Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Wir können auch gern einmal darüber reden, was die Özde mirs dieser Welt, die sich jetzt für welche Position auch im mer warmlaufen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es gibt nur einen Özdemir!)

damals gemacht haben, als sie die Chance dazu gehabt hätten, ein solches Projekt etwas tiefer zu hängen. Aber sei’s drum.

(Unruhe)

Jetzt reden wir als Erstes einmal über ein Projekt, das RotGrün gemacht hat, übrigens mit Unterstützung der CDU im Bundesrat. Wir haben damals im Gegensatz zu Ihnen keine

Fundamentalopposition gemacht, sondern wir haben gesagt: Wenn etwas ökonomisch sinnvoll ist, dann stimmen wir im Bundesrat zu. Sie hatten damals keine Mehrheit im Bundes rat; ohne uns wäre das nicht gekommen. Aber wir stehen da zu – im Gegensatz zu Ihnen. Ich rede gerade von den HartzIV-Reformen, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Es ist schon wirklich der Oberhammer, wenn diejenigen, die damals in der Bundesregierung Hartz IV initiiert haben – mit Zustimmung der CDU im Bundesrat –, jetzt, in diesem Mo ment, in dem die CDU sogar Verbesserungen plant, diejeni gen sind, die sagen: „Das ist ein Unding; die Verbesserungen sind nicht groß genug.“ Denn Sie haben damals Hartz IV auf einem geringeren Niveau beschlossen.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das ist politische Redlichkeit à la Rot-Grün, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich verspreche Ihnen: In den nächsten fünf Monaten reden wir einmal über alle diese Themen, und zwar in aller Ausführlich keit. Denn auch ich kann sagen, für was ich alles nicht bin. Dazu gehört nicht viel. Dann reden wir aber einmal darüber, für was Sie sind, für was Sie waren und wovon Sie sich in der Zwischenzeit munter verabschiedet haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Kommen wir gleich zum nächsten Thema, und reden wir ein mal über die Rente mit 67.

(Heiterkeit des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Sie sind immer so stolz darauf – wie ich gerade gehört habe, Herr Dr. Prewo –, dass die Konjunkturprogramme nichts mit Angela Merkel und der CDU zu tun haben, aber natürlich mit Herrn Steinbrück und Herrn Scholz. Okay. Darüber muss sich jeder selbst ein Bild machen. Reden wir jetzt einmal über die Rente mit 67, wobei, wenn ich richtig orientiert bin, der da mals für diesen Bereich zuständige Minister in der Großen Koalition von der SPD war.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja! Genau!)

Es waren Herr Müntefering und danach Herr Scholz. Die Ren te mit 67 ist kein populäres Thema, aber entlang dessen, was angesichts der demografischen Entwicklung notwendig ist, ist das ein sicherlich nicht zu umgehendes und in der Folge ein richtiges Vorhaben. Genau deshalb vollziehen wir das heute in der Dienstrechtsreform auch nach, und zwar 1 : 1 nach dem, was Herr Müntefering damals vorgeschlagen hat.

Das Problem ist nur: Wir vollziehen das nach, von dem Sie sich schon wieder verabschiedet haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt kann ich jeden Tag lesen, dass die große Hoffnung der deutschen Sozialdemokratie, Sigmar Gabriel, der Meinung ist, die Rente mit 67 sei unsozial, man müsse sie zurückneh

men, das alles könne man so nicht machen. Diese haben Sie vorgeschlagen, und wir haben sie in der Großen Koalition ge meinsam beschlossen. Gabriel saß am Kabinettstisch – als Umweltminister –, Müntefering saß am Kabinettstisch – als Sozialminister –, Scholz saß danach am Kabinettstisch – auch als Sozialminister –, wir alle haben es gemeinsam gemacht. Die Sozialdemokraten haben sich wieder verabschiedet. Das Einzige, was mich wundert, ist, dass man noch nicht gefor dert hat, einen Volksentscheid über dieses ganze Thema zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Als Nächstes reden wir einmal über die Steuerpolitik. In der Großen Koalition waren wir uns einig, dass man die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen in Deutschland entlasten muss. Ich sehe das übrigens im Zusammenhang mit Hartz IV.

(Zuruf: Es geht um den Wirtschaftsstandort Baden- Württemberg!)

Ja, genau. Es geht um den Standort Baden-Württemberg, und da geht es – vielleicht selbst für Sie ersichtlich – um Wirt schafts- und Finanzpolitik. Die Steuerpolitik ist vielleicht noch immer ein elementarer Bestandteil von Wirtschafts- und Finanzpolitik, jedenfalls nach meiner Überzeugung auch dann, wenn es Ihnen wehtut und nicht gefällt – um das einmal klar zu sagen.

Reden wir jetzt einmal über die Bezieher niedriger und mitt lerer Einkommen. Wir waren uns in der Großen Koalition ei nig, dass Hartz IV von der Konstruktion her richtig ist, dass es aber deshalb mehr denn je notwendig ist, dass jemand, der acht Stunden am Tag arbeitet, einen gewissen positiven Lohn abstand zu jenen hat, die – ob unverschuldet oder nicht, das sei dahingestellt – nicht in der Lage sind zu arbeiten. Da wa ren wir uns in der Vergangenheit einig. Deshalb haben wir ge sagt: Die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen in Deutschland müssen in Zukunft netto mehr in der Tasche ha ben, als es bisher der Fall war. Jedenfalls ist es nach meiner Erinnerung so. Man kann das u. a. in Protokollen des Deut schen Bundestags nachlesen. Das war das Stichwort „Kalte Progression“.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ja ein Durchei nander! Das ist unglaublich! Seit wann gibt es bei niedrigen Einkommen eine kalte Progression?)

Wir haben gesagt: Diejenigen, die wenig haben, müssen wir entlasten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt wird es lustig! Lohnabstandsgebot durch Abschaffung der kalten Progression! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich glaube Ihnen sofort, dass Ihnen das nicht gefällt. Kein Problem.

Wir haben immer gesagt, die müssen netto mehr haben. Des halb haben Sie sogar mitgemacht – der Finanzminister, da mals von der SPD –, dass wir in einer ersten Tranche 6 Mil liarden € für die Abmilderung der kalten Progression und die Entlastung der Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen bereitstellen. Wir stehen dazu.

Ich bin übrigens der Überzeugung – das geht nicht jetzt; es wird vermutlich auch im nächsten Jahr nicht gehen, aber es wird danach gehen müssen –, dass wir bei diesem Projekt wei termachen müssen. Ihre Partei hat sich in der Zwischenzeit völlig verabschiedet und sagt, weitere Steuerentlastungen in diesem Bereich seien nicht möglich.

Meine Damen und Herren, das sind drei Beispiele, mit denen man belegen kann, was Zusagen von Rot-Grün aus der Ver gangenheit wert sind: nichts, meine Damen und Herren, wenn es um die Zukunft geht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Gar nichts! – Abg. Peter Ho felich SPD: Alles sehr unscharf! Das ist ja unglaub lich!)

Deshalb will ich nicht immer hören, was nicht geht, sondern deshalb will ich hören, was wir mit Blick auf den Wirtschafts standort Baden-Württemberg in Zukunft machen und wie wir das Ganze auf der Basis dessen, was ich gerade beschrieben habe, was aber in Zukunft fortgeführt werden muss, weiter entwickeln.

Sehr, sehr positiv war mit Sicherheit auch eine extrem kluge Tarifpolitik der Tarifvertragspartner – Arbeitnehmer und Ar beitgeber – in den letzten Jahren. Es erfolgten über Jahre hin weg maßvolle Lohnabschlüsse; das war richtig und wichtig. Das hat uns übrigens ermöglicht, dass wir in der Krise einen Wettbewerbsvorteil erringen konnten und deshalb jetzt beson ders gut aus der Krise herauskommen. Aber ich sage auch mit Blick auf die phänomenale wirtschaftliche Entwicklung und mit Blick darauf, was Steuerzahler in den letzten zwei, drei Jahren in Bezug auf die internationale Finanzkrise alles leis ten mussten: Es ist jetzt auch der richtige Moment, zu sagen: Wenn die nächste Tarifvertragsrunde kommt, dann müssen auch die Arbeitnehmer in spürbarem Maß an dem Erfolg der Wirtschaft in Deutschland, in Baden-Württemberg beteiligt werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das verstehe ich auch als Folge der Kultur der sozialen Part nerschaft, die, wie ich finde, in Baden-Württemberg beson ders stark und besonders gut funktioniert. Das sehen Sie an den Absprachen in den Betrieben – übrigens unabhängig da von, ob Großbetrieb oder Betrieb der mittelständischen Wirt schaft, von denen wir bekanntermaßen besonders viele haben. Das ist unser Trumpf, meine Damen und Herren! Kein ande res Flächenland in Deutschland hat eine so ausgeglichene Wirtschaftsstruktur wie Baden-Württemberg – keines, auch nicht Bayern. Aber genau diese Struktur ist nicht vom Him mel gefallen, sondern sie hat sich in den letzten Jahrzehnten so ausgeprägt, quer durch den ländlichen Raum und überall in Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Seit 150 Jahren hat sich die Struktur ausgeprägt!)

Herr Prewo, ganz so lange – 150 Jahre – existiert BadenWürttemberg noch nicht. Das müsste sogar Ihnen klar sein.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: In 150 Jahren hat sich die Struktur ausgeprägt!)

Auch der Wandel vom Agrarland Baden-Württemberg hin zum Industriestaat Nummer 1 dürfte sich selbst bei Ihnen vor dem geistigen Auge vielleicht noch nachvollziehen lassen. Al so hören Sie auf, sogar das jetzt noch schlechtzureden, wenn es um diese Debatte geht, meine Damen und Herren.

Deshalb nochmals: Kein anderes Land hat eine so ausgegli chene Struktur wie Baden-Württemberg. Deshalb müssen wir mit Blick auf Punkte, auf die ich jetzt zu sprechen komme, al les dafür tun, dass das auch so bleibt.

Wir müssen den Unternehmen, vor allem den mittelständi schen Unternehmen, weiterhin dabei helfen, Wachstumsmärk te zu erschließen, damit vor allem kleine und mittelständische Unternehmen die Chance haben, dort Fuß zu fassen. Das ge hört zu dem, was Politik in Baden-Württemberg u. a. leisten kann.

Deshalb war ich mit einer Delegation in Saudi-Arabien und Katar. Schauen Sie einmal, wie dort im Moment Wachstum generiert wird, wie das Ganze mit Innovation und höchster Geschwindigkeit vorangebracht wird.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Das ist ein Riesenmarkt für unsere mittelständischen Unter nehmen in Baden-Württemberg, die sich übrigens mit großer Nachfrage sehr gern vor Ort engagieren.

Deshalb habe ich auch vor, vom 16. bis zum 23. November mit einer großen Anzahl mittelständischer Unternehmer und Wissenschaftler Südostasien zu besuchen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Schon wieder?)

Denn in Vietnam, in Singapur und Malaysia gibt es derzeit Entwicklungen, die für die baden-württembergische Wirt schaft geradezu prädestiniert sind. Wir wollen den mittelstän dischen Unternehmen helfen und alles dafür tun, dass sie in den nächsten Jahren auch in diesen unglaublichen Wachstums märkten Erfolg haben können und auch Erfolg haben werden. Das ist Aufgabe guter Wirtschafts- und Strukturpolitik des Landes Baden-Württemberg.