Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

Das, meine Damen und Herren, war die richtige Entscheidung. Denn so, wie Sie das ursprünglich vorhatten, geht man mit den Bediensteten unseres Landes, mit den Beamtinnen und Beamten, nicht um.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Eugen Schlachter GRÜNE)

Schade ist nur, dass eine solche Einsicht bei Ihnen erst dann reift, wenn die SPD und der Beamtenbund Druck machen und es von Ihnen fordern. Offensichtlich wissen Sie erst dann, was für das Land richtig ist. Wir können nun gespannt sein, ob der eingestellte Einsparbetrag mit dem freiwilligen Modell tat sächlich zustande kommt. Denn an dem Einsparpotenzial ha ben Sie nichts geändert. Das heißt: Sie hätten das Ganze von Anfang an auf freiwilliger Basis vorsehen können, wenn Sie der Überzeugung sind, dass dieser Betrag tatsächlich zustan de kommt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es!)

Es steht nicht im Haushalt – das muss als kritischer Punkt an gemerkt werden –, dass ein solches Vorgriffsstundenmodell natürlich auch eine indirekte Verschuldung darstellt. Denn wir verschulden uns quasi bei unseren Beamtinnen und Beamten, indem wir sie vorab Leistungen erbringen lassen, die später von uns nicht mehr eingefordert werden können. Dies trägt nicht zur Haushaltstransparenz bei. Denn diese Lasten tragen zukünftige Generationen.

Ich möchte eine zweite richtige Weichenstellung in diesem Nachtrag herausgreifen: das Aufstocken der Mittel für den Er halt der Landesstraßen. Aber auch bei diesem Punkt war es wieder so, dass erst der Druck der SPD – in diesem Fall in Zu sammenarbeit mit dem ACE – notwendig war, bis Sie einge lenkt haben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ruck, zuck, nachdem die SPD die schlechteste Landesstraße im Land gesucht und „gekürt“ hatte, wurden noch schnell Trupps über das Land geschickt, um die gröbsten Schlaglö cher zu schließen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Es war Winter! Selbst im Unterland war Winter! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Anschließend hat man die Mittel im Landeshaushalt dafür ruck, zuck erhöht.

Ich frage mich, warum Sie unsere Anträge auf Aufstockung der Mittel für den Landesstraßenbau die ganze Zeit abgelehnt haben,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! Genau!)

wenn Sie jetzt der Überzeugung sind, dass diese Maßnahmen so wichtig sind.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Eugen Schlachter GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mehrzahl unserer Lan desstraßen befindet sich nach eigenen Angaben der Landes regierung in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. Aber die Landesstraßen stellen für uns auch ein enormes Vermögen des Landes dar. Wenn man dieses Vermögen über Jahrzehnte hinweg verlottern lässt, so wie Sie das getan haben, vernich tet man Landesvermögen und erhöht deswegen ebenfalls die indirekte Verschuldung.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Die SPD hat das Geld vor zehn Jahren abgezogen! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: So ein Quatsch! Keine Ahnung!)

Es ist ehrlicher und für die Bürger im Übrigen auch sicherer, wenn man die Landesstraßen kontinuierlich und gleichmäßig saniert, damit das Vermögen des Landes gesichert wird. Die ses Vorgehen ist ehrlicher, auch wenn dafür die Aufnahme von Schulden notwendig ist. Denn dann sind die Schulden tatsäch lich im Landeshaushalt ausgewiesen und bestehen nicht in Form von Landesstraßen, die in schlechtem Zustand sind – überall zu besichtigen.

Gleiches gilt selbstverständlich – auch dort fehlt uns noch der entscheidende Impuls – für den Sanierungsstau bei den über 8 000 Landesgebäuden. Allein im Hochschulbereich besteht ein Sanierungsstau mit einem Volumen von 4 Milliarden €. Auch dies ist eine indirekte Verschuldung, die nicht im Lan deshaushalt ausgewiesen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: Genau!)

Lassen Sie mich einen dritten Punkt herausgreifen: die Auf stockung der Zahl der Stellen in unserer Finanzverwaltung. Ich bin sehr froh, dass sich der Finanzausschuss dazu durch gerungen hat, einer solchen Aufstockung, einer solchen Ver besserung in diesem Bereich zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Eu gen Schlachter GRÜNE – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

100 zusätzliche Stellen sowie 100 zusätzliche Anwärterstel len sind zwar nach wie vor nur ein Tropfen auf den heißen Stein und nur ein Bruchteil dessen, was in den letzten Jahren von CDU und FDP/DVP in der Finanzverwaltung an Stellen abgebaut wurde, aber es ist zumindest ein richtiger Anfang.

Jeder Betriebsprüfer im Land – ich erinnere daran – bringt das 7,4-Fache dessen an Steuern wieder herein, was seine Stelle an Kosten verursacht. Es geht dabei nicht nur um die Einnah men des Landes, sondern auch um die Einnahmen der Kom munen, die ebenfalls davon profitieren.

(Abg. Walter Heiler SPD: Genau!)

Es geht auch um Steuergerechtigkeit. Diese Mehreinahmen gehen nicht auf Steuererhöhungen zurück. Es geht vielmehr um Steuern, die bislang aufgrund mangelnder Personalaus

stattung und daher mangelnder Prüfung nicht eingetrieben werden, obwohl sie dem Staat zustehen. Es kann nicht im In teresse des Staates und auch nicht im Interesse des einzelnen Steuerzahlers sein, dass die Steuern nicht gerecht eingetrie ben werden. Dies führt nämlich dazu, dass sich derjenige, der clever ist, der es sich leisten kann, einen guten Steuerberater zu engagieren, um die Steuerpflicht herummogeln kann, wäh rend derjenige, der ehrlich seine Steuern zahlt, der Dumme ist. Das wollen wir nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Aufstockung um 100 Anwärterstellen, die Ihnen der Finanzausschuss empfiehlt, ist notwendig. Der demografische Aufbau in der Steuerverwaltung spricht für sich und zeigt sehr unbarmherzig, dass wir in wenigen Jahren einer enormen Wel le an Pensionierungen entgegengehen. Wir werden es nicht schaffen, in der Zeit, in der diese Pensionierungen stattfinden, dieses Personal kurzfristig zu ersetzen. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt einen Korridor schaffen, um das Personal, das wir später brauchen, jetzt ausbilden zu können.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Eugen Schlachter GRÜNE)

Eine Anmerkung noch zu dem Änderungsantrag, mit dem CDU und FDP/DVP eine Verschiebung des Vollzugs von k.w.Vermerken begehren. Wir werden dem Änderungsantrag zu stimmen, auch wenn die Problematik mit einer Annahme die ses Begehrens nur verschoben wird. Wir werden uns in den betreffenden Jahren wieder mit dem Ganzen beschäftigen müssen. Wir sagen ganz klar, dass wir das Personal, das auf grund der demografischen Entwicklung der Schülerschaft frei wird, in die Qualitätsverbesserung, in den Ausbau der Ganz tagsschulen stecken wollen und nicht die Lehrerstellen strei chen möchten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, da wir in dieser Legislaturperiode – jetzt, an deren Ende – zum letzten Mal über den Haushalt reden, möchte ich ein Fazit zur Haushaltspolitik ziehen: Fakt ist, dass wir im Durchschnitt der letzten zehn Jahre jährlich etwa 1 Milliarde € an neuen Schulden aufgenommen haben und jetzt inklusive der Schatten- und Nebenhaushalte auf die 50-Milliarden-€-Grenze zusteuern.

Sie, Herr Groh, haben gerade gesagt, der Haushalt zeige, dass der Sparwille da sei und dass – wie haben Sie es gesagt? – die CDU vor Wahlen nicht mit Geschenken über das Land ziehe. Ungeachtet dessen, dass da viel Richtiges dabei ist, möchte ich sagen: Sie verteilen kurz vor der Wahl doch eine ganze Menge Geschenke. Bei Ihrem Geschenkportfolio, das Sie heu te vorlegen, wäre ich vorsichtig, mit dem Finger auf andere Bundesländer zu zeigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wir zahlen es wenigstens selbst!)

Die finanzielle Situation wird nicht besser, liebe Kolleginnen und Kollegen. In der mittelfristigen Finanzplanung werden weitere Deckungslücken in Milliardenhöhe ausgewiesen. Man kann sagen: Relativ betrachtet, im Vergleich zu anderen Bun desländern, stehen wir, was die Kreditmarktschulden angeht, noch – so möchte ich sagen – befriedigend da. Man kann aber

beim besten Willen nicht sagen, der Haushalt sei solide finan ziert.

Man kann dies schon deshalb nicht, weil wir die Pensionspro blematik nicht einmal ansatzweise gelöst haben. Sie hängt wie ein Damoklesschwert über dem Haushalt. Wir wissen todsi cher, dass uns diese Problematik treffen wird. Wir wissen schon jetzt, in welcher Höhe sie uns treffen wird. Aber die Landesregierung hat für dieses Problem bisher keine Lösung – nicht einmal ansatzweise – vorgelegt.

(Zuruf des Abg. Manfred Groh CDU)

Dieses Problem wird uns in Zukunft noch stärker als der Län derfinanzausgleich und andere Themen, die Sie angesprochen haben, die Luft im Haushalt abschnüren. Dies wird unseren Gestaltungsspielraum im Haushalt einschränken. Die kleine Pensionsrücklage, die jetzt gebildet wurde, würde wohl ein Vierteljahr reichen, um den Pensionsverpflichtungen nachzu kommen. Mehr ist es nicht; das ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese Problematik, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird uns in Zukunft beschäftigen.

Deshalb werden wir uns gleich zu Beginn der nächsten Legis laturperiode mit diesen Pensionsverpflichtungen beschäftigen müssen. Wenn wir sie nämlich mit in die Verschuldung ein beziehen, das heißt, wenn wir ehrlich sind, was unsere zukünf tigen Verpflichtungen, unsere zukünftigen Haushalte angeht, dann sind wir auf einmal nicht mehr auf Platz 3, was die Ver schuldung betrifft, sondern auf dem viertletzten Platz, auf dem letzten Platz der Flächenländer. Das war die Botschaft, die uns Herr Stratthaus in seiner letzten Rede als Finanzminister hier im Landtag mitgegeben hat. Wir müssen dieses Problem lö sen. Baden-Württemberg ist hinsichtlich der Verschuldung nicht so gut, wie es uns von der Landesregierung immer vor gemacht wird.

Wer auch immer in der nächsten Regierung Finanzminister sein mag – er oder sie hat keinen einfachen Job, diesen Haus halt auf die richtige Spur zu bringen und die Lasten, die die se Haushalte beinhalten und die in fast 60 Jahren angehäuft wurden, zu beseitigen.

Wir müssen auf jeden Fall versuchen, eine solide und ehrli che Finanzierung hinzubekommen. Wenn wir das nicht schaf fen, wenn wir uns diesen Haushalt weiter schönmalen, wie dies von der Landesregierung immer wieder gemacht wird, dann wird Baden-Württemberg in kürzester Zeit nicht mehr das angeblich reichste Bundesland, sondern eines der ärms ten Bundesländer sein. Der Gestaltungsspielraum dieses Land tags wird gleich null sein.

Deshalb möchte ich meine Aufforderung wiederholen – der Herr Finanzminister hat dies bei seiner letzten Rede zum Haushalt ins Lächerliche gezogen –: Ich finde es richtig, wenn wir uns im neuen Landtag in einer Enquetekommission damit beschäftigen, wie wir die Haushaltsprobleme in Zukunft lö sen; denn die Landesregierung allein schafft es offensichtlich nicht, sie zu lösen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schlachter.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung ist in diesen Dritten Nachtrag mit dem Versprechen eingestiegen, die immer wieder versprochenen strukturellen Einsparvor schläge vorzulegen. Aber seit Herr Mappus im Amt ist, hören wir von ihm eigentlich nur, wo er nicht sparen will. Dann wur de angekündigt: Mit diesem Dritten Nachtrag sagen wir vor der Wahl, wo wir einsparen wollen. In den Medien wurde dann ein Sparpaket mit 500 Millionen € gemeldet. Das war vom Etikett her schon einmal recht ordentlich; denn es machte im merhin ein Drittel dessen aus, was wir strukturell einsparen müssen. Das ist also schon ein kraftvolles Wort.

Auch vom Finanzminister ist bei all seinen Festvorträgen draußen im Land immer wieder mit klaren Worten betont wor den, dass man strukturell einsparen müsse: „Wir bräuchten rund 1,5 Milliarden €, und jetzt bekommen wir immerhin 500 Millionen € hin.“ Das war, fand ich zunächst, doch ein Wort; das Etikett war schon einmal nett.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wenn man aber nun den Inhalt des Pakets anschaute, kam Ent täuschung auf. Da war zunächst einmal das Vorgriffsstunden modell. Das ist nichts anderes als eine zinslose Kreditierung bei den Mitarbeitern des Landes;

(Abg. Ingo Rust SPD: Schulden! Verschuldung ist das!)

es ist nichts anderes, als bei den Mitarbeitern Schulden auf zunehmen. Dann haben Sie pauschal Personalstellen einge spart und sind hier wie üblich mit globalen Minderausgaben, also dem alten, rostigen Rasenmäher, über den Haushalt ge fahren. Außerdem holen Sie noch 30 Millionen € von der För derbank des Landes. Zwischenfazit: Das Etikett ist gut, aber der Inhalt ist schwach.