(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)
Denn sonst können wir uns von der repräsentativen Demokra tie verabschieden und in die Stimmungsdemokratie hinüber gleiten. Ich glaube, damit ist niemandem in diesem Land ge dient – außer Sie streben das an.
Das Projekt Stuttgart 21 bringt – das ist vielfach geäußert wor den – eine hochleistungsfähige Infrastruktur für unser Land. Flughafen und Messe sowie die Neubaustrecke nach Ulm wer den angebunden an die europäische Magistrale, die BadenWürttemberg von Kehl bis Ulm zum Teil dieser Magistrale Paris–Bratislava werden lässt. Diejenigen, die dieses Projekt jahrelang politisch und juristisch bekämpft haben – das ist ihr gutes Recht; sie dürfen es juristisch und politisch bekämpfen –, haben allerdings wesentlich dazu beigetragen, dass es sich verzögert hat. Und heute beklagen sie die Kostensteigerun
Es ist ein ökologisches Projekt. Es entstehen 20 ha zusätzli che Parkfläche mit 5 000 Bäumen – statt diesen 283, die man für das Projekt fällen muss. Das kommt in der öffentlichen Debatte viel zu kurz, ebenso die Vermeidung von 1 Milliarde Pkw-Kilometern, womit jährlich 175 000 t CO2 gespart wer den. Sie müssten eigentlich jubeln, Herr Kollege Kretsch mann, wenn Sie bei dieser ganzen Diskussion nicht andere Hintergedanken hätten.
Dasselbe gilt für 80 ha frei werdende innerstädtische Fläche zur Stadtgestaltung. Sie haben die Landesregierung immer wieder kritisiert, dass der Flächenverbrauch zu hoch sei, dass zu wenig für die Innenentwicklung getan werde, die vor der Außenentwicklung kommen müsse.
Das ist richtig: Es ist ein ökologisches Projekt, Innenentwick lung vor Außenentwicklung zu setzen, und es ist ein ökologi sches Projekt, Flächen zu sparen. Hier wird dies sogar aktiv betrieben, und nun sind Sie auch wieder dagegen, weil Sie grundsätzlich dagegen sind, wenn die Landesregierung Ent scheidungen trifft.
Dasselbe gilt für die ganzen Zuschüsse von Bahn und Bund. Auch von der EU gibt es für das Gesamtprojekt Zuschüsse, was in der gesamten Diskussion immer wieder bestritten wird. Der Landesanteil – der Ministerpräsident hat das angespro chen – ist etwa so hoch wie der Betrag, den wir in einem Jahr in den Länderfinanzausgleich einzahlen, und zwar in einem schlechten Jahr. Es werden wieder bessere Jahre kommen, und dann werden wir wieder mehr zahlen, wenn es uns nicht ge lingt, diesen Länderfinanzausgleich endlich einmal auf ein vernünftiges Maß zurückzustutzen, meine Damen und Her ren.
Durch das Projekt entstehen 10 000 Arbeitsplätze, 11 000 Wohnungen, 500 Millionen € an zusätzlicher Wertschöpfung. Das alles sind gute Argumente für Stuttgart 21. Sie, Herr Kol lege Kretschmann, werfen uns immer vor, wir würden die Ar gumente der Gegner nicht zur Kenntnis nehmen. Sie nehmen vielmehr die Argumente, die für dieses Projekt sprechen, nicht zur Kenntnis.
Am meisten wundert mich eines. Ich frage mich, Herr Kolle ge Kretschmann, wie denn grüne Verkehrspolitik in der Zu kunft aussehen wird. Wir haben bekanntermaßen vier Ver kehrswege: die Straße, die Luft, die Schiene und dann noch das Wasser. So, wie Sie argumentieren, bleibt nur noch das Wasser.
(Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Wahrscheinlich sind sie dann für Tretboote!)
Von Kaiser Wilhelm stammt der Satz: Automobile werden wieder verschwinden; die Zukunft gehört dem Pferd. In die ser Tradition sagt Kretschmann: Flugzeug, Auto und Eisen bahn werden verschwinden; die Zukunft gehört dem Floß.
(Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Oje, oje, oje!)
Das ist die Logik der grünen verkehrspolitischen Argumenta tion, die wir im Ergebnis dieser Debatte feststellen dürfen.
1,4 Milliarden € nach konservativen Schätzungen – die Bahn schätzt mittlerweile 3 Milliarden € – an Schadensersatzzah lungen werden fällig, wenn wir die Politik, die die Grünen uns vorschlagen, durchsetzen, und zwar – Kollege Hauk hat es deutlich gemacht – für nichts. Dann steht hier eine Bauruine, wir fangen den ganzen Diskussionsprozess von vorn an und diskutieren hier darüber, ob wir die entsprechenden Schadens ersatzleistungen aus dem Landeshaushalt finanzieren.
Da liegt auch der Hase im Pfeffer, Herr Kretschmann. Da be kommen Sie auch Angst vor der eigenen Courage. Deshalb sagen Sie auch bei jeder Gelegenheit, wenn Sie danach ge fragt werden: Ich kann nicht versprechen, dass ich dieses Pro jekt nach der Landtagswahl noch stoppen kann. Sie wissen nämlich genau, dass das nicht geht und dass auch Sie es nicht verantworten könnten, wenn Sie in Regierungsverantwortung kämen.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aber persönlich ist er in Ordnung, der Kretsch!)
Die Frage ist jetzt – ich habe es schon einmal angedeutet; Kol lege Hauk hat ausführlich darüber gesprochen –, wie man das mit einer möglichen Koalition aus Grünen und Linken über haupt angehen will. Kollege Kretschmann weiß natürlich, dass es dazu nicht kommt.
Die Dinge liegen wesentlich tiefer. Es geht grundsätzlich um die Frage der repräsentativen Demokratie. Sie stellen die re präsentative Demokratie nämlich grundsätzlich infrage. Es wird den Parlamentsbeschlüssen, den Beschlüssen in der Stuttgarter Regionalversammlung und im Stuttgarter Gemein derat immer die Legitimität abgesprochen. Entgegengesetzt wird nicht einmal die direkte Demokratie, wie Kollege Schmid sie einfordert. Entgegengesetzt wird die Stimmungsdemokra tie, werden Umfragen. Wenn nach der Umfrage von forsa oder von wem auch immer angeblich ein bestimmter Anteil der Be völkerung gegen das Projekt ist, müsse es nach Ihrer Auffas sung gestoppt werden. Es geht Ihnen darum, dass diese Form
der Stimmungsdemokratie an die Stelle der repräsentativen Demokratie treten soll. Bekennen Sie es doch ehrlich.
Deshalb missachten Leute wie Ihr Fraktionskollege Wölfle das Parlament. Er hat schon während der Regierungserklä rung des Ministerpräsidenten Radiointerviews gegeben, weil es ihm nur um Stimmungsmache geht und nicht um ernsthaf te Diskussion in diesem Parlament.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)
Dann erklären Sie, Herr Kollege Kretschmann, man könne in der Demokratie auch umkehren; das beweise der Energiekon sens, der in Berlin beschlossen worden ist. Wenn ich Sie rich tig verstanden habe, akzeptieren Sie den ja auch.
Man kann in einer Demokratie umkehren. Sie haben gesagt, Sie akzeptieren es demokratisch – nicht inhaltlich; das be haupte ich nicht. Dann frage ich mich aber: Was soll dann die Demonstration heute? Warum fliegt dann nach Özdemir auch Claudia Roth mit dem Hubschrauber bei uns ein, um den Landtag zu umzingeln? Ich traue es ihr zu. Sie schafft es wahr scheinlich allein.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP und der CDU – Zuruf von der CDU: Ich dach te, sie kommen mit dem Floß!)
Aber was soll das Ganze? Warum soll der Landtag von Ba den-Württemberg jetzt umzingelt werden? Was Sie machen, ist das Ersetzen der Politik durch Straße und Barrikade. Es wird ständig gegen Stuttgart 21 demonstriert. Es wird gegen den Energiekonsens demonstriert.
In Gorleben soll demonstriert werden. Gegen den Castortrans port haben Sie auch schon wieder zu Demonstrationen aufge rufen.
Was Kollege Hauk vorhin angedeutet hat, ist völlig richtig: Sie sind in den letzten 35 Jahren einen weiten Weg gegangen.
Der Gründungsmythos der Grünen mit Joschka Fischer und dem Stein ist an der Barrikade entstanden. Seither sind Sie in diesen 35 Jahren einen weiten Weg gegangen.
Zwischendurch sah es auch durchaus einmal gut aus. Jetzt sind die 35 Jahre vorbei, und Sie sind wieder genau am Anfang: auf der Straße und an der Barrikade. Das ist die Politik, die Sie uns hier zumuten.
Von ähnlicher Qualität sind andere Einwendungen gegen die ses Projekt. Wenn Frei Otto ankündigt, der Tiefbahnhof wer de wie ein U-Boot aus dem Untergrund steigen,
frage ich mich: Was ist mit den U- und S-Bahnschächten, die sich schon lange in Richtung der Mineralbäder bewegen? Das müsste er einmal erklären. Aber hier gilt vermutlich etwas an deres.
Ebenso gibt es weitere etwas eigenartige Argumente, wie bei spielsweise den Juchtenkäfer. Ich bin durchaus dafür, dass der Juchtenkäfer nicht ausstirbt, meine Damen und Herren, aber ich bin auch der festen Überzeugung, dass all die Baumfäll arbeiten nicht einmal ansatzweise so viele Juchtenkäfer das Leben kosten wie die sogenannten Parkschützer, wenn sie durch den Park trampeln, um ihn zu besetzen.