Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Deshalb lade ich Sie ein: Arbeiten Sie mit an der Gestaltung dieses neuen Stadtviertels. Es war im Jahr 1927, als mit der auf dem Stuttgarter Killesberg errichteten Weißenhofsiedlung ein wichtiges Architekturzeugnis für ganz Deutschland ent stand. Lassen Sie uns gemeinsam auf dem neuen Gelände von Stuttgart 21 eine neue Weißenhofsiedlung bauen: modellhaf tes und vorbildliches Wohnen und Arbeiten im Kontext des beginnenden 21. Jahrhunderts.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Ich biete nochmals den Dialog zu all diesen spannenden Ge staltungsfragen an. Ich sage aber auch: Für mich gehört zu den Merkwürdigkeiten dieses Konflikts, dass sich der Protest in dieser Härte ausgerechnet gegen einen Bahnhofsumbau rich tet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Seit jeher sind Bahnhöfe Gebäude, die Menschen zusammen bringen, die offene Mittelpunkte für die aktive bürgerliche Ge sellschaft sind,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jeden Montag und Freitag!)

die allen gehören und von allen genutzt werden – und die da mit gerade demokratische Orte sind. Wenn wir jetzt in den Stuttgarter Bahnhof investieren und ihn mit einer zeitgemä ßen Architektursprache in unsere Zeit und unser gesellschaft liches Selbstverständnis holen, dann spricht dies gerade da für, dass wir diese demokratische Qualität des Bahnhofs se hen und bekräftigen. Auch das will ich für heute deutlich ma chen: Der neue Bahnhof wird für die Menschen da sein, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Zu diesem zeitgemäßen Verständnis passen auch die ökologi schen Vorteile des Bahnhofsumbaus und der Neubaustrecke. Es geht bei Stuttgart 21 darum, Straßen- und Luftverkehr auf die Schiene zu bringen und damit die Umwelt zu schonen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Andere Länder sind diesen Weg längst gegangen. Das zeigen die Beispiele Frankreich oder Japan. Die japanischen Schnell züge bewältigen heute rund 30 % des Fernverkehrsaufkom mens in Japan. Das ist praktizierter Umweltschutz.

Auch mit Stuttgart 21 und der ICE-Neubaustrecke Wendlin gen–Ulm werden pro Jahr insgesamt über 1 Milliarde PkwKilometer vermieden.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber kein Lkw-Kilo meter!)

Das entspricht einer Einsparung von über 175 000 t CO2 pro Jahr.

Schließlich bekommt Stuttgart durch die frei werdenden Gleisflächen 20 ha zusätzliche Parkanlagen. Das sind 30 Fuß ballfelder. 33 der insgesamt 57 Streckenkilometer werden un ter der Erde verlaufen. Auch die Minimierung des oberirdi schen Flächenverbrauchs bedeutet praktischen Anwohner- und Umweltschutz.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Lassen Sie mich aber noch einen weiteren ökologischen As pekt von Stuttgart 21 erwähnen. Das Fällen von Bäumen be wegt viele. Ich weiß dies, und ich respektiere dies. Ich habe es mir deshalb nicht leicht gemacht und darauf gedrängt, dass wir ein aufwendiges Baumkonzept vorgelegt haben. In allen Planungen war das Ziel immer, möglichst viele Bäume zu er halten. Deshalb werden einige Bäume auch mit großem Auf wand versetzt. Bis zum nächsten Sommer werden im Schloss garten keine weiteren Bäume mehr fallen.

Ich verstehe die Emotionen, die rund um die Bäume ins Spiel kommen. Aber, meine Damen und Herren, für die 282 Bäu me, die im Zuge der Bauarbeiten insgesamt entfernt werden müssen, werden rund 5 300 neue Bäume gepflanzt. Ich glau be, dieses Verhältnis spricht für sich, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

In jedem normalen Jahr fällt die Stadt Stuttgart auf ihrer Ge markung 800 Park- und Straßenbäume. Dass Bäume gefällt und wieder aufgeforstet werden ist bekanntermaßen keines falls außergewöhnlich. Das kommt auch in anderen Städten vor. In Hamburg werden nach den Plänen der Senatorin Anja Hajduk für den Bau einer Stadtbahnlinie

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aha!)

mehr als 280 Bäume gefällt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die darf das! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Von welcher Partei ist sie? – Unruhe)

Allerdings werden dort 120 Bäume neu gepflanzt. Das ist kei ne Kritik am Hamburger Senat.

(Zurufe der Abg. Reinhold Pix und Bärbl Mielich GRÜNE)

Es zeigt aber, dass wir uns in diesem Punkt, wie ich finde, ganz besonders angestrengt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Martin Rivoir SPD – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Meine Damen und Herren, das Kernelement des Bauprojekts ist ganz klar der verkehrliche Aspekt. Eine bald 160 Jahre al te Trasse und ein über 90 Jahre altes Bahnhofskonzept bieten längst nicht die Chancen, die das Bahnprojekt Stuttgart 21 bie tet. Den neuen Hauptbahnhof können ohne Rangieraufwand mehr Züge schneller anfahren als bisher; die Umsteigewege sind kurz.

(Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Brigitte Lösch: Keine Ahnung!)

Flughafen und Landesmesse werden Bestandteil des Fernver kehrsnetzes. Es wird wesentliche Fahrzeitverkürzungen und bessere Angebote im Fernverkehr geben. Baden-Württemberg wird zum Herzstück der europäischen West-Ost-Magistrale. Unser Land wird Kreuzungspunkt der großen kontinentalen Entwicklungsachsen Rotterdam–Turin und Paris–Budapest. Vor allem der gesamte Raum Mittelbaden mit dem Zentrum Karlsruhe wird davon profitieren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Unruhe bei den Grünen)

Ich erinnere noch einmal daran, was ursprünglich für genau dieses Konzept ausschlaggebend war und warum es überhaupt zu Stuttgart 21 kam, meine Damen und Herren: Anfang der Neunzigerjahre wollte die Deutsche Bahn – damals hieß sie Deutsche Bundesbahn – den Stuttgarter Hauptbahnhof nicht mehr mit ICE-Zügen anfahren und stattdessen einen neuen ICE-Bahnhof in Stuttgart-Bad Cannstatt bauen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Genau so ist es! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Die Schnellbahnstrecke sollte von dort aus durch das Ne ckartal über Plochingen zur Autobahn führen. Die Innenstadt,

meine Damen und Herren, wäre vom Fernverkehr abgekop pelt worden. Außerdem hätte die neue Strecke die Menschen entlang der Trasse massiv belastet –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

genauso, wie es übrigens die angebliche Alternative K 21 vor sieht.

(Anhaltender Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Auch der Flughafen hätte keine direkte Anbindung an die Fernbahn bekommen. Das Land und die Stadt Stuttgart haben sich damals – wie ich finde, sehr zu Recht – für eine bessere Lösung für Stuttgart eingesetzt. Diese bessere Lösung heißt Stuttgart 21. Es ist gut, dass sie jetzt endlich verwirklicht wer den kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Stuttgart 21 macht die Bahn attraktiver. Jeden Tag werden Zehntausende auf der Fahrt zum Flughafen, im Fernverkehr oder auf dem täglichen Weg zur Arbeit wertvolle Zeit sparen.

Stuttgart 21 schafft neue Direktverbindungen und kürzere Fahrzeiten: Von Ulm nach Köln ist man 80 Minuten schnel ler, von Sigmaringen zum Flughafen Stuttgart 55 Minuten schneller, von Karlsruhe zum Flughafen Stuttgart 45 Minuten schneller.

(Zurufe von den Grünen – Gegenruf des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ganz ruhig bleiben! – Unru he)

Wichtig sind mir ganz persönlich vor allem die Chancen, die Stuttgart 21 für den Nahverkehr bietet. Denn wir schaffen da mit die Vernetzung der Verkehrsregionen in ganz Baden-Würt temberg.

Stuttgart 21 ermöglicht über den Hauptbahnhof umsteigefreie Direktverbindungen im Regionalverkehr. Das bietet völlig neue Entwicklungschancen für den Nahverkehr.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Umsteigefreie Direktverbindungen haben klare Vorteile. Sie ermöglichen die Bedienung jedes Knotenbahnhofs zu jeder Stunde in jede Richtung:

(Abg. Martin Rivoir SPD: Sehr gut!)

von Aalen umsteigefrei über die Remstalbahn nach Tübingen oder Reutlingen,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)