Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Aber nicht we- gen der Krawatte!)

Ich sage ganz offen und ehrlich: Dort, wo man die Opposition loben kann, soll man sie auch loben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Dann sollten Sie das auch tun!)

Ich freue mich ganz besonders darüber, dass die SPD mit von der Partie ist.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ohne uns geht es nicht, mein Lieber!)

Sie ist mit von der Partie, weil sie in der Zeit ihrer Babylonischen Gefangenschaft mit den Grünen

(Heiterkeit – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo bit- te?)

sieben Jahre lang in Berlin für dieses Projekt nichts tun konnte.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn Sie es jetzt nach Ende der Babylonischen Gefangenschaft tun, dann begrüße ich das ausdrücklich.

(Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Hervorragende Rede! – Zuruf von der SPD: Geschichtsklitterung!)

Die Gründe dafür, warum wir heute diese gemeinsame Entschließung hier im Parlament zur Diskussion und zur Abstimmung stellen, liegen auf der Hand.

Erstens: Sie wissen alle, dass wir eine große Ost-WestTransversale durch Europa teilweise schon haben, teilweise in der Zukunft vervollständigen möchten.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Nord-Süd!)

Wenn wir nicht rasch den neuen Bahnhof in Stuttgart und die Neubaustrecke bis nach Ulm bekommen, erhöht sich von Tag zu Tag die Gefahr, dass diese große Ost-WestTransversale an Baden-Württemberg vorbeigeführt wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Zweitens: Ein wichtiger Bestandteil dieses ganzen Projekts ist der Filderbahnhof zwischen der neuen Messe und dem Flughafen in Stuttgart. Er erleichtert für einen Großteil der Einwohner von Baden-Württemberg – nicht nur der Bewohner des mittleren Neckarraums – die Erreichbarkeit der Messe und des Flughafens in Stuttgart.

Drittens: Für viele Bahnverbindungen im Land verringern sich durch dieses Vorhaben die Reisezeiten deutlich.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es!)

Wenn ich heute von Pforzheim mit der Bahn zum Flughafen Stuttgart möchte, dann fahre ich mit einem mehr oder weniger schnellen Zug nach Stuttgart, brauche fünf bis zehn Minuten zum Umsteigen und brauche dann noch einmal 25 Minuten mit der S-Bahn, bis ich am Flughafen bin.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: 27 Minuten!)

Diese Zeit verkürzt sich um knapp eine halbe Stunde, wenn wir dieses Projekt haben. Das ist doch wirklich ein ganz entscheidender Vorteil!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jawohl!)

Viertens: Baden-Württemberg – das habe ich schon gesagt – will dieses Projekt, und wir brauchen dieses Projekt auch. Der Vorstandsvorsitzende der Bahn will dieses Projekt ebenfalls; nur der Bundesverkehrsminister will es nicht.

(Unruhe – Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr gut! Der ver- steht etwas von der Sache, im Gegensatz zu Herrn Mehdorn!)

Ich habe ein wenig den Verdacht, dass Eigennutz die größte Triebfeder beim Bundesverkehrsminister ist. Denn irgendwo im Hintergrund gibt es den Plan einer Verlängerung der Bahnlinie von Nürnberg nach Erfurt und weiter über Leipzig nach Berlin. Wir wollen, dass unsere Strecke wichtiger ist, weil sie eine viel größere Verkehrsbedeutung hat als die, über die ich gerade gesprochen habe.

Und fünftens: Meine Damen und Herren, wenn Sie die deutschen Großstädte anschauen, dann sehen Sie, dass viele mehr oder weniger neue oder sanierte Bahnhöfe haben, und wir in Stuttgart haben einen alten. Warum?

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Weil wir ihn absicht- lich verrotten lassen!)

Warum, wissen wir alle.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Seit 15 Jahren nichts investiert wegen eurem Quatsch!)

Lieber Herr Palmer, wenn die Sanierung dieses alten Bahnhofs plus ein irgend notwendiger Aufstieg nach Wendlingen praktisch so viel kostet wie ein neuer Bahnhof plus das Geld, das ich für die frei werdende Fläche bekomme, dann müssten wir ja schier mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn wir sagen würden: Wir hängen so an unserem alten Bahnhof,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das hat nichts mit Hängen zu tun!)

und die Wehmut ist so groß, dass wir den auf ewig behalten wollen. Wir nicht!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wir sind halt die wahren Konservativen, Herr Scheuermann!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Scheuermann, drei Bemerkungen zu Ihrer Rede.

Wenn man als Opposition die Regierung lobt, dann macht man das, wenn man ein gemeinschaftliches Projekt vorhat. Wir wollen das gemeinschaftliche Projekt. Deswegen loben wir heute auch die Regierung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Vielen Dank!)

Sie haben das umgekehrt gemacht. Wir machen das auch.

Ohne uns in der siebenjährigen Babylonischen Gefangenschaft, wie Sie das gerade ausgedrückt haben, wäre das Projekt schon längst gestorben,

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

wäre es schon vom Bund beerdigt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das muss ich Ihnen einmal sagen. Denn es gab ja viele Bestrebungen, das Projekt zu begraben. Deshalb seien Sie froh, dass es sieben Jahre lang eine Beteiligung der SPD an der Bundesregierung gab. Sonst wäre das Projekt weg gewesen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Na, na, na!)

Natürlich!

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Dieser Rück- schluss ist nun aber völlig verkehrt! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Nur, wenn wir allein regiert hät- ten!)

Herr Kollege, ich will jetzt nicht auf die ganz schwierigen Verhandlungen des Landes mit dem Bund in den Neunzigerjahren eingehen, denn das Verhandlungsergebnis ist ja nicht gut. Das lasse ich alles weg. Alle Verkehrspolitiker wissen, dass das Ergebnis nicht gut ist, wenn man berücksichtigt, was der Bund dafür bekommt und was er bezahlt in dem Bereich von Feuerbach bis zum Anschluss an Wendlingen. Ich will jetzt nicht aufführen, wie schlecht da das Land verhandelt hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Miserabel!)

Das will ich heute alles weglassen, denn heute müssen wir gemeinschaftlich vorwärtskommen und die alten Geschichten ruhen lassen.

Insofern würde ich auch sagen: Lassen Sie es sein, Herrn Tiefensee als Gegner des Projekts zu bringen. Das bringt uns auch nicht weiter. Herr Tiefensee hat uns gegenüber deutlich gemacht: Bei allen großen Projekten gab es immer riesige Nachfinanzierungsprobleme.