Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Wenn Sie aber einmal schauen, was wir von den Beschlüssen des Innovationsrats in den letzten drei Jahren schon alles um gesetzt haben – Herr Professor Messerschmid hat das auch geschildert –, dann zeigt sich, dass bereits erhebliche Teile umgesetzt wurden. Selbstverständlich wird das, was bislang darüber hinaus noch angedacht wurde, ebenfalls umgesetzt; das ist doch gar keine Frage. Auch in diesem Bereich sind wir in den letzten Jahren massiv vorangekommen. Das bestätigen Ihnen übrigens auch McKinsey und das IAW in ihrer Analy se für dieses Land. Genau diesen Weg werden wir weiter be schreiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Richtig ist übrigens auch – um das auch einmal beiläufig zu erwähnen –, dass Baden-Württemberg die niedrigste Schul abbrecherquote in der ganzen Bundesrepublik Deutschland hat.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: So ist es!)

Trotzdem möchte ich, dass diese Quote noch weiter sinkt. Da stimmen wir überein.

Aber reden wir noch einmal über das, was wir machen und wogegen Sie ständig angehen. Meine Damen und Herren, vor hin habe ich beschrieben, dass wir in diesem Wirtschaftsraum eine ausgeglichene Struktur haben, wie es sie in keinem an deren Bundesland gibt. Dies liegt zum einen daran, dass wir im tiefsten ländlichen Raum Unternehmen haben, von denen andere Länder maximal träumen. Wenn Sie irgendwo in Süd baden, im Schwäbischen, im Hohenlohischen oder wo auch immer im tiefsten ländlichen Raum unterwegs sind, stoßen Sie auf eine nicht unerhebliche Zahl von Weltmarktführern und auf eine unglaubliche Zahl von tollen Unternehmen, die hochgradig innovativ sind. Das ist doch Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn Sie das betrachten, erkennen Sie: Das liegt natürlich maßgeblich an einer unglaublichen Kraft und einer unglaub lichen Quantität, an tollen Unternehmen und Unternehmern, die mit einem unglaublichen Maß an Innovation diese Unter nehmen voranbringen.

Aber bei allem Respekt, es liegt natürlich auch ein Stück weit an dem, was die Politik in den vergangenen Jahrzehnten ge nau für diesen ländlichen Raum gemacht hat,

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die Fachkräfte fehlen! Das ist un glaublich!)

und zwar beim Thema Verkehrsinfrastruktur, aber vor allem auch beim Thema Bildung.

Reden wir jetzt einmal darüber, was wir beim Thema Bildung machen, was von Ihnen immer verhindert und miesgemacht

wird, und darüber, was wir in den nächsten Jahren im ländli chen Raum weiterhin vorantreiben wollen.

Nehmen Sie als Erstes einmal das Thema Grundschule. Ge hen Sie einmal in das gelobte Land Nordrhein-Westfalen – ich kenne mich dort aus familiären Gründen ein klein wenig aus –, und schauen Sie einmal, was die aktuelle Landesregierung dort im Moment macht, was auch in den letzten Jahren ge macht wurde, wenn es z. B. um das Thema Grundschule geht.

In anderen Ländern wurden die Grundschulen im ländlichen Raum aufgelöst. Ich sage: Die Grundschule bleibt in BadenWürttemberg in genau der kleinen Größe erhalten – kurze Bei ne, kurze Wege –, weil man im ländlichen Raum Bildung und Grundschule braucht, meine Damen und Herren. So sieht es in Baden-Württemberg aus.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Norbert Zeller SPD: Wo sind sie aufge löst worden?)

Wir führen die Bildungshäuser sukzessive überall ein. Am En de des Jahres werden wir in Baden-Württemberg über 100 Bil dungshäuser haben. Die Kindergärten – dort sind 96,5 % al ler Kinder „unterwegs“ – gibt es in dieser Art sonst fast nir gends in Deutschland.

Zum Thema Betreuung, das wir, weil wir da Nachholbedarf haben, in höchster Geschwindigkeit voranbringen: Ziel ist ei ne Betreuungsquote von 34 % bis zum Jahr 2013, und wir för dern das mit 165 Millionen € freiwilliger Leistung des Lan des bis tief in den ländlichen Raum.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das zahlen die Kommu nen!)

Wir stehen zu dieser Aussage auch in der Wirtschaftskrise, während andere gefragt haben: Müssen wir das jetzt machen? Können wir das machen?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Unglaublich!)

Wir sind auf dem Weg, dass die frühkindliche Bildung für Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren nirgendwo so gut funktioniert wie in Baden-Württemberg, und wir werden das vollenden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zu ruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Mich stört es einfach, wie hier vorgegangen wird. Deshalb ha be ich vor, in den nächsten fünf Monaten quer durch das Land nicht darüber zu reden, was wir nicht wollen – das machen Sie; dafür sind Sie zuständig –,

(Heiterkeit der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

sondern darüber zu reden, was in diesem Land gut läuft und was wir gerade mit Blick auf den ländlichen Raum vorhaben – mit allen Konsequenzen für die nächsten Jahre, mit Blick auf die Frage: Wie kann Baden-Württemberg auch im Bil dungsbereich in eine exzellente Zukunft gehen?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da müssen Sie aber Gas geben! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Kein anderes Land in Deutschland gibt im Moment gemessen am Landeshaushalt so viel für Bildung aus wie Baden-Würt temberg,

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Ineffizient! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

nämlich rund 45 % für zwei Häuser: Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie Kultus, Jugend und Sport. Wir stellen 4 500 Lehrer zusätzlich ein. Während andere Länder bei zurückge henden Schülerzahlen Lehrerstellen abbauen, stellen wir bei zurückgehenden Schülerzahlen neue Lehrer ein. So sieht rich tige Bildungspolitik in Deutschland aus. Hören Sie deshalb auf, es immer madig zu machen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Rechtzeitig vor der Landtagswahl!)

Wenn es um Bildung geht, reden wir mit Blick auf die Wirt schaft auch einmal darüber, wie wir den Fachkräftemangel in den nächsten Jahren bewältigen können. Meine Damen und Herren, den Fachkräftemangel gibt es, und es gibt ihn bei uns deshalb in besonderem Maß und steigender Tendenz, weil wir wirtschaftlich so unglaublich erfolgreich sind, weil bereits jetzt schon wieder die Phase anfängt, in der die Wirtschaft in deutlichem Umfang zusätzliche Fachkräfte nachfragt. Das würde sie nicht machen, wenn sie in einem Bundesland un terwegs wäre, in dem es nichts zu arbeiten gibt. Vielmehr macht sie es deshalb, weil sie Gott sei Dank so überdurch schnittlich erfolgreich ist und deshalb verstärkt Fachkräfte braucht.

Deshalb sage ich auch ganz offen: Wir müssen auch mit der Wirtschaft reden, wie wir noch besser – ich bin der Überzeu gung, wir sind auf gutem Weg; der Anteil älterer Fachkräfte hat sich bereits deutlich vergrößert – und in noch größerem Maß ältere Fachkräfte länger und noch intensiver in den Ar beitsprozess einbinden können.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Es gibt ein Potenzial, reich an Erfahrung, das wir in Zukunft noch besser nutzen müssen, als es bisher der Fall war. Darin sind wir uns vermutlich einig. Dafür können wir eine ganze Menge tun.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Peter Hofelich SPD: Jetzt sind wir uns bei der Rente mit 67 einig!)

Dann reden wir aber auch über das Thema „Integration und Zuwanderung“. Davon ist in diesem Gutachten nämlich auch die Rede. Auch dazu bekommen Sie von mir eine klare Aus sage – und zwar wohlgemerkt vor der Wahl; ich hätte von Ih nen zu diesem Thema auch gern einmal vor der Wahl eine kla re Aussage.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich möchte – damit dies klar ist – in drei Stufen vorgehen. Ers tens möchte ich alles dafür tun, dass möglichst alle jungen Menschen, die in diesem Land sind, unabhängig von ihrer so zialen Herkunft das bestmögliche Maß an Bildung erhalten

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das bekommen sie aber nicht!)

und wir dadurch so viele Fachkräfte wie möglich in BadenWürttemberg bekommen. Das ist die erste Stufe.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Die zweite Stufe – damit beschäftigt sich die Enquetekom mission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufli che Schulen, Aus- und Weiterbildung“ in hohem Maß – muss sein, dass wir auch jene, die noch nicht in diesem Stadium sind, aber schon im Arbeitsprozess stehen, so aus- und wei terbilden, dass wir auch daraus ein möglichst großes Potenzi al zur Gewinnung von möglichst vielen Fachkräften schöpfen können. Das ist die zweite Stufe.

Nun kommt die dritte Stufe, meine Damen und Herren. Die se Stufe ist klar. Wenn es nach den ersten beiden Stufen noch eine Differenz in quantitativer Hinsicht gibt und wir zusätzli che hoch qualifizierte Arbeitskräfte von außerhalb Deutsch lands brauchen, dann ist doch klar, dass man eine Regelung finden kann und muss, um dies entsprechend umzusetzen.

Nur, meine Damen und Herren: Eines ist mit uns nicht mehr möglich, nämlich den Fehler der vergangenen 30 Jahre zu wie derholen, der u. a. deshalb begangen wurde, weil es vermeint lich nicht opportun war, manches Thema in Deutschland an zusprechen. Ich spreche es an, wenn ich sage: Diese dritte Phase muss dadurch zustande kommen, dass wir qualifizier te Arbeitskräfte nach Deutschland holen können, wenn wir sie brauchen, dies aber nicht durch Zuwanderung in die Sozial systeme, sondern durch Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Das ist das richtige Credo, das wir in Deutschland brauchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir können gern einmal darüber reden, ob wir da noch immer auf der gleichen Wellenlänge funken. Denn das, was ich von Ihnen in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten dazu gehört habe, sieht ein klein wenig anders aus. Sie halten das Thema schön hinter dem Berg – wir alle wissen, warum –, aber ich erwarte von Ihnen auch zu diesem Themenbereich einmal eine klare Aussage.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Wenn Sie dies sehen, meine Damen und Herren, dann ist es, glaube ich, auch richtig: Wir können und müssen in diesem Zusammenhang ohne Schaum vor dem Mund über Integrati on reden. Ich bin dafür, dass wir hier möglichst viele Men schen aufnehmen, die hierher wollen, die sich unserer Gesell schaftsform auch entsprechend zuneigen und bestimmte Spiel regeln einhalten. Das gilt insbesondere auch für die Fachkräf te, die ich gerade genannt habe.

Aber wie in jedem anderen Land auf dieser Erde muss auch der Umkehrschluss gelten dürfen: In Bezug auf den, der hier herkommt und sich nicht integrieren will und sich auch nicht integrieren lassen will, muss es auch möglich sein, dass wir sagen: Das akzeptieren wir in Deutschland nicht. Daraus müs sen wir auch die konkreten Konsequenzen ziehen dürfen, mei ne Damen und Herren. Das gehört auch zur Diskussion.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)