Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Unter dem Strich geht es deshalb nicht darum, Herr Mappus, das Land schlechtzureden. Das macht niemand.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Veronika Netzham mer CDU: Oft genug! – Abg. Peter Hofelich SPD: Wir jedenfalls nicht! – Zuruf des Abg. Karl Zimmer mann CDU)

Das hätten Sie gern. Aber es geht auch nicht darum, in Jubel auszubrechen und die Augen vor den echten Herausforderun gen, die wir haben, vor den Problemen und vor den Sorgen vieler Menschen zu verschließen.

Denken Sie einmal daran, dass heute im Gegensatz zu früher nur eine Minderheit – weniger als 20 % – noch glaubt, dass der Satz stimmt: „Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es mir auch gut.“ Früher hat eine große Mehrheit gesagt: „Dieser Satz stimmt.“ Heute sagt nur noch eine Minderheit, dieser Satz sei richtig.

Daran sieht man doch, dass es auch in Baden-Württemberg Menschen gibt, die Sorgen haben, die ernst genommen wer den wollen – Eltern, die sehen, dass ihre Kinder Probleme ha ben, in eine berufliche Ausbildung zu kommen, und Men schen, die in Arbeit sind, deren Arbeitsplatz aber unsicher ist, Menschen, die in Arbeit sind und von dieser Arbeit am Ende des Tages nicht leben können. Diese Sorgen, liebe Kollegin nen und Kollegen, sollten Sie sowie Herr Mappus und die Landesregierung ernst nehmen. Darüber sollten Sie mit uns diskutieren und sollten nicht einfach mit Ihren Statistiken da rüber hinweggehen. Das ist eine billige Methode, aber keine verantwortliche Politik.

(Beifall bei der SPD)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsord nung erhält Herr Fraktionsvorsitzender Hauk das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Die von der CDU beantragte Debat te zum Thema „Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg: Ba den-Württemberg – Motor für Deutschland, Deutschland – Motor für die Welt“ scheint auch bei der Opposition reges In teresse gefunden zu haben.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Ins Schwarze ge troffen!)

Das ist schon einmal erfreulich, weil man in den vergangenen Wochen und Monaten meinte und meinen konnte, es gebe für die Opposition nur noch ein Thema, aus dem sie für sich ver mutlich den denkbar meisten Honig saugen würde.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was soll denn das?)

Es ist so.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das muss man doch einmal festhalten.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Das darf man doch sagen! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Schließlich tritt Herr Kretschmann hier ans Rednerpult und spricht in etwa davon, den in Baden-Württemberg erreichten Stand müsse man ja anerkennen. Aber das Ganze sei noch von der rot-grünen Bundesregierung angetrieben worden, indem sie auf klare umweltpolitische und Klimaschutzziele gesetzt habe. Herr Kollege Kretschmann, Sie sagen, die Landesregie rung betreibe im Bereich der Forschung eine falsche Investi tionspolitik, weil sie nicht in die dynamischen Sektoren – so Ihre Wortwahl –, sondern nur in die Altsektoren investiere.

Lieber Herr Kretschmann, was Ihre Dynamik angeht, muss man sagen: Es handelt sich um eine rein ideologiegeprägte Dynamik.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Denn in Ihren Augen findet vermeintliche Dynamik nur in den Sektoren statt, die Sie gerade für gut erachten. Aber wahr ist doch: Dynamik im Bereich des Baus von Windkraftanlagen hätte es nie gegeben, wenn der Maschinenbau in diesem Land nicht eine so massive Stellung innerhalb der Cluster gehabt hätte. Die Weiterentwicklung wäre gar nicht vonstattengegan gen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Wahr ist: Dynamik im Bereich der Fotovoltaik hätte es nie ge geben, wenn bei uns in diesen Sektoren nicht schon immer und von vornherein Grundlagenforschung vorhanden gewe sen wäre.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Das gilt auch für die anwendungsorientierte Forschung.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wahr ist auch – dies blenden Sie aus –, dass es gerade in un seren klassischen Industriebereichen – Maschinenbau, Elek trotechnik, Automobilbau, um nur einige zu nennen; ich könn te z. B. auch noch Chemie nennen – in den letzten drei, vier Jahren die weitaus größte Dynamik gab. Warum? Weil genau diese Sektoren nicht stehen geblieben sind, sondern sich auch anhand neuer umweltpolitischer und neuer wirtschaftspoliti scher Rahmenbedingungen und vor allem auch neuer Wettbe werbsbedingungen in einer globalisierten Welt genau dieser Dynamik gestellt haben.

Das Fahrzeug aus dem Jahr 2010 – beim heutigen Automo bilbau – ist doch nicht mehr mit dem Fahrzeug aus dem Jahr 1990 oder aus dem Jahr 2000 vergleichbar.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Das gilt für alle Facetten. Halten Sie der Landesregierung doch nicht vor, sie hätte in den letzten Jahren überall dort Ver säumnisse begangen. Wo kommen denn die Fachkräfte im FuE-Bereich derzeit her? Noch immer weit überwiegend ge nau aus unserem Land. Wo werden die Ingenieure, die Ma schinenbauer etc. denn ausgebildet? Doch überwiegend in die sem Land. Wer hat denn bundesweit den besten Ruf? Wo ha ben wir die besten Kapazitäten? Dabei denke ich insbeson dere an die Weiterentwicklung der Technischen Universität Karlsruhe und des Forschungszentrums Karlsruhe im vergan genen Jahr. Wo haben wir denn die besten Startvoraussetzun gen geschaffen? Das ist Infrastruktur für die Zukunft. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Im Gegensatz zu Ihnen geht es uns nicht darum, eine gängeln de Industriepolitik zu machen. Vielmehr vertrauen wir auch auf die Wettbewerbskräfte des Marktes. Das ist wahr. Wir ver

trauen auch auf Standards, die wir im Interesse des Klima schutzes setzen. Wir setzen sie aus eigenem Interesse und nicht deshalb, um die Wirtschaft anzuspornen, in diese Sek toren noch mehr zu investieren. Denn wir wissen, dass es vie le Verlierer gäbe, wenn das der einzige Antrieb wäre. Wir set zen sie deshalb, weil die Volkswirtschaft und wir als Men schen diese Standards wollen und brauchen.

Es ist aber auch klar, dass Wettbewerb und Wettbewerbssitu ationen in einer globalisierten Wirtschaft keine Zukunft ha ben, wenn sie allein von staatlichen Standards abhängig sind. Sie hingegen frönen noch immer Ihrer Vorstellung von einer national fest abgegrenzten Volkswirtschaft, in der Sie allein Standards bestimmen und setzen können, nach denen sich al le zu richten haben, und meinen, dies werde am Ende über haupt keine Auswirkungen haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was soll denn das? So ein Käse!)

Davon hätten Sie sich im Prinzip schon vor 20 Jahren verab schieden müssen, Herr Kollege Kretschmann. Sie haben den Prozess der Globalisierung nach der Wiedervereinigung und dem Zusammenbruch der planwirtschaftlichen Wirtschafts systeme offensichtlich nicht mitgemacht. Das scheint mir ziemlich klar zu sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Lachen der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Sie sagen, wir müssten die Infrastruktur weiterentwickeln. Ja, natürlich. Ich sage: Neben der Frage der Ausbildung und Bil dung der Menschen sowie der Forschung und Entwicklung ist die zweite große Baustelle in einem Land, das der Staat ge stalten kann, seine Infrastruktur in allen Sektoren.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Dann machen Sie mal!)

Herr Prewo beklagt mit Krokodilstränen eine geringe Inves titionsquote des Bundes in Baden-Württemberg,

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Nein, des Landes!)

vergisst aber, dass seine Partei über elf Jahre lang Verantwor tung in der Bundesregierung trug und immer den verantwort lichen Bundesverkehrsminister in diesem Land gestellt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Prewo, die Krokodilstränen sollten Sie über die Vielzahl der Verkehrsminister weinen.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Sie kriegen es doch nicht hin!)

Die geringe Kontinuität in diesem Amt zeigt aber auch, wel che Bedeutung Sie dieser Thematik beigemessen haben. Aber sei’s drum.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Ge genruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die In frastruktur ist mit das wichtigste und das zentrale Thema. Über ein paar Dinge sind wir uns doch wahrscheinlich einig.

Natürlich brauchen wir mehr Geld. 20 Jahre nach der Wieder vereinigung müssen wir in guter Solidarität Mittel wieder in den Westen zurücktransferieren, vor allem auch in den Süd westen der Bundesrepublik. Nach dem Aufbau Ost brauchen wir jetzt den Ausbau Südwest. Das ist gar keine Frage.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Was den Straßenbau angeht, sind wir uns mit der SPD weit gehend einig. Bei den Grünen aber ist Funkstille angesagt.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Im Gegenteil!)

Sie werden sich nicht vollständig vom Thema Mobilität ver abschieden können, aber auch dabei bin ich mir nicht ganz si cher. Herr Kretschmann, ich bin mir nicht ganz sicher, was die Grünen eigentlich denken. Da kommt der seriöse Herr Kretschmann und erzählt uns ein paar Storys. Morgen kommt irgendein Überflieger und Hereinflieger aus Berlin namens Özdemir, der uns andere Storys erzählt. Dann kommt irgend ein bahnfeindlicher Oberbürgermeister aus der Nachbarschaft,