Protokoll der Sitzung vom 05.05.2010

Meine Damen und Herren! Ich er öffne die 93. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württem berg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Hollenbach und Schneider erteilt.

Krankgemeldet sind Frau Abg. Dr. Unold, Frau Abg. Rudolf und Herr Abg. Braun.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nisterpräsident Mappus

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was?)

und Herr Minister Professor Dr. Reinhart.

Meine Damen und Herren, heute hat unser Kollege Stehmer Geburtstag. – Im Namen des Hauses gratuliere ich Ihnen herz lich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Wolfgang Drex ler SPD: 1951! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wo gibt es den Umtrunk?)

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie eine Vorschlagsliste der Fraktion der CDU für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen. Ich stelle fest, dass Sie den vor geschlagenen Umbesetzungen zustimmen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Auch hiergegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 30. März 2010 – 17. Bericht der

Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstal ten – Drucksache 14/6240

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rund

funkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) vom 27. Ap ril 2010 – Information der Landesparlamente über die wirtschaftli che und finanzielle Lage der Landesrundfunkanstalten der ARD – Drucksache 14/6292

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

3. Mitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst

vom 4. Mai 2010 – Kultur 2020. Kunstpolitik in Baden-Württemberg – Drucksache 14/6232

Überweisung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport und fe derführend an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Über gangsquoten auf berufliche Gymnasien im kommenden Schuljahr 2010/2011 – Drucksache 14/6037

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der

SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Ba den-Württemberg – Drucksache 14/6247

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, verehrte Frau Ministerin Schick! Heute streiten wir nicht um grundsätzliche neue Weichenstellungen in der Bildungspolitik, nicht um eine Schulstrukturreform, sondern heute geht es schlicht um die Frage, ob die Regierung ihren eigenen Ansprüchen in der Bildungspolitik gerecht wird. Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Sie bleiben weit, weit hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut! Guter Einstieg! – Abg. Peter Hauk CDU: Aber Sie identifizieren sich immerhin damit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was kann man sich in einer Bildungslandschaft mehr wünschen, als dass junge Menschen nach einem mittleren Bildungsabschluss, nach der Fachschul reife noch einmal durchstarten und sagen: „Wir wollen mehr; wir wollen die Hochschulreife, möglicherweise studieren, In genieurwesen oder anderes“? Was kann man sich mehr wün schen? 27 000 junge Menschen in Baden-Württemberg wün schen sich dies für das nächste Schuljahr.

Was, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist enttäuschender, als wenn ein Drittel dieser jungen Menschen, die bildungsmäßig

durchstarten wollen, vor verschlossenen Türen stehen blei ben, nicht weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllten, son dern weil Sie ihnen den Zutritt verwehren?

(Beifall bei der SPD)

Wie oft hören wir wie eine Gebetsformel von Ihnen: „Kein Abschluss ohne Anschluss.“ Tibetanische Gebetsmühle bei jeder Debatte: „Kein Abschluss ohne Anschluss.“

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Vorsicht mit ausländischen Bezügen! Sonst müssen Sie sich mor gen wieder entschuldigen!)

Für ein Drittel der Realschüler und Realschülerinnen ist das ein leeres Versprechen. Man fragt sich, weshalb Sie ausge rechnet bei den beruflichen Gymnasien, diesem Vorzeigemo dell der baden-württembergischen Bildungslandschaft, de ckeln, weshalb Sie jungen Menschen den Weg dahin verweh ren. Die Zusage, die Sie auch bei der Einführung des G 8 ge geben haben – „Wer sich bis zur Hochschulreife mehr Zeit lassen will, hat die Möglichkeit, sie über die Realschule und die Oberstufe der beruflichen Gymnasien zu erreichen“ –, ist ein hohles Versprechen für ein Drittel der Realschüler und Re alschülerinnen. Das ist eine enorme Menge.

Deshalb erwarten wir, Frau Ministerin Schick, dass Sie sich diesem Thema stellen, dass Sie Schluss machen mit der Poli tik Ihres Amtsvorgängers, sich die Realität schönzureden, sich selbst in die Tasche zu lügen, als gäbe es da kein Problem, als löse sich das irgendwie von selbst auf. Wir haben die Zahlen abgefragt, wir haben die Zahlen regierungsamtlich bestätigt bekommen. Es ist wirklich ein erheblicher Teil von jungen Leuten, denen das Durchstarten in der Bildung, denen der Auf stieg durch Bildung verwehrt bleibt.

Ich sage es ganz deutlich: Wenn der Wechsel an der Spitze des Kultusministeriums mehr sein soll als der Wechsel von einem bildungspolitischen Griesgram zu einem netten Gesicht, dann müssen Sie schönen Worten auch Taten folgen lassen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Geschmacklos! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das ist unverschämt!)

Dann kann es nicht damit sein Bewenden haben, dass man sagt: „Wir sprechen miteinander, wir hören zu, wir gehen auf einander zu, zwischen uns allen herrscht Harmonie.“ Vielmehr wollen wir Fakten sehen. Wir machen einen Vorschlag, wie wir das Dilemma an den Oberstufen der beruflichen Gymna sien lösen können. Wir machen einen konkreten Vorschlag, wie wir es schaffen, dass alle jungen Menschen, die durch starten wollen, die die Hochschulreife erreichen wollen, auch eine Chance dazu bekommen.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ja nicht so, dass wir damit nur etwas für die jungen Menschen tun. Sie haben Anspruch auf ein Bildungsangebot, aber auch wir sind darauf angewiesen. Wir wissen, was der demografische Wandel mit sich bringt. Wir wissen, dass sich ein Fachkräftemangel ab zeichnet. Wir wissen schon heute um den Ingenieurmangel. Gerade von den Technischen Gymnasien kommen ganz vie le Absolventen, die schließlich eine Ingenieurlaufbahn ein schlagen.

Greifen Sie unseren Vorschlag auf. Lassen Sie uns einen ge meinsamen Neustart für die beruflichen Gymnasien machen. Lassen Sie uns die überfällige Gleichstellung mit den allge meinbildenden Gymnasien beschließen, und lassen Sie uns al len jungen Menschen, die über die mittlere Reife auch die Hochschulreife erreichen wollen, diesen Weg nicht nur ermög lichen, sondern auch garantieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Krueger.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Noch ein Wechsel vom Griesgram zum netten Gesicht! – Hei terkeit – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Da gibt es noch einmal eine Rolle rückwärts!)

Vielen Dank, Herr Kollege Rül ke. – Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Schmiedel, Sie haben heute einen konkreten, aber leider untauglichen Vorschlag gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Klaus Herr mann CDU: Wie immer! – Abg. Jörg Döpper CDU: Er bleibt sich treu!)

Ich frage mich zum wiederholten Mal – ich darf daran erin nern, dass auch ein Antrag von Herrn Kaufmann auf der heu tigen Tagesordnung steht; auch den kennen wir; er kommt al le Jahre wieder, wie ein Wiedergänger –:

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Ist das kein wichtiges Thema?)

Welches Weltbild haben Sie eigentlich? Welches Menschen bild steht hinter dem, was Sie hier sagen?