Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 14. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Dr. Bullinger und Dr. Schmid erteilt.

Aus dienstlichen Gründen sind Herr Minister Rau, Herr Minister Pfister und Herr Minister Professor Dr. Reinhart entschuldigt.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Adventssonntage in Baden-Württemberg schützen! – beantragt von der Fraktion der SPD

Das Präsidium hat die üblichen Redezeiten festgelegt: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Vogt.

Guten Morgen, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Thema Ladenschlussgesetz, dem am Ende beinahe noch die Adventssonntage zum Opfer gefallen wären, haben wir ein weiteres Beispiel dafür, dass es dem Ministerpräsidenten nicht gelingt, in seiner Regierung Fundamente zu setzen und Orientierung zu geben. Es wurde nicht, wie es eigentlich üblich sein sollte, nach gründlicher Diskussion vor allem nach den Interessen des Landes entschieden. Dann hätte man nämlich sagen müssen: Es ist völlig klar, die einzige Lösung für BadenWürttemberg muss sein, dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei zu folgen und zu sagen: „Ein Land, das solche Strukturprobleme in der Versorgung im ländlichen Raum hat, kann überhaupt nicht zulassen, dass in den Städten Läden bis in die Puppen geöffnet sind und dadurch im ländlichen Raum die Angebote weiter ausbluten.“ Das wäre eine verlässliche Politik und eine Orientierung am Ziel eines strukturstarken Baden-Württembergs gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Stattdessen geht es im Kabinett und offenbar auch zwischen dem Kabinett und den die Regierung tragenden Fraktionen zu wie auf einem Basar. Der Ministerpräsident hört einen Lobbyschrei: „Sonntags soll offen sein!“, und folgt diesem geschwind. Die CDU-Fraktion meldet Bedenken an, und der Ministerpräsident versucht den nächsten Kuhhandel, ein

Tauschgeschäft, und sagt: Dann lasst doch die Gaststätten bis tief in die Nacht offen, dann folgen wir der FDP, und dafür wird der Adventssonntag wieder ein Stück weit geschützt.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sehr gut!)

Das heißt, es ging über Tage und Wochen hin und her. Hätte nicht in diesem Fall die CDU-Landtagsfraktion irgendwann gesagt: „Jetzt ist aber Schluss mit lustig“,

(Lachen des Abg. Manfred Hollenbach CDU)

und hätte sie sich nicht wenigstens für den Schutz der Adventssonntage eingesetzt, dann würde man wahrscheinlich noch jetzt herumstreiten.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Danke für das Lob! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das soll auch so verstanden werden! – Heiterkeit bei der CDU)

Ja, in diesem Fall gern, Herr Scheuermann. Wir würden Sie noch viel mehr loben, wenn Sie sich nicht nur an diesem Punkt, sondern insgesamt ein Herz fassten und Ihrem Herzen folgen würden,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir sind die Par- tei mit Herz!)

wenn Sie dem zustimmen würden, was die meisten von Ihnen wollen, und sagen würden: Macht etwas für die Beschäftigten, tut etwas für die Familien und für die im Ehrenamt Tätigen und bleibt bei den Öffnungszeiten, wie sie heute sind.

(Beifall bei der SPD)

Das Problem, das dahintersteckt, geht tiefer. Das Problem ist, dass der Ministerpräsident uns im Nachhinein erläutert: „Etwas Pulverdampf schadet nicht, wenn die Kanone nicht explodiert“ – in Bezug auf seine Streitigkeiten mit der Unionsfraktion.

Dass aber dieser Pulverdampf den Blick vernebelt, das ist das eigentliche Problem, das in dieser Landesregierung herrscht. Wenn der, der vorne steht, meint, es sei seine Aufgabe, zu moderieren – er sagte ja auch noch: „Mein Ziel war es, zu moderieren“ –, anstatt seine Verpflichtung wahrzunehmen und eine Führungsaufgabe im Land zu übernehmen, dann ist dies das eigentliche Problem, das an diesem Beispiel mehr als deutlich wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Sinne sind wir an diesem Punkt in der Tat, Herr Kollege Scheuermann, der CDU-Fraktion dankbar,

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr wahr!)

dass sie dem Ministerpräsidenten und seinem beschäftigungsfeindlichen Ansinnen Einhalt geboten hat. Aber ich würde mir wünschen, dass die CDU-Fraktion ihre deutliche Mehrheit auch nutzt, um dem Ministerpräsidenten klarzumachen, dass es nicht reicht, wenn man von Thema zu Thema springt, dass es nicht ausreichend ist, wenn man sich immer einmal an der einen oder anderen Baustelle blicken lässt, sondern dass jemand, der an der Spitze eines Landes steht, gründlich arbeiten muss, dass er nicht nur Dialoge führen soll, sondern entscheiden muss und vor allem bei den Entscheidungen vorangehen muss und sich nicht treiben lassen darf – und im Zweifel dann auch stoppen lassen muss. Ihre Verpflichtung wäre, das dem Ministerpräsidenten beizubringen. Wenn Sie das nicht tun, dann müssen wir eben eine Alternative suchen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Frau Vernünftig!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Klenk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Vogt, das Problem ist nur: Wir haben die Alternative nicht und schon gar nicht in Ihnen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Ute Vogt SPD: Ich hatte nicht erwar- tet, dass Sie mich wählen! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist ja das Problem, dass ihr keine Alternative in euren Reihen habt! Das ist ja die Bankrotterklärung heute Morgen! Jesses Ma- ria!)

Es ist ja schön, dass Sie uns heute Morgen dafür gelobt haben, dass wir in diesem Punkt unserer Linie treu geblieben sind und nichts anderes getan haben als das, was wir von Anfang an, nämlich schon auf unserer Klausurtagung im September, gesagt haben: Wir wollen an den Werktagen Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr, und die Sonntage sollen geschützt bleiben. Als Gegenleistung wollen wir die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage von vier auf zwei reduzieren – mit einer Ausnahme –, weil wir der Meinung sind, dass es auch Zeiten geben muss, in denen sich die Menschen wieder für das Zusammenleben Zeit nehmen können.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber auch abends!)

Es kann nicht sein, dass das Einkaufen zum einzigen Volkserlebnis der Gesellschaft wird. Das ist unsere Meinung, und dazu stehen wir.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann! – Abg. Ute Vogt SPD: Das wollten wir hören! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jetzt weiter! Jetzt gehen Sie mal auf die Werktage ein! – Abg. Rainer Sti- ckelberger SPD: Wir haben noch einen Platz frei!)

Wir reden ständig von Deregulierung und Entbürokratisierung. Hier haben wir die Chance, denjenigen, die vor Ort über die Öffnungszeiten entscheiden können, die Freigabe zu überlassen. Das tun wir auch, indem sie entscheiden können, wann sie von Montag bis Samstag öffnen wollen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und die Folgen?)

Wir sagen – und dabei bleiben wir, wie gesagt –, dass die Sonntage und insbesondere die Adventssonntage geschützt bleiben sollen. Wenn wir Ihrem Gesetzentwurf gefolgt wären, dann wäre da übrigens auch ein Adventssonntag dabei gewesen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Nein! Das stimmt nicht! Falsch! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist ja gar nicht wahr!)

Selbstverständlich.

Ein Blick über die Ländergrenzen zeigt: In Berlin – jetzt wollen wir Baden-Württemberg von den Strukturen her nicht unbedingt mit Berlin vergleichen; wir wissen ja, wer dort regiert – gilt: Ladenöffnung rund um die Uhr und zusätzlich zehn verkaufsoffene Sonntage – inklusive Adventssonntage.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Falsch!)

Dazu fällt mir aber nichts mehr ein.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Heiter- keit des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Sie nicken jetzt, Herr Gall. Das stimmt doch. Das ist nicht falsch.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist aber trotzdem falsch, was die machen!)

Ich sage Ihnen, wir befinden uns hier in einem politischen Prozess.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Bayern! Bayern!)

Nächste Woche wird der Gesetzentwurf der Landesregierung – Gesetz über die Ladenöffnung – hier zur ersten Lesung anstehen. Dann können wir uns über die Einzelheiten noch einmal austauschen. Wir sind froh, dass wir auch mit unserem Koalitionspartner und mit der Regierung eine Lösung gefunden haben –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Bayern!)

mit drei verkaufsoffenen Sonntagen. Die Adventssonntage bleiben geschützt, zusätzlich jetzt auch der Ostersonntag und der Pfingstsonntag.