Es hat 15 Jahre gedauert, Herr Wirtschaftsminister, bis im Wirtschaftsministerium ein Clusterreferat eingerichtet wurde.
Wenn Sie in dieser Geschwindigkeit fortfahren, dann sind Sie längst im verdienten Ruhestand, bevor Sie an eine Umsetzung denken können.
Wenn es um Innovationsförderung geht, kommt wieder zum Ausdruck, dass Sie sich hinter statistischen Durchschnittswer ten verstecken. Natürlich ist der Anteil, der in diesem Bereich gemessen an der Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg ausgegeben wird, hoch. Der Anteil liegt über 4 %. Das ist klas se. Nehmen wir aber den Beitrag der Wirtschaft heraus und betrachten die öffentliche Forschung, dann befinden wir uns im Bundesdurchschnitt. Nun kann der Wirtschaftsminister sa gen: „Klasse, wenn die Wirtschaft so viel tut, dann muss es der Staat nicht tun – Subsidiaritätsprinzip.“ Wenn man aber einmal betrachtet, welche Teile der Wirtschaft hierzu beitra gen, stellt man fest, dass dies die großen Unternehmen, ins besondere im Automobilsektor, sind.
Die Wirtschaftsförderpolitik in Baden-Württemberg ist doch darauf auszurichten, den Nachteil auszugleichen, den die klei nen und mittleren Unternehmen gegenüber den großen Unter nehmen haben. Denn die kleinen und mittleren Unternehmen haben keine großen Forschungsabteilungen. Deshalb ist doch die Frage, wie wir sie da unterstützen können. Genau auf die sen Punkt zielen all die Gutachten. Dazu gibt es auch den Vor schlag des Kollegen Prewo, an den Hochschulen Forschungs häuser als Schnittstellen zwischen dem Wissen, das dort vor handen ist, und der Industrie, insbesondere der mittelständi
schen Industrie, einzurichten. Wir haben das vorgeschlagen. Wir sind dafür, Sie sind dagegen. Das ist Fakt in Baden-Würt temberg.
Der zweite Punkt ist – insbesondere wenn man an die ver schärften Regeln denkt, die aufgrund von Basel III zu erwar ten sind – die Finanzierung des Mittelstands. Wir haben es in der Krise angesprochen. Wir haben darauf hingewiesen, dass wir da andere Instrumente brauchen als den klassischen Bank kredit. Dies wird sich unter Basel III noch verschärfen.
Ich bin sehr dafür, Herr Ministerpräsident, dass wir ein offe nes Gespräch darüber führen, was wir in Baden-Württemberg mit unseren Mitteln, auch den Mitteln unserer Banken, tun können, um der mittelständischen Industrie den Weg zu eröff nen, den die Großen gehen können, nämlich den Weg an der Bank vorbei direkt auf den Kapitalmarkt, um die Bedingun gen von Basel III zu umgehen. Das ist der Punkt.
Allein können sie das nicht. Also wäre es doch eine zwingen de Aufgabe mittelstandsfördernder Politik in Baden-Württem berg, zusammen mit unseren Banken über Finanzierungsins trumente nachzudenken, um auch dem Mittelstand in BadenWürttemberg diesen Weg zu eröffnen, um vor allem länger fristige Finanzierungen darstellen zu können, die unter Ba sel III immer schwieriger werden.
Sie haben ein Thema angesprochen, das mit der Agenda 2010 zusammenhängt. Übrigens umfasst die Agenda 2010 mehr als Hartz IV.
Die Agenda 2010 beinhaltet ein großes Programm zum Aus bau von Ganztagsschulen. Wir erinnern uns noch daran: Als in Berlin angekündigt wurde,
dass vom Bund Mittel zur Verfügung gestellt werden – ich glaube, es waren insgesamt über 4 Milliarden € –, um Ganz tagsschulen voranzubringen,
hat die damalige Kultusministerin, Frau Schavan, gesagt: „Dieses Geld nehmen wir nicht. Ganztagsschulen brauchen wir in unserem Land nicht.
Wir wollen die Kinder nicht so lange in Ganztagsschulen von ihren Familien fernhalten. Das ist nicht unsere Politik.“ Die Halbwertszeit war relativ gering.
Aber was bis heute andauert, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass Sie noch immer ein zwiespältiges Verhältnis zu Ganz tagsschulen haben, dass Sie noch immer nicht – –
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nein! Wir wollen keine Zwangsganztagsschulen! – Lachen bei der SPD – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das sind doch wieder Kampfbegriffe!)
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Entlarvend! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben aber Schulpflicht! Das ist auch Zwang!)
(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen haben wir z. B. Hausaufgabenbe treuung! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Ich sage Ihnen eines: Meine Zwillinge sind seit einem Jahr aus der Grundschule. Sie hatten keine Chance, auf eine Ganz tagsschule zu kommen; sie haben jetzt übrigens auch keine Chance auf eine andere Ganztagsschule. Jetzt sage ich Ihnen einmal, was in Baden-Württemberg los ist: Im Bundesdurch schnitt gibt es im Grundschulbereich viermal so viele Ganz tagsschulen als Angebotsschule wie in Baden-Württemberg. Ich will verdammt noch einmal das Angebot, nicht den Zwang. Aber Sie verweigern den Eltern das Angebot. Das ist doch der Punkt.
Jedes Unternehmen sagt Ihnen: Im Kindergartenbereich ist die Situation noch in Ordnung. Solange die Kinder im Kin dergarten sind, funktioniert es mit der Mitarbeit der Eltern, insbesondere der Frauen. Da funktioniert das einigermaßen; das ist okay. Aber das Problem beginnt, wenn die Kinder dann in die Schule wechseln – weil Sie sich weigern, richtige Ganz tagsschulen einzurichten. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, Ganztagsschulen ins Schulgesetz von Baden-Württem berg aufzunehmen, weil Sie das noch immer nicht richtig wol len.
Wir wünschen uns eine ganz normale, rationale Haltung zu dieser Frage; wir wünschen uns, dass Sie Ihre Ideologie bei seiteschieben.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die ersten 15 Jahre in der Ganztagsschule und danach in einer Pflegeein richtung! Das ist Ihr Ziel! – Lebhafter Widerspruch bei der SPD und den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Oh, Herr Zimmermann! Mein Gott! Wiederho len Sie das noch einmal, damit es auch wirklich im Protokoll steht! Noch einmal für’s Protokoll! – Wei tere Zurufe – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Ich hoffe, Ihr Zuruf kommt ins Protokoll; ansonsten können Sie ihn noch einmal wiederholen. Diese Aussage ist bezeich nend; ich finde sie eigentlich klasse.
Weiter haben Sie das Thema „Rente mit 67“ angesprochen und gesagt, die SPD verlasse eine in der Großen Koalition ge meinsam gefundene Linie. Herr Mappus, ich empfehle einen Blick in das Gesetz, das wir – CDU und SPD – gemeinsam beschlossen haben.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Kann er lesen? – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das kann nichts gewesen sein!)
Im Gesetz steht, dass es, bevor die erste Stufe der Rente mit 67 erfolgt, einen Blick auf den Arbeitsmarkt geben muss und dass untersucht werden muss, wie die Beschäftigungssituati on der Älteren vor Einführung der Rente mit 67 ist. Okay. Das machen wir. Wir handeln nach dem Gesetz.
Schauen wir nun einmal, wie viele der 60- bis 65-Jährigen noch in Arbeit sind. Wie viel Prozent der Menschen sind das?