommunale Aufgabe im Gesetz definiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Mari- anne Wonnay SPD: Deshalb haben Sie den Gel- tungsbereich nicht erweitert, oder wie?)

Liebe Kollegin Wonnay, ich bitte Sie einfach, die kommunale Selbsthoheit zu beachten. Wir schreiben klipp und klar in diesem Gesetz, dass das Chancengleichheitsgesetz auch eine kommunale Aufgabe ist. Wie die Kommunen diese Aufgabe zu erfüllen haben, überlassen wir ihnen.

(Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

Sie stellen dazu einen Antrag. Den werden wir ablehnen. Sie wissen, wir haben das Konnexitätsprinzip. Wenn Sie den Kommunen vorschreiben, dass sie Chancengleichheitspläne aufzustellen haben, dann müssen Sie diesen Kommunen das auch finanzieren. In Ihrem Antrag ist nichts zum finanziellen Ausgleich enthalten.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Renate Götting FDP/DVP – Abg. Marianne Wonnay SPD: Aber al- le anderen Bundesländer machen es anders!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns aber auch darüber einig, dass dieses Gesetz notwendig ist. Im letzten Bilanzbericht zur Frauenpolitik – Baden-Württemberg ist übrigens das einzige Land, das einen solchen Bericht erstellt; das möchte ich an dieser Stelle erwähnen – steht, dass wir den Frauenanteil kontinuierlich gesteigert haben. Wir haben aber natürlich noch ein gutes Stück Wegs vor uns. Der Frauenanteil im höheren Dienst hat sich innerhalb von vier Jahren von 30 auf 35 % erhöht. Das ist gut, aber 35 % sind natürlich noch keine 50 %. In vielen Gremien sieht es nicht besser aus.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der italienische Philosoph und Politiker Croce hat einmal gesagt: Wichtiger als die Gesetze ist das tatsächliche Handeln der Menschen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Er hat Recht!)

Dieses Gesetz wird zwar einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit leisten, aber letztendlich kommt es natürlich auf die handelnden Personen an. Wir müssen ein Umdenken in den Köpfen erreichen. Nur dann können wir die Chancengleichheit tatsächlich verwirklichen. Da kommt es auf die Männer und auf die Frauen an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Renate Götting FDP/DVP – Abg. Pauli CDU: Das ist ja nicht mehr zu toppen!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haller-Haid.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie weit wir in BadenWürttemberg in den letzten zehn Jahren in der Frauenpolitik tatsächlich gekommen sind, haben Sie selbst vor der Mittagspause bei der erfolgten Vereidigung des neuen Kul

tusministers vorgeführt. Der Frauenanteil unter den Amtschefs ist bei dieser Landesregierung unter 10 % gesunken. Selbst im bei der Frauenpolitik nicht gerade sehr fortschrittlichen Bayern ist man wesentlich weiter. Also davon, frauenpolitisches Vorbild zu sein, ist diese Landesregierung weiter entfernt denn je.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Rückert CDU: Dann lasst doch un- sere Merkel ran! – Heiterkeit – Abg. Alfred Haas CDU: Zieht doch den Schröder zurück!)

Das zeigt auch der heute zu beratende Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf ist nichts anderes als der Ausdruck ihrer frauenpolitischen Konzeptions- und Tatenlosigkeit. Gerade eben konnten wir das live erleben.

Die Landesregierung hat sich mit der Novellierung des Gesetzes bekanntlich viel Zeit gelassen. Herausgekommen ist nicht viel. Es gibt ein paar überfällige Änderungen im Detail, aber im Grundsatz bleiben die Probleme dieselben wie im alten Gesetz.

(Beifall bei der SPD)

Mit frauenpolitischem Aufbruch hat das Ganze nichts zu tun. Bereits die Vorgeschichte hat gezeigt, wie zögerlich die Landesregierung mit diesem Thema umgeht. Erst wurde die Novellierung immer wieder verschoben, und als dann der Gesetzentwurf endlich vorlag, kam vonseiten der Frauenvertreterinnen und der Verbände in erster Linie Kritik, und zwar zu Recht, denn so gut wie nichts von dem, was die Frauen gefordert haben, wurde in den neuen Entwurf aufgenommen. In mancher Hinsicht enthält das neue Gesetz sogar Verschlechterungen.

Ein bezeichnendes Licht auf Ihre Dialog- und Kritikfähigkeit wirft auch die Weigerung der Regierungsfraktionen, im Sozialausschuss eine öffentliche Anhörung durchzuführen. CDU und FDP/DVP haben dies mit ihrer Mehrheit abgelehnt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Übrigens aus guten Grün- den!)

Das ist nicht nur schlechter parlamentarischer Stil, sondern auch ein ganzes Stück Feigheit, Herr Haas,

(Abg. Alfred Haas CDU: Quatsch! Ich habe keine Angst vor Frauen!)

weil Sie sich offensichtlich nicht zutrauen, eine öffentliche Anhörung zu diesem Thema durchzuführen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ein Problem, auf das ich an dieser Stelle eingehen will, ist der eingeschränkte Geltungsbereich dieses Gesetzes. Nach wie vor ist es eben im kommunalen Bereich eingeschränkt, und durch die Verwaltungsreform und die Eingliederung weiterer Teile in die Kreisverwaltungen wurde das Problem sogar noch verschärft. Damit fehlt im öffentlichen Dienst eine wirksame gesetzliche Grundlage für eine gezielte Frauenförderung.

(Abg. Heike Dederer CDU: Sie haben den Gesetz- entwurf nicht gelesen!)