Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Aber ich warne alle, die meinen, damit sei alles erledigt. Wie hat gestern jemand gesagt? Wenn ich einen Plan habe, ersetze ich das Prinzip Zufall – ohne Plan – durch das Prinzip Irrtum. Ich glaube, es gibt außer dem Flugverkehr kein anderes Gebiet, auf dem die Fälle von unvorhergesehenen Entwicklungen so zahlreich sind. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Wenn Ihnen vor fünf Jahren jemand etwas von Billigfliegern erzählt hätte, hätten Sie gesagt: „Der Mann spinnt.“ Wenn Ihnen vor zehn Jahren jemand etwas über den 11. September 2001 erzählt hätte, hätten Sie gesagt: „Alles kann passieren, aber nicht, dass jemand mit einem Verkehrsflugzeug in Hochhäuser von New York hineinfliegt. Der Kerl spinnt!“

(Abg. Reinhold Gall SPD: Hätte ich nicht! Warum denn?)

Wenn ich Ihnen vor 15 Jahren etwas über den Sinneswandel der SPD zu Lahr erzählt hätte, hätten Sie alle geschrien: „Nie und nimmer! Flugverkehr ist des Teufels!“ Ich habe nichts dagegen, dass die SPD sich jetzt an die Spitze der Entwicklung des Flugverkehrs setzt. Wie gesagt, Sie bekommen Ihre Flughafenkonzeption, Herr Haller.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wann denn? – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wir brauchen sie zeitnah!)

Ja, wann? Mit der Fortschreibung des Generalverkehrsplans. Gestern haben Sie die Antwort bekommen: Wenn Sie Ihre Anfragen im Verkehrssektor um die Hälfte reduzieren, kommt der Entwurf des GVP umso schneller.

(Abg. Johannes Stober SPD: Ach, das ist doch ein Witz!)

Nun, Herr Haller, haben Sie eine geistige Meisterleistung vollbracht. Sie haben uns erzählt, was die nächsten Probleme im Flugverkehr sind. Recht haben Sie; das wissen wir auch. Nur haben Sie immer erzählt, wer schon Lösungen dafür kundgetan hat bzw. was nicht geht. Aber Sie sind uns eine Antwort auf Ihre selbst gestellten und hier vorgetragenen Fragen schuldig geblieben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da sind doch all die Ministerialbeamten, die was schaffen können! Wir sind doch nicht die Regierung!)

Jetzt warten wir einmal geduldig ab, was in der Flughafenkonzeption stehen wird. Ich sage Ihnen nur: Mit der Antizipation der Stimmung auf den Fildern ist überhaupt nichts gewonnen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Mit geduldigem Abwar- ten aber auch nicht!)

Ich habe doch gar nicht von Abwarten geredet.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Von „geduldig“ haben Sie gesprochen!)

Wenn wir immer in Antizipation der Stimmung dort oben gehandelt hätten, hätten wir keine Messe und hätten keinen ausgebauten Flugverkehr.

Genauso wird es mit der Frage sein, was passiert, wenn die Landebahn des Flughafens am Ende ihrer Kapazität ist. Dann lautet die erste Frage: Können wir noch einmal eine Landebahn bauen?

(Zuruf von der SPD: Dann fahren alle Zug! Mit Stuttgart 21!)

Nur bieten zwei Landebahnen nicht die doppelte Kapazität des Verkehrs, der auf jeder einzelnen Landebahn abgewickelt werden könnte.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr richtig!)

Deswegen brauchen wir ein Gutachten, weil Sie und ich diese Frage nicht genau beantworten können. Sie wissen so gut wie ich, dass dies letztendlich eine Frage sein wird, die politisch entschieden wird und nicht nur als reine Sachfrage,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

so, wie es da oben schon immer gewesen ist. Wie diese politische Entscheidung ausgeht, das kann ich heute nicht sagen, weil ich nicht alle Imponderabilien kenne, die zum Zeitpunkt einer solchen Entscheidung auf dem Tisch liegen werden. Dies wird Ihnen auch eine Flughafenkonzeption nicht beantworten können, weil diese die Frage gemäß dem Kenntnisstand zu dem Zeitpunkt beantwortet, an dem sie aufgestellt wird. Gerade der Flugverkehr ist ein Paradebeispiel dafür, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung dann manche Voraussetzung anders sein wird.

Strich drunter: Die Flughafenkonzeption gibt es als wesentlichen Bestandteil des Generalverkehrsplans. Die Frage des Wann kann Ihnen heute noch niemand auf den Monat genau beantworten. Wir alle haben jedoch den Ehrgeiz, diese Frage noch in dieser Legislaturperiode zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Boris Palmer.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jungfernrede mit Krawatte!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Scheuermann, Sie haben eine bemerkenswerte Rede gehalten, in der Sie gerade gesagt haben, die Frage werde selbstverständlich nicht der Sache nach, sondern politisch entschieden. Das bedeutet so viel wie: Politische Entscheidungen sind sachfremd. So gehen Sie auch vor; das stimmt, das kann man unterschreiben.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Kollege Haller, Ihre Forderung nach einer Konzeption, weil Sie keine eigene Konzeption haben, ist natürlich schön, um Debatten zu betreiben. Aber sie führt auch nicht weiter; da kann man Herrn Scheuermann schon recht geben.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Da hat er recht!)

Sie zeigen uns auf, wie der Flugverkehr wächst und wächst, wie die Fluggastzahlen steigen und steigen. Morgen oder übermorgen reden Sie dann wieder über Klimaschutz, aber nicht, wenn es um dieses Thema geht. Wir können uns dieses Wachstum aber nicht mehr leisten. Das ist ganz einfach. Wir können uns das Wachstum des Luftverkehrs global unter Klimaschutzgesichtspunkten nicht mehr leisten.

(Beifall bei den Grünen)

Deswegen können wir Ihnen klar sagen, wie unsere Luftverkehrskonzeption aussieht. Sie sagen: „Wir haben nicht die Macht, etwas zu ändern. Deswegen müssen wir halt zugucken, wie der Luftverkehr wächst, wie das Klima kaputtgeht und irgendwann dann, obwohl wir dagegen gewesen sind, die zweite Landebahn kommt.“ Wir sagen: „Nein, das tun wir nicht. Wir haben da in der Landespolitik Stellschrauben in der Hand.“ Z. B. sind das Land und die Stadt Stuttgart an der Flughafengesellschaft beteiligt. Seit dies so ist, sind dort über Schuldendiensthilfe dreistellige Millionenbeträge aus dem Landeshaushalt investiert worden. Wir haben nie einen Euro Dividende gesehen. Das heißt, die Eigenkapitalrendite dieses Investments ist null. Wenn Sie mit den Maßstäben der Deutschen Bank herangehen und 20 % Eigenkapitalrendite von Ihrem Unternehmen Flughafen verlangen

(Zuruf von der CDU: 25!)

25 –, dann heißt das, dass dieser Flughafen pro Jahr 200 Millionen € in die Landeskasse und die Kasse des Kämmerers der Stadt Stuttgart spülen muss. Ich bin sehr einverstanden, diese Marge zu übernehmen. Dann holen Sie mal diese Summe durch Gebühren für Starts und Landungen am Flughafen Stuttgart. Oder verkaufen Sie das Ding, und die sollen dann gucken, wie sie mit dem Kapitaleinsatz auf dem Markt bestehen. Hören Sie auf zu subventionieren!

(Beifall bei den Grünen)

Sie werden dann feststellen: Billigflieger, wie wir sie heute kennen, gibt es dann nicht mehr. Wenn der Billigflieger seine Steuern bezahlen muss, wenn er aus unseren leeren Kassen nicht subventioniert wird, die noch nicht einmal die Finanzierung der notwendigen Lehrerstellen hergeben, dann hört die Billigfliegerei auf. Ich finde es absurd, dass wir aufgrund der Rahmenbedingungen zulassen, dass die Taxifahrt zum Stuttgarter Flughafen teurer ist als der Weiterflug nach Rom, nämlich wegen unterschiedlicher Besteuerung.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber wer regelt denn die Besteuerung?)

Sie und ich, wir regieren nicht in Berlin.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber sieben Jah- re lang haben Sie keine Besteuerung von Kerosin hingekriegt!)

Sie wissen ja, dass nationale Kerosinbesteuerung nicht möglich ist, Herr Kollege Noll. Das wissen Sie wohl.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Also wem ma- chen Sie dann den Vorwurf?)

Wir hatten mit der SPD vereinbart, den Mehrwertsteuersatz der Bahn auf 7 % abzusenken.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Und haben Sie es gemacht?)

Und was machen die beiden, CDU und SPD, jetzt zusammen? Sie erhöhen die Mehrwertsteuer auf 19 %, während der Flugverkehr bei null bleibt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber Sie haben auf null reduziert!)

Bei diesen Rahmenbedingungen brauchen Sie sich nicht zu wundern.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Palmer, Moment bitte!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie etwas zu besprechen haben, dann machen Sie das bitte außerhalb des Plenarsaals. Sie können nicht während einer solchen Debatte zu fünft hier einen Pulk bilden, um ein Gespräch zu führen.