Protokoll der Sitzung vom 25.06.2008

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 47. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.

Krank gemeldet sind heute die Herren Abg. Reichardt und Rüeck.

Aus dienstlichen Gründen haben sich Herr Minister Professor Dr. Reinhart und Herr Minister Pfister entschuldigt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Minister Pfister ist aber da! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Da sitzt er! – Unruhe)

Ich habe gesagt: „haben sich... entschuldigt“. Ich habe nicht gesagt, dass er nicht da ist.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 2008, Az.:

1 BvR 661/06 – Verfassungsbeschwerde gegen Art. 34 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes wegen Datenerhebung und Eingriffen in den Telekommunikationsbereich

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 2008, Az.:

2 BvE 4/07 – Organstreitverfahren eines MdB und der Bundestagsfraktion DIE LINKE gegen den Bundesminister des Innern und die Bundesregierung wegen Beobachtung von MdB durch das Bundesamt für Verfassungsschutz

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

3. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 2008, Az.:

2 BvE 2/08 sowie 2 BvR 1010/08 und 1022/08 – Organklage und Verfassungsbeschwerde des MdB Dr. Peter Gauweiler gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Information zum Flughafen Stuttgart durch den Ministerpräsidenten und Aussprache

Ich erteile hierzu dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Verkehrsinfrastruktur ist und bleibt eine wichtige Grundlage, damit BadenWürttemberg wirtschaftlich und sozial erfolgreich in die Zukunft geht. Das heißt, dass ich weiter dafür kämpfe, dass Baden-Württemberg in allen Fragen der notwendigen Mobilität seine Infrastruktur erhalten und ausbauen kann. Ein Land wie Baden-Württemberg, das Wachstumsland ist, ein Land wie Baden-Württemberg, das Exportland ist, ein Land wie BadenWürttemberg, das durch Industrie und gewerblich-technische Produktion geprägt ist und bleibt, benötigt Mobilität.

Die Beförderung von Waren und Gütern sowie von Menschen aus der Arbeitswelt und der wirtschaftlichen Wertschöpfung ist eine notwendige, zukunftweisende Aufgabe der Landespolitik. Deswegen setzen wir uns ein für den Ausbau unserer Autobahnen von Baden-Baden über Freiburg bis nach Basel, für den Ausbau des Albaufstiegs, für die sechsstreifige Ertüchtigung der Trasse von Karlsruhe bis nach Stuttgart. Deswegen werden wir Baden-Württemberg 21, das heißt die Integration der europäischen Magistrale von Paris nach Bratislava in Baden-Württemberg von Stuttgart nach Ulm, durch einen Baubeginn noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen. Deswegen kämpfen wir für die Neubaustrecke Frankfurt–Mannheim genauso wie für die Rheintalbahn, die mit entsprechenden Lärmschutzmaßnahmen den Bürgern zumutbar gemacht werden muss und dann im nächsten Jahrzehnt gebaut werden soll. Deswegen setzen wir uns auch dafür ein, dass der Neckar mit neuen Schleusen europatauglich gemacht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Neben der Schiene, der Straße und der Wasserstraße ist auch der Luftverkehr eine wichtige Infrastruktur für Baden-Würt temberg.

Die Geschäftsführung des Flughafens Stuttgart hat im November letzten Jahres, also vor einem halben Jahr, ein Gutachten vorgestellt und mit dem Gutachten die Überlegung öffentlich gemacht, dass eine zweite Start- und Landebahn für die weitere Perspektive des Flugverkehrs in der Region und im Land sinnvoll sei. Denkverbote gab es nicht und gibt es nicht. Ich halte es für eine legitime Aufgabe von Geschäftführern, über Umsatzsteigerung, Ertragssteigerung und vermehrte Dienstleistungsangebote konkrete Überlegungen anzustellen.

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

Unsere Aufgabe als Hauptgesellschafter des Flughafens Stuttgart, als Genehmigungsebene und als die für die Öffentlichkeit politisch verantwortliche Instanz – Landesregierung und Landtag von Baden-Württemberg – ist es, diese Überlegungen der Flughafengeschäftsführung zu prüfen und dann zu entscheiden.

Wir haben zunächst die betroffenen Gemeinden und andere sachkundige Stellen im Land angehört: die Fraktionen des Landtags, die Städte und Gemeinden in der Region, die Verbände und Kammern der Wirtschaft. Deren Rat war uns wichtig und mündet in die Entscheidung von heute ein. Diese Argumente, Bedenken und Äußerungen gingen uns im März und April zu. Auf dieser Grundlage haben wir jetzt zu entscheiden, ob die Landesregierung ein weiteres Gutachten einholt oder ob eine Entscheidung auch ohne weiteres Gutachten sachbezogen und sachgerecht möglich ist.

Ich komme mit der Landesregierung und den Kollegen, die dafür zuständig sind, zu folgendem Ergebnis: Nach intensiver fachlicher und technischer Bewertung und unter Abwägung von Kosten und Nutzen sind wir der Auffassung, dass eine zweite Start- und Landebahn unter Berücksichtung der Interessen des Standorts Baden-Württemberg, der Bedürfnisse der Wirtschaft und der Schaffung, Sicherung und Erhaltung von Arbeitsplätzen nicht zwingend erforderlich ist.

(Abg. Ute Vogt SPD: Überraschung!)

Diese Aussage gilt für die für uns absehbare und von uns zu verantwortende Zeit.

Die Geschäftsführung hat vorgeschlagen, den Beginn der regulären Betriebszeiten des Flughafens von 6:00 Uhr auf 5:00 Uhr vorzuverlegen. Auch diese Maßnahme ist aus Sicht der Landesregierung auf die für uns absehbare Zeit nicht zwingend erforderlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Der Flughafen Stuttgart hat derzeit eine Auslastung von etwa 65 %. Unter maximaler Ausnutzung der bestehenden Kapazitäten ist die Beförderung von 14 bis 15 Millionen Passagieren jährlich möglich, und derzeit liegen wir bei zehn bis elf Millionen. Das heißt, wir haben ein Delta von etwa einem Drittel, um dessen Veredelung es uns in den nächsten Jahren geht.

Worauf kommt es uns an? Uns kommt es darauf an, dass die Wirtschaft aus dem Exportland Baden-Württemberg dorthin kommt, wo sie Aufträge erfüllen kann: Service, Wartung, Beratung, Betreuung, Warenaustausch, Cargo, Fracht. Wir wollen erreichen, dass der Flughafen Stuttgart neben Flughäfen, die für Baden-Württemberg auch wichtig sind, wie Frankfurt, München und Zürich, und neben Flughäfen, deren Bedeutung steigen kann, wie im Wesentlichen Karlsruhe/Baden-Baden und Friedrichshafen, für die exportgeprägte Wirtschaft Baden-Württembergs die Transporte möglich macht, die für Waren, Güter, Facharbeiter, Techniker, Geschäftsführer und Vorstände in den nächsten Jahren für das weitere Wachstum Baden-Württembergs und zum Erhalt unserer Arbeitplätze notwendig sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dafür ist der Flughafen Stuttgart schon jetzt ein attraktiver Ort. Berlin, Hamburg, London, Barcelona, Moskau: Solche wichtigen Destinationen in Europa sind schon jetzt täglich oder mehrfach wöchentlich von Stuttgart aus zu erreichen. Wir wollen, dass die Erreichbarkeit europäischer Wirtschaftsmetropolen in den nächsten Jahren noch weiter verbessert werden kann.

Zweitens: Der Flughafen Stuttgart ist derzeit in starkem Maße kontinental geprägt. Flüge nach Nordamerika, nach Süd amerika, in den Mittleren Osten und nach Asien finden zu wenig statt, wurden versucht und wieder eingestellt oder sind derzeit wegen fehlender Verkehrsrechte noch nicht erlaubt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass dieser Flughafen kein Kontinentalflughafen bleibt, sondern entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung Baden-Württembergs verstärkt ein Interkontinentalflughafen wird, dass Destinationen in Amerika und Asien zumindest einmal wöchentlich für die Wirtschaft angeboten werden. Dies ist unser Ziel. Darauf arbeiten wir rechtlich, wirtschaftlich und politisch hin.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Aber genau für diese weltweite Erreichbarkeit reicht die verfügbare Kapazität aus.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Während die Abflugzeit von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr zuallererst für nationale Destinationen wie Berlin und Hamburg und für europäische Destinationen wichtig ist, steht für weltweite Flüge die Tageszeit nicht in dem Maße im Mittelpunkt, weswegen die Zeit von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr und generell die freie Kapazität offensteht, damit entlang der Nachfrage durch die Wirtschafts- und Arbeitswelt Flüge zu Zielen jenseits Europas stattfinden können. Diesen Ausbau wollen wir unterstützen. Darauf arbeiten wir als Hauptgesellschafter der Flughafen Stuttgart GmbH gemeinsam mit der Geschäftsführung hin.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Der Engpass besteht gegenwärtig für Abflüge in der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 8:00 Uhr morgens. Deswegen wurde vorgeschlagen, die frühestmögliche Starterlaubnis, den Beginn der Betriebszeit auf 5:00 Uhr vorzuverlegen. Dies streben wir nicht an, weil wir glauben, dass sich in den nächsten Jahren durch Veredelung,

(Zurufe von der SPD: „Veredelung“!)

z. B. durch höhere Flughafengebühren, für diese wertvolle Zeit die Spreu vom Weizen trennen kann und gerade Geschäftsflüge, wirtschaftlich sinnvolle Flüge

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Slots haben!)

verstärkt in dieser Zeit stattfinden können. Eine Verdichtung der Slots, technische Maßnahmen in der Abfertigung und eine entsprechende Veredelung werden dafür sorgen, dass in dieser wertvollen Zeit das stattfinden kann, was für den Wirt