Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Da der Bund mittlerweile durch die geänderten Gesetzge bungskompetenzen keinen Versorgungsbericht mehr erstellt, hat das Land jüngst den ersten eigenen Versorgungsbericht vorgestellt. Dieser zeigt in überaus deutlicher Weise auf, wie die Zahl der Versorgungempfänger von derzeit 93 000 auf fast 160 000 ansteigen wird. Das stellt nahezu eine Verdopplung der Zahl der Versorgungsempfänger dar und wird auch min destens zu einer Verdopplung der Versorgungsausgaben füh ren. Wir schätzen den Aufwand hierfür auf etwa 6 Milliar den €. Wir fangen dies zwar durch den Versorgungsfonds, den wir eingerichtet haben, und die Versorgungsrücklage teilwei se auf; zwingend ist aber auch, die Versorgungsausgaben durch flankierende Maßnahmen wie die Erhöhung der Lebens arbeitszeit weiter zu begrenzen.

Für die CDU-Fraktion ergibt sich daraus auch finanzpolitisch die zwingende Notwendigkeit, Maßnahmen zur Eindämmung der Ausgaben und zu deren Finanzierbarkeit zu ergreifen. Ge rade aus der Sicht von Baden-Württemberg scheint der Bei trag, den wir mit der Erhöhung der Lebensarbeitszeit abver langen, ohne Alternative zu sein, und nur dieser Teil der Dienstrechtsreform führt zu einer strukturellen Entlastung der Staatsfinanzen. Alle anderen Maßnahmen, meine Damen und Herren, führen zu Mehrausgaben, sodass die Dienstrechtsre form im Jahresdurchschnitt gerade einmal zu Einsparungen in Höhe von rund 75 Millionen € netto führen wird.

Mit dem sogenannten Altersgeld schaffen wir im Hinblick auf einen Wechsel zwischen dem öffentlichen Dienst und der pri vaten Wirtschaft deutlich mehr Flexibilität als bisher. Wie Sie wissen, scheiterte mancher Wechsel in die Privatwirtschaft al lein schon deshalb, weil bis dahin erdiente Versorgungsan sprüche verloren gegangen sind und ein Ausgleich durch den neuen Arbeitgeber schlichtweg nicht finanzierbar war. Durch die Neuregelung eröffnen wir in vorbildlicher Weise, wie ich meine, die Durchlässigkeit zwischen öffentlichem Dienst und privater Wirtschaft.

Mit einem Änderungsantrag zur Dienstrechtsreform wollen wir erreichen, dass für Beamtinnen und Beamte die Möglich keit geschaffen wird, eine ehrenamtliche Betreuung in unab weisbaren Einzelfällen ausnahmsweise auch während der Ar beitszeit – unter Belassung ihrer Bezüge – wahrzunehmen. Das Land Baden-Württemberg setzt hierdurch wirksame Im pulse, um Beschäftigte für die Übernahme eines solchen Eh renamts gewinnen zu können.

Ein wichtiger Punkt, über den wir heute noch zu reden haben, ist die Anrechenbarkeit von Hochschulausbildungszeiten, wo von besonders teilzeitbeschäftigte Lehrerinnen betroffen wä ren. Die Kürzung der Anrechenbarkeit von Hochschulausbil dungszeiten und die damit verbundenen Einsparungen waren eine Bedingung für den Verzicht auf eine schnellere Umset zung der Pension mit 67 Jahren.

Die Kürzung der Anrechenbarkeit von Hochschulausbildungs zeiten auf zwei Jahre und vier Monate wird daher auch im Rahmen der Vergleichsberechnung für 1991 bereits vorhan

dene Beamtinnen und Beamte beibehalten. Da eine Benach teiligung teilzeitbeschäftigter Frauen jedoch vermieden wer den soll, wird im Gegenzug eine Deckelung eingeführt, wel che die finanziellen Auswirkungen der Kürzung auf den Be trag beschränkt, den auch andere Beamtinnen und Beamte durch die Kürzung der Anrechenbarkeit von Hochschulaus bildungszeiten von drei Jahren auf zwei Jahre und vier Mo nate hinzunehmen haben.

(Beifall des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU sowie der Abg. Heiderose Berroth und Hagen Kluck FDP/DVP)

Die Kürzung der Anrechenbarkeit von Hochschulausbildungs zeiten von drei Jahren auf zwei Jahre und vier Monate verrin gert das Ruhegehalt z. B. von teilzeitbeschäftigten Beamtin nen in der Besoldungsgruppe A 13 – verheiratet, Endstufe, keine Amtszulage zugrunde gelegt – um 53,68 €. Die finanzi ellen Auswirkungen der Kürzung der Anrechenbarkeit von Hochschulausbildungszeiten von vier Jahren und sechs Mo naten auf zwei Jahre und vier Monate werden im Rahmen ei ner Vergleichsberechnung für 1991 bereits vorhandene Beam tinnen in dem genannten Beispiel – wiederum A 13 – eben falls auf 53,68 € begrenzt.

Diese Deckelung, meine Damen und Herren, erfolgt rechts technisch durch die Gewährung einer Ausgleichszulage, die das Ruhegehalt gegebenenfalls entsprechend erhöhen wird. Durch diese Deckelung wird eine überproportionale Schlech terstellung teilzeitbeschäftigter Frauen, die im Rahmen der Ruhegehaltsberechnung von der teilweisen Anwendung des vor 1992 geltenden Rechts profitieren, vermieden. Mit ande ren Worten: Damit haben wir sichergestellt, dass alle Bediens teten bei der Anrechnung von Hochschulausbildungszeiten nicht mehr als acht Monate verlieren.

Mehr Details können Sie den Tabellen zum Änderungsantrag Drucksache 14/7100-9 entnehmen. Ich denke, wir haben da mit einen guten Ausgleich der beiderseitigen Interessen ge funden.

Mit dem Änderungsantrag Drucksache 14/7100-10 werden wir es ermöglichen, dass der gehobene Forstdienst laufbahn rechtlich als gehobener technischer Dienst eingeordnet wird. Damit werden wir die bestehenden Ungleichbehandlungen im Vergleich mit anderen gehobenen technischen Diensten auf heben. Mit dieser Regelung wird es künftig auch möglich sein, im Wettbewerb mit angrenzenden Bundesländern um die bes ten Absolventen zu bestehen.

Bei der Vielzahl der von mir nicht im Einzelnen angesproche nen Änderungen handelt es sich um redaktionelle Änderun gen oder technische Anpassungen. Insofern erlaube ich mir, auf die Ihnen vorliegenden Einzelbegründungen im Speziel len zu verweisen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend be merken: Die Dienstrechtsreform ist ein wegweisender Schritt für ein modernes Dienstrecht für das 21. Jahrhundert. Sie ist einerseits Anerkennung für die erfolgreichen Leistungen un serer Beamtenschaft, andererseits berücksichtigt die Dienst rechtsreform auch die notwendigen Konsolidierungsmaßnah men für unseren Landeshaushalt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Dienstrechtsreform ist ein ausgewogenes Reformkonzept; das habe ich schon mehr

fach erwähnt. Der einzige Vorwurf, den man erheben kann, ist, dass sie auch hätte früher kommen können.

Die CDU-Landtagsfraktion wird aus den genannten Gründen dem gesamten Gesetzespaket mit vollster Überzeugung zu stimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Abg. Stickelberger.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir ver abschieden heute sicherlich das umfangreichste Gesetz in die ser Legislaturperiode. Es wurde viel Arbeit in den Gesetzent wurf gesteckt. Ich habe mich schon in der ersten Lesung bei allen Beteiligten bedankt. Dieser Dank gilt weiterhin.

Ich will jetzt nicht auf viele Einzelheiten eingehen, sondern im Wesentlichen auf die Komplexe, die uns veranlassen, dem Reformwerk nicht zuzustimmen, es sei denn, die Koalitions fraktionen wären bereit, unseren Änderungsanträgen zu fol gen. Das würde ich auch empfehlen, damit wir nach dem 27. März 2011 nicht gleich wieder in eine Änderung dieses umfangreichen Werks eintreten müssen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr guter Vorschlag! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Der 11. 11. kommt doch erst!)

Meine Damen und Herren, in Zeiten des raschen gesellschaft lichen Wandels kann sich auch die Entwicklung des Dienst rechts dieser Dynamik nicht entziehen. Die Ursprünge des Dienstrechts reichen ja zurück in die preußische Geschichte, in die Weimarer Republik, zu den Anfängen des Grundgeset zes, wenn man an die althergebrachten Grundsätze des Beam tentums denkt.

Gerade in Zeiten des Aufgabenwandels... brauchen wir mehr denn je leistungsbereite, engagierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Dieser Aussage in der Rede des Herrn Innenministers in der ersten Lesung können wir nur zustimmen. Deswegen begrü ßen wir auch die Öffnung des öffentlichen Dienstes, die Mög lichkeit, von der Wirtschaft in den öffentlichen Dienst zu wechseln und umgekehrt. Wir wissen, dass der öffentliche Dienst im Wettbewerb um gute Köpfe, um gute Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter steht. Der Markt ist knapp. Wir haben das, Herr Groh, bei anderer Gelegenheit schon häufig disku tiert. Umso wichtiger ist es, dass wir Anreize bieten, den öf fentlichen Dienst attraktiv zu gestalten.

Da begrüßen wir durchaus die Beförderungsmöglichkeiten, die geschaffen werden sollen, die Stellenhebungen, aber auch die Trennung der Altersversorgungssysteme, also die Mög lichkeit der Mitnahme von Altersversorgungsansprüchen.

Wir begrüßen auch die Änderung des Laufbahnrechts. Vor al lem begrüßen wir, dass auch qualifizierte Bewerber von au ßerhalb, ohne die Ochsentour des öffentlichen Dienstes durch

laufen zu müssen, in Beamtenstellungen, in verantwortliche Positionen des öffentlichen Dienstes gelangen können.

Allerdings glauben wir, dass dazu auch erforderlich ist, dass von den Zeiten, in denen gearbeitet wurde, die Zeiten, die dem Dienst, der hinterher verrichtet wird, förderlich sind, auch vollumfänglich angerechnet werden. Deshalb haben wir noch mals einen Antrag eingebracht, um darauf hinzuwirken, dass die außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbenen Zeiten ebenfalls vollumfänglich auf die Pensionsansprüche angerech net werden.

Meine Damen und Herren, Ansprüche an Leistungsbereit schaft und Motivation sowie Effizienz erfordern engagierte und motivierte Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung. Verwaltungshandeln wird immer komplizierter, die Vermitt lung von Verwaltungsvorgängen wird immer schwieriger. Das wissen wir nicht erst seit einigen Wochen. Umso wichtiger ist es, dass Mitarbeiter ihre Entscheidungskompetenz und ihre Erfahrungen auch in die Prozesse einbringen können, die in nerhalb der Verwaltung ablaufen.

Mündige Beamte sind gefordert; nur sie können die schwie rigen Aufgaben bewältigen, die die Verwaltung, die Behörden des Landes, der ganze öffentliche Dienst zu erbringen haben. So, wie Verwaltungshandeln Partizipation und Kommunika tion nach außen verlangt, so bedarf es auch der Kommunika tion und Partizipation nach innen. Deshalb verstehen wir über haupt nicht, wie Sie beim Landespersonalvertretungsrecht zu diesen massiven Einschränkungen der Mitarbeiterrechte kom men können. Das tragen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Thomas Oelmay er GRÜNE)

Das Landespersonalvertretungsrecht obliegt nunmehr landes rechtlichen Regelungen. Die Länder haben hierfür die Zustän digkeit und ein Gestaltungsrecht. Sie machen von diesem Ge staltungsrecht für unser Land in der Weise Gebrauch, dass Sie Mitwirkungsrechte der Bediensteten massiv abbauen. Das kann nicht sein, schon gar nicht in diesen Zeiten.

Sie führen ein Evokationsrecht ein, also eine letzte Entschei dungsmöglichkeit der Behörde, ohne Rücksicht auf all das, was zuvor gelaufen ist, und ohne Rücksicht darauf, dass es Dienstvereinbarungen gibt, die mühsam erarbeitet wurden und auf die sich beide Seiten verlassen können sollten. Sie redu zieren die Mitwirkungsmöglichkeiten der Personalräte, Sie senken das Niveau der Beteiligung. Ich glaube, das ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung.

Wir appellieren an Sie, die Eigenverantwortung der Beamten zu stärken und sie mitwirken zu lassen, damit sie dadurch von ihrer Erfahrung, von ihrem Fleiß und von ihrem Einsatz pro fitieren können. Beteiligen Sie sie, und lassen Sie sie nicht als unmündige Befehlsempfänger ihre Arbeit verrichten.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Na, na, na!)

Ja, Herr Kollege Kluck, Sie als Liberale hätten ja Gelegen heit, sich auf unsere Anträge einzulassen.

(Lachen des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Insbesondere wenn es um Maßnahmen der Arbeitsleistung und der Arbeitsabläufe geht, um Dienstvereinbarungen, ist der

Sachverstand der Mitarbeiter besonders gefragt. Deshalb soll ten wir dem durch entsprechende Änderungen Rechnung tra gen.

Wir haben einen umfassenden Antrag mit dem Inhalt einge bracht, die Mitwirkungsrechte des Personals, der Bedienste ten weiter zu stärken und dem Abbau, den Sie vorsehen, ent gegenzuwirken. Ich kann nur an Sie appellieren: Stimmen Sie unserem umfassenden Änderungsantrag zu.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Thomas Oelmay er GRÜNE – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nach dem 27. März!)

Wir legen auch Wert darauf, dass die Hauptpersonalräte er halten bleiben und dass auch der Landespersonalausschuss er halten bleibt, und zwar für Koordinationsaufgaben und für ressortübergreifende Fragestellungen. Diese Instrumentarien haben sich bewährt und sollten mit neuer Aufgabenstellung auch weitergeführt werden.

Wir begrüßen die Maßnahmen zur Gesundheitsprävention, wenngleich natürlich das Startkapital von 6 Millionen € für den gesamten öffentlichen Dienst doch etwas wenig ist. Wir begrüßen auch familienfreundliche Regelungen, etwa die Re gelung zur unterhälftigen Teilzeit oder den Anspruch auf Frei stellung für die Betreuung kranker Kinder. Aber zur Famili enfreundlichkeit gehört auch, die Benachteiligung von Frau en zu verhindern.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Herr Groh, Sie haben vorhin Ihren Antrag, der mathematisch sehr kompliziert ist, sehr umfassend erläutert. Das ist jetzt der zweite Antrag. Im Ausschuss hatten Sie keinen Antrag einge bracht; gestern gab es einen Antrag von Ihnen, und heute gibt es wieder einen neuen.

Dies zeigt schon eine gewisse Lernfähigkeit bei Ihnen. Aber gleichwohl bleiben wir bei unserer Bewertung der beabsich tigten Änderung, was die Anrechnung von Hochschulzeiten angeht. Es bleibt dabei: Die bisherige Übergangsregelung darf nicht verschlechtert werden. Denn das erfolgt vor allem zu lasten von teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitar beitern und trifft letztlich – seien wir doch ehrlich – auch Frau en. Was Sie vorhaben, kompensiert nicht das, was an Einbu ßen zu befürchten ist.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Thomas Oelmay er GRÜNE)

Deshalb: Stimmen Sie auch insofern unserem Antrag zu, um diese Verschlechterung zu streichen.

Ein besonderes Anliegen waren uns im Rahmen der Dienst rechtsreform natürlich immer die Sonderaltersgrenzen für Po lizei und Feuerwehr. Daran halten wir fest. Das ist für uns ein unverzichtbarer Bestandteil der Zustimmung zu den neuen be amtenrechtlichen Regelungen. Beim Polizeivollzugsdienst, beim Werkdienst bei den Justizvollzugsanstalten und beim Einsatzdienst der Feuerwehr muss es wie bisher bei 60 Jah ren bleiben.