Ulrich Goll

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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ein paar Anmerkungen von mir zu dieser Zwischenbilanz, lieber Herr Stickelberger. Wir haben so etwas übrigens vor fast genau fünf Jahren zum Ende der letzten Legislaturperiode auch schon gemacht. Da mals war es auch nur eine Zwischenbilanz. Ich fürchte für Sie, lieber Herr Schattenminister, dass es auch diesmal nur eine Zwischenbilanz ist.
Jedenfalls kann diese Bilanz nur eines ergeben: Die Justiz ist in einem guten Zustand.
Sie ist zunächst aufgrund ihrer guten Ausstattung in einem gu ten Zustand. Da können Sie sicher jeden in der Justiz fragen.
Den müssen Sie mir erst noch bringen, der das anders sieht.
In diesem Fall wird es schwierig sein, selbst einen Einzigen zu bringen, der sagt, die Justiz in Baden-Württemberg sei schlecht ausgestattet.
Besonders im Bereich moderner Kommunikationstechnik sind wir vor Jahren in einer wegweisenden Art dazu übergegan gen, das Ganze auf dritte Partner zu verlagern. Das ist übri gens in vielen Bereichen völlig selbstverständlich. Seitdem haben wir für unsere Justiz bundesweit – das darf man durch aus sagen – die beste Ausstattung im Kommunikationsbereich.
Wir haben in der Justiz gutes Personal. Das verdanken wir ei nem Personalauswahlsystem, das durch zwei Dinge gekenn zeichnet ist:
Erstens: Nur die Qualität spielt eine Rolle, nichts anderes.
Dabei muss es bleiben. – Das ist nicht selbstverständlich. Hinsichtlich der Auswahl könnte man auf alle möglichen Ar ten politisieren, auch im Sinne eines Proporzes, dass man sagt: Jeder bekommt soundso viele Plätze. Das alles gibt es aber nicht. Vielmehr erfolgt die Personalauswahl nur nach dem Kri terium, dass wir wissen: Wir haben die Leute vielleicht 40 Jah re lang, und wenn wir die falschen ausgewählt haben, dann haben wir ein Problem. Es geht also nur nach Qualität.
Wir haben bekanntlich – jetzt kommt das zweite Kennzeichen – wiederum das am besten ausgebaute Mitwirkungsinstrumen tarium der Betroffenen der ganzen Bundesrepublik. Bei uns sind die Möglichkeiten, jemanden, den wir vorschlagen, end gültig abzulehnen, ausgeprägter als in jedem anderen Bundes land. Es gibt nicht einmal ein Letztentscheidungsrecht der Jus tizverwaltung. Theoretisch könnten wir 100 Vorschläge ma chen, und der Präsidialrat – sprich die Richtervertretung – könnte 100-mal Nein sagen. Wir können uns nicht definitiv durchsetzen; das wissen Sie. Das ist nach unserer Verfassung im Grunde genommen hart am Rand des rechtlich Möglichen. Sie werden sich schwertun, ein System auch nur zu erfinden, das noch mehr Beteiligung zulässt.
Ja, bitte.
Ich verstehe durchaus, dass gerade engagierte Behördenleiter, die an optimalen Ergebnis sen interessiert sind, sagen, sie hätten gern mehr Personal. Das ist ein Ruf, den man ununterbrochen aus jeder Ecke und von jeder Behörde hört. Es empfiehlt sich aber, einmal auf die Fak ten zu schauen.
Fakt ist, dass wir im Justizbereich seit Jahren kein Personal mehr abbauen und dass es weniger Delikte gibt. Um das zu wissen, hätten Sie in der letzten Zeit nur Zeitung lesen müs sen.
Nennen Sie mir einen Staatsanwalt, dessen Stelle wir abge baut hätten. Erst kürzlich haben wir zwölf neue Staatsanwäl te dazubekommen. Außerdem gibt es weniger Delikte. Ende der Durchsage. Bleiben Sie also bitte bei den Fakten.
Sie gehen mit solchen Ausdrücken um wie gestern auch Ihr Kollege Mentrup, als es hieß, da sei ein Tiefstand erreicht. In Bezug auf die Staatsanwälte wird gleich wieder von „Lügen“ gesprochen. Das ist vielleicht in Ihrer Welt der Fall. Ich habe am Anfang erklärt, warum ein guter Behördenleiter dazu neigt, nach mehr Personal zu rufen. Ich habe Ihnen dann die Fakten genannt.
Die Justiz hat, weil sie eine gute Ausstattung und gute Leute hat, gute Ergebnisse – das ist unübersehbar –, gerade was die Verfahrensdauern im Vergleich angeht. Das ist zu Recht an gesprochen worden. Die Einschränkung, die Sie meinten, ma chen zu müssen, lieber Herr Schattenminister,
nämlich dass der Präsident bei der VGH-Veranstaltung mo niert habe, dass manche Verfahren zu lange dauerten, hat er keineswegs mit der Ausstattung oder mit dem Personal be gründet. Vielmehr hat er sich im Grunde genommen direkt an seine eigenen Kollegen gewandt. Der VGH hat im Moment das Problem, dass durch die Entwicklung der Klageverfahren beim VGH eher zu viel Personal da ist. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Als guter Schattenminister müssen Sie auch einmal Schattenboxen betreiben.
Noch einige Worte zu den Reformen, die angesprochen wor den sind: Die Notariats- und Grundbuchreform war notwen dig. Sie war – um ein Wort der Bundeskanzlerin zu gebrau chen – für die Zukunft alternativlos. Ich bin froh darüber, dass wir, wenn auch für manche unter Schmerzen – ich akzeptiere das und verstehe es auch –, die Gleise für ein absolut zukunfts fähiges Notariats- und Grundbuchamtssystem gelegt haben. Da sind wir unserer Verantwortung rechtzeitig gerecht gewor den.
Nun noch wenige Worte zur Übertragung der Bewährungshil fe auf einen freien Träger. Als dieses Land gegründet wurde, lief die Bewährungshilfe selbstverständlich über freie Träger. Nach einiger Zeit ist man aber auf die Idee gekommen, dies müsse nun zu einer staatlichen Aufgabe werden. Dies nur zu der Frage, ob das nun zwingend eine staatliche Aufgabe ist oder nicht.
Tatsache ist, dass ich an dieser Stelle mehrfach gesagt habe: Nach der Reform wird es für die Betroffenen, die dort arbei ten, für die betroffenen Probanden und für die Allgemeinheit besser. Es zeichnet sich in allen Punkten ab, dass diese Re form gute Ergebnisse bringt. Sie können natürlich nun zum wiederholten Mal behaupten, es sei teurer geworden. Das ist aber natürlich blühender Unsinn.
Immer schön der Reihe nach. Die Behauptung, es sei teurer geworden, ist für mich blühender Unsinn; das sage ich gern noch einmal.
Deswegen möchte ich noch einmal ins Gedächtnis rufen, was passiert ist. Wir haben unter den wachsamen Augen des Fi nanzministeriums ausgerechnet, was eine staatliche Bewäh rungshilfe in den kommenden Jahren kosten würde. Das war das Geld, das wir zur Verfügung haben. Von diesem Geld, das dann ausgegeben wurde, hat der freie Träger mittlerweile 3,5 Millionen € zurückgegeben, weil er dieses Geld gar nicht ge braucht hat. Er hat gleichzeitig aber 40 neue Stellen geschaf fen und 300 oder sogar 400 Ehrenamtliche zusätzlich ange worben. Es ist im Grunde alles besser geworden, und es ist gleichzeitig billiger geworden als errechnet.
Nach der Modellrechnung des Rechnungshofs – das habe ich in diesem Zusammenhang nicht verstanden – hätte die staat liche Bewährungshilfe keine EDV einführen dürfen, sie hät te eigentlich all die Reformen und Verbesserungen, die wir zu Zeiten der staatlichen Bewährungshilfe zunächst vorgehabt hatten und die Sie auch immer gefordert hatten, nicht machen dürfen. Unter diesen Voraussetzungen würden die Zahlen des Rechnungshofs stimmen. Aber dann hätten Sie natürlich auch nicht die Bewährungshilfe, die Sie wollen.
Lieber Herr Kollege Zimmermann, genau so haben sie es gemacht. Deswegen ist das für mich auch nicht verständlich.
Sie haben die Vollzugsanstalt Offenburg erwähnt. Wenn ich an diese JVA denke, dann fällt mir der bekannte Ausspruch von Leo Tolstoi ein:
Um einen Staat zu beurteilen, muss man sich seine Ge fängnisse von innen ansehen.
Nach Offenburg können wir Besucher ruhig führen, und in unsere anderen Vollzugsanstalten auch. Aber gerade die Er richtung der neuen Anstalt in Offenburg war natürlich ein gro ßer Fortschritt.
Ich sage Ihnen: Diese Anstalt in Offenburg hätte es nie gege ben, wenn man nicht bereit gewesen wäre, auch einmal neue Wege zu gehen. Denn für das Offenburger Gefängnis gab es ein Gebäude in der Altstadt, in dem 80 Mitarbeiter tätig wa ren. Zur damaligen Zeit – ich würde es auch jetzt nicht emp fehlen – war es nicht möglich, einfach zu sagen: Wir richten jetzt eine Anstalt mit 500 Mitarbeitern ein, und die Kosten für das Personal können wir nach dem Motto „Aus 80 mach 240“ ganz einfach aus dem Haushalt bekommen. Das war damals nicht angesagt, und das ist auch heute nicht angesagt.
Wir haben uns überlegt, wie wir dies auf bessere Art und Wei se hinbekommen. Wir haben uns damals in Frankreich umge schaut und haben uns von dort bestätigen lassen, dass Brot backen und Wäschewaschen nicht unbedingt hoheitliche, staatliche Akte sind und dass die Aufgaben auch dadurch be wältigt werden können, dass man mit Partnern zusammenar beitet. Das hat sehr gut funktioniert.
Dabei sage ich aber schon jetzt: Ich sehe das pragmatisch; ich sehe es völlig pragmatisch. Wir haben auf diese Art und Wei se die neue Offenburger Anstalt überhaupt erst bekommen; andernfalls hätten wir sie nicht bekommen.
Das nächste Projekt wird in Rottweil sein. Da ist der Fall an ders; da haben wir vier Anstalten, aus denen wir Personal nach Rottweil bringen können.
Ich bin kein Privatisierer um der Privatisierung willen. Wir haben dies gemacht, weil es andernfalls die neue Anstalt in Offenburg ganz einfach nicht gegeben hätte.
Dann habe ich mich natürlich, lieber Herr Stickelberger, über Ihre Absage an die Selbstverwaltung gefreut. Ich hoffe, dass Sie dies demnächst dann auch fünf Jahre lang durchhalten.
Vielleicht treffen Sie diese Aussage jetzt nur, weil Sie eine Position besetzen möchten. – Ich bin aber in der Tat überzeugt, dass das System, das wir haben, die besten Ergebnisse für die Justiz bringt. Ich wundere mich immer wieder, wie sehr doch der Umstand unterschätzt wird, dass es sehr wichtig ist, auch am Kabinettstisch vertreten zu sein.
Ich kann Ihnen viele Bereiche nennen, deren Vertreter sich die Finger danach lecken würden, am Kabinettstisch vertreten zu sein. Deswegen verstehe ich die Richterschaft nicht, wenn sie besonderen Wert darauf legt, dort nicht vertreten zu sein. Da durch kann es nicht besser werden, sondern höchstens schlech ter.
Was mir in der nun ablaufenden Legislaturperiode weniger gefallen hat, ist – da möchte ich doch noch ein bisschen Kri tik anbringen –, wie manche jederzeit bereit sind, unsere Jus tiz wie die Justiz einer Bananenrepublik zu behandeln.
Das muss man klipp und klar sagen: Das habe ich nicht ein einziges Mal bei der CDU erlebt, und das habe ich auch nicht ein einziges Mal bei der FDP erlebt. Ich habe das allerdings mehrfach bei der SPD und den Grünen erlebt.
Ich kann Ihnen vielleicht noch zitieren, was mir Ihr Landesvor sitzender im Fall eines Industriellen aus dem Hohenlohischen
alles unterstellt hat: Er meinte, das sei „wie in einer Bananen republik“. Das ist aber kein Einzelfall. Bei der SPD kann man die Beispiele fast beliebig anhäufen, bei denen mir vorgewor fen wird, ich hätte entweder nichts gemacht oder zu viel ge macht, aber immer nur, um entweder jemanden zu schützen oder jemandem besonders ans Leder zu gehen. Es hieß, natür lich wäre dann für mich immer eine willfährige Staatsanwalt schaft da gewesen, die ich einmal anrufe und der ich sage: „Macht das so.“ Dann, sagen Sie, machen die das auch so.
Aber was für eine Vorstellung von Staatsanwaltschaften Sie auf der Seite der Opposition haben,
das zeigt nun wieder deutlich der Vorgang bei den Grünen,
die kürzlich gefordert haben, dass ich einen Staatsanwalt ab berufe, weil der jetzt gerade etwas macht, was ihnen nicht passt.
Was meinen Sie damit?
Ja, bitte.
In diesem Fall haben Sie völ lig recht. Wenn Sie im Gegenzug zur Kenntnis nehmen, dass ich Ihnen aus den jüngeren Jahren mindestens drei Fälle nen nen kann – ich will die Namen nicht jedes Mal wieder nen nen, weil die Namen sonst nur wieder in die Öffentlichkeit kommen –, bei denen Sie mir unterstellt haben – –
Sie fallen mir immer dann ins Wort, wenn es für Sie unan genehm wird.
Wer denn? Wer soll es denn sein?
Jedenfalls wurde zu keiner Zeit auf die Justiz Einfluss genommen. Das wissen Sie auch.
Es wurde auf die Justiz kein Einfluss genommen. Ich sage nur noch einmal: Von Ihrer Seite, von der SPD, waren die Fälle am häufigsten, in denen auf die Justiz Einfluss genommen worden sein sollte oder mir unterstellt worden ist, ich hätte auf die Justiz Einfluss genommen. Deswegen bleibe ich da bei: Sie haben manchmal den Maßstab einer Bananenrepub lik, und das sollten Sie sich abgewöhnen.
Aber das Tollste war kürzlich, als die Grünen eben einmal ge fordert haben, dass ich den Staatsanwalt abberufe, der ihnen lästig ist.
Das lässt durchaus auf ein gestörtes Verhältnis zum Rechts staat schließen.
Er macht es ja auch ganz gut.
Aber, lieber Herr Oelmayer, das lässt durchaus auf ein gestör tes Verhältnis zum Rechtsstaat schließen.
Der Abgeordnete allerdings, der diese Ablösung gefordert hat, war, wenn ich es recht in Erinnerung habe, derselbe, der vor zwei, drei Monaten hier im Landtag gesagt hat – ich zitiere wörtlich –: „Dieses Demokratiemodell
hat sich restlos verbraucht.“ Er hat offensichtlich ein anderes Modell gemeint.
Aber wer meint, dass Herr Sckerl da ein Einzelfall ist, dem sei gesagt: Aus der letzten Landtagssitzung habe ich das durchaus noch im Ohr. Ich kann Ihnen sagen, ich zitiere der zeit in jeder Rede diese beiden Kollegen, Herrn Sckerl und Herrn Wölfle.
Herr Wölfle hat in der letzten Sitzung gesagt: „Mehrheit ist nicht Wahrheit.“ Dann können wir eigentlich heimgehen. Dann können wir eigentlich aufstehen und heimgehen.
Es ist doch köstlich: Immer dann, wenn etwas kommt, was Sie nicht hören wollen, fangen Sie an, sich aufzuregen. Das ist unglaublich.
Jetzt komme ich zum Schluss.
Ich höre freiwillig auf, bevor Sie zu rote Köpfe kriegen – ob wohl es dazu passt.
Ich bedanke mich vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern in der Justiz. Ich bedanke mich aber auch beim Landtag, genauer gesagt bei denen, die den Justizhaushalt be schlossen haben, die zugestimmt haben.
Ich bedanke mich beim Finanzministerium; denn ich muss sa gen, dass es jederzeit Verständnis für unsere Belange hatte.
Meine Damen und Herren, die Justiz in Baden-Württemberg ist gut. Das soll so bleiben. Dafür wollen wir auch weiterhin etwas tun.
Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen sind Zuwanderung und Integration Bausteine zur Sicherung des Fachkräftebe darfs. Genau so lautet präzise das Thema der Aktuellen De batte, die wir heute hier führen.
Zum anderen liegt uns ein Antrag der CDU-Fraktion zu aus ländischen Fachkräften vor, zu Wissenschaftlern, die aus in ternational tätigen Unternehmen oder aus Bildungs- und For schungseinrichtungen aus dem Ausland temporär nach BadenWürttemberg entsandt worden sind.
Diese Fachkräfte sind von großer Bedeutung für das Land Ba den-Württemberg, das bekanntlich eine der wirtschaftsstärks ten Regionen in Europa ist. Es ist durch eine hohe Innova tions- und Leistungskraft, durch eine hohe Forschungs- und Wissensintensität, durch eine starke Nutzung von IuK, Kom munikationstechnologien, gekennzeichnet. Ohne jeden Zwei fel ist Baden-Württemberg ein Land auf hohem Niveau. Lie ber Herr Prewo, ohne Zweifel ist es auch bis heute attraktiv.
Aber Sie haben mit einem Hinweis recht: Schon heute haben wir ein Fachkräfteproblem. Das ist so. 65 % der mittelständi
schen Betriebe in Baden-Württemberg haben Schwierigkei ten, Fachkräfte zu finden. Das Wirtschaftsministerium hat ei ne Studie bei Prognos in Auftrag gegeben. Sie zeigt auf, wie gewaltig die Lücke ist. Wir haben gestern darüber gesprochen. Es ist richtig, dass wir dies auch heute noch einmal themati sieren.
Es klafft eine große Lücke. Im Jahr 2015 werden vermutlich schon 280 000 Erwerbstätige im Land fehlen. Im Jahr 2030 werden allein hier im Land 500 000 Erwerbstätige fehlen. In teressant ist, dass davon 45 % auf Personen entfallen, die ei ne berufliche Bildung haben, und 40 % auf Personen mit Hochschulbildung entfallen. Das verteilt sich also über das gesamte Spektrum. Am Ende betrifft das Ganze übrigens nicht nur die Hochqualifizierten, sondern es wird ganz einfach ein Arbeitskräftemangel sein.
Zu dieser quantitativen Problematik kommt noch die demo grafische Herausforderung. Der steigende Anteil der Men schen, die älter als 50 Jahre sind – die Zahlen sind bekannt; ich brauche sie hier nicht zu zitieren –, wird sich auch auf den Fachkräftebedarf bei uns auswirken. Das ist klar. Aber wir müssen auch ständig betonen, dass es nicht schlimm ist, wenn man älter als 50 oder gar 60 Jahre ist.
Dann gibt es noch Dauerbrenner, die wir schon kennen, die schon traditionell sind. Das ist der Ingenieurmangel im Land, den es schon immer gab. Dieser verringert sich zurzeit auch nicht gerade. Aber auch im Handwerk und in der Gesundheits wirtschaft gibt es einen Mangel. Es ist richtig: Wenn wir uns jetzt falsch verhalten, werden sich die Probleme noch ver schärfen. Dann werden wir in diesem Bereich ein massives Dauerproblem haben. Das wollen wir nicht.
Deswegen handelt die Landesregierung. Deswegen haben wir auch ein Konzept, um zu handeln. Dieses Konzept steht in Umrissen fest. Es wird demnächst im Kabinett behandelt. Da reden wir im Grunde genommen nur noch über Details. Es ist ein großer Irrtum, zu sagen, dass man sich dabei nicht einig wäre. Ich kann hier ganz deutlich sagen: Das Zuwanderungs konzept der Landesregierung ist – wie gesagt: als Entwurf – fertig. Es kommt demnächst ins Kabinett. Darüber gibt es ge rade innerhalb der Landesregierung keinen Streit. Vielmehr werden wir das Notwendige in großer Einigkeit tun.
Jetzt kommen wir wieder zu dem Stichwort – deswegen habe ich es vorhin genannt – „Zuwanderung und Integration“ als Bausteine. Es geht um ein Konzept aus unterschiedlichen Bau steinen. Zu diesen Bausteinen gehört Integration und gehört letztlich auch Zuwanderung. Aber man muss das Gesamte der Reihe nach betrachten.
Es geht zunächst um Potenziale, die hier im Land sind und bei denen eine Integrationsaufgabe besteht. Dieses Thema haben wir übrigens seit Jahren tatkräftig in Angriff genommen. Ich meine den Umstand, dass wir bei uns junge Leute haben, die wir noch besser qualifizieren können, als es bisher der Fall ist. Wir wollen keinen Jugendlichen verlieren. Wir brauchen je
de Einzelne und jeden Einzelnen. Da geht es um die Integra tion junger Menschen mit Migrationshintergrund. Wir wollen ihre Bildungschancen und Bildungsergebnisse weiter verbes sern. Deswegen der flächendeckende Sprachtest, deswegen die Sprachförderung, deswegen die Zusammenarbeit mit Breuninger und Bosch bei der Aufgabe, die Eltern anzuspre chen. Das ist ein ganz wichtiger Baustein im Konzept, der na türlich mit Integration zu tun hat.
Im Zusammenhang mit diesem Integrationspotenzial ist hier zu Recht auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse an gesprochen worden. Da darf man, nachdem unsere frühere Kollegin Schavan zu Recht gelobt worden ist, noch ergänzen, dass das Thema „Anerkennung ausländischer Abschlüsse“ in Baden-Württemberg auf den Weg gebracht worden ist. Dazu haben wir in den vergangenen Jahren Fachtagungen veran staltet, um die Leute wachzurütteln, gerade was die Frage nach dem Anspruch auf eine Anerkennung angeht. Dieser zeichnet sich jetzt ab. Das ist ein in Baden-Württemberg sehr früh ent decktes Thema.
Das Ganze betrifft also die Potenziale im Land und die Auf gabe der Integration, bezogen auf diese Potenziale.
Aber es geht auch noch um Punkte, die nicht unmittelbar mit Integration zu tun haben oder höchstens mit einem weit ver standenen Begriff „Integration in den Arbeitsmarkt“. Es ist zu Recht angesprochen worden: Wir müssen die Langzeitarbeits losen stärker in den Prozess zurückholen. Wir müssen den Frauen Brücken bauen, um ihnen den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Frage nach ge eigneten Kinderbetreuungseinrichtungen, die da ins Spiel kommt.
Wir wollen auf die Erfahrung älterer Arbeitnehmer setzen. Unter den arbeitslosen Ingenieuren stellen diejenigen die größte Gruppe, die über 50 Jahre alt sind. Das ist eigentlich ein bisschen schade. Das muss nicht sein. Denn, wie gesagt, in diesem Alter verliert man nicht automatisch seine Kennt nisse und Fähigkeiten.
Wir haben also jede Menge Potenziale im Land, die wir noch stärker nutzen können. Diese werden auch in der Fachkräfte initiative, die der Wirtschaftsminister im Jahr 2006 ins Leben gerufen hat, schön aufgeführt. Da sind diese Punkte schon the matisiert.
Dazu gehört auch der Punkt, auf den ich jetzt noch zu spre chen komme: die Erleichterung der Zuwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften. Auch das ist ein Baustein in dem Konzept. Es macht aber keinen Sinn, inländisches Erwerbspo tenzial gegen Zuwanderer auszuspielen. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern es geht um einen ergänzenden Bau stein in einem differenzierten Konzept, um einen Baustein ganz im Sinne auch des McKinsey-Gutachtens zu den wirt schaftlichen und technologischen Perspektiven der badenwürttembergischen Landespolitik bis 2020.
Deswegen ist es sinnvoll, zu prüfen, an welchen Stellen wir das bestehende Aufenthaltsrecht weiter verbessern können. Es enthält natürlich bestimmte Möglichkeiten zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Dazu gehört beispielsweise ein be stimmtes Auswahlsystem, Stichwort „Punktesystem“ – unter diesem Namen hat es sich eingebürgert. Zu einem solchen
System wird aber auf jeden Fall noch das Erfordernis eines konkret nachgewiesenen Arbeitsplatzes kommen – keine Zu wanderung also in die sozialen Systeme, sondern auf konkre te Arbeitsplätze.
Dazu gehört auch die Frage: Was machen wir mit den Ein kommensgrenzen? Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die Einkommensgrenze von 66 000 € nicht undifferenziert stehen bleibt, sondern dass man ein abgestuftes Konzept auf den Tisch legen wird, um auch bei geringerem Einkommen Zu wanderung zu ermöglichen.
Das sind Punkte aus dem Konzept der Landesregierung. Es wird „in Sichtweite“ beschlossen werden. Wie immer sind wir dabei, zu handeln, die Probleme zu erkennen und rechtzeitig ernst zu nehmen. Der Fachkräftemangel ist eine ernst zu neh mende Herausforderung.
Wir wollen sie pragmatisch und ergebnisorientiert angehen – zur Sicherung dieses Standorts und im Interesse aller Men schen, die bei uns leben.
Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat gibt es einen Fach kräftemangel, auch am Rednerpult.
Fragt sich nur, bei wem.
Jedenfalls ergibt sich für mich die Notwendigkeit, noch ein mal etwas zu sagen, um das geradezurücken, was Sie, Herr Dr. Prewo, und Sie, Frau Sitzmann, schief dargestellt haben.
Übrigens präsentiert sich die Opposition wieder „in seltener Einigkeit“ – wie wir es gewohnt sind. Es ist aufgefallen, dass Herr Dr. Prewo betont,
dass wir nicht so schnell an Zuwanderung denken sollten, son dern eher das Potenzial im Land nutzen sollten. Frau Sitzmann wiederum geht es gar nicht schnell genug. Nach ihr müssten wir die Zuwanderung schon längst organisiert haben.
Wie immer liegt die Wahrheit eben in einem geschlossenen und überzeugenden Konzept.
Das haben wir. Wir haben längst angefangen, nach diesem Konzept zu handeln.
Es gibt kein Zwiegespräch in der Regierung, sondern es gibt Einigkeit. Das passt Ihnen natürlich nicht, aber es ist so.
Das Konzept wird demnächst im Kabinett beschlossen. Ich habe Ihnen gesagt: Der Entwurf ist fertig, und er kommt ins Kabinett. Auch die Teile, die darin stehen werden, habe ich Ihnen schon genannt. Ich komme aber gleich noch einmal da rauf zu sprechen.
Jedenfalls halten wir fest: Es gibt kein Zwiegespräch, sondern Einigkeit in der Landesregierung. Es gibt übrigens auch Ei nigkeit auf Berliner Ebene. Sie scheinen aber noch nicht ein mal Zeitung zu lesen,
sonst wüssten Sie immerhin, dass in Berlin beschlossen wor den ist, dass wir künftig gut ausgebildete, integrierte junge Leute im Land lassen wollen.
Am Rande: Wir sind schon dabei, das Konzept umzusetzen, aber eben maßvoll und in richtigen Schritten. Wenn junge Leute in der Schule erfolgreich sind, die Familien hier gut in tegriert sind, werden sie in Zukunft ganz einfach hierbleiben können – und unter bestimmten Voraussetzungen auch ihre Eltern. Es wird natürlich längst gehandelt.
Wenn wir beim Thema Handeln sind: Lieber Herr Dr. Prewo, vor dieser Landesregierung gab es einmal eine Landesregie rung – das ist zugegebenermaßen ein paar Jährchen her –, bei der das Thema Ganztagsschulen auch schon brandaktuell war. Wissen Sie, was vier Jahre lang passiert ist, bevor diese Re gierung ins Amt gekommen ist? Haben Sie sich die Zahlen einmal angeschaut? Nichts, null, gar nichts!
Verzeihung! Es ist mühelos nachweisbar, dass der Ausbau der Ganztagsschulen im Land
mit dieser Landesregierung begonnen hat
ach ja, ein Witz – und vorher nicht stattgefunden hat.
Ihren Umgang mit Zahlen kennen wir schon. Sie haben wohl schon wieder die gestrige Debatte vergessen, in der deutlich gemacht wurde, wie wir die beruflichen Schulen ausbauen werden. Das ist gerade der Weg für Kinder mit Migrations hintergrund, damit sie zu besseren Abschlüssen kommen kön nen und ihre Chancen wahrnehmen können. Gestern ist ange
kündigt worden – Sie ignorieren es –, dass wir die beruflichen Schulen ausbauen wollen.
Im Gegenteil. Ich war gestern schon erschrocken. Kollege Dr. Mentrup hat gestern an diesem Pult wieder – die Kollegin Schick hat das zu Recht als Erstes bemängelt – diese völlig unmögliche Zahl genannt, was den Bildungszugang von Mi granten zur Hochschule angeht.
Dabei lassen Sie die beruflichen Schulen einfach weg. Sie las sen sie weg! So gehen Sie mit der Wahrheit um.
Dass wir in Sachen Kinderbetreuung keine Nachhilfe brau chen, mögen Sie z. B. daran ermessen: In den nächsten Tagen werden wir die erste Kindertagesstätte für Kinder von Be diensteten aus Dienststellen des Landes, aus Ministerien ein weihen. Da sind wir dabei, einen neuen Weg einzuschlagen.
Ich bin gespannt, ob Sie mir ein anderes Land nennen kön nen, das so etwas tut. Das betrifft das Thema Kinderbetreu ung. Herr Schmiedel sagt: „Das hilft aber den Migranten!“ Vorhin sagte Herr Prewo, ich müsse über etwas anderes reden als über Migranten, nämlich über Frauen. Jetzt rede ich über Frauen, dann sagt Herr Schmiedel: „Das hilft den Migranten nicht.“
Sortieren Sie erst einmal Ihr Zeug, bevor Sie anfangen, uns zu kritisieren.
Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf hier für die Landesre gierung Stellung nehmen, wobei ich gleich zu Anfang darauf hinweisen möchte, dass ich in der Tat Integrationsbeauftrag ter dieser Landesregierung bin. Dies bin ich schon seit eini gen Jahren. Integration ist aber eine Querschnittsaufgabe. Da ran beteiligt sind im Grunde genommen alle Ressorts, insbe sondere aber natürlich das Kultusressort, das Innenressort, das Sozialressort und das Wirtschaftsressort. Bei diesem Thema arbeiten wir sehr eng zusammen. Ich betone das deswegen, weil das Thema bei uns hoch hängt. Denn wir haben die Zei chen der Zeit längst erkannt und wissen, wie wichtig das The ma Integration ist.
Allerdings kann man mit derselben Klarheit sagen: An sol chen Debatten, die Sie, lieber Herr Kretschmann, kritisiert ha ben, beteiligen wir uns eigentlich gar nicht. Mir fällt kein Bei spiel ein, bei dem sich die Landesregierung auf solche ideo logischen Debatten verlegt hätte. Das wäre nicht landes typisch. Landestypisch ist es, die Dinge pragmatisch in Ord nung zu bringen, soweit man auf Landesebene handeln kann, und einfach etwas zu tun.
An dieser Stelle muss ich sagen: Ich glaube, wir haben es in den letzten Jahren mit vereinten Kräften ziemlich geräusch los hinbekommen, dass der Zustand der Integration in BadenWürttemberg im Ganzen sehr gut ist.
Wir haben bestimmte Herausforderungen; darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Aber wir haben in Baden-Württem berg im Vergleich aller Bundesländer die höchste Erwerbs quote unter den Migranten und die niedrigste Quote von So zialleistungsempfängern unter den Migranten. Wir haben die niedrigste Migrantenarbeitslosigkeit unter allen Bundeslän dern. Wir haben die höchste Quote beim Kindergartenbesuch von Migrantenkindern – da sind wir Rekordhalter; Platz 1. Wir haben ein Bildungssystem – ich bin wirklich jederzeit be reit, über das Bildungssystem zu diskutieren; Kollegin Mari on Schick ist es auch; bei guten Vorschlägen sind wir über haupt nicht vernagelt –, das ständig ausgezeichnete Noten be kommt. Daran kann man nicht vorbeigehen.
Herr Röhm sagt: Und die Migranten profitieren davon.
Bei einem muss man genau hinschauen – das erfreut einen be sonders –: Bei allen Untersuchungen, die bei uns gemacht werden – über alle Schüler hinweg; im letzten Jahr waren es 30 000 Schüler –, liegen wir eigentlich immer auf vorderen
oder – so sage ich immer – auf zumindest sehr vorzeigbaren Plätzen, und das, obwohl wir den höchsten Anteil von Migran tenkindern in der ganzen Bundesrepublik haben.
Daran sieht man eben erst, wie gut diese Ergebnisse sind.
Aber es gibt Schönheitsfehler, Dinge, die wir in Angriff neh men müssen. Die Studien haben auch gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Herkunft und dem Bildungser folg gibt. Diesen negativen Zusammenhang wollen wir durch brechen. Deswegen hat Kollegin Professorin Dr. Schick vor Kurzem einen Expertenbeirat mit ebendieser Bezeichnung ins Leben gerufen. Er untersucht den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg. Weil es diesen Zusammenhang gibt – wir wollen untersuchen, wie wir ihn knacken –, ist na türlich auch in der Vergangenheit zu beklagen gewesen, dass die Integration bei uns zwar insgesamt gut gelaufen ist, sich die Migrantenfamilien aber – ich sage es einmal deutlich – auf Dauer eher in den unteren Schichten eingenistet haben. Sie kommen zwar alle irgendwo in die Gesellschaft hinein, aber die Aufstiegschancen sind noch nicht so gut, wie man es sich vorstellen könnte. Deswegen lautet unsere Aufgabe natürlich weiterhin Integration.
Bitte?
Nein, miserabel sind sie nicht.
Wie Sie sich denken können, habe ich die Gelegenheit, diese Themen zu traktieren, öfter. Nehmen wir die Hochschulab schlüsse türkischer Mädchen. Deren Zahl entwickelt sich er freulich.
Sie bleiben aber noch immer hinter den Hochschulabschlüs sen deutscher Mädchen zurück. Aber man darf an dieser Stel le auch einmal eines sagen, um die Kirche im Dorf zu lassen – Verzeihung, in der Debatte hatten wir viel Konsens; das soll auch so bleiben, aber ich möchte trotzdem darauf hinweisen –: Die türkischen Mädchen
haben in Deutschland eine fünfmal höhere Chance auf einen Hochschulabschluss als in der Türkei. Das darf man auch ein mal am Rand erwähnen.
Unsere Aufgabe heißt Integration.
Wir wissen, dass wir in dieser Hinsicht noch etwas zu tun ha ben, insbesondere was die Durchlässigkeit und die Chancen in Wirtschaft und Gesellschaft angeht.
Sie haben für die von Ihnen beantragte Aktuelle Debatte die Überschrift „Grundlagen für eine erfolgreiche Integrationspo litik“ gewählt. Auf drei Grundlagen möchte ich ganz kurz ein gehen, wobei ich meine Ausführungen jeweils mit einer klei nen Anmerkung verbinden darf, die in Richtung der Fraktion geht, die diese Aktuelle Debatte beantragt hat. Das kann ich dann doch nicht lassen.
Ich gehe auf drei Grundlagen ein, die für mich entscheidend sind: Arbeit, Sprache und Verfassung. Das sind die drei Grund lagen der Integration.
Wir sehen im Vergleich sofort: Dort, wo jemand einen Arbeits platz hat, bestehen schon viele andere Probleme nicht. Dort sind die Menschen in ihrer Umgebung anerkannt. Selbst wenn die Menschen schlecht Deutsch sprechen, hat das bei der ers ten Einwanderergeneration ganz gut funktioniert. Wer also in tegrieren will, muss zuerst etwas für Beschäftigung tun. Er muss schauen, dass er wie in Baden-Württemberg annähernd Vollbeschäftigung hat.
In diesem Zusammenhang wundert es mich wirklich – heute war ja doch mehrfach von unser aller Lieblingsprojekt die Re de –, dass Sie, Herr Kretschmann, bei einem eigentlich grü nen Projekt – ich halte dieses Schienenprojekt für ein grünes Projekt – 10 000 Arbeitsplätze auf Dauer und 7 000 auf etli che Jahre einfach sausen lassen. Diese Arbeitsplätze könnten wir nämlich für die Integration und die weitere Verbesserung der Beschäftigung gerade auch bei den Migrantenfamilien ausgezeichnet brauchen.
Das zweite Stichwort, meine Damen und Herren, heißt Spra che. Wir wollen erreichen, dass die Kinder schulfähig in die Schule kommen. Das ist für mich der erste, große, kritische Punkt.
Es geht um die Frage, ob ein Kind dann, wenn es in die Schu le kommt, auf den Zug aufspringen kann oder ob es Mühe hat, auf ihn aufzuspringen.
Deswegen haben wir in Baden-Württemberg schon vor eini ger Zeit die Sprachstandserhebung eingeführt. Sie ist notwen dig. Ich muss rechtzeitig vor Schulbeginn wissen, welchem Kind ich helfen muss. Dann muss ich die Zeit – anderthalb Jahre – nutzen.
Wir haben gesagt: Wir trauen uns zu, anderthalb Jahre vor Schulbeginn zu prüfen: Wo gibt es Defizite? Wo besteht Hand lungsbedarf? Wir haben immer gesagt: Wir werden den Hand lungsbedarf decken, und wir werden auch das Geld dafür auf den Tisch legen. Die Sprachstandserhebung ist eine ganz wichtige Maßnahme.
Jetzt, wie gesagt, kann ich es mir nicht verkneifen, anzufüh ren, was Sie, liebe Frau Lösch, uns am 2. Juni 2008 entgegen gehalten haben, als ich die Sprachstandserhebung angekün digt habe. Das ging auch durch die Presse. Ich darf mit Er laubnis des Präsidenten zitieren.
Die Landesregierung will sich hastig mit ihren Sprach tests profilieren....
Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, Sprachscreening im Rah men der Einschulungsuntersuchung im Kindergarten durch Instrumente der Beobachtung und Dokumentation zu ersetzen.
„Beobachtung und Dokumentation“: Das wäre mir, ehrlich gesagt, zu wenig.
Als ich kürzlich meinen Bericht vorgelegt habe, haben Sie uns Untätigkeit vorgeworfen. Verzeihung: Wenn wir es so gemacht hätten, wie Sie es wollten, wären wir untätig geblieben.
Aber so machen wir mittlerweile landesweit die Sprachstands erhebung.
Ja.
Das gehört zur politischen Kultur.
Was die Fördermaßnahmen angeht: Ich hatte immer gehofft, dass man irgendwann einmal zur Kenntnis nimmt, dass wir eben in den Raum gestellt ha ben: Wir werden nicht nur die Diagnose stellen, sondern wir werden auch die Therapie bezahlen. Gegenwärtig liegen die Therapiekosten für die Sprachförderung bei 10 Millionen €.
Die Sprachförderung und die Diagnose haben wir zunächst mit der Landesstiftung durchgeführt, weil dies sinnvoll war. Die Landesstiftung hatte ein Programm „Sag’ mal was“, bei dem sie genau solche Tests und eine solche Förderung – –
Sie hätten es vielleicht noch zehn Jahre lang evaluiert. Das hätte mir aber zu lange gedauert.
Wir haben gesagt, dass wir es zunächst mit der Landesstiftung machen, weitere Erfahrungen sammeln und es dann landes weit ausdehnen wollen. Wir haben Punkt für Punkt Wort ge halten. Sie hingegen haben gesagt: Ihr könnt das doch nicht ewig über die Stiftung machen. Daraufhin haben wir gesagt: Na gut, vielleicht machen wir es nicht ewig über die Stiftung. Aber es ist sicher sinnvoll und richtig, es zunächst einmal über die Stiftung zu machen.
Wir sind Schritt für Schritt gegangen. Es ist aber schon klar, dass Ihnen irgendetwas Kritisches einfallen muss; denn das ist Ihre Aufgabe. Es kann dann natürlich auch sein, dass Sie ein überzogenes Konzept auf den Tisch legen. Natürlich kann man Kinder vom ersten Tag an begleiten.
Dies ist übrigens in erster Linie Aufgabe der Eltern. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
In dieser Hinsicht kann man eine Menge tun. Man kann die frühkindliche Förderung ausbauen. Das werden wir auch tun.
Aber ich sage Ihnen eines: Wir können froh sein, dass wir – dies leistet nach meiner Kenntnis außer Nordrhein-Westfalen kein anderes Bundesland – die letzten anderthalb Jahre der Vorschulzeit nutzen. Anderthalb Jahre sind im Leben eines Kindes eine lange Zeit.
Wenn es nach Ihnen ginge, hätten wir heute noch nicht ein mal einen Sprachtest.
Wir nutzen diese anderthalb Jahre, um die Kinder vorzuberei ten.
Ja.
Niemand scheint Hunger zu haben.
Diese Untersuchungen sind mir auch bekannt. Sie sind aber nach meiner Kenntnis im Nachgang kräftig relativiert worden.
Vor allem sage ich Ihnen aber eines: In dieser Debatte verlas se ich mich gelegentlich auf den ganz pragmatischen Ansatz des gesunden Menschenverstands. Das empfehle ich Ihnen übrigens dringend im Zeitalter der Gutachter.
Von Gutachtern werde ich beispielsweise mit der Theorie kon frontiert, dass Migranteneltern mit ihren Kindern am besten nicht reden, weil sie es ihnen falsch beibrächten.
Selbst so etwas verzapft jemand ernsthaft.
Sie wissen, dass diese Theorie ernsthaft im Raum steht. Jeder, der Kinder hat, weiß aber genau, dass sie die Fehler hinterher schnell wieder ausbügeln und dass es natürlich gut ist, wenn die Eltern mit ihren Kindern reden.
Liebe Frau Bauer, genauso sagt mir mein Verstand: Besser als nur zu warten, zu dokumentieren und zu beobachten, wie Sie es vorhin gesagt haben, ist es, die Kinder im Kindergarten ge zielt anderthalb Jahre lang zu fördern.
Jetzt müssen Sie mir darlegen, dass die 10 Millionen € nichts nützen, die wir für Erzieherinnen und Erzieher und qualifi zierte Fachkräfte einbringen. Sagen Sie mir das bitte.
Sagen Sie mir, dass das nichts nützt. Ich hätte gern den Ge genbeweis von Ihnen, dass es nichts nützt, wenn wir 10 Mil lionen € – die Tendenz ist übrigens steigend – in die Hand neh men und Erzieherinnen und Erzieher und spezielle Kräfte im Kindergarten beauftragen, die Kinder anderthalb Jahre lang acht Stunden in der Woche gezielt zu fördern. Es wird mir doch niemand erzählen, dass das nichts nützt. Natürlich wird es etwas nützen.
Außerdem brauchen wir die Eltern. An dieser Stelle möchte ich wenigstens ein baden-württembergisches Leuchtturmpro jekt ansprechen. Wir wollen noch viel gezielter als bisher die Eltern von Migrantenkindern ansprechen, um sie in das Bil
dungsgeschehen hineinzulocken, um sie zu interessieren und um sie zu informieren. In der vergangenen Woche hatten wir hierzu wieder einen gut besuchten Elterntag, der sehr erfreu lich verlaufen ist. Am meisten freue ich mich über ein Projekt der Nachhaltigkeitsstrategie. Von den Vorrednern ist es auch schon genannt worden. Wir werden versuchen, landesweit die besten Modelle in der Praxis auszubreiten, die aufzeigen, wie man an die Eltern herankommt und die Eltern ein bisschen da zu bewegt, sich zu informieren und etwas für die Bildung ih rer Kinder zu tun.
Das ganze Problem der mangelnden Schulfähigkeit betrifft übrigens nicht nur Familien mit Migrationshintergrund,
sondern zu einem Viertel bis zu einem Drittel auch Kinder oh ne Migrationshintergrund. Diese sind natürlich in all diese Programme eingeschlossen.
Sie wissen, dieses Netzwerk können wir mithilfe der Robert Bosch Stiftung und mithilfe der Breuninger Stiftung bilden. Wir haben hierzu einen gemeinnützigen Verein gegründet. Das ist eine einmalige Sache und natürlich auch eine vorbildliche Sache im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements.
Mittlerweile sind bereits 21 Beraterinnen am Werk, die nichts anderes machen, als solche Initiativen ins Leben zu rufen, die sich mit der Frage befassen: Wie bringen wir die Eltern in den Dialog?
Ich könnte hier natürlich viele weitere Punkte nennen, wie den konsequenten Ausbau der Ganztagsschule, den Einsatz der Pädagogischen Assistenten usw.
Aber ich komme noch ganz kurz zum dritten Punkt, zur Ver fassung: Natürlich enthält die Verfassung unser Wertesystem. Da bin ich übrigens bei Ihnen. Die Verfassung ist unsere Leit kultur. Das sehe ich genauso. Deswegen ist sie die Grundla ge für die Integration.
Deswegen hat es mich auch ein bisschen gewundert – manch mal geht es auch darum, die Verfassung ein Stück weit zu ver teidigen –, dass wir bei unseren Vorschlägen, beispielsweise zum Verbot der Zwangsheirat, nie die Unterstützung der Grü nen hatten.
Nachdem ich, nachdem wir, nachdem Baden-Württemberg jahrelang darum gekämpft hat, hat heute die Bundesregierung beschlossen – das passt gerade –, deutlich ins Strafgesetzbuch hineinzuschreiben, dass Zwangsheirat ein Straftatbestand ist.
In den früheren Jahren ist es immer speziell an der Fraktion GRÜNE – aber auch an der Fraktion der SPD – gescheitert.
Ja, genau.
Ich möchte damit schließen: Ich glaube, dass gerade eine Ge sellschaft wie die baden-württembergische – einmal umge kehrt gesprochen –, in der etliche Kulturen friedlich mitein ander zusammenleben, wie keine zweite geeignet ist, unsere Landesverfassung und unser Grundgesetz mit Leben zu fül len.
Danke schön.
Herr Präsident, wie lange darf ich denn reden?
Dann wären das also zehn Minuten.
Ich freue mich, dazu etwas sagen zu können. Ich versuche auch, es in zehn Minuten zu tun, obwohl es natürlich ein wich tiges Handlungsfeld des Landes ist.
Fünf Minuten pro Frage; es sind doch zwei Fragen.
Jetzt läuft die Zeit allerdings schon, bevor ich irgendetwas gesagt habe.
Ich sage vorweg: Ich glaube, dass jeder, der bereit ist, einzu sehen, was mit der Bewährungshilfe in diesem Land passie ren muss, am Ende meine Meinung teilt, dass wir bei Weitem den günstigsten Weg eingeschlagen haben.
Ich nenne jetzt erst einmal die Überschriften. Der Ansatz des Rechnungshofs ist für mich nicht nur schief, sondern er ist für mich als Minister, der für ein bestimmtes Feld verantwortlich ist – in diesem Fall für die Bewährungshilfe –, fast eine Zu mutung. Der Rechnungshof – das wird nicht einmal abgestrit
ten – leugnet seinerseits und ignoriert jeden Reformbedarf in der Bewährungshilfe.
Versetzen wir uns zurück in das Jahr 2004. Da musste man überlegen: Wie soll es mit der Bewährungshilfe weitergehen? Entweder war sie zukünftig beim Staat anzusiedeln oder bei einem freien Träger. Aber klar war: So, wie es war, konnte es nicht weitergehen. Das ist bundesweit anerkannt. Die Bewäh rungshilfe war in einem reformbedürftigen Zustand, sie war personell am Absaufen. Aber der Rechnungshof nimmt die tatsächlichen Kosten des Jahres 2004 als Maßstab – was für mich eigentlich unmöglich und irgendwo auch unredlich ist. Aber selbst bei diesem Vergleich schneiden wir nicht einmal schlecht ab.
Was damals schlecht war und was heute viel besser ist, kann ich Ihnen gern nachher ausführlicher schildern.
Zweitens: Der Rechnungshof ignoriert eine tatsächliche Ent wicklung. Wir haben eine Zunahme der Unterstellungen al lein von 2009 bis 2010 um 20 %. Wie hätten wir diese Stei gerung denn abfangen wollen, wenn dies beim Land verblie ben wäre? Der freie Träger fängt dies sehr gut ab, und zwar im Rahmen der vorhergesagten Kosten.
Jetzt komme ich zum dritten Punkt: Selbst wenn man den An satz des Rechnungshofs teilt – der Vergleich ist jedoch un möglich, weil nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden dür fen –, stimmt die Rechnung nach unserer Meinung nicht. So erreichen wir bei den Sachkosten bald den Punkt, an dem deutlich wird, dass die Lösung durch den freien Träger billi ger ist als die durch das Land. In der ersten Phase haben wir dem Träger zwar mehr bezahlt, als wir faktisch an Sachkos ten gehabt hätten, weil ja Investitionen anfielen, aber in der zweiten Phase bekommt er weniger, als diese Aufgabe bei uns an Kosten verursachen würde.
Woher kommen die Unterschiede in der Rechnung? Diese Un terschiede kommen natürlich dadurch zustande, dass Gemein kosten – allgemeine Kosten, die in der Verwaltung anfallen – auf das Gebiet der Bewährungshilfe umgelegt werden müs sen. Das kann man natürlich so oder so rechnen. Da gibt es einen bestimmten Spielraum. Aber – Verzeihung – wir haben unsere Rechnung, dass beispielsweise 2004 die Bewährungs hilfe das Land 4,9 Millionen € gekostet hat – das ist nicht die Welt –, gemeinsam mit dem Finanzministerium gemacht und dies gründlich geprüft. Deswegen halte ich die Zahl schon für belastbar.
Aber man kann die Landeskosten natürlich auch künstlich he runterrechnen. Wie man das macht, sieht man z. B. beim Per sonal. Der Rechnungshof sagt: Da waren acht Personalstel len, die Aufgaben im Rahmen von „Schwitzen statt Sitzen“ übernommen haben. „Schwitzen statt Sitzen“ ist aber nicht auf den freien Träger übergegangen. Nach dieser Rechnung wäre die Landeslösung um acht Stellen billiger gewesen. Aber wie realistisch ist das denn? Die acht Leute sind doch da. Sie sind jetzt beim freien Träger und arbeiten für den Täter-Op fer-Ausgleich, und zwar sehr erfolgreich. Aber diese Leute hätte man natürlich auch behalten können; sie sind ja Beam te. So kann ich ein staatliches Modell künstlich gutrechnen. Wie das passiert ist, das hat uns schon irritiert.
Eigentlich müsste es jeder begreifen: Es geht um Personal kosten, es geht um Sachkosten, und es geht um Raumkosten,
um Kosten für Gebäude. Die Personalkosten können nicht steigen, weil wir immer weniger Personal haben. Wir zahlen hierfür einen Ausgleich. Aber es kann eben nicht mehr wer den. Bei den Sachkosten sind wir der gut begründeten Auffas sung, dass diese schon jetzt unter die Ausgaben sinken, die beim Land entstanden wären.
Bezüglich der Raumkosten gibt es auch noch etwas Interes santes zu erzählen. Als wir verhandelt haben, kam der freie Träger auf mich zu und sagte: „Hört einmal, wir werden jetzt genötigt, in Räumlichkeiten des Landes einzuziehen.“ Das ist richtig; das Finanzministerium hat unsere Rechnungen immer kontrolliert, und das FM hatte ein auch für mich begreifliches Interesse, dass wir vorhandene Liegenschaften des Landes nutzen. Der Geschäftsführer des freien Trägers hat dabei je doch betont: „Uns wird hier eine teurere Lösung aufgezwun gen. Wir wollen an dieser Stelle nur sagen, dass es, wenn wir selbst so hätten vorgehen dürfen, wie wir wollten, billiger ge wesen wäre.“
Ich bin auch der Meinung, dass es sinnvoll ist, Liegenschaf ten des Landes zu nutzen. Aber wenn der freie Träger zu Recht sagt, das sei aufwendiger, dann müssen wir auch das zur Kenntnis nehmen. Wir haben dafür einen Vorteil: Die Liegen schaften sind genutzt. Aber dass gerade an dieser Stelle der Rechnungshof hinterher einhakt und sagt, die Raumkosten seien höher gewesen, ist eigentlich auch nicht in Ordnung.
Wenn ich alles zusammen betrachte, ist ganz klar: Wir haben bei der Bewährungshilfe eine Reform bekommen, die wir selbst nicht annähernd zu vergleichbaren Kosten hinbekom men hätten; wir haben diese zu Konditionen bekommen, die annähernd den Kosten entsprechen, die 2004 angefallen wa ren. Das ist, finde ich, eine reife Leistung. Dies so herunter zuziehen trifft mich als Minister des zuständigen Ressorts schon ein bisschen. Das sollte auch der Rechnungshof nicht machen – bei allem Respekt.
Die Bewährungshilfe, die wir jetzt in Baden-Württemberg haben, ist dadurch gekenn zeichnet, dass 40 Stellen zusätzlich geschaffen wurden. Da durch ist das Betreuungsverhältnis bereits stark abgesunken. Allein diese Maßnahme hätte uns über die Vertragslaufzeit 26 Millionen € gekostet.
Die Bewährungshilfe, die wir jetzt haben, hat EDV. Dies hät te uns weitere 4 Millionen € gekostet, die wir nun nicht be zahlen brauchten. Es handelt sich um eine Bewährungshilfe mit landesweit einheitlichen Qualitätsstandards, mit einer zeit gemäßen Leitungsstruktur, mit einer echten Fachaufsicht und mit derzeit schon 400 ehrenamtlichen Bewährungshelfern, die es vorher nicht gegeben hat.
Sie betreuen 670 Probanden. Eine solche Bewährungshilfe, lieber Herr Sakellariou, gibt es im Moment bundesweit auch nicht annähernd noch einmal.