Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Herr Sckerl hat nicht mitgestimmt!)

Ich lasse über Ziffer 5 abstimmen. Wer Ziffer 5 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Ziffer 5 ist bei einigen Gegenstimmen mehrheitlich zugestimmt.

Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 11 der Tagesord nung erledigt.

Erklärung zu Protokoll:

Über die Landesver fassung von Baden-Württemberg ist heute bereits viel gespro chen worden. Lassen Sie mich hieran anknüpfen. Ich zitiere die Verfassung:

Das Land Baden-Württemberg ist ein republikanischer, demokratischer und sozialer Rechtsstaat.

Baden-Württemberg ist ein Rechtsstaat. Wesen eines Rechts staats ist, dass Streitigkeiten nicht mit Gewalt und durch Waf fen, sondern friedlich in einem fairen Verfahren durch unab hängige Richter oder Schlichter entschieden werden. Die Herrschaft des Rechts, angelsächsisch die „Rule of Law“, ist es, die nicht erst seit der Magna Carta, sondern seit Beginn der bekannten Geschichtsschreibung in Hochkulturen für die friedliche Beilegung von Konflikten sorgt.

Diese Herrschaft des Rechts lebt davon, dass sich die Streit parteien in einem fairen und gerechten Verfahren dem Spruch der Richter oder der Schlichter unterwerfen. Wer den letztins tanzlichen Spruch eines Gerichts, das Ergebnis einer freiwil ligen Schlichtung nicht akzeptiert, stellt die Grundfeste des Rechtsstaats selbst infrage.

Baden-Württemberg ist eine Demokratie. Ich darf erneut un sere Verfassung zitieren:

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Vol ke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Or gane der Gesetzgebung,... ausgeübt.

Unsere Verfassung stellt damit klar, dass Entscheidungen, die nicht durch eine Volksabstimmung getroffen werden, vom Parlament getroffen werden. Und eine Demokratie lebt davon, dass Entscheidungen der Parlamentsmehrheit gelten.

Über das Bahnprojekt der europäischen Magistrale Paris–Bra tislava mit dem Teilstück Stuttgart 21 haben das Europäische Parlament, der Deutsche Bundestag, der Landtag von BadenWürttemberg und der Gemeinderat der Stadt Stuttgart unzäh lige Male abgestimmt. Immer haben sich klare Mehrheiten f ü r dieses Projekt gefunden. Dennoch sind die Grünen da gegen. Sie sind dagegen mit der Begründung, das Volk wolle etwas anderes. Das Volk hat aber in unzähligen Wahlen die jenigen gewählt, von denen es wusste, dass sie f ü r dieses Bahnprojekt sind. Wer dies nicht respektiert, ist nicht nur ge gen ein Bahnprojekt, sondern auch gegen die Grundregel der Demokratie, dass Mehrheitsentscheidungen gelten.

Gegen diese Entscheidungen gab es zahlreiche Klagen vor un abhängigen Gerichten. Alle Gerichte haben immer wieder be stätigt, dass das geplante Projekt rechtens ist. Dennoch sind die Grünen dagegen. Wer dagegen ist, dass unabhängige Ge richte nach Verfassung und Gesetz entscheiden, ist nicht nur gegen ein Bahnprojekt. Er stellt den Grundgedanken des Rechtsstaats selbst infrage. Aber damit nicht genug.

Um diesen Konflikt zu entschärfen, also dem Grundgedanken des Rechtsstaats, der friedlichen Streitbeilegung Rechnung zu tragen, haben sich Befürworter und Gegner des Projekts auf eine Schlichtung geeinigt. Den Schlichter haben die Grünen vorgeschlagen. Unsere Fraktion hat es sich nicht leicht ge macht mit der Entscheidung, diesen Vorschlag zu akzeptieren. Grundsatz jeder Schlichtung ist eigentlich, dass beide Seiten unabhängige Personen benennen, die sich wiederum auf ei nen Schlichter einigen. Es ist sehr ungewöhnlich, dass die ei ne Seite den von der anderen Seite vorgeschlagenen Schlich ter akzeptiert. Aber wir haben es getan.

Dann hat dieser Schlichter, Herr Bundesminister a. D. Dr. Hei ner Geißler, nach einem langen und ausführlichen, sehr sach lichen und transparenten Dialog mit beiden Seiten seine Ent scheidung gefällt. Der von den Grünen vorgeschlagene Schlichter Heiner Geißler hat entschieden, dass Stuttgart 21 mit Verbesserungen gebaut wird. Und wir akzeptieren diesen Schlichterspruch in allen seinen Einzelheiten, wie sich dies in einem Rechtsstaat gehört. Frieden schaffen ohne Waffen und ohne Gewalt geht nur, wenn man die dafür vorgesehenen Me chanismen akzeptiert. Wir tun dies. Nur die Grünen sind wei ter dagegen. Damit stellen sie den Grundgedanken der fried lichen Streitbeilegung infrage.

Dann der letzte Punkt: Was wäre das Ergebnis einer Volksab stimmung? In der Sache will ich dies gar nicht sagen. Darü ber hätte ja das Volk zu entscheiden. Aber ich will Ihnen ein Beispiel aus Reutlingen nennen. Dort hatten sich Oberbürger meisterin und Gemeinderat auf den Bau einer neuen Stadthal le geeinigt. Dann gab es eine Volksabstimmung. Das Volk hat

abgestimmt. Und das Volk hat f ü r diese Stadthalle ge stimmt. Das hindert die Grünen aber nicht daran, weiter da gegen zu sein. Was also brächte eine Volksabstimmung, wenn wir schon heute wissen, dass die Befürworter bei einem Un terliegen die Entscheidung akzeptieren würden, nicht aber die Gegner? Ich sage Ihnen das ganz klar: Grundlage jedes fai ren, demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen auch akzeptiert werden.

Wer Frieden ohne Gewalt schaffen will, muss die dafür vor gesehenen rechtsstaatlichen Verfahren akzeptieren. Wenn das Volk entschieden hat, hat es entschieden! Wenn ein Schlich ter entschieden hat, hat er entschieden! Wenn ein Gericht ent schieden hat, hat es entschieden! Und wenn ein Parlament ent schieden hat, hat es entschieden! Wer dann immer dagegen ist, kann ja gern dagegen sein, muss sich aber zu Recht vor halten lassen, dass er nicht bereit ist, die Mechanismen der friedlichen Streitbeilegung zu akzeptieren.

In der Sache ist bereits seit Langem alles gesagt. Die Frage, ob der neue Bahnhof und die Schnellfahrstrecke gebaut wer den, hängt doch schon längst nicht mehr davon ab, ob irgend eine Weiche, irgendein Signal oder irgendein Tunnelstück per fekt geplant ist. Unsere Fraktion vertraut der Kompetenz der Ingenieure, die die Planungen gemacht haben. Wir sind ge spannt auf das Ergebnis des Stresstests und sind selbstver ständlich offen für Verbesserungen.

An den Eckpunkten des Konzepts hat sich aber seit Jahren nichts geändert. Eine Schnellfahrstrecke macht die Bahn at traktiver, wird Verkehr von der Straße und der Luft auf die

Schiene verlagern und damit dem Klimawandel entgegenwir ken.

Eine Streckenführung in Tunnels und entlang der Autobahn entlastet Hunderttausende Menschen vom Bahnlärm. Ebenso wirken Streckenführungen in Tunnels dem Flächenverbrauch entgegen. Die Wirtschaftsregionen Karlsruhe, Ulm und Stutt gart werden in Ost-West-Richtung an das europäische Hoch geschwindigkeitsnetz angeschlossen.

Wir Liberalen freuen uns auf den Tag, an dem wir oberhalb des neuen Bahnhofs zwischen den Lichtaugen in einem Stra ßencafé sitzen werden. Wir Liberalen freuen uns darauf, an der Stelle, an der bis heute auf Gleis 6 eine besonders hässli che Ölspur die uralten Schwellen durchtränkt hat, frei von Bahnlärm auf einem schön gestalteten Platz unseren Cappuc cino zu trinken. Und wir freuen uns darauf, mitten im Zent rum der wirtschaftsstärksten Region Deutschlands ganz ent spannt den Blick auf ein neues Einkaufsviertel, den histori schen Bonatzbau, die bewaldeten Hügel im Stuttgarter Osten und den Weinberg der Industrie- und Handelskammer zu ge nießen.

Vielen Dank.

Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Die nächste Sitzung findet morgen, Donnerstag, 3. Februar, um 9:30 Uhr statt.

Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.

Schluss: 19:22 Uhr