Stefan Mappus
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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke der CDU-Land tagsfraktion, dass sie diese zusätzliche Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg kurzfristig beantragt hat. Auch mir ist wichtig, das politische Tagesgeschäft angesichts der Nach richten aus Japan zu unterbrechen. Es ist richtig, dass das üb liche Wahlkampfgeschehen für einige Stunden ruht.
Die Bilder aus dem Erdbebengebiet in Japan haben uns alle fassungslos gemacht. Fast stündlich erreichen uns von dort neue Schreckensmeldungen. In kurzer Zeit haben unvorstell bare Naturgewalten den Nordosten Japans verwüstet. Für die Menschen dort ist nichts mehr, wie es einmal war. Ganze Ort schaften wurden von riesigen Flutwellen hinweggespült. Wo noch vor wenigen Tagen das Leben einer modernen Gesell schaft seinen gewohnten Gang ging, ist nichts als Zerstörung zurückgeblieben.
An den Stränden des Nordens werden täglich Leichen ange schwemmt. Ihre Zahl geht in die Tausende.
Manche Bilder sprengen jede Vorstellungskraft. Ein Schiff wurde in den Vorgarten eines Wohnhauses gespült. Doch es
sind gerade die menschlichen Schicksale, die uns nicht aus dem Kopf gehen. Ich denke an das Bild einer Frau, die, in ei ne Decke gehüllt, vor den Überresten ihres Hauses steht. Nichts ist ihr geblieben als die Kleider auf dem Leib.
Diese Katastrophe macht uns alle sprachlos. Unsere Gedan ken und Gebete sind in diesen Stunden bei den Not leidenden Menschen in Japan.
Wir gedenken der wahrscheinlich vielen Tausend Toten. Wir denken an das große Leid ihrer Angehörigen. Wir denken an die über 100 000 Menschen, die durch Erdbeben und Tsuna mi obdachlos geworden sind, die nun buchstäblich vor dem Nichts stehen, und wir alle blicken jetzt mit großen Sorgen auf die Entwicklungen in den japanischen Kernkraftwerken.
Bislang gibt es keine Erkenntnisse, ob sich auch Baden-Würt temberger unter den Vermissten oder Getöteten befinden.
Wenn es in der Vergangenheit galt, Hilfe in Katastrophenfäl len zu leisten, dann war Japan stets in vorderster Reihe dabei. Nun braucht das schwer erschütterte Land selbst die Hilfe sei ner Freunde. Gerade das Technologieland Baden-Württem berg hat zum hoch entwickelten Japan enge wirtschaftliche, kulturelle, vor allem aber auch persönliche Kontakte. Über unsere Partnerregion Kanagawa, über zwölf baden-württem bergische Gemeinden, die Partnerschaften zu japanischen Kommunen unterhalten, und über zahllose Wirtschaftsbezie hungen haben sich enge Freundschaften zwischen unserem Land und Japan entwickelt. Viele Menschen haben Kollegin nen und Kollegen, Geschäftspartner und Freunde in Japan. In der Stunde der Not stehen wir zusammen. Wie ich aus unse ren Kommunen höre, sind unsere Partnerstädte bisher weit gehend unversehrt geblieben.
Bad Krozingens japanische Partnerstadt Taketa ist durch eine weitere Partnerschaft mit der Stadt Sendai verbunden. In der Nähe von Sendai lag das Epizentrum des Erdbebens. Taketa plant eine große Spendenaktion für die Stadt Sendai, an der sich auch Bad Krozingen beteiligen wird.
Die Landesregierung war bereits am Wochenende in Kontakt mit den Verantwortlichen der Bundesregierung und dem ja panischen Botschafter und hat konkrete und umfängliche Hil fe angeboten. Wir stehen zudem in Kontakt mit dem Gouver neur unserer Partnerregion Kanagawa und den Bürgermeis tern aller zwölf baden-württembergischen Kommunen, die Städtepartnerschaften mit Japan haben.
Im Moment besteht von japanischer Seite der Wunsch, zu nächst keine weiteren Experten, keine Ausrüstung und keine Hilfsteams mehr ins Land zu schicken. Alle Beteiligten sind der Meinung, dass effektive Hilfen nur auf konkrete Anfragen der japanischen Verantwortlichen und nur in enger Abstim mung mit der Bundesregierung erfolgen können. Selbstver ständlich werden wir zunächst die Ergebnisse der Gespräche der UN und der EU mit den japanischen Verantwortlichen ab warten.
Dem 44-köpfigen deutschen THW-Team, das heute seinen Einsatz in Japan beendet hat, gehörte auch ein THW-Mann aus Heidelberg an. Darüber hinaus ergänzte ein Experte einer Spezialeinheit für radiologische Messungen der Berufsfeuer wehr Mannheim dieses Team.
Nichtsdestotrotz gilt, dass Baden-Württemberg vorbereitet ist, um bei Bedarf jederzeit auch längerfristig wirkende Hilfen wie z. B. bei der Versorgung und Unterbringung von Katast rophenopfern leisten zu können. Das Innenministerium hat am Montagabend mit den Landesverbänden der Hilfsorgani sationen weitere Hilfsmöglichkeiten beraten, die nach Abruf durch die japanischen Behörden kurzfristig zur Verfügung ge stellt werden können.
Selbstverständlich werden wir bei einem möglichen Einsatz von Helfern darauf achten, dass sie in Japan nach menschli chem Ermessen keinen Gefahren für ihr Leben oder ihre Ge sundheit ausgesetzt sind.
Ich appelliere schon heute an die Arbeitgeber in Baden-Würt temberg, die ehrenamtliche Katastrophenschutzhelfer beschäf tigen, bei einer möglichen Freistellung für die Entsendung nach Japan großzügig zu sein.
Für uns steht fest: Baden-Württemberg wird Japan helfen, wo immer möglich und wann immer sinnvoll. Diese Zusage gilt auch langfristig.
Bereits am Samstag habe ich einen Lagestab eingerichtet. Ihm gehören an: Innenminister Heribert Rech, Umwelt- und Ver kehrsministerin Tanja Gönner, der Minister im Staatsministe rium Helmut Rau sowie die Vorsitzenden aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Hier werden die aus Japan eintreffen den Nachrichten gebündelt und ausgewertet. Hier findet eine enge Abstimmung mit der Bundesregierung statt, und hier wird auch geprüft, wo und wie Baden-Württemberg möglichst effektiv und zielgerichtet helfen kann. Hilfe und Mitgefühl für unsere japanischen Freunde haben jetzt absolute Priorität.
Aber es ist klar, dass sich auch die Menschen in Baden-Würt temberg große Sorgen um ihre Sicherheit machen und dass es ein großes Informationsbedürfnis gibt. Deshalb hat die Lan desregierung schon am Sonntagvormittag ein Bürgertelefon eingerichtet. Wir informieren auf diesem Weg zeitnah über die Situation in Japan und mögliche Auswirkungen für BadenWürttemberg. Fachleute des Umwelt- und Verkehrsministeri ums stehen den Bürgern dort Rede und Antwort. Dieses An gebot wird gut angenommen und ist schon am ersten Tag in tensiv genutzt worden.
Meine Damen und Herren, neben den Bildern dieser Katast rophe, die uns allen sehr nahegehen, beschäftigen uns auch weitere Fragen. Das Leid Hunderttausender Menschen in Ja pan zeigt uns einmal mehr die Zerbrechlichkeit unseres Wohl stands und unserer technischen Leistungen. Und es führt uns schockierend vor Augen: Menschliches Wissen und techno logisches Vermögen sind immer begrenzt. Viele Menschen machen sich deshalb auch bei uns Sorgen.
Ich will ausdrücklich deutlich machen: Ich verstehe diese Sor gen; ich nehme sie sehr ernst, und ich teile sie auch selbst. Es fällt mir nicht schwer, zu sagen: Was in Japan passiert, hat mich erschüttert, und es hat mich nachdenklich gemacht. Es lässt mich zweifeln an mancher Gewissheit, auf die ich ver traut habe. Auch das gebe ich offen zu.
Jeder weiß, dass ich dafür eingetreten war, die Laufzeiten un serer Kernkraftwerke für eine begrenzte Anzahl von Jahren zu verlängern. Es stimmt, dass diese Entscheidung strittig war
und dass sich daran viel Kritik entzündet hat. Aber ich glau be nach wie vor: Wir haben sie sorgfältig und nach bestem Gewissen getroffen.
Es war dabei immer klar: Jedes Kernkraftwerk, das in BadenWürttemberg und in Deutschland am Netz ist, muss sicher sein. Die Sicherheit und die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger waren und sind nicht relativierbar. Diesen Grund satz befolgten wir mit allem Menschenmöglichen. Das ist auch heute meine Überzeugung.
Ich glaube, wir sind uns einig: Eine Katastrophe in der Art und der Dimension wie jetzt in Japan ist in Baden-Württemberg nach allen Wahrscheinlichkeiten nicht vorstellbar. Wir haben hier ganz andere geologische Bedingungen, und unser Land wird auch nicht von Tsunamis bedroht. Allerdings: Eine ab solute Garantie, eine definitive Gewissheit gibt es nicht – auch nicht in einem Hochtechnologieland mit noch so strengen Vor schriften. Das muss die Welt gerade bitter mit ansehen, und das bewegt mich sehr in diesen Tagen.
Deshalb: Was die Menschen in Japan jetzt erleben müssen, stellt die Frage nach der Verantwortbarkeit der Kerntechnik neu – auch für mich ganz persönlich. Ich halte es für legitim, im Angesicht dieser unfassbaren Jahrhundertkatastrophe in Japan über die Standpunkte und Argumente in der politischen Streitfrage hier bei uns neu nachzudenken. Dazu bin ich be reit – ohne Denkverbote. Ich habe mich immer rational zur Kernenergie bekannt, weil ich ihren Nutzen gesehen habe. Aber ich bin kein Atomideologe.
Das Erdbeben in Japan mit seinen Folgen, meine Damen und Herren, bedeutet deshalb zweifellos eine Zäsur. Ein einfaches „Weiter so!“ kann es nicht geben. Gerade weil ich für die Ver längerung der Laufzeiten eingetreten bin, sehe ich für mich eine besondere Verantwortung, mich darum zu kümmern, wie wir nach der Katastrophe in Japan hier in Deutschland mit der Kernenergie umgehen und wie wir die Fragen bezüglich un serer Energieversorgung überhaupt beantworten. Darüber müssen wir offen, ehrlich und redlich diskutieren.
Hier zeigt sich sehr schnell: Wir stehen in einem Spannungs feld, in dem es keine einfachen Antworten gibt. Wer heute auf tritt und ganz genau weiß, was jetzt ganz schnell zu tun ist, der wird diesem Spannungsfeld nicht gerecht. Natürlich lie fern die Nachrichten aus Japan gute Argumente gegen die Kernkraft. Aber richtig bleibt: Ein hoch industrialisiertes Land wie Baden-Württemberg braucht Energie. 78 TWh, also 78 Milliarden kWh Strom hat Baden-Württemberg im Jahr 2009 verbraucht. 52 % der im Land erzeugten Energie stam men aus Kernenergie. Außerdem müssen wir jede sechste Ki lowattstunde, die wir verbrauchen, schon heute importieren.
Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört also: Wir kön nen unsere Energieversorgung nicht auf Knopfdruck beliebig umstellen. Wir brauchen weiterhin verlässliche und ergiebige Energiequellen, um unsere Wirtschaftskraft, unseren Wohl stand, unseren Lebensstil und unsere ganz alltäglichen Ge wohnheiten zu ermöglichen. Das wurde auch im ursprüngli chen Atomausstiegsbeschluss nicht ignoriert. Denn auch nach dem Ausstiegsfahrplan der damaligen rot-grünen Bundesre gierung würden am heutigen Tag Kernkraftwerke in BadenWürttemberg laufen. Nach der rot-grünen Regelung würden sie auch noch auf Jahre hinaus weiterlaufen. Beispielsweise
könnte Neckarwestheim II auf dieser Grundlage früheren Be rechnungen zufolge bis zum Jahr 2021, vielleicht sogar noch länger am Netz bleiben.
Hinzu kommt: Wir alle wollen unser Klima schützen. Das schnelle Ende der Kernkraft zum Preis von mittelfristig mehr klimaschädlicher fossiler Energie aus Kohle, Öl oder Gas wür de aber bedeuten, dass wir das mit der Kernkraft verbundene Risiko durch das globale Risiko einer Erderwärmung erset zen.
Abgesehen davon, dass wir die Kraftwerkskapazitäten gar nicht hätten: Wäre das der moralischere Weg? Oder ist es et wa sinnvoller, eigene Kernkraftwerke sofort abzuschalten und dafür dann den von Kernkraftwerken im Ausland erzeugten Strom, z. B. Strom aus Tschechien oder Frankreich, zu impor tieren? Wäre das die Lösung? Ich stelle diese Fragen ohne je de Polemik. Aber sie zeigen, dass wir es uns nicht zu leicht machen dürfen, wenn wir unsere energiepolitische Verantwor tung ernst nehmen.
Lassen Sie uns also ernsthaft und in aller Sachlichkeit über ei nen neuen Energiekonsens in unserer Gesellschaft sprechen. Nach allem, was in Japan geschieht und bereits geschehen ist, steht eine Frage im Mittelpunkt: Welche Konsequenzen zie hen wir in Europa, in Deutschland und in Baden-Württemberg aus den Ereignissen in den japanischen Kernkraftwerken?
Klar ist: Wir können nach diesen Eindrücken nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir können nicht sagen: „Unsere Kernkraftwerke sind sicher“, ohne die Lehren aus den Vor gängen in Japan gezogen zu haben. Die Ereignisse, die in Ja pan abliefen, wurden stets für undenkbar gehalten: ein Erdbe ben ungeheurer Stärke, ein Tsunami, der Stromausfall, die Er hitzungen, Explosionen.
Auch wenn wir heute längst nicht alle Umstände kennen, ist klar: Wir müssen an die Sicherheit neue Maßstäbe anlegen. Deshalb habe ich bereits mehrere konkrete Maßnahmen an geordnet.
Erstens: Baden-Württemberg wird eng mit den Verantwortli chen auf Bundes- und europäischer Ebene zusammenarbei ten.
Speziell zu dem von der Bundeskanzlerin angekündigten Son dergipfel von Bundesumweltminister Norbert Röttgen und zu dem von EU-Energiekommissar Günther Oettinger angereg ten Treffen werden wir hochrangige Vertreter entsenden.
Energiekommissar Oettinger hat eine Prüfung der Sicherheits- und Baustandards aller Kernkraftwerke in ganz Europa ange regt. Dies begrüße ich ausdrücklich. Dies gilt übrigens aus ba den-württembergischer Sicht insbesondere auch für das Kern kraftwerk Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze. Ich erwarte dort die gleichen Anforderungen, wie wir sie in Baden-Württemberg haben.
Denn klar ist auch: Sicherheitsdebatten dürfen nicht nur nati onal geführt werden. Sie müssen in einen europäischen Pro zess eingebunden sein. Es bringt nichts, wenn andere Länder, deren Kernkraftwerke beispielsweise unmittelbar hinter der deutschen Grenze liegen, sich nicht im gleichen Maß an der Diskussion über mehr Sicherheit beteiligen.
Zweitens: Ich habe veranlasst, dass seit gestern die Inspekto ren der Atomaufsichtsbehörde zusätzlich zu den regelmäßig stattfindenden Sicherheitskontrollen die Kraftwerke in BadenWürttemberg aufsuchen. Die Inspektoren kümmern sich vor allem um die Frage der Notstromversorgung, also um genau die Funktionen, die in Japan auf so schreckliche Art und Wei se versagt haben.
Die Ergebnisse werden wir umgehend transparent machen und vorbehaltlos diskutieren.
Drittens: Ich werde eine Expertenkommission einberufen, die ab sofort genau analysieren wird, was in Fukushima passiert ist. Diese soll dann so rasch wie möglich und mit allergrößter Sorgfalt prüfen, welche Konsequenzen sich aus dem Vorfall speziell für die Kernkraftwerke in Baden-Württemberg erge ben.
Der Expertenkommission gehören an: der ehemalige Vorsit zende der Reaktorsicherheitskommission Klaus-Dieter Band holz, Michael Sailer, Sprecher der Geschäftsführung des ÖkoInstituts und Vorsitzender der Entsorgungskommission, Dr. Erwin Lindauer, ehemaliger Chef der Gesellschaft für Simu lationsforschung, Professor Dr. Gottfried Grünthal vom Helm holtz-Zentrum in Potsdam und Professor Dr. Hans Dieter Fi scher von der Ruhr-Universität Bochum.
All dies sind profilierte Gutachter und Sachverständige im kerntechnischen Bereich, insbesondere für die Themen der nuklearen Sicherheit.
In dieser Kommission werden alle denkbaren Möglichkeiten ergebnisoffen geprüft.
Sollte sich eine bisher nicht bekannte Fehlerquelle finden, werden alle – ich betone: alle – nötigen Konsequenzen sofort und vorbehaltlos gezogen. Dies schließt ein Abschalten der Kernkraftwerke ein.
Oberstes Gebot für den zeitlich eng begrenzten Betrieb von Kernkraftwerken als Brückentechnologie hin zu den erneuer baren Energien war und ist für uns immer die Sicherheit.
Das heißt im Klartext: Kernkraftwerke, die nicht den erfor derlichen Sicherheitsansprüchen genügen, werden abgeschal tet – nicht in sieben Jahren, nicht in 15 Jahren, nicht in 20 Jah ren, sondern sofort.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung begrüßt die von der Bundesregierung gestern angekündigte Ausset zung der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke.
Dies habe ich der Bundeskanzlerin beim heutigen Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder, die Kernkraftwerks standorte haben, noch einmal versichert.
Die Zeit des Moratoriums soll genutzt werden, um die Sicher heitslage in den deutschen Atommeilern mit Blick auf die Er kenntnisse aus Japan zu überprüfen. Alles, was Sicherheits anforderungen anbelangt, muss nochmals überprüft werden. Von diesem Moratorium direkt betroffen ist das Kernkraft werk Neckarwestheim I, das vom Netz genommen werden muss.
Ich möchte betonen: Die Landesregierung hat immer das Prin zip der kontinuierlichen Verbesserung der Kernkraftwerke verfolgt. So wurden in der Anlage Neckarwestheim I in den Jahren von 2008 bis 2010 ca. 150 Änderungsverfahren durch geführt, und das Sicherheitsniveau wurde auf dem hohen Stand gehalten bzw. weiter verbessert.
Auch das Energiekonzept der Bundesregierung sieht die kon tinuierliche Verbesserung der Kernkraftwerke vor. Deshalb ist zu Beginn dieses Jahres eine Änderung des Atomgesetzes in Kraft getreten, die auch eine Sorgepflicht des Betreibers be inhaltet.
Der Betreiber wird verpflichtet, die Sicherheitsreserven von Kernkraftwerken zu erhöhen und eine möglichst hohe Sicher heit zu gewährleisten. Es ist nun Aufgabe des Betreibers, dar zulegen, wie er dieser Sorgepflicht nachkommt.
Die EnBW wurde vom Umwelt- und Verkehrsministerium aufgefordert, diese Konkretisierung auch für die Anlage Ne ckarwestheim I vorzunehmen. Die Aufsichtsbehörde des Lan des stand deswegen in ständigem Kontakt mit dem Betreiber EnBW. In den Gesprächen ging es mehrfach um die Anforde rungen für die Nachrüstung.
Eine aktuelle und umfangreiche Anforderungsliste hat das Mi nisterium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Würt temberg zur Berücksichtigung vorgelegt und aufgegeben. Auf dieser Grundlage und nach den Ereignissen in Japan und der dann folgenden Diskussionen hat der Vorstandsvorsitzende der EnBW AG, Hans-Peter Villis, der Landesregierung heute Morgen telefonisch mitgeteilt, dass ein wirtschaftlicher Be trieb von Neckarwestheim I auf Basis dieser Vorgaben nicht möglich ist. Unter diesen Bedingungen wird der Vorstand der EnBW den zuständigen Gremien des Unternehmens empfeh len, die Anlage GKN I nicht wieder ans Netz zu nehmen und dauerhaft abzuschalten.
Diese Entscheidung hat der Vorstandsvorsitzende der EnBW in diesen Minuten der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Ne ckarwestheim I wird abgeschaltet – dauerhaft – und stillge legt.
Des Weiteren wird die Landesregierung in Kooperation mit der Bundesregierung auf Basis von § 19 Abs. 3 des Atomge setzes die EnBW AG anweisen, das KKW Philippsburg 1 zum Zweck einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung im Still stand unverzüglich vom Netz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, gerade vor dem Hintergrund der Vorgänge in Japan hat sich – auch dies will ich betonen – der Kauf von 45,01 % Aktienanteil an der EnBW durch das Land ein weiteres Mal als energiepolitisch richtig erwiesen.
Hätten wir Ende letzten Jahres nicht gehandelt, hätte die EnBW weiterhin die EdF als Anteilseigner. Wir alle wissen, dass wir dann nicht in der Lage gewesen wären, bestimmte Entscheidungen zu treffen, weil die französische Seite das Thema Kernkraft gänzlich anders sieht, als wir es in Deutsch land und in Baden-Württemberg sehen. Wir agieren auf Au genhöhe; wir sind nicht Bittsteller, meine Damen und Herren.
Beim Streit um die Laufzeitverlängerung ist es nie um das Ob eines Ausstiegs, sondern immer nur um das Wann und das Wie gegangen.
Dass das Ende der friedlichen Nutzung der Kernenergie kommt, ist politischer Konsens aller Parteien in der Bundes republik. Dass das neue Energiezeitalter ein Zeitalter regene rativer Energieträger wird, ist allgemein anerkannt. Diesen Weg hat die Landesregierung entschieden eingeschlagen.
Nach einem Ländervergleich der Agentur für Erneuerbare Energien ist Baden-Württemberg beim Ausbau umweltfreund licher Energiegewinnung in der Spitzengruppe.
Fast jede fünfte Kilowattstunde Solarstrom in Deutschland kommt aus Baden-Württemberg. Bei der Nutzung regenera tiver Wärmeenergie ist unser Land mit dem Wärmegesetz bun desweit Vorreiter.
Die Landesregierung hat die Bereiche Umwelttechnik und Ressourceneffizienz als strategischen Wachstumskern für Ba den-Württemberg benannt. Wir haben uns beim Ausbau rege nerativer Energieformen ehrgeizige Ziele gesetzt. Die Ziel marke eines Anteils von 20 % regenerativer Energien am Ge samtenergieaufkommen im Jahr 2020 ist für uns nur eine Un tergrenze, die wir natürlich auch übertreffen wollen. Dazu werden wir in der kommenden Legislaturperiode das Energie konzept 2020 der Landesregierung
zu einem umfassenden Konzept für das Zieljahr 2050 weiter entwickeln. Bis zu diesem Zieljahr sollen die erneuerbaren Energien etwa 80 % zur Energieerzeugung im Land beisteu ern.
Meine Damen und Herren, der Umstieg auf regenerative Ener gieformen wird als Reaktion auf die Ereignisse in Japan noch schneller vollzogen werden müssen. Aber es ist eine Illusion, zu glauben, regenerative Energien könnten ohne gesellschaft liche Konflikte ausgebaut werden.
Wer für erneuerbare Energien ist, darf sich nicht über Land schaftseingriffe für neue Speicherkraftwerke empören. Denn wir werden mehr Speicherkraftwerke brauchen. Wer für er neuerbare Energien ist, darf nicht reflexhaft gegen Biomasse kraftwerke sein. Wir werden in Zukunft mehr dieser Kraft werke brauchen. Wer für erneuerbare Energien ist, darf nicht reflexhaft gegen Biosprit an Tankstellen sein –
schon gar nicht, wenn er die Einführung mit beschlossen hat. Wir werden künftig mehr Biosprit verbrauchen. Wer für er neuerbare Energien ist, darf auch nicht gegen Stromtrassen sein, die den Strom von den Windparks an der Küste nach Ba den-Württemberg bringen.
Wir werden künftig mehr von diesen modernen Leitungstras sen brauchen.
Wer den Atomausstieg ernst nimmt, muss auch an seinem in dividuellen Verhalten ansetzen.
Die umweltfreundlichste Energie ist die, die erst gar nicht er zeugt werden muss.
Deshalb muss das Augenmerk künftig verstärkt auf die Ener gieeinsparung gerichtet werden.
Meine Damen und Herren, wir werden deshalb die Energie forschung zu Fragen der Kraftwerkstechnik, zu alternativen Antriebsformen, Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energienetzen sowie zum energiesparenden Bauen zu einem Mittelpunkt der baden-württembergischen Forschungsanstren gungen machen.
Baden-Württemberg wird den Weg ins Zeitalter regenerativer Energien gehen. Dieser Weg wird aber auch unbequem sein. Es wird kein Weg einfacher Patentlösungen und schneller Ver sprechen sein. Es muss ein Weg der Besonnenheit und der Machbarkeit sein.
Bei allen notwendigen politischen Diskussionen sind unsere Gedanken am heutigen Tag aber bei den Menschen in Japan. Ich sage auch: Im Angesicht ihrer Not relativieren sich man che Konflikte und manche Debatten, die wir hier bei uns füh ren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Wo che habe ich die Öffentlichkeit darüber informiert, dass das Land Baden-Württemberg den Anteil der EdF an der EnBW AG vollständig übernimmt. 45,01 % der Aktien der EnBW gehen damit auf das Land Baden-Württemberg über. Wir stel len mit dieser Entscheidung sicher, dass die EnBW mehrheit lich und dauerhaft ein baden-württembergisches Unterneh men bleibt. Die Energieversorgung in Baden-Württemberg wird nicht zum Spekulationsgegenstand.
Deshalb sage ich gleich zu Beginn: Das Engagement des Lan des ist eine gute Nachricht für den Industrie- und Energiestandort Baden-Württemberg, meine Damen und Herren.
Wir demonstrieren damit Entschlusskraft und Handlungsstär ke in dieser für unser Land strategisch vitalen Frage. Wir schlagen einen ordnungspolitisch sauberen Weg ein, um die Eigentümerstruktur der EnBW AG nachhaltig und optimal im Interesse Baden-Württembergs auf Dauer neu auszurichten.
Wie Sie wissen, wäre die bisher gültige Aktionärsvereinba rung zwischen den beiden EnBW-Großaktionären – dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke und der EdF – Ende 2011 ausgelaufen. Die Frage nach der Zukunft der EnBW AG wäre damit im kommenden Jahr umso drin gender auf die Agenda gekommen. Für mich war deshalb klar:
Das Land muss vorsorglich aktiv werden, um unser standort politisches Interesse zu wahren.
Ich hatte vertrauliche Kontakte mit der EdF-Führung in Paris.
In letzter Zeit hatten wir intensive, konstruktive und erfolg reiche Verhandlungen geführt. Auch die OEW waren einbe zogen und haben den Einstieg des Landes ausdrücklich be grüßt. Am 6. Dezember schließlich haben das Landeskabinett und der Aufsichtsrat der EdF der Übernahme zeitgleich zuge stimmt. Am selben Tag haben wir die entsprechenden Verträ ge unterzeichnet. Die Transaktion soll bis Mitte Januar abge schlossen sein.
Entscheidend ist dabei: Wir haben gehandelt, bevor Unsicher heiten und schädliche Spekulationen über die zukünftige Ei gentümerstruktur bei der EnBW entstehen konnten.
Wir haben selbst zugegriffen, bevor z. B. in- oder ausländi sche Finanzmarktakteure nach den Schalthebeln unserer Ener gieversorgung hätten greifen können.
Das war mir wichtig. Wir haben die Chance erkannt und dann ein schmales Zeitfenster und eine günstige Marktlage ent schlossen genutzt. Meine Damen und Herren, das ist gut für Baden-Württemberg.
Warum steigen wir bei einem Energieversorger ein? Meine Damen und Herren, die Energieversorgung ist ein Hauptbau stein der Infrastruktur in Baden-Württemberg. Mit sechs Mil lionen Energiekunden im Land, mit 15 Milliarden € Umsatz und mit über 20 000 Arbeitsplätzen hat die EnBW eine zent rale Bedeutung für die Verbraucher und für die Wirtschaft im ganzen Land.
Energie gehört wie die Wasserversorgung und die innere Si cherheit zu den elementaren Aspekten der Daseinsvorsorge. Die Stabilität der Energieversorgung ist eine Frage, die jeden von uns im täglichen Leben ganz konkret betrifft. Sie berührt in der Tat die Grundbedürfnisse der Menschen in unserer hoch industrialisierten Gesellschaft. Deshalb sind wir hier auch als Land mit unserer Verantwortung ganz besonders gefragt, wenn Entscheidungen heranstehen und Veränderungen zu gestalten sind.
Nach allen Erfahrungen und Beobachtungen, die wir in den vergangenen Jahren mit Geschäften wie Cross-Border-Lea sing und anderen Privatisierungsformen gemacht haben, steht für mich fest: Für das Land Baden-Württemberg wäre es nicht akzeptabel gewesen, wenn die Mehrheit an diesem strategisch wichtigen Versorgungsunternehmen an einen ausländischen Investor hätte fallen können, meine Damen und Herren. Das
wäre mit einer Regierung in meiner Verantwortung nicht zu machen.
Es war und ist für mich nicht vorstellbar, wenn in ausländi schen Konzernzentralen oder von Fondsmanagern nach Tak tik- und Profitgesichtspunkten über unsere Versorgungsnetze und über die Preise für unsere Strom- und Gaskunden in Ba den-Württemberg entschieden würde. Aber dieses Risiko stand real im Raum. Auch deshalb haben wir gehandelt.
Maßstab sind dabei allein der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes, die Sicherheit unserer Infrastruktur und vor allem die Verlässlichkeit der Energieversorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie für unsere Unternehmen. Wir sind über zeugt: Diesem Maßstab werden wir am besten gerecht, indem die EnBW als wichtiges baden-württembergisches Unterneh men mehrheitlich in baden-württembergischer Hand bleibt und indem wir uns zum Herrn des Verfahrens machen.
Meine Damen und Herren, warum haben wir so gehandelt? Mit entscheidend für den Verkauf der EnBW-Anteile an die EdF war seinerzeit die Tatsache, dass die EdF mit einer Min derheitsbeteiligung zufrieden war. Ich zitiere aus der Regie rungserklärung von Ministerpräsident Erwin Teufel vom 25. November 1999:
Meine Damen und Herren, ich halte das Angebot der EdF auch deswegen für eine sehr gute Verhandlungsgrundla ge, weil sich die EdF auf den Kauf einer Minderheitsbe teiligung beschränkt. Andere Interessenten haben sehr of fen gesagt..., dass sie eine Mehrheitsbeteiligung an der EnBW anstreben.
Meine Damen und Herren, mit besonderen Konsortialverträ gen sicherten wir damals diese Minderheitsbeteiligung ab. Al lerdings laufen diese Verträge aus, und dann wäre der Weg hin zu einer Mehrheitsbeteiligung der EdF offen gewesen.
Die EdF hat uns deutlich gemacht, dass sie für die Zukunft tatsächlich ein großes Interesses an einer Mehrheit bei der EnBW hatte. Die EdF wollte die Kontrolle über die EnBW bekommen. Wir wollten aber, dass die EnBW im Kern ein ba den-württembergisches Unternehmen bleibt und bleiben muss, meine Damen und Herren – um dies noch einmal nachdrück lich zu sagen.
Und eigentlich ging ich davon aus, dass sich in diesem Haus darin alle einig sind.
Deshalb hatte sich die Geschäftsgrundlage für die Partner schaft mit der EdF entscheidend verändert. Wir haben gegen über der französischen Seite klargestellt, dass es keine Mehr heitsbeteiligung für die EdF geben wird. Daraufhin setzte Pa ris die Zeichen auf den Verkauf seiner Anteile. Damit waren wir unmittelbar gefordert. Wir mussten im Interesse BadenWürttembergs und von Millionen Strom- und Gaskunden im Land handeln, und zwar schnell, bevor Finanzinvestoren un seren Energieversorger belauert hätten.
Meine Damen und Herren, Geschäfte in dieser Größenord nung und in dieser Konstellation können nur dann Erfolg ha ben, wenn auf allen Seiten strengste Vertraulichkeit gewahrt wird. Man stelle sich vor, wir hätten unsere Strategie öffent lich gemacht und wir hätten öffentlich hierüber diskutiert. Was wäre dann passiert? Jeder Kaufmann weiß, dass der Preis für eine EnBW-Aktie auf der Stelle in die Höhe gesprungen wä re. Die Übernahmefantasien hätten bunt geblüht. Ab diesem Moment wäre die EnBW zum Spekulationsobjekt geworden.
In den Finanzzentren sitzen Investmentbanker, die es nur auf solche Diskussionen und Gerüchte abgesehen haben. Sie hät ten den Preis für die EnBW-Aktie nach oben getrieben, um anschließend Kasse zu machen. Wir hätten diesen Heuschre cken die Gewinne auf dem Silbertablett serviert. In jedem Fall wäre der Kaufpreis publik geworden.
Dies hätte mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass die EdF ihre Preisvorstellungen ebenfalls angepasst hätte. Vor allem aber wäre der Angebotspreis, den wir den anderen Ak tionären im gesetzlich vorgeschriebenen Übernahmeverfah ren hätten bieten müssen, nach oben gegangen. Der Erwerb wäre somit erheblich teurer, wenn nicht gar unbezahlbar ge worden.
Meine Damen und Herren, wir haben vor unserer Kaufent scheidung die Zahlen und Fakten gründlich geprüft. Wir sind auf der Grundlage professioneller Bewertungen in die Ver handlungen mit der EdF gegangen. Diese Bewertungen ka men zu dem Ergebnis, dass der vereinbarte Kaufpreis fair und angemessen ist. Als börsennotiertes Unternehmen muss die EnBW die Daten, die den Unternehmenswert bilden, ohnehin öffentlich machen. Auf dieser Basis und durch den Vergleich mit Vergangenheitszahlen sowie mit Wettbewerbern konnten wir ein klares Bild von der Werthaltigkeit der EnBW erhal ten.
Wir belasten durch den Kauf nicht den Haushalt. Das Land wird die Aktien über seine 100-prozentige Tochtergesellschaft Neckarpri GmbH erwerben. Durch den Abschluss des Kauf vertrags hat sich das Land verpflichtet, für die Kaufpreiszah lung für die Neckarpri GmbH einzustehen. Das Land haftet also neben der Neckarpri GmbH für die Kaufpreiszahlung.
Der Abschluss des Kaufvertrags konnte vom Finanzminister nach Artikel 81 der Landesverfassung genehmigt werden. Die ser Bestimmung zufolge dürfen außerplanmäßige Ausgaben vom Finanzminister genehmigt werden, wenn ein unvorher gesehenes und unabweisbares Bedürfnis besteht.
Wir wurden gefragt, ob wir nicht vorher den Landtag hätten fragen können; man hätte doch nach der Zustimmung des Landtags in Ruhe über den Kauf verhandeln können. Doch neben dem schon genannten Kostenargument gab es auch noch weitere zwingende Gründe, die Vertraulichkeit und Ge heimhaltung verlangt haben.
Erstens: Die EdF hat einen Parlamentsvorbehalt ausdrücklich abgelehnt. In diesem Punkt blieb sie trotz mehrfacher Vor stöße von unserer Seite unnachgiebig.
Aber zweitens: Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet,
das Übernahmeangebot anzukündigen. Wir haben die BaFin gefragt, ob diese Ankündigung unter Parlamentsvorbehalt ge stellt werden darf. Die BaFin hat dies eindeutig abgelehnt.
Somit war die Eilbedürftigkeit im Sinne des Artikels 81 der Landesverfassung gegeben.
Zu dieser Frage wurde vorab ein verfassungsrechtliches Gut achten der beratenden Anwaltskanzlei eingeholt, welches das Vorgehen des Finanzministers bestätigt. Das Finanzministe rium hat diese Frage des Geschäfts ebenfalls geprüft und ist zu demselben Ergebnis gelangt.
Die nach Artikel 81 Satz 3 der Landesverfassung notwendige Genehmigung haben wir vom Landtag mit dem Entwurf des Zweiten Nachtrags erbeten. Dieser Nachtrag – insoweit ist dann Artikel 84 der Landesverfassung einschlägig – enthält aber auch die Schaffung notwendiger Rechtsgrundlagen für noch auszusprechende Garantien, namentlich für die Ausstat tungs- und Werterhaltungsgarantie für die Neckarpri GmbH, um diese gegen Kursschwankungen bilanziell abzusichern. Der Finanzausschuss hat diesem Nachtragsentwurf, der somit einerseits eine Genehmigung enthält, andererseits die Grund lage für erst auszusprechende Garantien schafft, mehrheitlich zugestimmt.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch zu einem weite ren Aspekt etwas klarstellen. Um den Kauf der EnBW-Antei le rechtlich und technisch zu realisieren, haben wir die Unter stützung der Kanzlei Gleiss Lutz sowie des Bankhauses Mor gan Stanley in Anspruch genommen. Beide Unternehmen ste hen in einem hervorragenden Ruf und verfügen über große Erfahrungen im Bereich genau dieser Geschäfte.
Gerade Morgan Stanley war ein besonders geeigneter Partner, da das Haus die Privatisierung wie auch den Börsengang der EdF in Paris betreut hatte und so auch das besondere Vertrau en der Verkäuferseite genießt. Auf der anderen Seite hat Mor gan Stanley erst im vergangenen Jahr die EnBW bei der Plat zierung von zwei Anleihen begleitet. Die besondere Experti se von Morgan Stanley für die konkrete Sachlage und für das konkrete Marktumfeld ist objektiv unbestreitbar.
Im Übrigen hat das Bankhaus Morgan Stanley – um nur ein Beispiel zu nennen – als Konsortialführer auch in der Vergan genheit in Deutschland entsprechend gehandelt. So hat es z. B. als Konsortialführer zusammen mit der Deutschen Bank im Jahr 2004 erfolgreich die Postbank an die Börse gebracht und damit auch schon im Auftrag der damaligen rot-grünen Bun desregierung gearbeitet.
Ich will ausdrücklich sagen: Die fachliche Beratung durch ei ne Bank und durch spezialisierte Anwälte ist bei solchen Transaktionen bekanntermaßen absolut üblich und Vorausset zung für eine seriöse Vertragsgestaltung.
Die Vergabe des Dienstleistungsauftrags an Morgan Stanley steht im Einklang mit den europäischen und den nationalen Rechtsvorschriften. Zwar müssen solche Aufträge grundsätz lich ausgeschrieben werden, allerdings sehen die EU-Verga bekoordinierungsrichtlinie und die entsprechenden nationa
len Rechtsvorschriften hier klar definierte Ausnahmen vor. Nach diesen Bestimmungen fordert das europäische Vergabe recht keine Ausschreibung, wenn es sich um – ich zitiere –
finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aus gabe, Verkauf, Ankauf oder Übertragung von Wertpapie ren...
handelt. Im deutschen Recht wurde diese Ausnahme des eu ropäischen Gesetzgebers in § 100 Abs. 2 Buchst. m des Ge setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wortgleich über nommen.
In der einzigen bisher in der deutschen Rechtsprechung zu dieser Frage vorliegenden Entscheidung hat die Vergabekam mer Baden-Württemberg ausgeführt: Der Ausnahmetatbestand erfasst jedes Geschäft – ich zitiere die Entscheidung –,
dem aufgrund der Besonderheiten des Finanzmarktes ein besonderes... Vertrauensverhältnis zugrunde liegt, das eine Anwendung des Vergaberechts unmöglich erschei nen lässt. Die Ausnahme umfasst über die Transaktions geschäfte mit anderen Finanzinstrumenten hinaus alle vorbereitenden und begleitenden Dienstleistungen, die mit dem Finanzierungsgeschäft in einem solchen Zusam menhang stehen, dass sie die Durchführung des Geschäfts selbst beeinflussen können.
Legt man diese rechtlichen Maßstäbe zugrunde, dann kann kein Zweifel bestehen, dass die Vergabe der Beratungsleistun gen an Morgan Stanley zur Vorbereitung dieser sensiblen Ka pitalmarkttransaktion von der Reichweite und vom Zweck des Ausnahmetatbestands im Vergaberecht erfasst ist.
Die Direktvergabe des Auftrags an Morgan Stanley ist damit rechtmäßig erfolgt.
Ich will aber Folgendes hinzufügen: Ich habe bereits in der letzten Woche und auch gestern im Finanzausschuss klar und deutlich gesagt, dass ich auch bei diesem Projekt Wert auf größte Transparenz lege.
Ich will deshalb auch ankündigen, dass mit den Angebotsun terlagen ohnehin der Maximalbetrag für die Aufwendungen im Rahmen des Übernahmeangebots auf der Webseite der Ne ckarpri GmbH veröffentlicht wird. Dies betrifft sowohl die Bank, die uns begleitet hat, als auch die Rechtsanwaltskanz lei. Sprich: Dies betrifft sowohl die Kosten für die Bank als auch die Anwaltskosten sowie die Nebenkosten des Angebots. Auch hier wird vollständige Transparenz herrschen.
Ich erkenne durchaus an, meine Damen und Herren – nicht zuletzt aus meiner Arbeit als Fraktionsvorsitzender –, dass die ses Verfahren auch aus dem Selbstverständnis engagierter Landtagsabgeordneter heraus die unbedingte Ausnahme blei ben muss. Diese Vorgehensweise war aber notwendig. Sie diente einzig und allein dazu, einen fairen Preis vereinbaren zu können und die Interessen des Landes nicht zu gefährden.
Allerdings war es mir sehr wichtig, zum frühestmöglichen Zeitpunkt das höchstmögliche Maß an Transparenz zu ermög lichen. Deshalb haben wir seit dem vorvergangenen Montag alles getan, um den Landtag umfassend über die Transaktion zu informieren:
Wir haben sämtliche Verträge vorgelegt. Wir haben sie, um eventuellen Vorwürfen zu begegnen, übersetzen lassen. Ich selbst habe im Finanzausschuss über anderthalb Stunden Re de und Antwort gestanden. Ich will nochmals ankündigen, dass wir auch die Maximalbeträge für die Aufwendungen im Rahmen des Übernahmeangebots veröffentlichen werden – genau so, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Meine Damen und Herren, warum machen wir ein faires Ge schäft? Den Schritt zur Übernahme der EdF-Anteile können wir nur machen, weil uns eine außergewöhnlich günstige Marktlage die Chance dazu gibt. Ansonsten wäre dies schlicht unmöglich gewesen. Denn ich war, bin und bleibe immer der Überzeugung, dass man hierfür keine Steuergelder verwen den kann.
Wir kaufen 45,01 % der Unternehmensanteile mit einem Vo lumen von 4,67 Milliarden €. Der Preis pro Aktie beträgt 41,50 € – inklusive des Zuschlags für die Dividende des Jah res 2010. Ohne diesen Zuschlag läge der Preis bei exakt 40,00 € je Aktie.
Sie fragen sich sicherlich, ob der Preis von 41,50 € je Aktie angemessen und fair ist. Meine Damen und Herren, der Preis ist fair. Wir haben ein gutes Geschäft gemacht. Die damalige Landesregierung hat im Jahr 2000 von der EdF 75 DM pro Aktie bekommen. Das entspricht 38,40 € je Aktie. Bereinigt man den damaligen Kaufpreis um die Inflation seit dem Jahr 2000, so ergibt sich in heutigen Preisen ein Betrag von 45,60 €. Mit anderen Worten: Wir kaufen die Anteile jetzt re al um 10 % günstiger zurück, als wir sie damals verkauft ha ben.
Wie wir wissen, hat die Aktie nach unserem Einstieg noch Luft nach oben: Anfang des Jahres 2008 notierten die EnBWPapiere bei über 60 €. Dabei erwerben wir Anteile an einem Unternehmen, das gänzlich anders ist, das inzwischen größer und deutlich ertragsstärker geworden ist.
Wir kaufen heute ein anderes, ein besseres und viel stärkeres Unternehmen zurück. Im Jahr 2000 lag das Ergebnis EBITDA der EnBW bei 869 Millionen €, der Jahresüberschuss bei 139 Millionen €. Für das Jahr 2010 wird das Ergebnis der EnBW auf mehr als 2,8 Milliarden € und der Jahresüberschuss auf rund 1 Milliarde € geschätzt. Hatte die EnBW vor elf Jah ren noch rund 12 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so sind es heute rund 21 200, also fast doppelt so viele. Lag der Umsatz des Unternehmens vor elf Jahren noch bei rund 4,2 Milliarden €, so sind es heute rund 15,6 Milliarden €, also fast viermal so viel. Wurden vor elf Jahren noch 49 TWh Strom produziert, so sind es heute 70 TWh. Wurden 1999 noch 2 TWh Gas verkauft, so sind es heute 66 TWh Gas – sage und schreibe 33-mal so viel.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen lassen sich sehen. Sie zeigen aber auch: Wir verwenden unser Geld für eine gut auf gestellte, gut geführte Firma mit einer hervorragenden Beleg schaft, die vor einer chancenreichen Zukunft steht.
Wir kaufen ein Unternehmen zurück, das ein Vielfaches der Leistung von damals bringt, und das Ganze zu um 10 % güns tigeren Preisen als vor zehn Jahren. Wenn das kein gutes Ge schäft ist, meine Damen und Herren,
dann weiß ich nicht mehr, was für Baden-Württemberg gut wäre.
Das Land zahlt einen günstigen Preis – auch bei einem Blick auf vergleichbare Transaktionen in der Energiebranche. Um Vergleiche ziehen zu können, wird bei solchen sogenannten Kontrollerwerbstransaktionen standardmäßig der Kaufpreis ins Verhältnis zum Jahresergebnis des Unternehmens gesetzt. Betrachtet man diesen Faktor, so lag er beim Einstieg der RWE beim holländischen Energieversorger Essent bei 9,6. Das Engagement von E.ON bei der spanischen Gesellschaft Enel Viesgo erfolgte zum Faktor 10,9. Bei unserer Überein kunft mit der EdF liegt der Faktor dagegen nur bei 6,0. Wir zahlen also einen besonders günstigen Preis für den Wert, den wir bekommen. Wir machen ein solides und vor allem ein re elles Geschäft – im besten badischen und schwäbischen Sinn.
Selbstverständlich brauchen wir viel Geld für den Ankauf. Aber die derzeitige Situation am Kapitalmarkt ist günstig. Sie ist durch besonders niedrige Zinsen gekennzeichnet. Deshalb werden die Kosten der Refinanzierung unter den Dividenden zahlungen der EnBW liegen.
Die Dividendenrendite der EnBW liegt seit dem Jahr 2005 bei über 3 %, zuletzt bei 3,7 %. Wir können davon ausgehen, dass die Dividendenzahlungen stabil bleiben, denn die EnBW be rechnet die Ausschüttungsquote sehr konservativ. In den letz ten fünf Jahren wurden im Schnitt lediglich 40 % des Über schusses als Dividende ausbezahlt. Für die Refinanzierung müssen wir voraussichtlich Zinsen in der Größenordnung von 2,5 % bezahlen. Selbst im ungünstigsten Fall wird die EnBW nach unserem Einstieg immer eine Dividende zahlen, die in ihrer Summe über unseren Refinanzierungskosten liegt. Die Übernahme der EnBW-Anteile wird deshalb nicht zulasten der Steuerzahler im Land gehen.
Läuft es gut, können wir damit sogar noch etwas Geld verdie nen. Die viel zitierte schwäbische Hausfrau wäre damit hoch zufrieden.
Der Kauf der EnBW-Anteile von der EdF selbst kostet nach unserer Vereinbarung insgesamt 4,67 Milliarden €. Nach dem Aktienrecht müssen wir auch allen anderen Anteilseignern der EnBW – hauptsächlich den Oberschwäbischen Elektrizitäts werken – ein Übernahmeangebot für ihre Aktienanteile unter breiten. Das haben wir schon am vorvergangenen Montag getan. Wir haben ein freiwilliges Übernahmeangebot von 41,50 € je Aktie gemacht. Die OEW hatten sich aber bereits im Vorhinein uns gegenüber vertraglich verpflichtet, ihre 45,01 % der EnBW-Anteile nicht zu verkaufen. Damit stehen die OEW weiter zur bewährten und erfolgreichen Partner schaft innerhalb der EnBW. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Da die OEW voll bei ihrem Engagement bleiben, bestehen hier keinerlei Unwägbarkeiten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass andere Aktionäre für insgesamt nur noch maximal 9,98 % der Anteile unser Übernahmeangebot wahrnehmen könnten. Gleichwohl müssen wir Vorsorge dafür treffen, dass wir auch diese Aktien erwerben und bezahlen können, falls sich einzelne Aktionäre dazu entschließen, unser Übernahme angebot anzunehmen. Auch das gehört zur Seriosität der Transaktion und ist eine direkte Folge aktienrechtlicher Vor schriften.
Deshalb muss das Land zusätzlich zum eigentlichen Kaufpreis für das Aktienpaket der EdF vorsorglich weitere Garantien in Höhe von gut 1 Milliarde € bereitstellen, da wir für eine kom plette Übernahme der EnBW – abzüglich des OEW-Anteils – kalkulieren müssen.
Ich stelle klar: Es geht dabei nicht um Kostensteigerungen, wie heute mehrfach fälschlicherweise berichtet wurde. Es han delt sich auch nicht um tatsächliche, real existierende Kosten, sondern um eine rechtlich und bilanziell notwendige und ge setzestechnisch vorgeschriebene Vorkehrung für einen un wahrscheinlichen Fall. Denn von den 9,98 % freien Anteilen sind die meisten heute in den Händen von Kommunen und Verbänden im Land. Es ist davon auszugehen, dass diese An teile nicht den Eigentümer wechseln; denn sie haben den Ei gentümer auch nicht gewechselt, als die Aktie über 60 € wert war.
Lediglich beim Streubesitz von weniger als 2 % der Aktien ist abzuwarten, ob wirklich ein Verkauf der Aktien stattfindet.
Für das Übernahmeangebot ergibt sich daraus also ein Betrag von rund 5,7 Milliarden €. 170 Millionen € werden für die Vorabzahlung der Dividende für das Jahr 2010 an die EdF fäl lig, wofür das Land garantiert. Dieser Betrag ist mit 1,50 € je Aktie bereits im Kaufpreis enthalten.
Bei dem anstehenden freiwilligen Übernahmeangebot muss jedoch den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend eine Fi nanzierungsbestätigung über das maximal mögliche Transak tionsvolumen ausgestellt werden, das heißt einschließlich der Dividende. Die Dividendenzahlung für die EdF ist folglich aus rechtlichen Gründen – notwendigerweise, rechtlich vor geschrieben – zweimal anzusetzen, obwohl sie nur einmal zahlungswirksam wird. De facto handelt es sich dabei also um einen rein rechtlich veranlassten rechnerischen Posten. Die
Gesamtgarantiesumme liegt damit inklusive Puffer für etwa ige weitere Kosten bei 5,9 Milliarden €.
Ich wiederhole noch einmal: Die Garantie deckt die theoreti schen Zahlungsverpflichtungen ab. Der tatsächliche Kauf der EnBW-Aktien von der EdF kostet 4,67 Milliarden €. Dabei bleibt es.
Lassen Sie mich deshalb noch ein Wort zu dem sagen, was ich heute verschiedentlich hören und lesen konnte. Ich kann nicht erwarten, dass jeder Bürger in diesem Land Aktienexperte ist und diese Zahlen quasi automatisch durchblicken kann. Aber ich möchte von jenen, die über uns berichten, erwarten, dass sie das, was wir bereits in der letzten Woche gesagt haben, auch „1 : 1“ übernehmen.
Ja, langsam.
Ja, Herr Schmiedel, da gibt es nichts zu lachen. Wenn es um die Wahrheit geht, Herr Schmiedel, erwarte ich, dass korrekt berichtet wird.
Deshalb möchte ich aus der Pressemitteilung des Staatsminis teriums von der letzten Woche zitieren:
Baden-Württemberg wird allen Aktionären der EnBW AG ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot unterbrei ten, dessen Höhe dem Preis entspricht, der an die EdF gezahlt wird. Die Veröffentlichung der Angebotsunterla ge und weiterer das Angebot betreffender Informationen erfolgt unter...
Dann folgt die Internetadresse von Neckarpri.
Nachdem die Information vom Staatsministerium in der letz ten Woche so herausgegeben wurde, ist es nicht in Ordnung, gestern und heute von Kostensteigerungen zu reden – um das einmal klipp und klar zu sagen, meine Damen und Herren.
Nun zu der Frage: Warum bleibt der Verkauf der EnBW-An teile an die EdF im Jahr 1999 trotzdem richtig? Sehr geehrte Damen und Herren, untrennbar verbunden mit dem Ankauf der EnBW-Anteile, über den wir heute reden, ist der Verkauf der EnBW-Anteile durch die Landesregierung im Jahr 1999. Dieser Verkauf war auch aus heutiger Sicht absolut richtig. Das Ziel des Verkaufs war damals, die Chancen des frisch li beralisierten Energiemarkts zu nutzen. Die Deregulierung der deutschen Stromwirtschaft führte zu einem drastischen Preis druck, ähnlich wie im Kommunikationsbereich. Absehbar war, dass sich die Zahl der Energieversorgungsunternehmen deut lich reduzieren wird.
Wir wollten verhindern, dass die EnBW in diesem Zusam menhang ihre Eigenständigkeit verliert. Es ging, wie Minis
terpräsident Erwin Teufel in der damaligen Regierungserklä rung richtig formuliert hat, um – ich zitiere –
eine europaweit wettbewerbsfähige baden-württembergi sche Energiewirtschaft, ein strategischer und standortpo litischer Nutzen für unser Land und seine Arbeitsplätze...
Die Strategie für damals überzeugt auch noch aus heutiger Sicht: Eine europäische Ausrichtung der EnBW durch den Einstieg der EdF war im Sinne des europäischen Integrations prozesses. Die Energiepolitik stand schon immer im Mittel punkt der europäischen Entwicklung.
Eine grenzüberschreitende Lösung ermöglichte es, die beson deren Wachstums- und Marktsynergien in Deutschland zu nut zen. So konnten wir Wertschöpfung und Beschäftigung im Land halten. Innerdeutsche Lösungen hätten nur Kostensyner gien zur Folge gehabt, die Arbeitsplätze gefährdet hätten.
Und – darauf hatte ich schon hingewiesen –: Die EdF strebte 1999 nur eine Minderheitsbeteiligung an. Dadurch konnte die Selbstständigkeit der EnBW auf damals absehbare Zeit gesi chert werden. Die EnBW konnte im Kern ein baden-württem bergisches Unternehmen bleiben.
Der damalige Verkauf an die EdF hat für Baden-Württemberg und seine Bürger einen bleibenden Nutzen geschaffen. Wir haben aus den Verkaufserlösen die heutige Baden-Württem berg Stiftung gegründet. Durch die Einrichtung der damali gen Landesstiftung konnten wir einen Großteil des Kapitals aus dem Verkauf der EnBW-Anteile zugunsten der Menschen in Baden-Württemberg erhalten.
In den vergangenen zehn Jahren konnten für die Menschen in Baden-Württemberg Projekte mit einem Volumen von rund 600 Millionen € auf den Weg gebracht werden. Ohne die Ba den-Württemberg Stiftung wäre unser Land heute ärmer und kälter.
Deshalb erteile ich allen Forderungen nach einer Auflösung der Stiftung am heutigen Tag eine klare Absage, meine Da men und Herren.
Auch in der neuen Situation wird sie für die Menschen im Land segensreich wirken.
Ein weiterer Teil des Verkaufserlöses hat unsere Zukunftsof fensive III finanziert. Viele einzigartige Bildungs-, For schungs- und Innovationsprojekte in Baden-Württemberg sind damit möglich geworden. Dazu gehören die Förderung neuer Medien an den Schulen, der Aufbau neuer wissenschaftlicher Institute an unseren Universitäten und z. B. auch die neu ge baute 24-Stunden-Bibliothek in Karlsruhe.
Mit Projekten wie diesen haben wir Bildung, Innovationskraft und wissenschaftliche Exzellenz entscheidend gestärkt, von denen heute das ganze Land so stark profitiert. Die Strategie von damals war für die Entwicklung der EnBW, aber auch für unser ganzes Land richtig und rentierlich, meine Damen und Herren.
Was wollen wir mit der neuen EnBW gemeinsam erreichen? Meine Damen und Herren, die Kernfragen unserer Transakti
on sind für uns: Wohin wollen wir mit der neuen EnBW? Was sind unsere Ziele?
Wir wollen eine gesunde, solide und dauerhaft tragfähige Ei gentümerstruktur, die zum Land passt und zu seinem weite ren Erfolg beiträgt. Gerade die Stadtwerke lade ich ausdrück lich ein, sich an dieser Neuaufstellung der EnBW-Eigentü merstruktur zu beteiligen.
Vor allem sie wollen wir als Partner auf diesem Weg gewin nen. Das wäre auch für die Kunden in Baden-Württemberg ein konkreter Mehrwert.
Uns liegen im Übrigen schon verschiedene Anfragen vor, z. B. von Beteiligungsinteressenten – gerade auch aus dem kom munalen Umfeld. Deshalb möchte ich nochmals betonen: Den Stadtwerken bietet sich jetzt die besondere Chance, gemein sam mit der EnBW die Potenziale einer dezentralen und re generativen Energieerzeugung noch besser zu nutzen. Schon heute arbeiten Stadtwerke und EnBW bei der Energieer zeugung zusammen: Beim EnBW Windpark Baltic 1 mit 48,3 MW Gesamtleistung sind 19 Stadtwerke mit einer Leis tung von 24 MW beteiligt. Die Nachfrage vonseiten der Stadt werke hat das Angebot sogar überstiegen.
Die EnBW richtet ihren Strategieschwerpunkt klar am wach senden Markt der regenerativen Energien aus. Das Unterneh men wird in den kommenden Jahren 3 Milliarden € in erneu erbare Energien investieren. Die Stromerzeugung aus Wasser, Wind, Sonne und Bioenergie soll bis zum Jahr 2020 auf 14 TWh mehr als verdoppelt werden. In Rheinfelden baut die EnBW bekanntlich gerade eines der größten Laufwasserkraft werke in Europa. Die Stromproduktion wird sich dort mehr als verdreifachen: umweltfreundlicher Strom für 170 000 Haushalte.
Meine Damen und Herren, das starke Engagement der EnBW in diesen Bereichen passt zu Baden-Württemberg. Nach ei nem neuen Ländervergleich der Agentur für Erneuerbare Ener gien ist Baden-Württemberg beim Ausbau umweltfreundli cher Energiegewinnung in der Spitzengruppe.
Fast jede vierte Kilowattstunde Solarstrom in ganz Deutsch land kommt aus Baden-Württemberg.
Bei der Nutzung regenerativer Wärmeenergie spielt unser Land bundesweit eine führende Rolle.
Wir haben mit unserem Erneuerbare-Wärme-Gesetz eine bun desweite Vorreiterrolle übernommen.
Die Landesregierung hat die Bereiche Umwelttechnik und Ressourceneffizienz als strategischen Wachstumskern für Ba
den-Württemberg benannt. Wir haben uns beim Ausbau rege nerativer Energieformen ehrgeizige Ziele gesetzt.
Wir werden jetzt die Chance ergreifen, dass auch die Neuauf stellung der EnBW diese Zielsetzungen unterstützt und för dert.
Aber eine Sache ist schon besonders erwähnenswert, nämlich, wie hier im Haus beliebig argumentiert wird, meine Damen und Herren: Hauptsache Kritik.
So wurde im Zusammenhang mit dem Energiekonzept der Bundesregierung an uns der Vorwurf gerichtet, dass wir Poli tik zugunsten der großen Energieversorger machten. Mir per sönlich wurde vorgeworfen, ich würde dafür sorgen, dass die großen Energieversorger über eine Laufzeitverlängerung qua si aus dem Nichts heraus zusätzliche Milliardengewinne ge nerieren könnten. Jetzt plötzlich kritisieren Sie, dass das Ener giekonzept und die damit verbundene Kernbrennstoffsteuer zuungunsten der wirtschaftlichen Situation der EnBW liefen. Ja, meine Damen und Herren, was denn jetzt? Ist die Lauf zeitverlängerung jetzt gut
für die Kernkraftwerke bzw. für die Energieversorgungsun ternehmen, oder ist sie schlecht?
Zunächst haben Sie gesagt, wir sorgten praktisch unvermittelt für Milliardengewinne bei der EnBW. Jetzt plötzlich, je nach Argumentationslage, sagen Sie, die Belastung durch dieses Gesetz sei so schlimm,
dass die Effizienz und die Rendite des Unternehmens zurück gingen. Damit zeigen Sie doch, wes Geistes Kind Sie in die ser Sache sind, meine Damen und Herren von der Oppositi on.
Heute so, morgen anders. Man kann es in einem Satz zusam menfassen:
Bei Ihrer Argumentation unterliegen Sie schlicht und ergrei fend einem energiepolitischen Kurzschluss, meine Damen und Herren.
Die EnBW nutzt die Rechtssicherheit des Energiekonzepts, um im Bereich der erneuerbaren Energien massiv zu investie ren und Wachstumschancen zu nutzen. Im Ergebnis wird es darauf ankommen, die richtige Mischung für die neue Aktio närsstruktur der EnBW zu finden. Wir wollen mit den Stadt werken die regionale Verankerung der EnBW stärken und zu sätzlich mit anderen Investoren die Entwicklungspotenziale auf den nationalen und internationalen Energiemärkten opti mal nutzen. Investments, bei denen es nur um eine kurzfristi ge Gewinnmitnahme geht, wird es mit uns nicht geben.
Wir wollen, dass die künftigen Anteilseigner ein echtes inhalt liches Interesse mit der Energiebranche verbindet und dass sie zugleich auch die standortpolitische Verantwortung der EnBW für Baden-Württemberg anerkennen. Das alles werden wir jetzt in aller Ruhe auf den Weg bringen und entscheiden.
Aus meiner Sicht sind dabei durchaus verschiedene Szenari en vorstellbar. Dazu gehört mit Blick auf einen Teil unseres Aktienpakets auch der Weg an die Börse. Er würde dem Un ternehmen den Zugang zu Kapital nachhaltig sichern – not wendiges Kapital für die anstehenden großen Investitionen in die Zukunft der regenerativen Energien. Die Internationale Energieagentur schätzt den weltweiten Investitionsbedarf auf 5,7 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2035.
Über die Börse hätte die EnBW außerdem die Möglichkeit, strategische und kapitalstarke Partner gerade für gemeinsame Engagements im Bereich der erneuerbaren Energien zu fin den. Solche Partnerschaften sichern unsere Energieversorgung und ermöglichen dem Energiestandort Baden-Württemberg eine Teilhabe an den großen Wachstumschancen der Energie märkte.
Mit dem Weg an die Börse einerseits und einer Beteiligung der Stadtwerke andererseits können die Kommunen ihren Ein fluss auf die Daseinsvorsorge ausbauen, und zwar in wirt schaftlichen Strukturen und auf einem ordnungspolitisch sau beren Weg. Dazu kann aus meiner Sicht auch eine Kapitalbe teiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EnBW ge hören. Hierfür gibt es beispielhafte Modelle, etwa bei Daim ler oder bei BASF.
Wenn wir unser Aktienpaket also in Teilen an die Börse brin gen, geht es deshalb nicht um finanzmarktpolitisches Presti ge, sondern allein um unser Ziel, der EnBW eine nachhaltige Perspektive zu geben und die Versorgungssicherheit in Ba den-Württemberg zu stärken.
Meine Damen und Herren, ich halte ausdrücklich fest: Die Übernahme des Aktienpakets der EdF ist keine Rückverstaat lichung der EnBW.
Die EnBW wird kein Staatsunternehmen, weil der Staat nie mals der bessere Unternehmer ist.
Deshalb werden wir uns ins operative Geschäft der EnBW nicht einmischen, und deshalb wird unser Engagement defi nitiv zeitlich begrenzt bleiben. Unser Einstieg bei der EnBW ist eine standortpolitische, aber auch eine ordnungspolitische Entscheidung. Wir sind entschlossen, unsere Gestaltungsmög lichkeiten zu nutzen, um ohne Zeitdruck den Übergang des Unternehmens in eine neue, dauerhaft tragfähige Eignerstruk tur zu moderieren.
Es geht uns um die strategischen Fragen für unser Land. Wir wollen Weichen stellen, Wachstum ermöglichen, Entwicklung fördern. Wir setzen den richtigen Rahmen, regieren aber nicht in das Unternehmen hinein. Das ist moderne Industriepolitik in Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren, unsere Entscheidung für die Über nahme der EdF-Anteile ist Politik mit dem Mut zur Verant wortung. Wir handeln entschlossen, und wir gestalten klug.