Viertens: Schulsozialarbeit hat sehr viele Fürsprecher. Ich be ginne einmal beim Exkultusminister Rau, der im Jahr 2006 den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung der Schulsozi alarbeit als unglücklich bezeichnet hat. Eltern, Lehrer, Kom munen, der Landeselternbeirat, die Lehrerverbände und der Städtetag haben sich sehr deutlich und kontinuierlich für ei nen flächendeckenden und mischfinanzierten Ausbau der Schulsozialarbeit ausgesprochen.
Fünftens und letztens: Schulsozialarbeit hatte doch schon ein passendes Finanzierungskonzept. Die Mischfinanzierung durch kommunale Jugendhilfeträger, durch Schulträger und durch das Land war anerkannt, erprobt, und sie hat nieman den über Gebühr belastet. Jetzt wird die kommunale Seite al leingelassen
mit der Konsequenz, dass Schulsozialarbeit bzw. ihre Finan zierung von der Kassenlage vor Ort abhängt.
Lassen Sie mich deswegen kurz zu den vorliegenden Anträ gen Stellung nehmen. Unsere in einem Antrag erhobene For derung nach Einstellung der millionenschweren sogenannten Informationskampagne hat sich insofern erledigt, als diese In formationskampagne inzwischen abgeschlossen ist. Aber sie hat wieder einmal gezeigt, wo das Land bereit ist, Geld aus zugeben, und wo es Geld verweigert.
Die Landesförderung von Schulsozialarbeit im bewährten Konzept muss wieder aufgenommen werden. Das ist seit Jah ren unsere Position. Deswegen stimmen wir selbstverständ lich auch heute diesem Antrag zu.
Die sehr formalistisch argumentierende und sich ausschließ lich auf § 13 SGB VIII beziehende CDU-Position ist überholt – Verfallsdatum: 27. März 2011.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wiederholen heute eine Debatte aus dem Jahr 2006.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja wenn ihr nichts macht, muss man sie einfach wiederholen! – Gegen ruf von der CDU: Zuhören!)
Ich habe keinerlei neue Argumente gehört. Auf eines will ich aber noch einmal hinweisen. Frau Kollegin Rastätter hat ge sagt, das Land würde sich an gar nichts beteiligen. Ich will das einmal richtigstellen. Das Land fördert mit jeweils 10 000 € pro Jahr 77 Stellen für Jugendberufshelferinnen und Jugendberufshelfer.
Das sind Menschen, die den jungen Leuten im Berufsvorbe reitungsjahr helfen, einen Arbeitsplatz zu finden. Das sind kei ne Arbeitsvermittler, sondern Leute, die genau das machen, was Sie verlangen, nämlich Sozialarbeit, z. B. an Berufsschu len. Gerade im BVJ sind nicht die einfachsten Schüler.
Zweitens: Mit jeweils 11 000 € fördert das Land 200 Vollzeit stellen im Bereich der mobilen Jugendarbeit, die eng mit den Schulen und den Kommunen zusammenarbeitet. Was macht die mobile Jugendarbeit? Nichts anderes als Jugendsozialar beit, liebe Frau Rastätter. Von „nichts“ kann man wohl nicht reden.
Wenn Sie in Ihrem Änderungsantrag verlangen, die Landes förderung für die Schulsozialarbeit mit einer Drittelfinanzie rung wieder aufzunehmen, könnte ich mich jetzt wieder set zen und sagen: Das Land leistet im Moment sogar mehr als ein Drittel, wenn man zudem an die Sozialarbeiter denkt, die im Land tätig sind.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Das glauben Sie ja selbst nicht! – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)
Jetzt wollen wir aber auf den Konsens, den Sie beschworen haben, zurückkommen. Ja, Sie haben recht – das haben wir auch nie anders gesagt –: Für uns ist Jugendsozialarbeit an Schulen selbstverständlich eine wichtige Leistung der Jugend hilfe. Das ist eine Leistung, die sinnvoll ist, weil sie am ande
ren Ende der Skala – ich habe gerade mit einem Bürgermeis ter aus unserer Fraktion gesprochen – auch dazu beiträgt, dass die Jugendhilfeausgaben der Kreise im Zaum gehalten wer den.
Wenn man frühzeitig interveniert, indem man Jugendsozial arbeiter in die Schulen schickt, hat man auf der anderen Sei te bei den Themen Kreisumlage, Jugendhilfe und Eingliede rungshilfe auch eine Gegenrechnung aufzumachen. Die Kom munen leisten einerseits viel, was die Sozialarbeit angeht, aber sie sparen andererseits auch Geld, indem sie das, was sie in der Schule abfangen können, im Kreishaushalt eben nicht mehr abfangen müssen. Das muss man auch im Zusammen hang sehen.
(Abg. Walter Heiler SPD: Das ist eine Argumentati on! Die ist unglaublich! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)
Jetzt möchte ich noch eines anfügen: Sie drücken sich vor ei ner ganz wesentlichen Frage. Das wird jetzt bestimmt alle in der linken Ecke erzürnen. Aber es muss einmal gesagt wer den.
Wir haben an unseren Schulen in Baden-Württemberg bisher Pädagogen. Die Pädagogen haben den Auftrag, Bildung zu vermitteln. Sie haben aber auch den Auftrag, Erziehung zu leisten –
Lassen Sie uns jetzt einmal darüber diskutieren, was wir in Zukunft wollen. Sie reden nie über die Schnittstelle. Sie ver langen, Schulsozialarbeiter einzusetzen, aber Sie, liebe Frau Rastätter, diskutieren mit uns interessanterweise nie über die Frage: Was ist eigentlich in den einzelnen Schulen die Kon sequenz daraus?
Es gibt mindestens zwei Arten von Lehrern. Es gibt Lehrer, die den Sozialarbeiter als fachlich kompetenten Kollegen an sehen und dann auch sagen: „Lieber Kollege, wir müssen uns darauf einigen, was Erziehung ist, was Bildung ist. Wir müs sen im Interesse des Kindes eine Schnittstelle finden.“
Es gibt andere Lehrerinnen und Lehrer, die sagen: „Prima, ich habe jetzt einen Sozialarbeiter. Ich unterrichte mein Fach. Al le Probleme, die ein Schüler bereitet, lade ich beim Schulso zialarbeiter ab.“
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Den Lehrer möch te ich einmal sehen! – Abg. Walter Heiler SPD: Nen nen Sie Namen!)
Oh ja, die gibt es sehr wohl. Liebe Frau Rastätter, ich ver rate Ihnen jetzt wahrscheinlich kein Geheimnis:
Meine Frau ist Sozialarbeiterin an einer Schule. Sie unterrich tet an einer Schule. Ich erlebe das nicht nur in der Distanz der Politik, sondern ich erfahre durchaus auch aus praktischen Er lebnissen, welche Lehrer es gibt, die dann sagen: „Okay, pä dagogischer Auftrag beendet. Ich bin Unterrichtskraft. Ich un terrichte Erdkunde, Biologie oder Englisch. Aber wenn der Schüler ein persönliches Problem hat, hat von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr der Schulsozialarbeiter Sprechstunde.“
Über diese Schnittstelle, liebe Frau Rastätter, würde ich mit Ihnen gern einmal diskutieren. Denn darüber haben wir bis her nicht diskutiert. Sie fragen nach Masse. Ich finde, wir soll ten zuvor über das Thema Klasse diskutieren. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Zweite Bemerkung: Es ist der berühmte § 13 des SGB VIII – Jugendsozialarbeit – zitiert worden. Er gilt, er ist in Kraft. Sie waren in Berlin an der Regierung beteiligt. Die SPD war in der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags in der Großen Koalition. Ich kann nicht erkennen, dass es irgendei nen Antrag auf Bundesebene gibt, der § 13 – Jugendsozialar beit – infrage stellt und sagt: „Stellt das um.“ Im Gegenteil, die Kreise haben mit § 13 etwas gemacht. Sie haben nämlich gesagt: „Wir orientieren uns künftig bei den Kindern nicht mehr am einzelnen Ort, an dem die Kinder sind, sondern wir orientieren uns am Sozialraum.“ Der Sozialraum hat mehre re Teile, nämlich das Elternhaus, die Schule, die Freizeit und den Verein. Das ist eine sozialraumorientierte Jugendpolitik, bei der die Schule ein Punkt ist, aber nicht der einzige.
Wenn die Sozialraumorientierung funktionieren soll – Kolle ge Lehmann kennt die Diskussion aus unserem Kreistag; ich meine, wir machen das recht gut –, dann muss der Jugendso zialarbeiter an der Schule unwahrscheinlich eng mit den Ver antwortlichen an allen anderen Stellen außerhalb des Schul lebens zusammenarbeiten; denn sonst nutzt die schönste Ju gend- und Sozialarbeit an Schulen nichts, wenn es nachmit tags nicht weitergeht.
Kurzum: Auch wir sehen die Notwendigkeit der Jugendsozi alarbeit an Schulen. Ich sage das bewusst so, weil nachher das Sozialministerium und nicht das Kultusministerium hierzu spricht. Auch wir sehen, dass der Bedarf gestiegen ist. Ich würde mir auch wünschen, dass wir in diesem Bereich die Chancen nutzen.
Ich kann nur sagen: Die Kommunen haben die Chancen er kannt und ergriffen. Ich bin leidenschaftlicher Verfechter von Jugendsozialarbeit an Schulen. Aber hören Sie bitte auf, hier morgens Haushaltsdebatten zu führen und nachmittags so zu tun, als könnten wir wieder alle Leistungen dieser Welt ver teilen und hätten Geld ohne Ende.
Lieber Herr Bayer, es ist et was vermessen, wenn Sie das Thema Werbung des Kultusmi nisteriums mit diesem Projekt vergleichen. Denn die Werbung, die da gemacht worden ist, ist inzwischen erstens eingestellt, und zweitens wäre das ein einmaliger Betrag gewesen. Ich glaube, Sie können leicht ausrechnen, dass eine Dauerförde rung von 600 oder 800 Stellen mit jeweils 50 000 € bis 60 000 € eine etwas andere Hausnummer ist als eine einma lige Förderung von 2 Millionen €. Das wissen auch Sie sehr genau.