Protokoll der Sitzung vom 25.11.2010

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Bestimmung einer innerstaatlichen Institution nach dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 9. September 1996 über die Samm lung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt vom 13. Dezember 2003 (BGBl. II S. 1799) – Drucksache 14/7159

Die Regierung bringt diesen Gesetzentwurf kurz ein. Es wird keine Aussprache geben.

Bitte, Frau Ministerin.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir sind gespannt, was da kommt!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den wir heute vorle gen, hat einen komplizierten Namen. Auch die Regelungen, um die es geht, waren wegen der Vielzahl der Beteiligten nur schwer zu formulieren. Einerseits gibt es international eine Vielzahl von Beteiligten. Andererseits sind auch die Bundes länder in Deutschland beteiligt.

In ihrem Kern ist die Sache allerdings sehr einfach. Es geht um die sogenannte Bilgenentwässerung, also um die Entsor gung des Öl-Wasser-Gemisches, das sich mit der Zeit unten im Schiffsrumpf in der Bilge sammelt. Bis Ende der Achtzi gerjahre war es weitgehend üblich, die Bilgenabwässer bei Gelegenheit einfach über Bord zu pumpen. Das war zwar nicht umweltgerecht – das leuchtet, glaube ich, jedem ein –, war aber dem einzelnen Schiffsführer kaum nachzuweisen.

Gleichzeitig musste man erkennen, dass vorhandene Bilgen entwässerungsboote, welche die Bilgenabwässer ordnungsge mäß übernehmen und entsorgen können, nur dann in Anspruch genommen wurden, wenn dafür nichts bezahlt werden muss te. Andernfalls war offenbar der Anreiz zur zwar illegalen, aber kostenlosen Entsorgung bei geringem Entdeckungsrisi ko zu groß.

Die Rheinanliegerländer haben sich deshalb vor etwa 20 Jah ren bereit erklärt, den Bilgenentwässerungsverband Duisburg zu gründen, der diese Entsorgung durchführt, ihn gemeinsam zu finanzieren und die Kosten aus Haushaltsmitteln zu tragen. Dies widerspricht zwar eklatant dem Verursacherprinzip. Ei ne verursachergerechte Lösung lässt sich auf den grenzüber schreitenden Binnenwasserstraßen aber nur international fin den.

Deshalb hat die Bundesrepublik zusammen mit anderen Rheinanliegerstaaten – von der Schweiz über Frankreich bis zu den Niederlanden – sowie mit Belgien und Luxemburg schon am 9. September 1996 das Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt abgeschlossen. Es ist nach der Ratifi kation durch Belgien im vergangenen Jahr in Kraft getreten – es wurde also im Jahr 1996 abgeschlossen und ist im Jahr 2009 in Kraft getreten. Sie sehen, manchmal dauert es etwas länger.

Das Übereinkommen regelt auch die Entsorgung anderer Schiffsabfälle. Zentral geht es aber um die Bilgenabwässer und die sonstigen öl- und fetthaltigen Schiffsbetriebsabfälle.

Die Lösung des Problems besteht darin, dass der Schiffsbe treiber für den einzelnen Entsorgungsvorgang zwar weiterhin keine Gebühr zu zahlen hat, dass stattdessen aber bereits beim Tanken des Schiffstreibstoffs in allen Vertragsstaaten eine ein heitliche Abgabe erhoben wird. Damit wird dem Verursacher prinzip Rechnung getragen, gleichzeitig aber jeder finanziel le Anreiz zur illegalen Entsorgung vermieden.

Jetzt bleibt noch zu klären, wer innerhalb Deutschlands die Bilgenentwässerung durchzuführen hat und dafür aus den ein genommenen Abgaben finanziert wird. Das Übereinkommen gibt vor, dass dazu in jedem Vertragsstaat eine innerstaatliche Institution bestimmt werden muss. Deshalb soll diese einheit liche Institution von den Ländern durch den Staatsvertrag be stimmt werden. Wir wollen zentral den Bilgenentwässerungs verband in Duisburg dazu bestimmen.

Da das Übereinkommen über das Rheingebiet hinaus in ganz Deutschland für alle Binnenwasserstraßen gilt, hat die Viel zahl der Vertragspartner eine schnelle Ratifikation verzögert. Es hat also nicht nur international etwas länger gedauert, son dern es ist auch bei uns eine gewisse Zeit nötig gewesen. Die Sache ist jetzt allerdings sehr eilbedürftig, da das internatio nale Zahlungssystem zum Jahreswechsel in Kraft gesetzt wer den soll. Dazu muss die innerstaatliche Institution förmlich bestimmt werden.

Was ändert sich durch den Staatsvertrag für Baden-Württem berg? Das ist die entscheidende Frage für Sie. Tatsächlich än dert sich überhaupt nichts, da der Bilgenentwässerungsver band Duisburg, ein öffentlich-rechtlicher Wasserverband nach dem deutschen Wasserverbandsgesetz unter der Rechtsauf sicht des Landes Nordrhein-Westfalen, die Bilgenentwässe rung bereits seit vielen Jahren auch in Baden-Württemberg unter Kostenbeteiligung des Landes durchführt.

Aber genau an dem Punkt der Kostenbeteiligung ändert sich sehr viel dadurch, dass die Entsorgungskosten nicht mehr aus der Landeskasse, sondern verursachergerecht aus den Abga ben der Schiffsbetreiber über das internationale Ausgleichs system bezahlt werden sollen. Statt der jährlich bisher mehr als 850 000 € wird Baden-Württemberg künftig nur noch et wa 60 000 € bis 65 000 € für die Betriebs- und Verwaltungs kosten der innerstaatlichen Institution zu tragen haben. Diese verbleibenden Kosten können leider nicht umgelegt werden, da das vom Bund mit den anderen Staaten geschlossene Über einkommen das so vorsieht und eine Umlegung an den Kos tentragungsregeln anderer Vertragspartner gescheitert ist.

Trotzdem bleibt festzuhalten: Das Land wird künftig für die gleichen Leistungen nur noch weniger als ein Zehntel der bis herigen Kosten zu tragen haben. Deshalb hoffe ich, dass wir dieses Gesetz noch in diesem Jahr verabschieden und in Kraft setzen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Vielen Dank. – Es gibt keine Aussprache. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Druck sache 14/7159 zur weiteren Beratung an den Umweltaus schuss zu überweisen. – Sie stimmen dem Vorschlag zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über Zuwendungen des Landes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Landesgemein deverkehrsfinanzierungsgesetz – LGVFG) – Drucksache 14/7160

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: Nach der Begründung durch die Regierung erfolgt eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffel te Redezeiten gelten. Man muss nicht die gesamte Redezeit ausnutzen, aber man kann dies natürlich tun.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Gönner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel der Föderalismusreform im Jahr 2006 war, Mischfinanzierungen so weit wie möglich aufzulösen. Auch heute Morgen hatten wir schon eine entsprechende Debatte, die auch weiterhin möglich ist.

Das Entflechtungsgesetz beendet die gemeinsame Finanzie rung von kommunalen Verkehrsprojekten durch Bund und Länder. Die Länder sind nun allein verantwortlich. Das Land Baden-Württemberg muss jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Förderung von kommunalen Infrastruktur vorhaben auch künftig fortgesetzt werden kann. Denn die Kommunen brauchen im Verkehrsbereich Verlässlichkeit und langfristige Regeln.

Das Entflechtungsgesetz war die Nachfolgeregelung zur Bun desregelung für die Verkehrsfinanzierung auf Gemeindeebe ne. Das Entflechtungsgesetz weist dem Land Baden-Württem berg derzeit ca. 165,5 Millionen € für die sogenannten Lan desprogramme zu. Dieses Geld wird in den Gemeinden zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse eingesetzt. Viele wich tige und viele dringend notwendige Projekte werden so finan ziert.

Investitionen in verkehrliche Verbesserungen sind auch wei terhin notwendig. Auch künftig sollen Gelder zur Verbesse rung der Verkehrsverhältnisse eingesetzt werden. Genau dies ist das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs.

Warum soll ein neues Gesetz geschaffen werden? Ich habe es bereits gesagt: Das Entflechtungsgesetz ist das Nachfolgege setz auf Bundesebene für das sogenannte Gemeindeverkehrs finanzierungsgesetz. Das Entflechtungsgesetz ist ein Gesetz zur Finanzierung der Aufgaben der Gemeinden im verkehrli chen Bereich. Es sieht vor, dass dieses Geld, von dem ich ge sprochen habe, den Ländern noch bis zum Jahr 2019 zugewie sen wird, dass zugleich aber ab dem Jahr 2014 die sogenann te Bindung, was die Investitionen angeht, gemäß der die Mit tel für den Verkehr eingesetzt werden müssen, wegfällt. Ge

rade deswegen ist es notwendig, zu sagen, wie wir in Zukunft damit umgehen.

Das Entflechtungsgesetz beendet stufenweise die Mittelzu weisung durch den Bund. Ab dem Jahr 2014 entfällt die ver kehrliche Zweckbindung. Ab dem Jahr 2020 stellt der Bund diese Zahlungen vollständig ein. Das Land will aber den Weg der kontinuierlichen Verbesserung des Verkehrs weitergehen und diese Mittel weiterhin für verkehrliche Investitionen zur Verfügung stellen.

Der Gesetzentwurf enthält daher in einem ersten Schritt die verkehrliche Zweckbindung der Mittel in Baden-Württemberg auch über das Jahr 2014 hinaus. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir werden uns damit im Kreis der Länder positiv her vorheben. Das neue Landesgesetz soll den Kommunen, Ver kehrsunternehmen und sonstigen Vorhabenträgern Planungs sicherheit verschaffen. Das neue Gesetz gilt unbefristet auch über das Jahr 2019 hinaus. Wir wollen damit die notwendige Verlässlichkeit schaffen.

Was sind die Inhalte dieses Gesetzentwurfs? Wir fördern ne ben dem Neu- und Ausbau der Straße vor allem den Verkehr auf der Schiene. Nur eine ausgewogene und umweltfreundli che Verkehrspolitik bringt uns in das 21. Jahrhundert. Inhalt lich schließt das neue Landesgesetz an das bewährte Gemein deverkehrsfinanzierungsgesetz des Bundes an und schreibt dieses fort. Die Fördertatbestände des Bundes-GVFG werden weitgehend übernommen. Dieses enthält zahlreiche Förder möglichkeiten für verschiedenartige Investitionen in die Inf rastruktur.

Neben dem Neu- und Ausbau von verkehrswichtigen Straßen ist auch die Förderung von Fahrspuren für Omnibusse und von Umsteigeparkplätzen zur Verringerung des motorisierten Individualverkehrs vorgesehen. Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs werden sowohl Bau und Ausbau der Schiene als auch Haltestelleneinrichtungen und Beschleuni gungsmaßnahmen gefördert. Das Landesgemeindeverkehrs finanzierungsgesetz bietet die notwendige Flexibilität, um die dringendsten Projekte anzugehen.

Gleichwohl haben wir die bisherigen Fördertatbestände des Bundes-GVFG auch einer kritischen Prüfung unterzogen und dort, wo es sinnvoll war, im Landesgesetz modifiziert. So wur de ein Fördertatbestand, der den Straßenbau im Zusammen hang mit der Stilllegung von Schienenstrecken betraf, gestri chen; dieser war nicht mehr zeitgemäß.

Zur weiteren Modernisierung des Gesetzes wurde das Lan des-GVFG auch um einige neue Fördertatbestände erweitert. Diese spiegeln die Ziele des Landes einer nachhaltigen und einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik wider.

Erstens: Wir fördern nun auch verkehrswichtige Radwege. Der Radwegebau wurde als selbstständiger Fördertatbestand aufgenommen. Das Land Baden-Württemberg geht so seinen Weg zum Fahrradland konsequent weiter. Eine wichtige For derung des Landesbündnisses ProRad wird damit umgesetzt.

Zweitens steht nun auch für den Lärmschutz ein eigener För dertatbestand zur Verfügung. Dieses Thema hat uns schon in den letzten beiden Tagen intensiv beschäftigt. Nächtliche Lärmbelastungen durch den Verkehr sind für Betroffene oft

nicht mehr zumutbar. Eine Analyse zeigt, dass 80 % dieser Betroffenen an Straßen in kommunaler Baulast leben.

Künftig sollen daher Lärmschutzmaßnahmen ermöglicht wer den, sofern diese Maßnahmen Bestandteil eines umfassenden Lärmaktionsplans der Kommunen sind. Einerseits besteht der Wunsch – das richtet sich an die Kommunen –, einen entspre chenden Lärmaktionsplan zu erstellen, und auf der anderen Seite steht dann auch die entsprechende Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Drittens kommt als Fördertatbestand die Grunderneuerung von Verkehrswegen im ÖPNV hinzu. Wir stellen klar: Diese Grunderneuerung ist kein Ersatz für eine ordnungsgemäße In standhaltung. Eine förderfähige Grunderneuerung im Sinne des Gesetzes ist nur dann gegeben, wenn die Maßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung der Sicherheit oder zu einer Beschleunigung des Verkehrs führen.

Die Förderung von Ersatzinvestitionen ist häufig volkswirt schaftlich sinnvoller als ein Neubau. Allerdings dürfen wir auch keine Anreize setzen, die dazu führen, dass man zunächst etwas verlottern lässt, um es anschließend über diese Mittel gefördert zu bekommen.

(Zustimmung des Abg. Manfred Groh CDU)

Das war uns bei dieser Frage ganz wichtig. Hiermit schaffen wir die dafür erforderlichen Grundlagen.

Der Gesetzentwurf wurde im Anhörungsverfahren von allen Beteiligten durchweg begrüßt. Offensichtlich ist, dass die Kommunen und die Vorhabenträger das neue Landes-GVFG brauchen.

Ich möchte nicht verschweigen, dass sich einige Beteiligte be reits jetzt langfristige finanzielle Zusagen im Gesetzentwurf gewünscht haben. Diese Versprechen kann das Land aber nicht geben. So hängt die Finanzierung über das Jahr 2020 hinaus von den dann verfügbaren Mitteln ab. Die Bereitstellung die ser Mittel wird in Verantwortung des Landtags bei der jewei ligen Haushaltsaufstellung geschehen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetz entwurf dem Land Verlässlichkeit bei der Verkehrsinfrastruk turplanung bringen. Dies dient der Mobilität unserer Bürge rinnen und Bürger und stellt für unsere Kommunen eine not wendige Voraussetzung für die langfristige Planung dar. Der Erhalt sowie der Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sind zudem Voraussetzungen für Wachstum und Beschäfti gung.

Ich freue mich auf die folgende Debatte und auf die Diskus sion im Ausschuss. Ich bin der Überzeugung, dass uns damit ein guter Aufschlag gelungen ist

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU)