Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das findet auch durch die anderen Kinder statt!)

Bitte, Herr Minister.

Was die Fördermaßnahmen angeht: Ich hatte immer gehofft, dass man irgendwann einmal zur Kenntnis nimmt, dass wir eben in den Raum gestellt ha ben: Wir werden nicht nur die Diagnose stellen, sondern wir werden auch die Therapie bezahlen. Gegenwärtig liegen die Therapiekosten für die Sprachförderung bei 10 Millionen €.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Die Sprachförderung und die Diagnose haben wir zunächst mit der Landesstiftung durchgeführt, weil dies sinnvoll war. Die Landesstiftung hatte ein Programm „Sag’ mal was“, bei dem sie genau solche Tests und eine solche Förderung – –

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Sie hätten es vielleicht noch zehn Jahre lang evaluiert. Das hätte mir aber zu lange gedauert.

Wir haben gesagt, dass wir es zunächst mit der Landesstiftung machen, weitere Erfahrungen sammeln und es dann landes weit ausdehnen wollen. Wir haben Punkt für Punkt Wort ge halten. Sie hingegen haben gesagt: Ihr könnt das doch nicht ewig über die Stiftung machen. Daraufhin haben wir gesagt: Na gut, vielleicht machen wir es nicht ewig über die Stiftung. Aber es ist sicher sinnvoll und richtig, es zunächst einmal über die Stiftung zu machen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Wir sind Schritt für Schritt gegangen. Es ist aber schon klar, dass Ihnen irgendetwas Kritisches einfallen muss; denn das ist Ihre Aufgabe. Es kann dann natürlich auch sein, dass Sie ein überzogenes Konzept auf den Tisch legen. Natürlich kann man Kinder vom ersten Tag an begleiten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Muttersprache wird gelernt!)

Dies ist übrigens in erster Linie Aufgabe der Eltern. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Oh!)

In dieser Hinsicht kann man eine Menge tun. Man kann die frühkindliche Förderung ausbauen. Das werden wir auch tun.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Aber nicht mit einer Grup pengröße von 28 Kindern!)

Aber ich sage Ihnen eines: Wir können froh sein, dass wir – dies leistet nach meiner Kenntnis außer Nordrhein-Westfalen kein anderes Bundesland – die letzten anderthalb Jahre der Vorschulzeit nutzen. Anderthalb Jahre sind im Leben eines Kindes eine lange Zeit.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: So früh wie möglich! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Interessant, wie viele Grüne dieses Thema interessiert! Nicht einmal die eigene Fraktion ist da!)

Wenn es nach Ihnen ginge, hätten wir heute noch nicht ein mal einen Sprachtest.

Wir nutzen diese anderthalb Jahre, um die Kinder vorzuberei ten.

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Bauer?

Ja.

Bitte, Frau Abgeordne te.

Niemand scheint Hunger zu haben.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ich schon! – Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sehr lustig!)

Herr Minister Goll, Sie spra chen gerade von der Landesstiftung und lobten die Sprachför dermaßnahmen der Landesstiftung. Ist Ihnen bekannt, dass die Landesstiftung ihre Sprachförderprogramme mit zwei un abhängigen Evaluationen, zum einen von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und zum anderen von der Pädagogi schen Hochschule Weingarten, selbst evaluiert hat und dass man in diesen beiden Evaluationen zu dem Ergebnis gekom men ist, dass die Kurse, die die Landesstiftung selbst angebo ten hat, in ihrer Reichweite nicht ausreichend sind, sondern dass man Sprachförderung anders betreiben muss, nämlich von Anfang an und integriert in das Alltagsleben des Kinder gartens? Sind Ihnen diese Studien bekannt?

Stimmen Sie nicht überein mit den Forderungen, die auch die Kollegin Lösch gestellt hat, dass man deswegen Sprachförde rung nicht auf Extrakurse in der Schlussphase des Kindergar tens reduzieren darf, sondern sie systematisch von Anfang an in das Kindergartengeschehen integrieren muss?

(Zuruf: Sehr gute Frage! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ab wann? Ab dem 14. Lebenstag?)

Herr Minister.

Diese Untersuchungen sind mir auch bekannt. Sie sind aber nach meiner Kenntnis im Nachgang kräftig relativiert worden.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Aber nur von der Landes regierung!)

Vor allem sage ich Ihnen aber eines: In dieser Debatte verlas se ich mich gelegentlich auf den ganz pragmatischen Ansatz des gesunden Menschenverstands. Das empfehle ich Ihnen übrigens dringend im Zeitalter der Gutachter.

(Vereinzelt Beifall – Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Von Gutachtern werde ich beispielsweise mit der Theorie kon frontiert, dass Migranteneltern mit ihren Kindern am besten nicht reden, weil sie es ihnen falsch beibrächten.

(Heiterkeit der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Selbst so etwas verzapft jemand ernsthaft.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Die Landesstiftung z. B.!)

Sie wissen, dass diese Theorie ernsthaft im Raum steht. Jeder, der Kinder hat, weiß aber genau, dass sie die Fehler hinterher schnell wieder ausbügeln und dass es natürlich gut ist, wenn die Eltern mit ihren Kindern reden.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Liebe Frau Bauer, genauso sagt mir mein Verstand: Besser als nur zu warten, zu dokumentieren und zu beobachten, wie Sie es vorhin gesagt haben, ist es, die Kinder im Kindergarten ge zielt anderthalb Jahre lang zu fördern.

Jetzt müssen Sie mir darlegen, dass die 10 Millionen € nichts nützen, die wir für Erzieherinnen und Erzieher und qualifi zierte Fachkräfte einbringen. Sagen Sie mir das bitte.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Lesen Sie die Evalu ation, und reden Sie nicht vom gesunden Menschen verstand!)

Sagen Sie mir, dass das nichts nützt. Ich hätte gern den Ge genbeweis von Ihnen, dass es nichts nützt, wenn wir 10 Mil lionen € – die Tendenz ist übrigens steigend – in die Hand neh men und Erzieherinnen und Erzieher und spezielle Kräfte im Kindergarten beauftragen, die Kinder anderthalb Jahre lang acht Stunden in der Woche gezielt zu fördern. Es wird mir doch niemand erzählen, dass das nichts nützt. Natürlich wird es etwas nützen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Albrecht Fischer CDU: Die hören nicht einmal zu!)

Außerdem brauchen wir die Eltern. An dieser Stelle möchte ich wenigstens ein baden-württembergisches Leuchtturmpro jekt ansprechen. Wir wollen noch viel gezielter als bisher die Eltern von Migrantenkindern ansprechen, um sie in das Bil

dungsgeschehen hineinzulocken, um sie zu interessieren und um sie zu informieren. In der vergangenen Woche hatten wir hierzu wieder einen gut besuchten Elterntag, der sehr erfreu lich verlaufen ist. Am meisten freue ich mich über ein Projekt der Nachhaltigkeitsstrategie. Von den Vorrednern ist es auch schon genannt worden. Wir werden versuchen, landesweit die besten Modelle in der Praxis auszubreiten, die aufzeigen, wie man an die Eltern herankommt und die Eltern ein bisschen da zu bewegt, sich zu informieren und etwas für die Bildung ih rer Kinder zu tun.

Das ganze Problem der mangelnden Schulfähigkeit betrifft übrigens nicht nur Familien mit Migrationshintergrund,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

sondern zu einem Viertel bis zu einem Drittel auch Kinder oh ne Migrationshintergrund. Diese sind natürlich in all diese Programme eingeschlossen.

Sie wissen, dieses Netzwerk können wir mithilfe der Robert Bosch Stiftung und mithilfe der Breuninger Stiftung bilden. Wir haben hierzu einen gemeinnützigen Verein gegründet. Das ist eine einmalige Sache und natürlich auch eine vorbildliche Sache im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Mittlerweile sind bereits 21 Beraterinnen am Werk, die nichts anderes machen, als solche Initiativen ins Leben zu rufen, die sich mit der Frage befassen: Wie bringen wir die Eltern in den Dialog?