Ich glaube, die Fachkräftelücke, die wir in den nächsten Jah ren bekommen, werden wir nur dann schließen, wenn wir die Ressourcen, die wir in diesem Bereich einsetzen, optimal nut zen. Im Übergangssystem Baden-Württembergs geben wir – wir haben es einmal überschlägig berechnet – jährlich 280 Millionen € aus. Gemessen am gesamten Landesetat – wir be raten ja über den Nachtragshaushalt – sind 280 Millionen € ein Wort.
Wir diskutieren über entsprechende Modelle, die Sie einge bracht haben, über die Frage, wie man hier Einsparungen vor nehmen kann. Ich sage Ihnen eines: Wenn wir an den Über gängen, die nicht funktionieren, qualifizierte Ausbildungsbau steine schaffen, die auch anrechenbar sind und auf die Aus bildung angerechnet werden müssen, auch hier als politische Forderung – Frau Berroth schüttelt schon wieder den Kopf –,
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der Traum von der Verschulung der Ausbildung! Das geht mit uns nicht!)
dann würden wir den Landeshaushalt nicht nur um 280 Mil lionen € jährlich entlasten, sondern wir würden den jungen Leuten auch eine echte Perspektive geben.
Deswegen müssen wir – das sehen wir positiv – die vollzeit schulischen Ausbildungsgänge unbedingt auch durchgängig zu Ganztagsschulangeboten mit individueller Förderung aus bauen. Aber wir müssen auch darauf achten, dass hier wirk lich berufliche Qualifizierungen, die anerkannt werden, ge schaffen werden.
Frau Berroth, ich muss Ihnen sagen: Den Akzent, den die FDP/DVP in der letzten Woche gesetzt hat – – Die „Bild“Zeitung hat getitelt:
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Schauen Sie ein mal die Originalpressemeldung an! Dann wissen Sie, dass das eine Zeitungsente ist! Quatsch!)
Bis zum Jahr 2030 brauchen wir 500 000 qualifizierte Fach kräfte, und Sie kommen mit einem solchen Vorschlag. Die dpa hat getitelt:
(Beifall bei den Grünen – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das war auch nicht der Inhalt dieser Pres semeldung!)
Wir brauchen eine Systematisierung der Übergänge mit An erkennung und ein Recht auf Berufsausbildung. Herr Bayer hat dies bereits gefordert. Wir haben die Schulpflicht bis 18. Deren Einführung war richtig und gut. Wir müssen aber den jungen Menschen in der heutigen Zeit, in der der Übergang in eine berufliche Ausbildung nicht mehr funktioniert, auch ein echtes Angebot bieten und sagen: Jeder hat ein Recht auf ei ne berufliche Ausbildung. Das muss eigentlich dahinterste hen. Das müssen wir realisieren und umsetzen. Dazu bedarf es Maßnahmen, und dazu muss die gute Berufsschulausbil dung, die wir an unseren beruflichen Schulen haben, auch wirklich anerkannt und angerechnet werden. Das ist einer der wichtigsten Punkte.
Wir brauchen aber auch die Übergänge von den allgemeinbil denden Schulen in die Berufsausbildung. Der Handwerkskam mertag hat gesagt: „Es fehlt die Ausbildungsreife.“ Das sind Aussagen, die wahr sind – vielleicht nicht ganz so wahr, wie es der Handwerkskammertag immer sagt. Das Handwerk und die Ausbildungsbetriebe haben natürlich auch eine Verantwor tung, auszubilden. Als ich in eine Berufsausbildung gegangen bin, hat der Ausbilder zu mir gesagt, es sei auch mit seine Auf gabe, mich auszubilden und zu formen. Das ist heute in vie len Betrieben nicht mehr so, muss man leider feststellen. Aber wir können das nicht einfach ignorieren. Wir müssen die Be rufsorientierung und die Berufsvorbereitung in den allgemein bildenden Schulen stärken.
Auch die Jugendberufshilfe muss schon früher ansetzen. Da von sind wir fest überzeugt. Sie muss schon in den allgemein bildenden Schulen ansetzen. Die Kompetenzprofilanalyse muss generell auch in Haupt-, Werkreal- und Realschulen vor genommen werden – ab dem siebten Schuljahr –
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Heide rose Berroth FDP/DVP: Aber dann brauchen Sie kei ne Übergangssysteme mehr!)
Vielmehr muss man von allgemeinbildenden Schulen – so, wie es in den Sechzigerjahren üblich war – wieder direkt in eine berufliche Qualifizierung gehen. Das muss das politische Ziel sein. Wir werden auch dafür kämpfen, dass das möglich wird.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Heide rose Berroth FDP/DVP: Warum schwätzen Sie dann dauernd von der Verschulung?)
Um die Abbrecherquote zu reduzieren, brauchen wir regiona le Netzwerke. Es bedarf einer Vernetzung dessen, was heute unkoordiniert ist und eben nicht funktioniert.
Wichtig ist auch noch, dass wir die beruflichen Schulen dazu befähigen. Strukturelle Unterrichtsdefizite müssen abgebaut werden. Da waren wir uns einig. Aber über die Frage, wie das geschehen soll, waren wir uns nicht ganz einig. Ich muss Ih nen sagen: Das Vorgriffsstundenmodell ist für die beruflichen Schulen, vor allem im Hinblick auf die Gewinnung von Lehr kräften in Mangelfächern, eine Katastrophe.
Wenn Sie den jungen Lehrern, die in eine Berufsschule gehen und die schwierigen Verhältnisse auf sich nehmen, jetzt sa gen: „Du musst noch eine Stunde mehr unterrichten“, dann weiß ich nicht, ob das ein Anreizprogramm für Quereinstei ger in den beruflichen Schulen ist. Ich glaube, das wird nicht funktionieren.
Wir brauchen natürlich, um die Durchlässigkeit zu schaffen, einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einem beruflichen Gymnasium. Das ist unser politisches Ziel. Da wollen wir hin kommen. Sie gehen da einen Schritt mit. Ich denke, dass die Grundrichtung stimmt. Wir würden es gern schneller machen.
Auch brauchen wir die Schulsozialarbeit, genauso wie eine individuelle Förderung und Unterstützungssysteme an den be ruflichen Schulen.
Einen Punkt möchte ich noch zur Weiterbildung sagen. Herr Bayer hat schon viel zur allgemeinen Weiterbildung ausge führt, was ich voll unterschreiben kann. Ein Punkt ist uns aber noch ganz wichtig gewesen, nämlich dass die präventive Tä tigkeit der Agentur für Arbeit in Zukunft gestärkt wird. Ich bin dankbar dafür, dass wir in diesem Punkt gemeinsam die Handlungsempfehlung getroffen haben, dass sich die Agen tur für Arbeit verändern muss, dass Prävention als zentrales Element beinhaltet sein muss und dass aus der Arbeitslosen versicherung eine Beschäftigungsversicherung wird, wodurch wirklich Erwerbslosigkeit und Dequalifizierung verhindert werden.
Wir möchten dafür wer ben, dass wir hier in Baden-Württemberg in der nächsten Le gislaturperiode gemeinsam vorangehen.
Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Junge Menschen im Blick, die Praxis und viele Ideen im Gepäck und vor uns eine große Zahl mög licher Pfade – so sind wir vor einem Jahr mit einem gemein samen Ziel losmarschiert, nämlich dem drohenden Fachkräf temangel wirkungsvoll zu begegnen. Ein Fachkräftemangel droht nicht erst in 20 Jahren, sondern es gibt ihn schon heute. Gerade heute habe ich vom BWHT eine Umfrage vom IAB erhalten, aus der schon deutlich hervorgeht, dass sich Hand werksbetriebe sehr viel schwerer bei der Fachkräftebeschaf fung tun.
Einigkeit bestand über alle Fraktionen hinweg, dass es gilt, alle Potenziale der hier lebenden Menschen auszuschöpfen. Wir dürfen niemanden zurücklassen. Allerdings zeigten sich in der Prioritätensetzung innerhalb der Beratungen schon Un terschiede. Ich muss ganz ehrlich sagen, mir wurde da etwas zu oft von Schulen gesprochen und davon, wie man auch wei terhin die beruflichen Schulen auslastet, woraufhin dann sehr viel von vollschulischer Ausbildung und Ähnlichem die Re de war.
Wir Liberalen haben den Schwerpunkt vor allem auf die Pra xis gesetzt, und zwar sowohl bei der Benennung unserer ex ternen Mitglieder der Enquetekommission – Herr Dr. Ruf ist im Personalbereich von ZF tätig, und Herr Vollmer ist Lan desinnungsmeister der Konditoren – als auch bei der Benen nung der anzuhörenden Sachverständigen. Einen Schwerpunkt bildet für uns das duale Ausbildungssystem, das vor vielen Herausforderungen steht, mit einer Vielzahl an Berufsbildern, die nicht bekannt oder auch einfach nicht beliebt sind. Es gibt nach wie vor ein Berufswahlverhalten, bei dem sich die Wunschberufe auf 10 % der insgesamt möglichen Ausbil dungsberufe beschränken, und zwar bei Mädchen wie bei Jun gen; allerdings haben sie sehr unterschiedliche Traumberufe. Auch das ist ein Thema, dem wir uns in der Enquetekommis sion gestellt haben und dem wir auch begegnen müssen.
Fazit: eine Vielzahl unbesetzter Ausbildungsplätze auf der ei nen Seite und zu viele abgelehnte Bewerber auf der anderen Seite, die eben nicht ihren Traumjob erlernen können, weil der Bewerberandrang dort zu groß ist. Rein rechnerisch ha ben wir schon einen Ausgleich, den wir allerdings faktisch noch richtig zustande bringen müssen. Auch der demografi sche Wandel wirft seine Schatten voraus, denn durch den Rückgang der Schülerzahlen werden auch weniger Jugendli che auf den Ausbildungsmarkt kommen.
Die Betriebe müssen also ihre Anstrengungen erhöhen, um geeignete Bewerber für eine Ausbildung zu gewinnen. Sie müssen die duale Ausbildung attraktiver machen. Jede Ju gendliche und jeder Jugendliche sollte dann auch die Ausbil dung beginnen können, die am besten zu ihr bzw. zu ihm passt.
Vielleicht muss man auch mehr hervorheben, was es beim du alen System zu gewinnen gilt. Hierzu eine aktuelle Meldung: Beim 59. Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks sind 41 Medaillen nach Baden-Württemberg gegangen. Wir stehen also durchaus gut da.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das war wegen des Handwerks und nicht wegen der Landesregierung! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
Ein Weiteres ist im Laufe der Anhörungen deutlich geworden: Ausbildungsreife kann nicht erst die Aufgabe der beruflichen Schulen sein, sondern Ausbildungsreife muss von klein auf erworben werden. Aber da sind wir an vielen Stellen schon gut unterwegs.
Mittelfristig brauchen wir den bedarfsgerechten Ausbau voll schulischer Ausbildung als Pufferfunktion. Aber wir wollen das an den Bedarf der regionalen Wirtschaft binden.