Meine Damen und Herren, ich bin ziemlich sicher: Die Wäh lerinnen und Wähler in Baden-Württemberg werden das ver hindern. Sie wissen, was sie an ihrer bürgerlichen Regierungs koalition haben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schlichtung für Stuttgart 21 war für Baden-Würt temberg ein großer Gewinn. Nach dem Motto des Minister präsidenten „Alle an den Tisch, alles auf den Tisch“ kamen Befürworter und Gegner des Projekts zusammen. In der Sa che wurde miteinander gestritten – das Entscheidende liegt in der Sache –, und es wurde um die Sache gerungen, und dies zumeist sehr konstruktiv.
Damit haben wir sicher das nachgeholt, was in der Vergan genheit gelegentlich versäumt worden war. Wir haben Trans parenz und vor allem Sachlichkeit geschaffen. Die Menschen im Land fühlen sich nun viel besser über das Projekt infor miert. Ausdrücklich will ich heute noch einmal sagen: Wir sind Heiner Geißler für seine Arbeit als Schlichter sehr dank bar. Ich glaube, es war nicht immer ganz einfach, den richti gen Ton zu treffen und mit uns allen gut umzugehen.
Lieber Herr Wölfle, wir sind Ihnen durchaus auch dankbar da für, dass Sie den Vorschlag für Heiner Geißler eingebracht ha ben, den der Herr Ministerpräsident dann in seiner Regie rungserklärung auch aufgegriffen hat.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schlich terspruch vom 30. November gibt weder Befürwortern noch Gegnern allein recht, sondern er verlangt von beiden Seiten etwas.
Dr. Geißler befürwortet einerseits das Projekt – im Übrigen in bemerkenswert klarer Weise, lieber Herr Wölfle –; er äußert in Ziffer 9 des Schlichterspruchs:
Er spricht sich also in bemerkenswert klarer Weise für den Weiterbau von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke nach Ulm aus und erteilt Alternativkonzepten – im Übrigen ebenso wie der Volksabstimmung – eine Absage.
Andererseits – das ist richtig – hat er für uns als Projektpart ner Hausaufgaben formuliert, um insbesondere eine höhere Leistungsfähigkeit zu erreichen, aber beispielsweise auch, um das Vorhaben noch sicherer zu machen. Das Ziel für ihn ist ein noch besseres Stuttgart 21.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jahr hundertprojekt!)
Lieber Herr Wölfle, Sie haben gesagt, diejenige, die das Er gebnis des Schlichters nicht anerkannt habe, sei ich gewesen. Ich weise aber auf diejenigen hin, die sich als Erste geäußert und von Mehrkosten von 500 Millionen € gesprochen haben: Das waren die Grünen. Im Laufe des Abends wurden aus die sen Mehrkosten dann 1 Milliarde €. Sie wussten also schon, was es kostet, bevor der Stresstest gemacht worden ist.
Den Stresstest werden wir im Übrigen auch als ein Entgegen kommen an die Kritiker – noch einmal: es geht um eine Er höhung der Leistungsfähigkeit zur Spitzenstunde – vorneh men. Denn auch das ist wichtig. Wir hatten zuvor gesagt: 30 % Steigerung über den Tag verteilt. Und jetzt waren wir bereit, 30 % mehr in der Spitzenstunde nachzuweisen, und zwar oh ne dass Sie wissen, ob wir in dieser Spitzenstunde tatsächlich diese Leistung brauchen, und ohne dass die Verkehrsprogno sen dies tatsächlich hergeben.
Ganz wichtig ist, ob die Nachfrage überhaupt da ist. Der de mografische Wandel und die Tatsache, dass wir eher weniger als mehr Schüler haben werden, sprechen eher dagegen, dass die Steigerung von 30 % in der Spitzenstunde notwendig ist. Es war aber ganz bewusst unser Entgegenkommen an die Kri tiker, zu sagen: Wir stellen uns dem Stresstest – auch bezüg lich der 30 % Steigerung in der Spitzenstunde.
Jetzt geht es um die Aufgabe, von 44 auf 49 Züge zu kommen, und es geht auch um die Frage, welche der von Heiner Geiß ler vorgeschlagenen Punkte am Ende notwendig sein werden, wenn die Ergebnisse des Stresstests vorliegen.
Wir haben im Juli in diesem Haus einmal über ein Gutachten der Schweizer Firma SMA diskutiert – wozu es auch eine Stel lungnahme gibt –; die SMA begleitet uns ja bekanntermaßen. Damals hat die SMA ausgeführt, dass der Bahnhof nicht der
limitierende Faktor ist. Ich habe nichts anderes getan, als auf den Satz hinzuweisen, und deswegen gesagt: Es spricht vie les dafür, dass das neunte und zehnte Gleis nicht benötigt wer den,
Das habe ich gesagt, habe zugleich aber auch gesagt, dass wir wissen, dass wir Hausaufgaben bekommen haben, dass wir uns diesen Hausaufgaben stellen und sie angehen werden. Lie ber Herr Wölfle, auch da lohnt es sich, in den Schlichterspruch hineinzuschauen, wie es überhaupt gut ist, dieses Papier re gelmäßig bei sich zu tragen und heranzuziehen.
Welche der von mir vorgeschlagenen Baumaßnahmen zur Verbesserung der Strecken bis zur Inbetriebnahme von S 21 realisiert werden, hängt von den Ergebnissen der Si mulation ab.
Das ist der ganz entscheidende Satz. Also können Sie nicht sagen, das koste 500 Millionen € oder 1 Milliarde €. Sie sa gen das deswegen, weil Sie schwer mit dem Ergebnis umge hen können, weil Sie den Menschen weiterhin in etwa sagen wollen: „Das wird so teuer. Deswegen ist unsere Variante die bessere.“ Sie sind aber nicht in der Lage, einzugestehen, dass Ihre Alternative – wir haben ja zugestanden, dass es technisch machbar ist – bei Weitem nicht dem entspricht, was Sie hin sichtlich der Leistungsfähigkeit sagen – denn es ist nicht nach gewiesen –, aber insbesondere auch hinsichtlich der Kosten, weil Baukastensysteme für gewöhnlich auch entsprechend teuer sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat gesagt: Wir sind bereit, diesen Schlichterspruch zu akzep tieren. Der Ministerpräsident hat am Tag nach dem Schlich terspruch ein Siebenpunkteprogramm vorgelegt, das die Lan desregierung jetzt auch abarbeitet.
Dieses Siebenpunkteprogramm beinhaltet zum einen, dass wir die Änderungsvorschläge des Schlichters ernsthaft prüfen und umsetzen wollen. Das heißt insbesondere, dass wir die Bahn auffordern, den Stresstest durchzuführen – was sie aber ohne hin tut; da bedarf es unserer Aufforderung nicht mehr. Ich fin de nur, die Reihenfolge sollte lauten: den Stresstest durchfüh
ren, um dann zu wissen, ob das Notwendige erreicht wird, ob wir eine Erweiterung der bekannten Optionen brauchen oder nicht. Wenn dies klar ist, stellt sich die Frage, was es kostet. Falls dann klar ist, dass es mehr kostet, setzen wir uns zusam men. Das ist die saubere Reihenfolge, wie man verantwort lich mit diesem Schlichterspruch umgeht.
Zweiter Punkt des Siebenpunkteprogramms: Wir wollen ein Dialogforum zum Projekt Stuttgart 21 einrichten, weil wir wollen, dass die sachliche Diskussion, die wir geführt haben, fortgeführt werden kann – während der Bauzeit, in Begleitung all dieser vielen Fragen, die während der Bauzeit auftreten –, aber auch, weil wir im Gespräch bleiben wollen über Fragen, die möglicherweise auftauchen, die Sie noch nicht kennen und die wir noch nicht kennen.
Drittens: Wir werden eine Initiative für eine bessere Öffent lichkeitsbeteiligung im Planungsrecht starten.
Viertens: Wir werden die Einrichtung einer Enquetekommis sion „Moderne repräsentative Demokratie in Baden-Württem berg“ anregen, und zwar ganz bewusst eine Enquetekommis sion, bei der man unabhängig von einer Frage wie Stuttgart 21 diskutieren kann, was für etwas spricht und was dagegen spricht, welche Erfahrungen wer macht usw. Dies bietet Ge legenheit, sich im parlamentarischen Bereich sauber mit der Frage zu beschäftigen, was das eigentlich bedeutet. Das hal te ich für wichtig und notwendig.
Fünftens: Wir werden einen Forschungsschwerpunkt „Bür gerbeteiligung und Akzeptanz öffentlicher Großprojekte“ schaffen, weil in der Zukunft – Herr Rülke hat darauf hinge wiesen – viele Infrastrukturentscheidungen in diesem Land – das gilt für Baden-Württemberg wie für die Bundesrepublik – zu treffen sind, die auf Akzeptanz stoßen müssen. Aber ge rade Sie haben dort einen großen Pferdefuß: Wer den Ausbau der erneuerbaren Energien will, der muss auch für große Stromleitungen sein. Das bedeutet manches an Herausforde rung, auch vor Ort, auch in Ortsverbänden; man kann dort nicht dagegen sein.
Sechstens: Wir wollen in der Region Stuttgart eine Modellre gion für nachhaltige Mobilität schaffen.
Der siebte Punkt ist die Bürgerbeteiligung für das Rosenstein quartier – dies ist für die Stuttgarter unglaublich wichtig – ein schließlich der Einrichtung einer Stiftung für die frei werden den Grundstücke, um Spekulationen zu vermeiden. Gerade zu diesem Punkt hat die Landesregierung den Oberbürgermeis ter der Stadt Stuttgart angeschrieben. Der Ministerpräsident hat ihn angeschrieben und gebeten, alsbald Vorschläge für ei ne solche Stiftung zu unterbreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen ste hen mit großer Mehrheit hinter dem Schlichter Heiner Geiß ler, und sie stehen hinter dessen Schlichterspruch. 68 % der Baden-Württemberger bewerten den Schlichterspruch posi