Ich möchte zu diesem Thema, weil es auch um ein kulturel les Phänomen geht, zunächst einmal einen der klügsten Köp fe des 20. Jahrhunderts zitieren, nämlich Erich Fromm. Er hat in seinem großartigen Werk „Anatomie der menschlichen De struktivität“, in dem es um die Aggression und die Bösartig keit der Aggression geht,
auch etwas zur Nekrophilie geschrieben. Das ist die Liebe zu toten Dingen. Zu den wesentlichen Elementen der Nekrophi lie gehören nach Erich Fromm die Anbetung der Geschwin digkeit und der Maschine.
(Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Zu rufe der Abg. Karl Zimmermann CDU und Hagen Kluck FDP/DVP)
Ich verbinde mit der Tatsache, dass heute nicht der Innenmi nister, sondern die Umweltministerin zu diesem Thema redet, dass auch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse in die Stel lungnahmen der Regierung einfließen und die Ansichten nicht mehr so sind, wie sie in der Stellungnahme des Innenminis teriums zum Ausdruck kamen.
Es ist doch völliger Unfug, noch heute zu behaupten – wie es in der Stellungnahme zu Ziffer 1 des Antrags steht –, dass man möglichst schnell fahren können sollte, damit der Verkehr bes ser fließt.
Ja, wir wollen den Zugverkehr ausbauen; wir wollen aber keine Nadelöhre schaffen. Deswegen sind wir gegen Stutt gart 21.
Meine Damen und Herren, Fakt ist: Je gleichmäßiger der Ver kehr fließt, desto mehr Kapazität entsteht auf der Straße. Das funktioniert natürlich nicht, wenn man zulässt, dass manche 250 km/h und die anderen 120 km/h fahren. Das führt immer wieder zu Staus und zu Stockungen. Jeder, der schon einmal auf der Autobahn gefahren ist, kennt doch die Situation: Plötz lich gibt es stockenden Verkehr und Stau, aber man weiß auf den ersten Blick gar nicht, woran es lag. Es lag eben daran, dass Menschen aufeinandergetroffen sind, bei denen sich die gefahrenen Geschwindigkeiten zu sehr voneinander unter schieden.
Jetzt wird hier auf eine Studie der DEKRA Unfallforschung aus dem Jahr 2007 verwiesen. Mich wundert wirklich, dass bei Ihnen nicht angekommen ist – dass es bei Ihnen, Herr Kol lege, nicht angekommen ist, ist mir klar; ich habe längst auf gegeben, daran zu glauben, dass Sie sich um solche Dinge kümmern; aber beim Rest der SPD müsste es angekommen sein –, dass es eine Untersuchung des Landes Brandenburg gibt,
aus der hervorgeht: Wenn man ein Tempolimit bis 130 km/h einführt, meine Damen und Herren, dann gibt es halb so viel Verkehrstote. Die Kollegin von der CDU hat gesagt: Jeder To te ist einer zu viel. Wenn Sie das ernst nehmen, dann müssen Sie sich auch diese Erkenntnisse aus Brandenburg zu eigen machen.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Man kann gar nicht schneller als 130 km/h fahren! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)
Die Zahl der Verkehrstoten geht um 20 bis 50 % zurück, wenn Sie ein generelles Tempolimit einführen. Das ist das Ergebnis einer langjährigen Studie in Brandenburg.
Ein weiteres Ergebnis dieser Studie ist, dass eine sechsspuri ge Autobahn bei Tempo 130 – jetzt müssten Sie wirklich ein mal zuhören, Herr Kollege Bachmann – etwa 7 200 Fahrzeu ge pro Tag und Richtung mehr aufnehmen könne als bei frei gegebener Geschwindigkeit.
Wenn Sie also alle gegen Staus sind und diese Ergebnisse end lich einmal zur Kenntnis nehmen, kann die Folgerung nur sein: Es gibt ein Tempolimit. Dann brauchen wir in diesem Zusammenhang nicht mehr zusammen mit Albanien genannt zu werden. Denn Albanien und Deutschland sind meines Wis sens die einzigen Länder in Europa, die kein generelles Tem polimit haben.
Des Weiteren hat diese Studie aus Brandenburg ergeben, Herr Kollege Zimmermann, dass dort durch ein Tempolimit der volkswirtschaftliche Schaden durch Unfälle von 45 Millio nen € auf 33 Millionen € pro Jahr zurückgehen würde. Auch das sind doch Zahlen, die Sie zum Nachdenken anregen müss ten.
Als Sie politisch noch anders gedacht haben, haben Sie dort vielleicht Verbündete gehabt. Ich war nie ein Freund davon.
Es wird Zeit, dass wir in Deutschland ebenfalls ein generel les Tempolimit einführen, dass wir die Blockade auf europä ischer Ebene, wo man sich für ein generelles Tempolimit von 120 km/h ausgesprochen hat, aufgeben.
Damit Sie sich beruhigt zurücklehnen können, Herr Kollege Zimmermann: Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf unseren Autobahnen ist ohnehin nicht höher als 120 km/h.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich sage Ihnen: Ich fahre im Durchschnitt 3 km/h! – Gegenruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Es würde besser, wenn wir ein Tempolimit einführen würden! – Glocke des Prä sidenten)
Herr Kollege Zimmermann, lehnen Sie sich einfach zurück, fahren Sie entspannter Auto, fahren Sie langsamer, oder – noch besser – nehmen Sie die Bahn, solange man noch ordent lich nach Stuttgart hineinfahren kann.
Für die Landesregie rung erteile ich Frau Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Gönner das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Geschwindigkeitsbeschränkung auf Bundesautobahnen“ wird von den Befürwortern und den Geg nern teilweise recht emotionsgeladen diskutiert, wie wir ge rade beim letzten Wortbeitrag feststellen konnten. Deswegen will ich zunächst die Fakten festhalten.
Studien einzelner Länder zu den Auswirkungen eines allge meinen Tempolimits auf Autobahnen – bei den Ländern geht es nicht um einzelne Bundesländer – zeigen keinen statistisch relevanten Zusammenhang zwischen der Zahl der Unfälle und der Länge der Streckenabschnitte mit einer Geschwindigkeits begrenzung.
Einer bundesweiten Studie der DEKRA Unfallforschung aus dem Jahr 2007 zufolge – Herr Bachmann, Sie haben schon darauf verwiesen – sind bei einem Vergleich von unterschied lichen Autobahnabschnitten mit und ohne Tempolimit keine Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit oder der Folgen von Unfällen feststellbar.
Im Übrigen ist in Österreich die Zahl der Unfalltoten auf Au tobahnen bei dem bekanntlich bestehenden Tempolimit etwa 1,5-mal höher als in Deutschland.
Weiter zeigt der europäische Vergleich, dass Tempolimits nicht automatisch dazu führen, dass sich die Verkehrssicher heitslage in den jeweiligen Staaten wesentlich verbessert. Im Gegenteil: Im langjährigen Vergleich der Anzahl der Verkehrs toten liegt Deutschland mit besonders niedrigen Zahlen in der Spitzengruppe der europäischen Länder.